16 FORSCHUNG Schon gelesen? Bleiben Sie mit Ihrem Wissen stets auf dem neuesten Stand: In dieser Rubrik stellen wir Ihnen aktuelle Studienergebnisse vor, die für die Praxis von Bedeutung sind. Diesmal: Dual-Tasking-Training. DAS INSTITUT DIE AUTOREN Ein Forscher-Team von Physiotherapie- und Sport-Wissenschaftlern um Prof. Dr. Christian T. Haas (im Bild) hat theoretische Ansätze und praktische Aspekte von Dual-Tasking für Prävention und Rehabilitation zusammengefasst, die wir hier auszugsweise vorstellen. (Weitere Autoren: Johanna Möller, Franziska Schäfer, Sarah Stickl, Magnus Liebherr, Patric Schubert, Stephanie Kersten, Christina Lutz). STUDIENERGEBNISSE Doppelübungen für mehr Balance D ual-Task-Training unterstützt ältere Menschen bei der Sturzprävention und Menschen mit neurologischen Erkrankungen bei der Rehabilitation. Neben klassischen Übungen gewinnen innovative Methoden wie Video-Spiele an Bedeutung. Eine aktuelle Studie von Lorenz et al. (2015) zeigt, dass Video-GameTraining auf das Belohnungssystem wirkt und damit Motivation, Compliance und Adhärenz positiv beeinflussen kann. Aber auch für klassische Übungen mit simultan auszuführenden Aufgaben in der Therapie liegen zahlreiche Studien vor. Schon vor mehreren Jahren belegten Wissenschaftler, dass ältere Menschen bei Doppelaufgaben beeinträchtigt sind: Beim gleichzeitigen Gehen und Lösen kognitiver Aufgaben sind sie Kontrollgruppen mit Menschen jüngeren und mittleren Alters unterlegen, wie Hollman et al. (2007) zeigten. Die Autoren schließen daraus auf ein erhöhtes Sturzrisiko älterer Personen beim zusätzlichen Ausführen einer kognitiven Aufgabe während des Gehens. Ein Training mit Dual-Task-Übungen in der Physio praxis vermindert das Risiko. Im Hinblick auf eine Verbesserung der Gleichgewichtsregulation und damit einhergehenden Sturzprävention untersuchten Silsupadol et al. (2009) unterschiedliche Trainingsprogram- VPT-TIPP Mit den Fort- und Weiterbildungen des VPT bleiben Sie wissenschaftlich immer auf dem aktuellen Stand. Die Kurse finden Sie im Service-Teil ab Seite 19 und unter ► www.vpt.de Das Institut für komplexe Gesundheitsforschung der Hochschule Fresenius in Idstein untersucht, welche Mechanismen bei gesundheitsrelevanten Entwicklungen wie der Entstehung von Krankheitsbildern oder der Wirkung von Therapien zusammenspielen und wie diese grundlegend beeinflusst werden können. me an einer gesunden Personengruppe mit Beeinträchtigungen des Gleichgewichts (Alter: 75±6,1). Während das Trainingsprogramm I aus einem „reinen“ Training unter Single-Task-Bedingungen (zum Beispiel Stehen im Tandemstand, Gehen mit variierender Schrittlänge) bestand, wurden bei den untersuchten Trainingsprogrammen II und III die in Trainingsprogramm I motorischen Aufgaben jeweils um eine kognitive Komponente (z.B. Wörter rückwärts buchstabieren oder Gegenstände benennen) erweitert. Die Trainingsprogramme II und III unterschieden sich dabei lediglich in der Fokussierung der Aufmerksamkeit. Die Probanden im Trainingsprogramm II sollten ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die kognitive als auch auf die motorische Aufgabe legen. Probanden im Trainingsprogramm III sollten sich in der ersten Hälfte auf die motorische Komponente, in der zweiten Hälfte auf die kognitive Komponente fokussieren. Alle drei Trainingsprogramme umfassten einen zeitlichen Rahmen von einem Monat, wobei dreimal wöchentlich 45 Minuten trainiert wurde. Im Anschluss an das Training zeigte sich sowohl in der Berg-Balance-Scale als auch in der Ganggeschwindigkeit eine signifikante Verbesserung aller Gruppen. Bei Hinzunahme einer kognitiven Aufgabe während des Gehens zeigten ausschließlich die Personen der Trainingsgruppen II + III eine signifikante Verbesserung der Ganggeschwindigkeit. In der Langzeitbetrachtung konnten zwölf Wochen nach Trainingsende lediglich in der Gruppe II signifikante Effekte nachgewiesen