Radiogottesdienst am 22. Januar 2017

Radiogottesdienst am 22. Januar 2017
Pfarrkirche Sankt Josef in Holzminden
Predigt von Pfarrer Roland Herrmann
"Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht"
Liebe Schwestern und Brüder,
vielleicht wundern Sie sich etwas über die Liedauswahl in diesem Gottesdienst. Da stehen
Stücke aus der Deutschen Messe von Franz Schubert neben modernen Liedern. "Das passt
nicht", sagen manche vielleicht. Das mag beim ersten Hören sein, doch die verschiedenen
Musikfarben machen deutlich: Der Glaube findet in der Musik jeder Generation seinen ganz
eigenen Ausdruck. Da in der Sonntagsmesse Generationen zusammen feiern, ist das eben
auch in der Musik zu hören. Denn in der Musik werden Glaubenserfahrungen weitergeben.
Von Glaubenserfahrungen ist auch in den Schrifttexten die Rede. „Das Volk, das im Dunkel lebt,
sieht ein helles Licht.“ Das Wort wirkt fremd in einer Welt, in der fast alles taghell ausgeleuchtet
ist. Und doch kommt es heute gleich zweimal in den Schrifttexten vor. Im Buch Jesaja heißt es:
Im Gebiet der Heiden, dort, wo das Volk im Dunkel lebt, strahlt ein Licht auf. Viele denken jetzt
vielleicht: Ausgerechnet da ist das Licht zu sehen - bei den Heiden. Was bei Jesaja noch als
Verheißung formuliert ist, ist im Evangelium eine Tatsache. Das Volk, das im Dunkel lebte, hat
ein helles Licht gesehen: Das Licht ist da, Jesus verkündet und wirkt in Galiläa.
Seitdem geben Menschen das Licht weiter: Sie haben seine Taten und Worte aufgeschrieben,
sie glauben an ihn und erzählen davon, geben so seine Botschaft weiter an die nächste
Generation.
Heute scheint es der Kirche schwerer zu fallen als früher, diese Botschaft Gottes zu vermitteln.
Warum: Sehen die Menschen heute noch dieses helle Licht? Ist es überhaupt noch hell, oder ist
es bei uns einfach nur viel zu hell, um es zu sehen? Ich bin überzeugt, dass Menschen dieses
Licht sehen und wahrnehmen. Und für uns als Christen ist dieses Licht der Welt Gottes Sohn.
Diese Glaubenswahrheit zu feiern, dazu laden wir ein. Das ist jedoch nicht überall auf der Welt
möglich.
Weil das Christentum in vielen Ländern keine Zukunft haben soll, werden Christen dort verfolgt.
Sie werden daran gehindert, ihren Glauben zu leben. Wer es trotzdem versucht, riskiert sein
Leben. Diese Christen, die unbeirrt an ihrem Glauben festhalten, sie sehen für mich das helle
Licht in der Dunkelheit - werden zu Glaubenszeugen.
Ebenso Schwerkranke. Die Dunkelheit des Lebens erfahren sie in besonderer Weise. Ihre
Lebensqualität, ja ihr Leben selbst wird bedroht. Doch: Gott will, dass wir leben. Das glaube ich.
Christus selbst hat Missachtung, Peinigung, Kreuzigung erlitten und Momente gehabt, an denen
er mit Gott haderte erfahren. Doch am Ende glaubte er, vertraute er - und erstand auf.
Ich bin dankbar für all jenen, die mir Glaubenszeugen waren und für Gott selbst, der mir diesen
Glauben geschenkt hat. Für mich ist der Glaube an ihn das Licht, das mich durch alle
Dunkelheit führt. Dieses Glaubenszeugnis gebe ich vielen Menschen. Manchmal beneide die
die Jünger Jesu. Er spricht sie direkt an: Simon und Andreas, Jakobus und Johannes. Sie
gehen mit, spüren, dass sich in ihrem Leben etwas radikal verändert.
Katholisches Rundfunkreferat – www.ndr.de/kirche
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Sie wissen noch nicht was sie erwartet, aber sie folgen Jesus und werden in ihrem Leben zu
wichtigen Glaubenszeugen, auf die wir Christen uns bis heute berufen. Sie haben erfahren
dürfen: Es lohnt sich, diesem Gott zu vertrauen und ein Glaubenszeugnis zu geben.
Die Jünger haben die tiefste Dunkelheit erlebt im Leiden und Sterben Jesu. Als der Stein vor
dem Grab lag, da war das Dunkel allmächtig. Doch dann war da plötzlich die Erfahrung: Wir
haben ihn gesehen! Jesus Christus hat die Dunkelheit des Lebens besiegt. Er ist derjenige, der
uns durch das Kreuz, durch die Nacht des Todes, am neuen Leben teilnehmen lässt.
Wir haben ihn gesehen - wie viele Menschen wünschen sich das bis heute? Ich bin überzeugt:
Er ist zu sehen. Dort, wo Menschen es mit der Nachfolge versuchen und den liebenden Gott
bezeugen. Wo sie einladende Gemeinde sind. Handeln, wo sie Not sehen und einschreiten, wo
Unrecht zum Himmel schreit. Beten, wenn sie allein nicht weiterwissen, sich überfordert fühlen.
Unsere Pfarrgemeinde St. Josef in Holzminden feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen.
Wir blicken somit zurück auf 150 Jahre Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche hier im
Weserbergland. Es gab in dieser Zeit viele Glaubenszeugen. Auch heute gibt jeder das
Glaubenszeugnis in seiner Lebensmelodie wieder. Möge Gott uns und viele andere
Mitmenschen zu Glaubenszeugen werden lassen.
Amen
Katholisches Rundfunkreferat – www.ndr.de/kirche