LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN 6. Wahlperiode Drucksache 6/4986(neu) 16.12.2015 ANTRAG der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rote Linie bei Abschiebungen nicht überschreiten Der Landtag möge beschließen: 1. Der Landtag stellt fest: a) Nach deutschem und europäischem Recht ist das Kindeswohl bei allen staatlichen Maßnahmen, die Kinder betreffen, als vorrangiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Dennoch wurden in Mecklenburg-Vorpommern Kinder aus ihrer Schule abgeschoben. Andere wurden bei der Abschiebung ihrer Familie als Übersetzer herangezogen und dadurch indirekt am Vollzug dieser Zwangsmaßnahme beteiligt. b) Nach deutschem und europäischem Recht steht die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dennoch kommt es bei Abschiebungen immer wieder zu Familientrennungen. c) Nach deutschem und europäischem Recht ist die freiwillige Rückkehr von Menschen ohne Bleibeperspektive der Abschiebung vorzuziehen. Dennoch kommt es immer wieder zu Abschiebungen von Menschen, die ihre Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise erklärt haben. Auch ist in Mecklenburg-Vorpommern die Anzahl der Abschiebungen fünfmal so hoch wie die der freiwilligen Ausreisen. Drucksache 6/4986(neu) Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2. Der Landtag fordert die Landesregierung dazu auf, dafür zu sorgen, a) dass den oben genannten Grundsätzen des deutschen und europäischen Rechts bei Abschiebungsmaßnahmen künftig besser Rechnung getragen wird, insbesondere, dass Abschiebungen zwischen 21 und 6 Uhr, während der Mutterschutzfristen, aus Schulen und Kitas sowie Familientrennungen in Zukunft unterbleiben, b) dass die Abschiebung von Menschen, die kein Deutsch sprechen, künftig von öffentlich bestellten und allgemein beeidigten Dolmetschern begleitet wird und c) dass künftig erheblich weniger Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern abgeschoben werden und sich stattdessen die Anzahl der freiwilligen Ausreisen durch eine Beteiligung am REAG/GARP Programm 1 der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Verbindung mit einer qualifizierten Rückkehrberatung erhöht. Jürgen Suhr, Johannes Saalfeld und Fraktion Begründung: Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes nach Artikel 3 Absatz 1 der Kinderrechtskonvention (KRK) ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist, gleichviel, ob diese Maßnahmen von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden. Sämtliche Bestimmungen der KRK sind geltendes Recht in Deutschland und als solches von den staatlichen Behörden und Gerichten zu beachten. Demnach muss dem Kindeswohl etwa bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung besondere Beachtung zukommen. Abschiebungen aus Schulen oder Kitas sollten danach ausgeschlossen sein. Die Familie steht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Und nach Artikel 8 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Das gilt auch für Menschen ohne Bleibeperspektive. Abschiebungen dürfen vor diesem Hintergrund nicht dazu führen, dass Familien auseinandergerissen werden. Mit Wirkung zum 3. September 2015 hat die Landesregierung den bis dahin geltenden Nachtabschiebeerlass aufgehoben. Darin war geregelt, dass Abschiebungen zwischen 21:00 und 06:00 Uhr nur in Ausnahmefällen erfolgen und dass diese den Betroffenen vorher mitgeteilt werden. So sollten Härten vor allem für Familien vermieden werden. 1 Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme 2 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/4986(neu) Nach der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist die freiwillige Rückkehr der Rückführung vorzuziehen. Das deutsche Aufenthaltsgesetz liest sich ähnlich. In Mecklenburg-Vorpommern werden die Prioritäten jedoch anders gesetzt. Der Jahresbericht des Amtes für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten verzeichnet im Jahr 2013 477 und im Jahr 2014 507 Abschiebungen bei 76 bzw. 87 freiwilligen Ausreisen. In Nordrhein-Westfalen machen nach Angaben des dortigen Innenministeriums immer mehr Menschen von der Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr Gebrauch. Diese wird in NRW vom Land gefördert, und zwar über das REAG/GARP-Programm der IOM. Die Zahl der über dieses Programm geförderten freiwilligen Ausreisen überstieg die Zahl der Abschiebungen im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2015 fast um das Doppelte. In der Sitzung des Innenausschusses vom 10. Dezember 2015 erklärte das hiesige Innenministerium jedoch, von dieser Fördermöglichkeit keinen Gebrauch machen zu wollen. 3
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