Eine Zeitreise in die Vergangenheit „Aua!“, stoße ich aus, als mich mit voller Wucht ein Papierknäuel am Kopf trifft. Ich wende meinen Blick von der Tafel ab und drehe meinen Kopf, um den Übeltäter dieses gemeinen Wurfes zu erfassen. Mein Klassenkamerad Phillip winkte mir mit einem frechen Grinsen zu. Ich stöhne leicht genervt auf. Es ist Montagmorgen 7.45h, ich sitze in meiner Klasse im Max-Born-Berufskolleg und fühle mich sehr, sehr müde. Zu allem Übel blenden mich gleißende Sonnenstrahlen, die durch das Fenster scheinen. Mein Verlangen nach einem Nickerchen wächst. Die Jalousien senken sich und Dunkelheit erfüllt den Klassenraum. Die Last auf meinen Augen ist nicht auszuhalten. Sie fallen zu. Plötzlich höre ich einen ohrenbetäubenden Knall. Was war das? Wo bin ich? Fragen, die zum jetzigen Zeitpunkt für mich unergründlich sind. Um mich herum ist alles tief schwarz, sehen kann ich nichts. Doch da, ganz weit hinten, erkenne ich im Nirgendwo ein kleines Licht. Leiser Gesang ertönt in weiter Ferne aus der Dunkelheit. Das Licht kommt näher und der Gesang wird hörbar lauter: „Wir wacken, wir hacken mit hängendem Nacken, im wachsenden Schacht bei Tage und bei Nacht...“ Schritte mischen sich mit dem Gesang. Durch das helle Licht kann ich sie sehen: Bergwerksarbeiter in kompletter Arbeitsausrüstung, vermutlich unterwegs zur Arbeit im Kohleflöz. Ich muss in einem Bergwerk gelandet sein. War nicht am Standort unseres Berufskollegs früher mal ein Bergwerk? Hätte ich doch besser im Unterricht aufgepasst, dann wüsste ich das genau. Es ist stickig und staubig. Das Dämmerlicht geht mir langsam auf die Nerven, ich kann fast nichts deutlich erkennen. Plötzlich erblicken mich die Arbeiter und einer von ihnen spricht mich an: „Was macht denn der Bengel hier? Wer bist du, Junge? „ Mir fehlen die Worte und ich stottere sinnlos vor mich hin, weit davon entfernt, ihm eine klärende Antwort zu liefern. Dem Bergarbeiter scheint das egal zu sein und er sagt: „Na gut, wenn du schon nicht reden kannst, arbeiten kannst du bestimmt!“ Mein Nicken merke ich kaum. Ich schließe mich der Gruppe an. Nur nicht alleine bleiben in dieser Dunkelheit. Die Bergleute sind sehr freundlich und schon bald finde ich meine Sprache wieder. Nach einiger Zeit erreichen wir unser Ziel. Einer der Männer gibt mir einen Helm, an dem eine Kopflampe befestigt ist, die mir das Arbeiten erleichtern soll. Der Lichtschein, den sie verbreitet, ist sehr schmal. Er kommt mir vor wie ein kleiner Tunnel mit Licht. Viel mehr sehe ich mit der Kopflampe wirklich nicht. Mein Klassenzimmer fällt mir ein: Mein großes, geräumiges, Licht durchflutetes Klassenzimmer! Was gäbe ich darum, jetzt im Sonnenschein zu sitzen. Mit der Spitzhacke beginne ich meine Arbeit. Nach kurzer Zeit macht mir die Luft unter Tage zu schaffen. Die Kohle staubt, ich kann kaum atmen. Die Dunkelheit wird mir langsam unerträglich. Das anstrengende Hacken in der Kohle zehrt an meinen Kräften. Ich laufe zu einem der Bergwerksarbeiter und teile ihm mit, dass ich eine kleine Pause gut gebrauchen könnte. Doch dieser lacht nur laut auf: „Nun hör mal zu, wir arbeiten gerade mal zwei Stunden, eine Pause ist noch lange nicht in Sicht!“ Ich nehme all meinen Mut zusammen und sage: „Also bei uns am Berufskolleg ist das ganz anders!“ Verdutzt blickt er mich an: „Na wenn das so ist, dann erzähle mal!“ Ich erzähle dem Bergarbeiter, dass wir bereits nach zwei Unterrichtsstunden eine feste Pause haben. Ich berichte ihm von den Mitschülern meiner Klasse, den Lehrern und der Sonne im Klassenraum. Ein wehmütiges Gefühl beschleicht mich. Lernen zu dürfen ist etwas ganz anderes, als hier unten in der Dunkelheit schwer atmend zu schuften. Warum nur hat mir der Montagmorgen in der Schule nie gefallen? Wenn ich jetzt könnte, würde ich freiwillig viele Montage hintereinander in der Schule verbringen. Plötzlich gibt es ein knirschendes Geräusch. Ein Kohlestück löst sich und fällt mir auf den Kopf. Ich erschrecke fürchterlich und atmete tief die Staubluft ein. Dann wird es um mich herum rabenschwarz. Mit einem stechenden Kopfschmerz wache ich auf. Immer noch umhüllt mich Dunkelheit. Angst kriecht langsam meinen Körper hoch. Ich schreie innerlich nach Licht, doch das ist unter Tage wohl kaum zu finden. Da bemerke ich, dass ich mich nicht unter Tage, sondern im Klassenzimmer meines Max-BornBerufskollegs befinde. Langsam verschwindet die Dunkelheit, die Jalousien fahren herauf und helles Tageslicht flutet den Raum. „Na Hendrik, aufgewacht?“, fragt mich mein Lehrer mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Klasse lacht. Ungläubig und doch erleichtert schaue ich in die lachenden Gesichter meiner Mitschüler. Ihr Lachen ist mir egal, denn an keinem Tag meines Lebens war ich glücklicher über die wunderbare Helligkeit des Tageslichts und die Luft, die ich atme. War alles nur ein Traum gewesen? In jedem Fall habe ich eine bedeutende Erfahrung gemacht. Ich habe erkannt, wie hart die Arbeit der Bergleute damals an diesem Ort hier war. Ich bin froh, heute hier lernen zu dürfen und das Licht der Bildung in mich aufzunehmen. Nie wieder werde ich über den Montagmorgen an meinem Kolleg meckern! Verfasst von: Christin Kubiak, Tugba Karakas, Paula Kobus, Vanessa Franzen (B2G3)
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