2. Einheit

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Repetitorium Familienrecht – Eherecht II
Fall 1: Titus und Salome heiraten 1987 und vereinbaren eine das gesamte Vermögen
umfassende Gütergemeinschaft unter Lebenden. Titus bringt einen landwirtschaftlichen
Betrieb ein und Salome wird als Hälfteeigentümerin im Grundbuch eingetragen. Während
der Ehe werden Teile des Hofes umgebaut und ein Kuhstall errichtet. 2010 verlässt Salome
den Hof. Die Ehe wird 2015 ohne Verschulden geschieden. Der landwirtschaftliche Betrieb
hat zwischen dem Abschluss der Gütergemeinschaft und der Rechtskraft der Scheidung eine
Wertsteigerung von € 600.000,- erfahren, wovon € 510.000,- auf der Steigerung des
Grundwertes beruhen. Somit ist ein Zugewinn von € 90.000,- durch Arbeitsleistungen der
Ehegatten entstanden. Salome half jedenfalls bis 2010 fleißig in der Landwirtschaft mit und
führte den Haushalt. Titus begehrt die Zustimmung Salomes zur Rückübertragung ihrer
Hälfteanteile an den landwirtschaftlichen Liegenschaften. Salome verlangt dagegen Zug um
Zug eine Zahlung für die Hälfte der Gesamtwertschöpfung während der Dauer der
Gütergemeinschaft und eine Vergütung ihrer Arbeitsleistungen in der Landwirtschaft. Zu
Recht?
Fall 2: Karl und Emma haben 1991 die Ehe geschlossen, aus der ihre Tochter Berta stammt.
2005 lernt Emma den attraktiven Rudolf kennen und beginnt mit ihm ein Verhältnis, das drei
Jahre dauert und von dem Karl erst gegen Ende erfährt. Dieser verzeiht seiner Frau und sie
setzen die Ehe fort. Allerdings wird Karl sehr eifersüchtig, überwacht Emmas Handy und
ihren Computer und macht ihr immer wieder Vorwürfe. Im Anschluss an eine
Auseinandersetzung im Jahr 2010 zieht er für eine Woche zu seiner Mutter, was sich
mehrmals wiederholt. Ab 2012 kehrt Karl nicht mehr zu Emma und Berta zurück. Die
Ehegatten vereinbaren Anfang 2013, ein Jahr lang getrennt zu leben, halten während dieser
Zeit jedoch Kontakt und fahren im September gemeinsam auf Urlaub. Seit Sommer 2013
entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen Emma und Leon, einem ehemaligen
Nachbarn. Dieser besucht sie häufig bis zum späten Abend und hilft Berta bei den
Hausaufgaben. Es kann nicht festgestellt werden, dass zwischen den beiden ein
Liebesverhältnis besteht. 2015 bringt Karl die Scheidungsklage gem § 49 EheG ein, kurz
darauf folgt die Widerklage Emmas. Beide begehren, dass die Ehe aus dem alleinigen
Verschulden des jeweils anderen geschieden wird. Was hat das Gericht im Scheidungsurteil
auszusprechen? Welche Konsequenzen hat die Scheidung für den Unterhalt der Ehegatten?
Fall 3: Albert und Marta haben 1992 geheiratet. Im August 2012 zieht Marta aus der
Ehewohnung aus. Aus diesem Anlass schließen die beiden folgende Vereinbarung:
"Marta verlässt am 24. August 2012 auf eigenen Wunsch den bisherigen Wohnsitz.
Sämtliche weiteren Schritte bezüglich der Trennung, Neubeschaffung des Hausrats
sowie Vermögens- und Unterhaltsregelungen werden gemeinsam und
einvernehmlich getroffen. Es gilt weiter als vereinbart, dass jetzt und in Zukunft, auch
im Fall einer Scheidung, auf gegenseitige Schuldzuweisungen verzichtet wird und
keinerlei sich aus der getrennten Lebensführung ergebende Eheverfehlungen als
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Scheidungsgründe geltend gemacht werden. Eine eventuelle Scheidung wird im
gegenseitigen Einvernehmen vorgenommen."
Die Ehe ist seit September 2012 unheilbar zerrüttet. Albert begehrt mit seiner Anfang
September 2015 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe gestützt auf § 55 EheG. Marta
beantragt einen Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG. Zu Recht? Was sind die
unterhaltsrechtlichen Konsequenzen?