werden. Basierend auf den Ergebnissen heben die Autoren die Effektivität von DualTask-Training im Hinblick auf eine Verbesserung der Ganggeschwindigkeit bei älteren Personen mit Gleichgewichtsproblemen hervor. Die Notwendigkeit, Patienten mit neurologischen Erkrankungen für Dual-Task-Aufgaben zu trainieren, verdeutlichen Wittwer et al. (2014). Sie betrachteten die Einschränkungen von Menschen mit Alzheimer, zwei motorische Aufgaben simultan 01|15 VPTMAGAZIN FORSCHUNG Dual-Tasking klassisch: Bei dieser kniffligen Übung balanciert der Trainierende einbeinig auf einer Airex-Matte, jongliert mit zwei Bällen und zählt währenddessen Flussnamen auf. Dual-Tasking innovativ: Hier steht der Patient auf einer Metallplatte mit Sensoren und schaut auf eine Leinwand, auf der verschiedene Schrittfolgen angezeigt werden. Diese muss er möglichst zeitgleich auf der Tanzplatte mittanzen. Zur Sicherheit kann er sich an zwei von der Decke hängenden Schlaufen festhalten. auszuführen. In der Untersuchung des Gangs zeigte die Personengruppe bei Hinzunahme einer zusätzlichen motorischen Aufgabe (Tragen eines Tabletts mit Gläsern) signifikante Verschlechterungen räumlich-zeitlicher Gangparameter im Vergleich zum Single-Task-Gehen. Hieraus schlussfolgerten die Autoren den Bedarf der Entwicklung von Trainingsinterventionen zur Verbesserung des Gehens unter Dual-Task-Bedingungen für diese Patientengruppe. verzeichnen. Hierbei zeigten sich lediglich signifikante Unterschiede der beiden Interventionsgruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe (keine Intervention). Der Vorteil des VideogameTrainings wurde allerdings darin aufgeführt, dass die Probanden das Training als „weniger kompliziert“ empfanden und mehr Spaß dabei hatten. Die Untersucher vermuten, dass bei diesem „spielerischen Training“, der Fokus der Probanden nicht direkt auf der körperlichen Aktivität liegt, obwohl das Spiel an sich eine größere Herausforderung darstellt. Hierbei kann über einen langfristig größeren Therapieerfolg aufgrund einer höheren motivationalen Komponente im Vergleich zur herkömmlichen Therapie spekuliert werden. ◄ Weiter existieren im Bereich von Morbus Parkinson zahlreiche Studien, welche die Einschränkungen in der Ausführung von Dual-Task-Situationen belegen (Kelly et al., 2012 zur Übersicht). Im Kontext des Trainings/der Therapie untersuchten Fer nandes et al. (2015) in einem Pilotprojekt die Effektivität eines kognitiv-motorischen Dual-Task-Trainings auf das Gleichgewicht und die exekutiven Funktionen bei Morbus Parkinson. Während die Single-Task-Gruppe lediglich ein Gleichgewichtstraining absolvierte, wurden zum Trainingsprogramm der Dual-Task-Gruppe kognitive Bestandteile hinzugenommen. Im Anschluss an das sechswöchige Training zeigte sich in der Dual-Task-Gruppe eine signifikante Reduktion des Schwankungswegs. Auch die Kombination und Integration von Videospielen beziehungsweise virtuellen Realitäten in die Therapie wurde untersucht. Im Vergleich zur konventionellen Physiotherapie konnten Vernadakis et al. (2014) jedoch keine signifikanten Unterschiede im Anschluss an ein Gleichgewichtstraining mittels Xbox Kinect in den klinischen Assessments, bei Personen nach Supinationstrauma des Sprunggelenks (männlich, Alter: 16±1), VPTMAGAZIN 01|15 Den kompletten wissenschaftlichen Beitrag des Autorenteams mit weiteren Studienergebnissen zum Thema Dual Tasking finden Sie unter ► www.vpt.de FORSCHEN SIE FÜR UNS! Sie interessieren sich für aktuelle Studienergebnisse? Sie lesen regelmäßig nationale und internationale Journals? Oder Sie forschen selbst? Dann freuen wir uns auf Ihre Beiträge fürs VPTMAGAZIN! In der Rubrik „Forschung“ stellen wir in jeder Ausgabe therapierelevante Studien vor. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf per E-Mail an [email protected] oder wenden Sie sich direkt an Ihre VPT-Landesgruppe. 17
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