HÖHER GEHT`S NICHT

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Frühstück mit Blick auf
die Dolomiten.
HÖHER
GEHT’S NICHT
GISELA UND HEINRICH SCHNEIDER PFLEGEN IM AUENER HOF IM
SARNTAL AUF 1622 METERN EINE PERFEKTE GASTFREUNDSCHAFT
UND EINE AUSSERGEWÖHNLICHE STERNEKÜCHE.
Text: Petra Pintscher
Fotos: Marco Santini
Wer am großen Nussbaumtisch, dem Chef’s Table,
sitzt, hat den besten Ausblick. Ja, gewiss, auch auf
das unglaubliche Dolomitenmassiv. Noch faszinierender als der Sonnenuntergang hinter Rosengarten
und Latemar aber ist der Blick auf das Küchenballett,
das hinter der großen Glasscheibe scheinbar lautund schwerelos zwischen Herden, Arbeitsplatten und
Kühlschränken tanzt.
Hochkonzentriert bei
der Arbeit: Sternekoch
Heinrich Schneider.
Jeder Griff sitzt, und man sieht und spürt die Harmonie
im Team. Und die geht vom Chef aus. Von Heinrich
Schneider, der sich in der gläsernen Küche gerne auf
die Finger schauen lässt. Nicht, dass er wenig verlangen würde von seiner Mannschaft. Ganz sicher nicht,
gilt es doch auf 1622 Metern im höchstgelegenen
Sternelokal Italiens, dem Auener Hof im Sarntal
(Südtirol), den Michelin-Stern mindestens zu verteidigen, wenn nicht noch mehr. Aber der Präzisionsarbeiter
Heinrich Schneider schafft das ganz ohne Lautstärke
und Aufgeregtheit. Der Weg ist ein wenig mühsam,
hinauf und vorbei an der einstigen Sarner Skihütte, die
der Großvater von Heinrich Schneider, Johann Brugger,
1941 baute und damit den Grundstein für die gastronomische Tradition der Familie legte. Aber wer als
anspruchsvoller Genießer schon weiß oder noch ahnt,
was ihn hier erwartet, der nimmt die kurvenreiche
Strecke hoch überm Sarntal gerne auf sich. Wenn die
Zweifel am größten sind, ob man wohl richtig ist, kommt
endlich das erlösende Hinweisschild: Auener Hof 3 km.
Hier wirken seit 1998 die Geschwister Gisela und
Heinrich Schneider. Nach Lehr- und Wanderjahren
kamen sie zurück, um den elterlichen Betrieb zu
übernehmen, der nach dem 2010 begonnenen und vier
Jahre später abgeschlossenen Umbau nicht mehr
wiederzuerkennen ist. Modern und doch gemütlich
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das berühmte Cheval Blanc im Elsass, arbeitete, machte
seine Schwester noch Umwege, unter anderem übers
Hotelmanagement, bevor sich ihr schließlich nach
einem Sommelierkurs eine völlig neue Welt eröffnete
und sie nicht mehr losließ. Sie professionalisierte ihre
neue Leidenschaft, und das Dreamteam war geboren.
Und der Gedanke, mit all dem Wissen und Können
nach den Sternen greifen zu können. Gisela Schneider:
„Rausgehen und wieder zurückkommen, darauf haben
die Eltern Wert gelegt. Aber wenn man hier, an diesem
magischen Ort aufwächst, will man zurückkehren.“
ÜBERSEEWEINE SIND
NICHT UNBEDINGT
EIN THEMA HIER OBEN.
Gisela Schneider in ihrer
Schatzkammer, dem Weinkubus „onethousandwines“.
und absolut stilsicher ist der große Gastraum, das
Restaurant „Terra“, eingerichtet, mit dem Panoramafenster hin zur wundervollen Südtiroler Landschaft.
