Programmatic Advertising Was steckt dahinter? PROGRAMMATIC ADVERTISING ist ein Mega-Trend. Was ist der Grund dafür, dass derzeit kein anderes Thema in der Werbung so kontrovers und umfassend diskutiert wird wie Programmatic Advertising? Jochen Witte* M it rund 500 Millionen Suchergebnissen liegt der Begriff «real time advertising», zumindest was die Google-Suchergebnisse betrifft, nur knapp hinter der Fernsehwerbung («tv advertising», 625 Mio. Suchergebnisse). Experten schätzen jedoch, dass weniger als drei Prozent der weltweiten Umsätze mit Werbung über programmatisch gehandelte Kanäle fliessen. VORTEIL AUF EINKAUFSSEITE Seit nunmehr zehn Jahren vollzieht sich weltweit ein durch Technologie getriebener Wandel, in der Art und Weise wie Online-Medialeistungen geplant und eingekauft werden. In manchen Märkten schneller als in anderen. Auffallend dabei ist, dass die traditionell eher anbieterdominierten Märkte wie Deutschland oder auch die Schweiz und Österreich sehr viel langsamer in der Adaption programmatischer Technologien sind als zum Beispiel die angelsächsischen Märkte oder Frankreich (siehe Grafik «Anteil RTA am Display Spend 2017»). Dies liegt keinesfalls an fehlender Technikaffinität im deutschsprachigen Raum, son- Vorteile Programmatic Buying y Messbarkeit und Attribution: Moderne Demand Side Platforms (DSP) ermöglichen es Werbetreibenden, alle relevanten Online-Reports zentral zu aggregieren und einzelne Werbemassnahmen innerhalb der vollständigen Customer Decision Journey zu bewerten. y ROI: Über programmatische BuchungsTechnologien können Reichweite, Frequenz und Visibilität von Werbemass- nahmen in einem zentralen Tool und über fast beliebig viele Anbieter hinweg auf Kundenseite zentral geplant, gebucht und gesteuert werden. y Relevanz: Mittels Daten kann der Käufer seine Werbemassnahmen sehr genau auf die gewünschte Zielgruppe einschränken und darüber hinaus Werbung für den einzelnen Benutzer personalisieren. 57| 4-2015 mTJ Die Wertschöpfungskette kette sind. Dies wirft die berechtigte Frage auf, wie man sein Unternehmen nachhaltig davor schützen kann, die Kontrolle über die eigene Wertschöpfung zu behalten (siehe Schema «Die Wertschöpfungskette»). Quelle: Stailamedia NEUE KOOPERATIONEN! Quelle: Prognose, Magna Global Anteil RTA am Display Spend 2017 Neben den Herausforderungen bietet RTA aber auch grosse Chancen für die klassischen Zwischen-Dienstleister. Um nachhaltig Relevanz im neuen Betriebssystem für Werbung zu behalten, sollten sich Vermarkter und Agenturen folgende Empfehlungen zu Herzen nehmen: Investieren in Technologie und Knowhow: Trading und Exklusivitätsvereinbarungen sind keine ausreichenden Existenzberechtigungen mehr. Nur wer nachhaltig in Technologie und vor allem in den Aufbau von Technologie-Kompetenz investiert, wird langfristig sein Geschäftsmodell sichern können. Selektion «neutraler» und langfristiger Technologie-Partnerschaften: Technologie wird nicht eingeschaltet und funktioniert dann. Deshalb ist es für eine nachhaltige Technologie-Strategie wichtig, langfristig mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich unabhängig vom eigenen Geschäftsmodell aufstellen. Fokussierung auf kreative Möglichkeiten von RTA (statt auf Margen-Optimierung): RTA macht den Zugang zu günstigem Inventar extrem einfach. Dies verleitet viele Marktteilnehmer dazu, über Arbitrage-Modelle hohe Margen zu generieren und so ihre Daseinsberechtigung zu definieren. Dieses Geschäftsmodell ist allerdings sehr einfach zu kopieren und führt auch insgesamt die Branche in Verruf. Dienstleister