Call for Papers zur Tagung der AG Historische Sozialpädagogik/Soziale Arbeit vom 27. bis 29. Oktober 2016 an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum. Themenschwerpunkt: Soziale Arbeit und Soziale Bewegungen In den einschlägigen Werken zur Geschichte Sozialer Arbeit wird schwerpunktmäßig die Entwicklung der öffentlichen und privaten Armenfürsorge zwischen Disziplinierung und Grundsicherung beschrieben. Es geht dabei vorrangig um sozialpolitische Entwicklungslinien, um Institutionen und Gesetze, Arbeitsfelder, manchmal auch um Einzelpersönlichkeiten, seltener um soziale Bewegungen. Dabei haben soziale Bewegungen immer schon einen großen, meist innovativen Einfluss auf die Entwicklung der Sozialen Arbeit genommen, ja sie sind geradezu konstitutiv für ihre Entstehung und Profilierung. Herman Nohl nannte sie – bezogen auf die Jugendwohlfahrt – in einem Aufsatz von 1926 die „geistigen Energien“ der fürsorgerischen Tätigkeit und zählte die sozialistische Bewegung dazu, z.B. in Gestalt der Kinderfreundebewegung, daneben die Innere Mission (Rettungshausbewegung), die Frauenbewegung sowie die sozialpolitische und die Jugendbewegung. In allen Bewegungen sah er das gemeinsame Ideal einer "Hingabe" an den Hilfsbedürftigen.1 Bereits vier Jahre zuvor hatte Alice Salomon in einem Vortrag vor dem "Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge" die religiösen Hilfemotive der Christen und Juden und ihr Gebot der Nächstenliebe ebenfalls neben die sozialpolitische und die sozialistische Bewegung gestellt. Daneben nannte sie noch das nationale Motiv (das im Krieg besonders stark geworden war) und das rein humanitäre.2 Den sozialen Bewegungen, die immer wieder neu entstanden – hier nannte sie die Jugendbewegung, die anthroposophische und die "Weltbürgerbewegung" (Tagore) – wies sie die Rolle eines Motors der Entwicklung zu, der immer neue Notlagen identifiziert und schließlich entsprechende Hilfen institutionalisiert. In den Beiträgen der Tagung könnten Entstehungsbedingungen, Diskurslinien, Identitätskonstruktionen oder Prozesse der Institutionalisierung etc. anhand von einzelnen sozialen Bewegungen oder Arbeitsfeldern nachgezeichnet werden. Auch Netzwerke zwischen einzelnen Bewegungen sind interessant. So wirkten religiöse Bewegungen auf die evangelische Kleinkinderschulbewegung wie auch auf die Rettungshausbewegung sowie 1 Nohl, Herman (1926): Die geistigen Energien der Jugendwohlfahrtsarbeit. In: Nohl, Herman (1949): Pädagogik aus dreißig Jahren. Frankfurt a. M., S. 133-142. 2 Salomon, Alice (1922): Die sittlichen Grundlagen und Ziele der Wohlfahrtspflege. In: Soziale Berufsarbeit, 1. Jg., Nr. 11, S. 41-44 und Nr. 12, S. 45-46. freireligiöse und liberal-demokratische Bewegungen auf die Kindergartenbewegung.3 Die Arbeiterbewegung beeinflusste die Bewegung der bürgerlichen Sozialreform, die Jugendbewegung die sozialpädagogische Bewegung. Die erste Frauenbewegung ist in ihrem Einfluss auf die Professionalisierung nicht zu unterschätzen und die zweite verantwortlich für die Entstehung von Frauenhäusern. Die 68er- und die Alternativbewegung haben auf die Kinderläden, die Heimreform und die Jugendzentrumsbewegung gewirkt, schließlich auch auf die Selbsthilfebewegung. Die Liste ließe sich zur Hospizbewegung und vermutlich noch weiter führen. Folgende Fragen könnten dabei alle Beiträge berühren: Wie entstehen diese Bewegungen? In welchen (Spannungs-)Verhältnissen stehen sie zueinander? Welche (professionellen) Identitäten folgen aus ihnen und welche Probleme sind möglicherweise damit verbunden?4 Und wann genau ist eigentlich eine Bewegung an ihr Ende gekommen und warum? Hinterlassen sie bleibende Veränderungen oder erstehen sie in abgewandelter Form wieder auf? Ziel der Tagung ist es, über diese und weitere Fragen, den Zusammenhang von Sozialer Arbeit und Sozialen Bewegungen aus historischer Perspektive zu betrachten, zu analysieren und zu diskutieren. Wie bei allen Tagungen der AG Historische Sozialpädagogik/Soziale Arbeit gibt es über diesen Themenschwerpunkt hinaus auch die Möglichkeit zur Darstellung laufender Forschungsprojekte. Ebenso sind Nachwuchswissenschaftler_innen ausdrücklich aufgerufen, sich an der Tagung mit einem Beitrag zu beteiligen. Die Vorträge sollen 30 Minuten nicht überschreiten. Themenvorschläge senden Sie bitte als knappe Skizze (max. 4.000 Zeichen) bis zum 15. April 2016 per Mail an Prof. Dr. Diana Franke-Meyer, Evangelische Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, franke- [email protected], Tel.: 0234/36901-145. 3 Paletschek, Sylvia (1990): Frauen und Dissens. Frauen im Deutschkatholizismus und in den freien Gemeinden 1841-1852. Götting: Vandenboeck & Ruprecht. 4 Haunss, Sebastian (2004): Identität in Bewegung. Prozesse kollektiver Identität bei den Autonomen und in der Schwulenbewegung, Wiesbaden: VS, auch: https://shaunss.files.wordpress.com/2011/10/haunss-2004-identitaet-inbewegung.pdf
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