Dezenter Luxus und naturverbundenes Design ergänzen sich perfekt. Nichts lenkt ab von der großen
Kochkunst, der auf eigens für die Schneiders getöpfertem Künstlergeschirr die Hauptrolle gebührt. Architektonisches Highlight ist der am Abend hellblau erleuchtete Weinkubus „onethousandwines“, der begehbare
Weinkeller, in dem in zwei Kammern bei konstanten
14 und 17 Grad Gisela Schneiders Rotweine lagern.
1000 Flaschen mit Schwerpunkt Südtirol, ganz
dem Credo verpflichtet, regionale Schätze zu heben
und zu bewahren.
„Wir wollten immer anders sein“, sagt Gisela Schneider.
Sowohl sie als auch ihr Bruder sind in jungen Jahren
erst einmal von Zuhause weg, unterstützt von den
Eltern, die ihnen, wie beim Umbau von Hotel und
Restaurant, freie Hand ließen. Während sich Heinrich
Schneider zielstrebig durch Tophäuser, unter anderem
Im Winter, wenn der Auener Hof geschlossen hat,
geht’s dann wieder raus in die Welt. Dann sind die
Geschwister oft gemeinsam unterwegs, um Restaurants
oder Weingüter zu testen. „Es gibt so viel zu entdecken,
hier in Südtirol, aber auch in ganz Europa, wo es viele
junge Winzer gibt, die Neues ausprobieren“, so Gisela
Schneider. Überseeweine sind nicht unbedingt ein
Thema hier oben. „Das passt nicht und ist auch nicht
sinnvoll, schon allein wegen der langen Transportwege,
das wollen wir nicht.“ Unter Weinliebhabern ist es kein
Geheimnis, dass die Sommelière viele unbekannte und
kleinere Weingüter aus der Region auf ihrer Karte hat.
„Viele Gäste sind offen und lassen sich überraschen.
Große Namen dürfen gerne andere anbieten.“ Gelassen
wie ihr Bruder scheint sie mühelos den Spagat zwischen
Familie – die beiden Kinder sind zweieinhalb und acht
Jahre alt – und Topgastronomie zu schaffen.
Er braucht keine riesigen Mengen, denn die Natur zu
plündern, käme ihm nicht in den Sinn. Einiges, wie
Fichtensprossen, konserviert er in Öl, manches Kraut
trocknet er. Natürlich kennt er den besten Platz für
Waldmeister im ganzen Bozener Raum, von den
geheimsten Stellen für schöne Pilze, seinem neuesten
Hobby, ganz zu schweigen. Einen eigenen Garten hat
und braucht er nicht, auch keinen Lieferservice aus
Paris, dafür ausgesuchte Produzenten in der Umgebung, die ihm die Zutaten für seine anspruchsvolle
Naturküche genauso liefern, wie er es sich vorstellt.
Und ganz konkrete Vorstellungen von Qualität, die hat
er – vom Gemüse über das Mehl für die frische Pasta
bis hin zum Fleisch aus der Region.
Was er mit seinen fünf Köchen zaubert, liest sich auf
der Abendkarte ganz unprätentiös und ohne viel
Schnörkel: Beef-Tea vom Sarner Rind, Karottentartar
mit Kresse, Mais und Gewürzcreme oder glaciertes
Sarner Kitz mit Kardamom und aromatischen Kräutern.
Was dem Gast allerdings serviert wird, ist so ausgetüftelt und kreativ, dass man es kaum beschreiben kann.
Besondere Aromen und Texturen, ungewöhnliche
Geschmackskombinationen und ungeahnte Zutaten,
und immer wieder Überraschungen wie ein „Haferschwamm“, der die köstlichste Schokoladencreme
aufsaugt, machen Heinrich Schneiders Menüs zu einer
nicht enden wollenden Entdeckungsreise. Am Ende
des Abends sitzt man überwältigt am Chef’s Table und
Stilsicher und sehr zurückhaltend ist das Interieur.
schaut noch einmal in die, selbstverständlich blitzblanke Küche, und sieht einen zufriedenen Chef.