tun gut daran, ihren Mehrwert nicht in kurzfristiger Margen-Optimierung zu suchen, sondern sich auf die vielfältigen Möglichkeiten zu fokussieren, mit Programmatic Advertising Online-Werbung kreativer und intelligenter zu machen. Etablieren von Kollaborations-Modellen: Die klassischen Anbieter und Agenturen tun sich sehr schwer, mit alten Konkurrenten zusammenzuarbeiten. Doch vielfach setzt sich die Erkenntnis durch, dass tradierte Konkurrenz-Paradigmen zu Gunsten von KooperationsModellen aufgelöst werden müssen, wenn man den teilweise anspruchsvollen Technologie-Wandel erfolgreich meistern möchte. Gerade auf Anbieterseite etablieren sich derzeit spannende Kooperations-Modelle im Bereich Daten und Technologie. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass man als Anbieter eben nicht mehr die gesamte Wertschöpfung allein abbilden kann, sondern ArbeitsteilungsModelle etablieren muss, die für alle Marktteilnehmer Sinn machen. < *Jochen Witte arbeitet seit 14 Jahren an der Schnittstelle zwischen Technologie, Medien und Daten. Er ist COO der Media- und Data-Exchange-Firma Stailamedia und ist Branchenexperte in den Bereichen OnlineVideo, Ad Tech, Programmatic und datengetriebenes Marketing. In seiner vorherigen Rolle bei Online Advertising Solutions war Witte als Gründer und CTO für die Entwicklung eines der ersten Video-Ad-Servers und Video-Netzwerks in Deutschland zuständig. Von Anbietern dominierte Märkte wie Deutschland (aber auch Österreich und die Schweiz) adaptieren programmatische Technologien langsamer. dern daran, dass die offensichtlichen Vorteile des Programmatic Buying eher auf Einkaufsseite liegen. Für klassisch organisierte Anbieter ergeben sich gleich zwei Herausforderungen: Zum einen verschieben sich zentrale Prozesse der Wertschöpfungskette auf die Einkaufsseite, und zum anderen entstehen signifikante Aufwände und Kosten in Setup und Betrieb der technischen Infrastruktur über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. STARKE TECHNOLOGIELAST Vor diesem Hintergrund ist die Zurückhaltung und Skepsis klassischer Vermarkter nachvollziehbar und verständlich. Es ist jedoch nicht nur der 58 | 4-2015 mTJ Marktdruck, der nahezu alle signifikanten Marktteilnehmer motiviert, sich mit dem Thema Programmatic Advertising auseinanderzusetzen: Bisher hat OnlineWerbung insgesamt nicht nachhaltig bewiesen, dass sie im gleichen Masse wie klassische Medien wie zum Beispiel dem Fernsehen Brands aufbauen kann. Die Stärken von Online-Werbung liegen nach wie vor eher in der Abwicklung von bereits vorhandener Nachfrage (Performance) als im Aufbau neuer Nachfrage (Branding). Bei vielen Marktteilnehmern besteht die Hoffnung, dass Programmatic Advertising die Online-Werbung einen signifikanten Schritt weiterbringt, ein für den Markenaufbau relevantes Medium zu werden. Die Hoffnung auf «bessere» Werbung und die Budgets von morgen motivieren viele Marktteilnehmer, sich mit dem Thema Programmatic Advertising auseinanderzusetzen. Doch die starke Technologielast des Themas stellt die etablierten Unternehmen vor organisatorische und strategische Herausforderungen: Immer mehr Marge wird über Technologie und entsprechende Dienstleistungen generiert. Dies geht zu Lasten klassischer Geschäftsmodelle, welche vorwiegend durch Reichweite und Trading geprägt sind. «Software is eating the world» – und immer mehr Software wird von Marktteilnehmern entwickelt und kontrolliert, die unmittelbare Konkurrenten innerhalb der gesamten Wertschöpfungs59| 4-2015 mTJ
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