94 | ESSEN UND TRINKEN AUENER HOF 95 Frühstück mit Blick auf die Dolomiten. HÖHER GEHT’S NICHT GISELA UND HEINRICH SCHNEIDER PFLEGEN IM AUENER HOF IM SARNTAL AUF 1622 METERN EINE PERFEKTE GASTFREUNDSCHAFT UND EINE AUSSERGEWÖHNLICHE STERNEKÜCHE. Text: Petra Pintscher Fotos: Marco Santini Wer am großen Nussbaumtisch, dem Chef’s Table, sitzt, hat den besten Ausblick. Ja, gewiss, auch auf das unglaubliche Dolomitenmassiv. Noch faszinierender als der Sonnenuntergang hinter Rosengarten und Latemar aber ist der Blick auf das Küchenballett, das hinter der großen Glasscheibe scheinbar lautund schwerelos zwischen Herden, Arbeitsplatten und Kühlschränken tanzt. Hochkonzentriert bei der Arbeit: Sternekoch Heinrich Schneider. Jeder Griff sitzt, und man sieht und spürt die Harmonie im Team. Und die geht vom Chef aus. Von Heinrich Schneider, der sich in der gläsernen Küche gerne auf die Finger schauen lässt. Nicht, dass er wenig verlangen würde von seiner Mannschaft. Ganz sicher nicht, gilt es doch auf 1622 Metern im höchstgelegenen Sternelokal Italiens, dem Auener Hof im Sarntal (Südtirol), den Michelin-Stern mindestens zu verteidigen, wenn nicht noch mehr. Aber der Präzisionsarbeiter Heinrich Schneider schafft das ganz ohne Lautstärke und Aufgeregtheit. Der Weg ist ein wenig mühsam, hinauf und vorbei an der einstigen Sarner Skihütte, die der Großvater von Heinrich Schneider, Johann Brugger, 1941 baute und damit den Grundstein für die gastronomische Tradition der Familie legte. Aber wer als anspruchsvoller Genießer schon weiß oder noch ahnt, was ihn hier erwartet, der nimmt die kurvenreiche Strecke hoch überm Sarntal gerne auf sich. Wenn die Zweifel am größten sind, ob man wohl richtig ist, kommt endlich das erlösende Hinweisschild: Auener Hof 3 km. Hier wirken seit 1998 die Geschwister Gisela und Heinrich Schneider. Nach Lehr- und Wanderjahren kamen sie zurück, um den elterlichen Betrieb zu übernehmen, der nach dem 2010 begonnenen und vier Jahre später abgeschlossenen Umbau nicht mehr wiederzuerkennen ist. Modern und doch gemütlich 96 | ESSEN UND TRINKEN AUENER HOF 97 das berühmte Cheval Blanc im Elsass, arbeitete, machte seine Schwester noch Umwege, unter anderem übers Hotelmanagement, bevor sich ihr schließlich nach einem Sommelierkurs eine völlig neue Welt eröffnete und sie nicht mehr losließ. Sie professionalisierte ihre neue Leidenschaft, und das Dreamteam war geboren. Und der Gedanke, mit all dem Wissen und Können nach den Sternen greifen zu können. Gisela Schneider: „Rausgehen und wieder zurückkommen, darauf haben die Eltern Wert gelegt. Aber wenn man hier, an diesem magischen Ort aufwächst, will man zurückkehren.“ ÜBERSEEWEINE SIND NICHT UNBEDINGT EIN THEMA HIER OBEN. Gisela Schneider in ihrer Schatzkammer, dem Weinkubus „onethousandwines“. und absolut stilsicher ist der große Gastraum, das Restaurant „Terra“, eingerichtet, mit dem Panoramafenster hin zur wundervollen Südtiroler Landschaft. Dezenter Luxus und naturverbundenes Design ergänzen sich perfekt. Nichts lenkt ab von der großen Kochkunst, der auf eigens für die Schneiders getöpfertem Künstlergeschirr die Hauptrolle gebührt. Architektonisches Highlight ist der am Abend hellblau erleuchtete Weinkubus „onethousandwines“, der begehbare Weinkeller, in dem in zwei Kammern bei konstanten 14 und 17 Grad Gisela Schneiders Rotweine lagern. 1000 Flaschen mit Schwerpunkt Südtirol, ganz dem Credo verpflichtet, regionale Schätze zu heben und zu bewahren. „Wir wollten immer anders sein“, sagt Gisela Schneider. Sowohl sie als auch ihr Bruder sind in jungen Jahren erst einmal von Zuhause weg, unterstützt von den Eltern, die ihnen, wie beim Umbau von Hotel und Restaurant, freie Hand ließen. Während sich Heinrich Schneider zielstrebig durch Tophäuser, unter anderem Im Winter, wenn der Auener Hof geschlossen hat, geht’s dann wieder raus in die Welt. Dann sind die Geschwister oft gemeinsam unterwegs, um Restaurants oder Weingüter zu testen. „Es gibt so viel zu entdecken, hier in Südtirol, aber auch in ganz Europa, wo es viele junge Winzer gibt, die Neues ausprobieren“, so Gisela Schneider. Überseeweine sind nicht unbedingt ein Thema hier oben. „Das passt nicht und ist auch nicht sinnvoll, schon allein wegen der langen Transportwege, das wollen wir nicht.