Entspannt natürlich.
Luxury Gourmet Resort Auener Hof
I-39058 Sarntal/Val Sarentino
Auen 21 Prati
Tel. + 39/0471/62 30 55
www.auenerhof.it
SEINE GANZE
LEIDENSCHAFT GILT
DEN WILDKRÄUTERN.
Heinrich Schneider, der zu Schulzeiten eigentlich
Tierarzt werden wollte, operiert in der gläsernen Küche
mit raffinierten Zutaten und seiner Kochpinzette, die vor
allem beim präzisen Anrichten seiner fragilen Kunstwerke unentbehrlich ist. Seine Leidenschaft gilt den
Wildkräutern. Die Zutaten für seine sehr geerdete, aber
dennoch hochartifizielle und immer überraschende
„Terra Küche“ holt er sich aus den umliegenden Wiesen
und Wäldern. Wilde Kresse und Bärlauch sind im März,
wenn der Winter die oberen Regionen Südtirols noch
fest im Griff hat, die ersten Kräuter, die er findet. Dafür
wandert Heinrich Schneider dann frühmorgens talabwärts, im frühen Sommer dann eher bergaufwärts. Leinkraut und Schafgarbe erntet er bis in den September.
Das Restaurant „Terra“
und der Weinkubus.
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ZUBEREITUNG
Die Zwischenrippenstücke auf einem
Gitter in einem Räucherofen mit
dem Schwarztorf eine Minute bei Glut
aromatisieren und anschließend
vakuumieren. Einen Tag lang im Kühlschrank anziehen lassen.
PRALINEN VOM SELCHKARREE, SAUERKLEE,
UND BERGKRÄUTERASCHE, CRACKER VOM
BIO-HAFER
ZUTATEN FÜR DIE PRALINEN
60 g geputzte Kalbsnuss,
180 g geputztes, rohes Selchkarree,
10 g frisches Eigelb, 16 Sauerkleeblätter, 25 g Trüffelemulsion,
50 g Bergkräuterasche
ZUTATEN FÜR DIE CRACKER
85 g lauwarme Milch, 1 TL Olivenöl,
8 g Hefe, 40 g Bio-Haferschrot,
60 g Mehl, Salz
ZUBEREITUNG
Für die Pralinen beide Fleischsorten fein
hacken oder durch den Fleischwolf
drehen. Mit Eigelb gut verkneten und
16 Pralinen á 20 g formen. Die Pralinen
Den Amaranth in reichlich Salzwasser
weich kochen, das Wasser abschütten
und in einem Tuch das restliche Wasser
ausdrücken. Nun langsam bei geringer
Hitze in einer beschichteten Pfanne
austrocknen bzw. anbraten, bis der
Amaranth mithilfe von etwas Olivenöl
knusprig wird.
in wenig Bergkräuterasche wälzen und
mit der Trüffelemulsion und dem
Sauerklee auf einem Teller anrichten.
Für die Cracker die Milch mit dem Öl
und der Hefe gut verrühren und mit den
restlichen Zutaten schnell glattrühren.
Für das Püree von Sonnenblumenkernen
die Schalotten klein schneiden und mit
dem Sellerie in etwas Öl farblos anschwitzen. Sonnenblumenkerne dazugeben, mit Brühe und etwas Wasser
angießen und mit dem Thymianzweig und
etwas Salz weich kochen, bis die Flüssigkeit fast eingekocht ist. Im Mixer sehr
fein mit der kalten Butter pürieren und
durch ein Sieb streichen.
rippenstücke auf beiden Seiten anbraten,
im Umluftofen bei 210 Grad zwei Minuten
garen und dann bei 70 Grad 45 Minuten
ruhen lassen. Anschließend mit den
Kräutern, der Butter und dem Olivenöl
ringsum knusprig braten und in der Mitte
teilen. Die Fleischstücke nun mit Vogelmiere belegen, mit Olivenöl beträufeln
und mit der Birkenasche leicht bestreuen.
