Musik und Bewegung Mag. Christine Batik Die fünf Bewegungsprinzipien 1. Körperwahrnehmung: Wahrnehmung in der Körperarbeit ist gleichzeitiges Handeln und Hineinhorchen. Unsere Bewegungen sind also gleichermaßen mit einem Hineinspüren in körperliche Vorgänge, wie auch mit Aktivitäten, z.B. dem Krafteinsatz, dem Gegenzug oder der Bewegungsführung, verbunden. Die Neueinstellung auf eine verstärkte Körperwahrnehmung bedingt die Ablösung vom Alltagsdruck. Unsere Körperwahrnehmung kann behindert sein durch das einseitige Verharren in einer bestimmten, oft „eingelernten“ Haltung, den Kontaktverlust zur Atmung, Angst, Zeitdruck oder durch andere „negative“ Gefühle, gegen die wir uns de-sensibilisieren. Der/die Wahrnehmende mag in Konflikt mit seinem gewohnten Zeitgefühl kommen, denn das Wahrnehmungs – Tempo lässt sich nicht kommandieren. Dieser Mangel lässt sich jedoch in einen Gewinn verwandeln: in die Fähigkeit, Langsamkeit oder Pausen zu akzeptieren statt sie als Leere abzuwehren. 2. Erdung: Die Erdanziehungskraft beeinflusst alle unsere Bewegungen. Die Harmonie mit dieser Kraft: Sich in der Bodenlage „der Schwerkraft hinzugeben“, im Sitzen oder Stehen die Aufrichtungsmuskulatur ausgewogen einzusetzen; ist Zielsetzung und Inhalt. Statt mit der Schwerkraft zu kämpfen nutzen wir sie zur Orientierung beim Körperaufbau. 3. Zentrierung: Es drängt sich bei diesem Begriff sogleich die Doppelbedeutung des Wortes als körperliche und geistig–seelische Mitte auf. Ob Tan Tien (chinesisch: Ort der Lebensessenz), „Bauch“, oder Lendenwirbelsäule (Bewegungsansatz aus der Mitte), der Raum zwischen unterem Brustbein und Kreuzbein birgt sowohl das Nervenzentrum „Sonnengeflecht“, als auch Zwerchfellansatz für die Atmung und den Ansatz zentraler Bewegungsmuskeln. Wenn wir lernen unsere Bewegungen aus der Mitte zu beginnen, zu steuern, entlasten wir einerseits die äußere Muskulatur. Gleichzeitig aber fließt die Bewegung durch den ganzen Rumpf. Je mehr Muskeln an einer Bewegung beteiligt sind, desto leichter gelingt diese. Entspanntes Stehen oder Sitzen ist ohne Zentrierung nicht möglich! Entspannung durch ausgewogene Spannung! Es lohnt sich Beispiele für Zentrierung bei Künstlern, Sportlern, aber auch Kleinkindern zu suchen: “Wenn sich der Clown Grock über ein Missgeschick ärgert, dann ärgert er sich vom Zentrum zur Peripherie; er stößt die geballte Faust in die Luft und stampft auf den Boden, aber angefangen hat sein Ärger im Bauch.“ Musik und Bewegung Mag. Christine Batik 4. Polarisation: Bewegung beinhaltet Spannungsfelder und –räume, die sich aufgrund zusammengehöriger Pole ergeben. Über muskuläre Spannungsfelder hinaus ergeben sich für die Bewegung weitere z. B. örtliche Polarisationen (vom Scheitel bis zur Sohle, rechts – links, u. ä.). Statt Trennung und Zwiespalt erstrebt das Polarisationsprinzip die Ergänzung von: Ruhe und Bewegung, Bewegung und Gegenbewegung, Spannung und Lösung, Dynamik und Kontrolle, verschiedenen Tempi, Kräften und Größen. Zum Studium des Polaritätsprinzips orientiere man sich an der Kraft und Gelöstheit der Tierbewegungen: den tiefen Gesamtstreckungen einer erwachenden Katze oder der bis in die letzten Fasern gestreckten Grundspannung springender Pferde. 5. Verlängerung: Das Prinzip „Größe und Verlängerung“ ist zwar der Polarisation verwandt, hat jedoch einen anderen Stellenwert, weil es andere Vorstellungen auslöst. Es lässt die Muskulatur in ihrer Aktivität geschmeidig bleiben. Der Verlängerungsimpuls entspricht dem Gefühl der Freude und Größe, das wir etwa beim Räkeln empfinden. Körperliche Aktivitäten, insbesondere eine unangenehme Wiederholung gleichartiger Bewegungen, kann zu Verkürzungen führen. Wir versuchen daher mit jeder Anspannung eine größtmögliche Gelöstheit zu verbinden. Die Bewegung geht in ihrer Größe über die Sichtbarkeit hinaus. Verlängerung bedeutet Erleichterung. In einem elastischen Körper fließt das Blut besser und die Nerven arbeiten besser, weniger Erschöpfung macht sich bemerkbar. Resumee: Durch meine jahrelange Arbeit mit Kindern und Erwachsenen konnte ich die Grundlagen der musikalischen Bewegungserziehung, mit neuen Methoden, bekannten und bewährten Richtungen der Körperarbeit und eigenen Ideen vergleichen und verbinden. Nach langem Suchen habe ich in Reinhard Rings Buch „Rhythmik – die musikalische Bewegung“, die für mich sinnvollste und stringenteste Form von Leitlinien und Zielsetzungen für (den Rhythmisch-musikalischen) Bewegungsunterricht gefunden. Ich möchte sogar anregen, sich diese Fünf Prinzipien als Grundregeln für jede Art von pädagogischer Körperarbeit anzueignen und darauf aufbauend zu arbeiten. Bildhafte Vorstellungen und Beschreibungen von Bewegungsabläufen erleichtern das Erleben und Verstehen der fünf Prinzipien.
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