“ Unter Weinliebhabern ist es kein Geheimnis, dass die Sommelière viele unbekannte und kleinere Weingüter aus der Region auf ihrer Karte hat. „Viele Gäste sind offen und lassen sich überraschen. Große Namen dürfen gerne andere anbieten.“ Gelassen wie ihr Bruder scheint sie mühelos den Spagat zwischen Familie – die beiden Kinder sind zweieinhalb und acht Jahre alt – und Topgastronomie zu schaffen. Er braucht keine riesigen Mengen, denn die Natur zu plündern, käme ihm nicht in den Sinn. Einiges, wie Fichtensprossen, konserviert er in Öl, manches Kraut trocknet er. Natürlich kennt er den besten Platz für Waldmeister im ganzen Bozener Raum, von den geheimsten Stellen für schöne Pilze, seinem neuesten Hobby, ganz zu schweigen. Einen eigenen Garten hat und braucht er nicht, auch keinen Lieferservice aus Paris, dafür ausgesuchte Produzenten in der Umgebung, die ihm die Zutaten für seine anspruchsvolle Naturküche genauso liefern, wie er es sich vorstellt. Und ganz konkrete Vorstellungen von Qualität, die hat er – vom Gemüse über das Mehl für die frische Pasta bis hin zum Fleisch aus der Region. Was er mit seinen fünf Köchen zaubert, liest sich auf der Abendkarte ganz unprätentiös und ohne viel Schnörkel: Beef-Tea vom Sarner Rind, Karottentartar mit Kresse, Mais und Gewürzcreme oder glaciertes Sarner Kitz mit Kardamom und aromatischen Kräutern. Was dem Gast allerdings serviert wird, ist so ausgetüftelt und kreativ, dass man es kaum beschreiben kann. Besondere Aromen und Texturen, ungewöhnliche Geschmackskombinationen und ungeahnte Zutaten, und immer wieder Überraschungen wie ein „Haferschwamm“, der die köstlichste Schokoladencreme aufsaugt, machen Heinrich Schneiders Menüs zu einer nicht enden wollenden Entdeckungsreise. Am Ende des Abends sitzt man überwältigt am Chef’s Table und Stilsicher und sehr zurückhaltend ist das Interieur. schaut noch einmal in die, selbstverständlich blitzblanke Küche, und sieht einen zufriedenen Chef. Entspannt natürlich. Luxury Gourmet Resort Auener Hof I-39058 Sarntal/Val Sarentino Auen 21 Prati Tel. + 39/0471/62 30 55 www.auenerhof.it SEINE GANZE LEIDENSCHAFT GILT DEN WILDKRÄUTERN. Heinrich Schneider, der zu Schulzeiten eigentlich Tierarzt werden wollte, operiert in der gläsernen Küche mit raffinierten Zutaten und seiner Kochpinzette, die vor allem beim präzisen Anrichten seiner fragilen Kunstwerke unentbehrlich ist. Seine Leidenschaft gilt den Wildkräutern. Die Zutaten für seine sehr geerdete, aber dennoch hochartifizielle und immer überraschende „Terra Küche“ holt er sich aus den umliegenden Wiesen und Wäldern. Wilde Kresse und Bärlauch sind im März, wenn der Winter die oberen Regionen Südtirols noch fest im Griff hat, die ersten Kräuter, die er findet. Dafür wandert Heinrich Schneider dann frühmorgens talabwärts, im frühen Sommer dann eher bergaufwärts. Leinkraut und Schafgarbe erntet er bis in den September. Das Restaurant „Terra“ und der Weinkubus. 98 | ESSEN UND TRINKEN AUENER HOF 99 ZUBEREITUNG Die Zwischenrippenstücke auf einem Gitter in einem Räucherofen mit dem Schwarztorf eine Minute bei Glut aromatisieren und anschließend vakuumieren. Einen Tag lang im Kühlschrank anziehen lassen. PRALINEN VOM SELCHKARREE, SAUERKLEE, UND BERGKRÄUTERASCHE, CRACKER VOM BIO-HAFER ZUTATEN FÜR DIE PRALINEN 60 g geputzte Kalbsnuss, 180 g geputztes, rohes Selchkarree, 10 g frisches Eigelb, 16 Sauerkleeblätter, 25 g Trüffelemulsion, 50 g Bergkräuterasche ZUTATEN FÜR DIE CRACKER 85 g lauwarme Milch, 1 TL Olivenöl, 8 g Hefe, 40 g Bio-Haferschrot, 60 g Mehl, Salz ZUBEREITUNG Für die Pralinen beide Fleischsorten fein hacken oder durch den Fleischwolf