Mit den restlichen Gerichtbestandteilen
anrichten.
Für den Liebstöcklsaft werden die Blätter
mit der Petersilie entsaftet, leicht gesalzen und mit etwas Olivenöl und
Wasser verdünnt. Den Kalbsjus zu einer
sämigen Glace einkochen. Die Zwischen-
Dann mit einer Teigkarte auf eine
Silpat-Matte dünn auftragen und im
Ofen bei 180 Grad ca. acht Minuten
backen. Herausnehmen und in 2x15 cm
große Stäbchen Schneiden. Anschließend
nochmals drei Minuten im Ofen fertig
backen.
ZWISCHENRIPPE VOM
SARNER GRAUVIEHRIND
PÜREE VON SONNENBLUMENKERNEN UND
LIEBSTÖCKLSAFT
ZUTATEN
4 Zwischenrippenstücke à 120 g, Salz,
schwarzer Pfeffer, 1 Handvoll Schwarztorf trocken, gemahlen, etwas Rosmarin
und Thymian+Butter und Olivenöl
zum Anbraten, 30 g Amaranth,
1 EL Olivenöl, 80 g Liebstöcklblätter,
50 g Petersilienblätter, 10 g Vogelmiere,
100 g geschälte Sonnenblumenkerne,
5 kleine Schalotten, 50 g Sellerieknollen
in Würfel, 100 g Gemüsebrühe,
etwas Wasser, 50 g kalte Butter,
1 Thymianzweig, 1 Prise Birkenasche,
100 g Kalbsjus
BIRKENEIS MIT GEWÜRZCREME, GETROCKNETER
MILCHHAUT, KARAMELLPASTE VON SCHWARZEN
BOHNEN UND WALDBLÜTENHONIG
ZUTATEN FÜR DAS EIS
150 ml Sahne, 150 ml Milch,
340 ml Birkenwasser,
50 g Waldblütenhonig, 1 Blatt Gelatine,
30 g Glukosesirup, 70 g Zucker
ZUTATEN FÜR DIE KARAMELLPASTE
VON SCHWARZEN BOHNEN
130 g schwarze Bohnen, 30 g Zucker,
10 g Glukosesirup, 10 Tropfen
Pflaumenkernöl, 20 g Waldblütenhonig
ZUTATEN FÜR DIE GEWÜRZCREME
100 ml Milch, 100 ml Sahne, ¼ Vanilleschotenmark, 1 Sternanis, 1 Prise
Kardamompulver, 1 Thymianzweig,
1 Teelöffel schwarzes Sesampulver,
60 g Eigelb, 30 g Zucker
RESTLICHE ZUTATEN
500 ml Frischmilch, ½ Vanilleschote,
20 g Zucker
durch ein feines Sieb streichen und
abkühlen lassen. Mit Waldblütenhonig
und Pflaumenkernöl abschmecken.
ZUBEREITUNG
Für das Birkeneis alle Zutaten außer
der eingeweichten Gelatine kurz aufkochen, mit Gelatine versetzen und in
der Eismaschine tieffrieren.
Für die Gewürzcreme die Milch und die
Sahne mit den Gewürzen aufkochen und
dann 30 Minuten ziehen lassen. Dann die
Masse abseihen und mit dem Eigelb gut
verquirlen. Zum Schluss in eine Form
2 cm hoch gießen, mit Klarsichtfolie
abdecken und im Dampfofen bei 80 Grad
eine Stunde garen. Erkalten lassen.
Für die Karamellpaste die Bohnen drei
Tage in reichlich Wasser aufweichen,
dann abseihen. Den Zucker leicht
karamellisieren, Bohnen mit etwas
Wasser und Glukose dazugeben und
weich kochen. Anschließend die Bohnen
samt Wasser sehr fein pürieren und
Für die Milchhaut die Milch mit der
Vanille und dem Zucker langsam
erwärmen. Die entstandene Milchhaut
abnehmen und trocknen.