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Motorboys
BUNT WIE
EIN REGENBOGEN
Die schwulen Motorboys sagen, sie seien ein ganz
normaler Autoclub. Das sind sie auch. Na ja, fast ...
W
ILLI sammelt seit über 20 Jahren Audi und VW, größtenteils
aus den 60er- und 70er-Jahren, meist in unrestauriertem
Originalzustand. Martin (36) hat sich
seinen zitronen­gelben Renault 5 selbst
aus Nantes (Frankreich) geholt. Sebastian und Michael (beide 33) aus Nürn-
berg sammeln und schrauben Mercedes. Zurzeit stellen sie „die Fahr­zeugflotte auf 90er-Jahre um“. Die
Eheleute Hermann und Michael (50
und 55) aus Bergheim haben Zwillinge.
Zweimal VW Santana in Sienarot,
mit plüschiger roter Velours-Ausstattung. Andi (47) fährt sein getuntes
Andi (Mitte) mit seinen Freunden Nicolas aus
Frankreich und Perttu aus Finnland im Saab 900
Saab 900 Cabrio am liebsten offen –
„240 PS, Werkstuning von Hirsch“, erklärt der Augsburger stolz.
Alle Marken, alle Baujahre, alle
Regionen, Mitgliedsalter zwischen 20
und 75 Jahren – die Motorboys wären
ein Universal-Autoclub, gäbe es nicht
eine kleine Einschränkung: Schwul
sollte man schon sein, wenn man aufgenommen werden möchte.
Bereits vor sieben Jahren unterstützten die Motorboys AUTO BILD
für eine schwule Kaufberatung. Heute
zählt der Club über 300 Mitglieder,
„Wir sind
einfach eine
Gruppe
von Autolieb­
habern. Nur
eben schwul.“
Sebastian Schmidt,
Vorstand Motorboys
verteilt auf sechs regionale Sektionen.
„Hauptgrund für die Gründung des
eingetragenen Vereins war, dass wir
für unsere Fahrveranstal­tungen die
Haftungsfragen klären wollten“, sagt
Florian Baumgartner, genannt Flo,
Gründungsmitglied und heute im
Vorstand. „Falls doch mal eine Straße auf der Rallyestrecke zu eng ist,
springt notfalls die Vereins-Haftpflicht ein.“
Denn neben regelmäßigen Regional-Stammtischen und kleineren
Ausfahrten laden die Motorboys einmal im Jahr zu ihrer „Trophy“, einem
mehrtägigen Event mit Rallye und einem touristischen Rahmenprogramm.
Dieses Jahr findet sie auf der Schwäbischen Alb zwischen Stuttgart und
Ulm statt, unter dem Motto „Heilig’s
Blechle! Nauf auf’d Alb, rond’r von dr
Alb“. Gleichmäßigkeitsfahrten oder
Wertungsprüfungen, sonst üblich auf
Oldtimer-Rallyes, finden hier allerdings nicht statt. „Unser Ansatz ist
eher touristisch als wettbewerbsorientiert“, sagt Flo, „und der gemütliche
Teil darf nicht zu kurz kommen.“ Auch
die beliebte Kombi aus Campingstüh-
Daniel aus Augsburg ist erst 20 und damit noch
jünger als sein VW Jetta Diesel in Top-Zustand
len und Discounter-Grillwürsten sucht
man auf der Trophy vergebens. Hier
geht es gediegener zu: Basislager
ist ein Vier-Sterne-Hotel mit Halbpension im kleinen Ort Mühlhausen im
Täle. 124 Teilnehmer sind in diesem
Jahr dabei und fahren die kurzen Etappen mit, immer wieder unterbrochen
von Besichtigungen und Verpflegungspausen.
Dann folgen Benzingespräche,
typisch Autoclub eben. Es gibt viel auszutauschen, denn aus der Modellvielfalt
resultiert ein enormes Detailwissen
zu sehr vielen Fahrzeugtypen. So weiß
Norbert alles über seinen orangefarbenen Dragster, dessen BigBlock-V8 beinahe 400 PS hat. „An
sehr heißen Tagen hat er manchmal
Temperaturprobleme – normal bei
Ami-Schlitten.“ Zu heiß wird es
Wolfgang zumindest im Innenraum
seines Rolls-Royce Silver Shadow II
nicht mehr, denn erst kürzlich gelang ihm die Reparatur der komplizierten Klimaanlage.
So unterschiedlich wie die Automodelle sind auch die Mitglieder.
Während NRW-Vorstand Sebastian
Schmidt betont, dass man im Grunde bloß eine Gruppe von Autoliebhabern sei, die auch schwul sind,
freut sich Andi gerade darüber, „dass
auf den Trophys die Homosexualität
so gefeiert wird“.
Das Nachmittags-Picknick findet
im Schatten der Bäume auf bunten
Decken statt. Hier kommt es dann
doch noch zu dem, was Andi den
„unvermeidlichen Höhepunkt auf
allen Schwulenveranstaltungen“
nennt: dem Wettbewerb im Handtaschenweitwurf. Ein ganz normaler
Autoclub? Na ja, fast ...frosin
MOTORBOYS
Mitglieder
317
Adresse:
motorboys.org
Beitrag:
30,- Euro pro Jahr
Besonderheit:
Club für schwule
Autofreunde.
Sechs Sektionen in
verschiedenen
Regionen: Bayern,
Berlin, Hamburg,
NRW, Sachsen/
Thüringen, Württemberg/deutsche
Schweiz.
Treffen:
Regelmäßige
Stammtische in
den Sektionen
plus rund 120 Veranstaltungen im
Jahr. Zum Beispiel
Picknicks, Schraubertreffen und
Schnitzeljagden. An
Himmelfahrt oder
Fronleichnam: viertägige MotorboysTrophy.
Weitere schwule
Autoclubs:
Oldtimerclub
Queerlenker,
queerlenker.de
FOTOS: R. RÄTZKE (9)
SERIE
Der kleine Unterschied: Einen
Wettbewerb im Handtaschenweitwurf gibt
es sonst nicht mal bei Frauen-Auto­clubs
y In Wolfgangs
Rolls lassen sich
mit Klima auch
heiße Tage aushalten
Für die (meist kurzen) Fahretappen hat das
Orga-Team sogar ein Roadbook vorbereitet
a Der gelbe Renault 5
von Martin (r.)
war der kleinste
Wagen auf der
diesjährigen Trophy.
Trotzdem holte
er den Preis für das
schönste Auto
Der Dragster von Norbert (r.) holt 400 PS aus
acht Liter Hubraum. Basis ist ein 1938er Buick
Sebastian und Michael sammeln
und schrauben Benz. Hier im
230 CE
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AUTOBILD.DE 3. JULI 2015
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Woche:
Der Club, den
es 94 Jahre
lang nicht gab
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AUTOBILD.DE 3. JULI 2015