drehen. Mit Eigelb gut verkneten und 16 Pralinen á 20 g formen. Die Pralinen Den Amaranth in reichlich Salzwasser weich kochen, das Wasser abschütten und in einem Tuch das restliche Wasser ausdrücken. Nun langsam bei geringer Hitze in einer beschichteten Pfanne austrocknen bzw. anbraten, bis der Amaranth mithilfe von etwas Olivenöl knusprig wird. in wenig Bergkräuterasche wälzen und mit der Trüffelemulsion und dem Sauerklee auf einem Teller anrichten. Für die Cracker die Milch mit dem Öl und der Hefe gut verrühren und mit den restlichen Zutaten schnell glattrühren. Für das Püree von Sonnenblumenkernen die Schalotten klein schneiden und mit dem Sellerie in etwas Öl farblos anschwitzen. Sonnenblumenkerne dazugeben, mit Brühe und etwas Wasser angießen und mit dem Thymianzweig und etwas Salz weich kochen, bis die Flüssigkeit fast eingekocht ist. Im Mixer sehr fein mit der kalten Butter pürieren und durch ein Sieb streichen. rippenstücke auf beiden Seiten anbraten, im Umluftofen bei 210 Grad zwei Minuten garen und dann bei 70 Grad 45 Minuten ruhen lassen. Anschließend mit den Kräutern, der Butter und dem Olivenöl ringsum knusprig braten und in der Mitte teilen. Die Fleischstücke nun mit Vogelmiere belegen, mit Olivenöl beträufeln und mit der Birkenasche leicht bestreuen. Mit den restlichen Gerichtbestandteilen anrichten. Für den Liebstöcklsaft werden die Blätter mit der Petersilie entsaftet, leicht gesalzen und mit etwas Olivenöl und Wasser verdünnt. Den Kalbsjus zu einer sämigen Glace einkochen. Die Zwischen- Dann mit einer Teigkarte auf eine Silpat-Matte dünn auftragen und im Ofen bei 180 Grad ca. acht Minuten backen. Herausnehmen und in 2x15 cm große Stäbchen Schneiden. Anschließend nochmals drei Minuten im Ofen fertig backen. ZWISCHENRIPPE VOM SARNER GRAUVIEHRIND PÜREE VON SONNENBLUMENKERNEN UND LIEBSTÖCKLSAFT ZUTATEN 4 Zwischenrippenstücke à 120 g, Salz, schwarzer Pfeffer, 1 Handvoll Schwarztorf trocken, gemahlen, etwas Rosmarin und Thymian+Butter und Olivenöl zum Anbraten, 30 g Amaranth, 1 EL Olivenöl, 80 g Liebstöcklblätter, 50 g Petersilienblätter, 10 g Vogelmiere, 100 g geschälte Sonnenblumenkerne, 5 kleine Schalotten, 50 g Sellerieknollen in Würfel, 100 g Gemüsebrühe, etwas Wasser, 50 g kalte Butter, 1 Thymianzweig, 1 Prise Birkenasche, 100 g Kalbsjus BIRKENEIS MIT GEWÜRZCREME, GETROCKNETER MILCHHAUT, KARAMELLPASTE VON SCHWARZEN BOHNEN UND WALDBLÜTENHONIG ZUTATEN FÜR DAS EIS 150 ml Sahne, 150 ml Milch, 340 ml Birkenwasser, 50 g Waldblütenhonig, 1 Blatt Gelatine, 30 g Glukosesirup, 70 g Zucker ZUTATEN FÜR DIE KARAMELLPASTE VON SCHWARZEN BOHNEN 130 g schwarze Bohnen, 30 g Zucker, 10 g Glukosesirup, 10 Tropfen Pflaumenkernöl, 20 g Waldblütenhonig ZUTATEN FÜR DIE GEWÜRZCREME 100 ml Milch, 100 ml Sahne, ¼ Vanilleschotenmark, 1 Sternanis, 1 Prise Kardamompulver, 1 Thymianzweig, 1 Teelöffel schwarzes Sesampulver, 60 g Eigelb, 30 g Zucker RESTLICHE ZUTATEN 500 ml Frischmilch, ½ Vanilleschote, 20 g Zucker durch ein feines Sieb streichen und abkühlen lassen. Mit Waldblütenhonig und Pflaumenkernöl abschmecken. ZUBEREITUNG Für das Birkeneis alle Zutaten außer der eingeweichten Gelatine kurz aufkochen, mit Gelatine versetzen und in der Eismaschine tieffrieren. Für die Gewürzcreme die Milch und die Sahne mit den Gewürzen aufkochen und dann 30 Minuten ziehen lassen. Dann die Masse abseihen und mit dem Eigelb gut verquirlen. Zum Schluss in eine Form 2 cm hoch gießen, mit Klarsichtfolie abdecken und im Dampfofen bei 80 Grad eine Stunde garen. Erkalten lassen. Für die Karamellpaste die Bohnen drei Tage in reichlich Wasser aufweichen, dann abseihen. Den Zucker leicht karamellisieren, Bohnen mit etwas Wasser und Glukose dazugeben und weich kochen. Anschließend die Bohnen samt Wasser sehr fein pürieren und Für die Milchhaut die Milch mit der Vanille und dem Zucker langsam erwärmen. Die entstandene Milchhaut abnehmen und trocknen.
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