Fall 4: Die kinderlosen Ehegatten Alfredo und Donatella haben letzten Sommer beschlossen,
sich zu trennen. Aus finanziellen Gründen wohnen sie immer noch im selben
Einfamilienhaus, nutzen aber getrennte Räume, kochen und essen zu unterschiedlichen
Zeiten usw. Beide verabreden sich bereits mit neuen potentiellen Partnern. Jetzt wollen sie
sich endlich scheiden lassen, und zwar so schnell wie möglich. Über die Scheidungsfolgen
wollen sie sich erst später Gedanken machen. Weil sie jedoch eine
Scheidungsfolgenvereinbarung schließen müssen, geben sie einfach an, dass Alfredo das
Haus und Donatella eine Ausgleichszahlung bekommen soll und keine gegenseitigen
Unterhaltsansprüche bestehen. Bei Gericht gestehen die beiden die unheilbare Zerrüttung
ihrer Ehe ein, die der Richter nicht weiter überprüft, und werden sofort geschieden. Ist diese
Scheidung gültig?
Fall 5: Arthur und Vera werden im Jänner 2013 aus Arthurs überwiegendem Verschulden
gem § 49 EheG geschieden und Vera wird gem § 66 EheG ein angemessener Unterhalt
zugesprochen. Zwei Jahre später kommt Arthur zu Ohren, dass Vera mit einem anderen
Mann zusammenleben soll. Er beauftragt einen Detektiv, der Folgendes herausfindet: Seit
Jänner 2015 übernachtet regelmäßig der Pilot Lancelot bei Vera, wenn er nicht gerade
Dienst hat. Die beiden gehen oft zusammen einkaufen, essen gemeinsam und unternehmen
Ausflüge mit den Kindern. Sie wäscht auch seine Wäsche und lässt ihn auf ihre Kinder
aufpassen, wenn sie nicht da ist. Auch eine Reise nach Großbritannien haben sie schon
gemeinsam unternommen. Am romantischen Charakter der Beziehung besteht kein Zweifel.
Arthur ist entsetzt. Sofort stellt er seine Unterhaltszahlungen ein und verlangt von Vera den
seit Jänner gezahlten Unterhalt zurück. Darüber hinaus möchte er von ihr Ersatz für die
Detektivkosten.
Fall 6: Richard, ein erfolgreicher Bauunternehmer, und seine fünfte Ehefrau Gansi lassen sich
scheiden. Die beiden bewohnten eine Villa im 19. Bezirk in Wien. Richard ist alleiniger
Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die ua ein Einkaufszentrum betreibt. Ihre
Freizeit verbrachten die beiden in einem Strandhaus am Neusiedlersee, das Gansi vom Erbe
ihres Onkels gekauft hat, und auf einer Yacht, die Richard Gansi zum zweiten Hochzeitstag
geschenkt hat. Darüber hinaus besteht das Vermögen aus Richards Lebensversicherung,
einem Aktienpaket in Höhe von insgesamt € 200.000,- und wertvollem Goldschmuck mit
Diamanten, den Richard von seinem ersparten Vermögen gekauft hat und den Gansi oft bei
großen Events getragen hat. 3 Mio € seines Vermögens befinden sich seit einem Jahr in einer
von Richard gegründeten Privatstiftung, was Gansi erst jetzt erfährt. Eine Vereinbarung über
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das Schicksal des Ehevermögens im Fall der Scheidung liegt nicht vor. Gansi stellt ein halbes
Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils einen Antrag auf gerichtliche Aufteilung des
Ehevermögens.
Variante 1: Richard und Gansi haben gemeinsam zur Finanzierung eines neuen Ferrari einen
Kredit aufgenommen, der zum Zeitpunkt der Scheidung zur Hälfte bezahlt ist. Was passiert
damit im Aufteilungsverfahren?
Variante 2: Zur Zeit der Eheschließung haben Richard und Gansi einen „Ehevertrag“ in
Notariatsaktform abgeschlossen: „An den Rechtsverhältnissen bezüglich der Villa während
aufrechter Ehe soll sich auch im Fall der Scheidung nichts ändern.“ Richard hat die Villa im
19. Bezirk schon vor der Eheschließung gekauft und ist als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen. Gansi will jedoch nicht mehr einsehen, warum sie aus der Villa ausziehen soll,
zumal sie sich in Zukunft voraussichtlich nur noch eine schäbige Garçonnière leisten kann.
Sie beantragt daher die Aufteilung der Wohnung.
Fall 7: Adele und Emma lebten in jahrelanger Lebensgemeinschaft und wohnten in einem
Haus, das Emma 2006 erworben hatte. Um den Kaufpreis zu bezahlen, nahmen beide
gemeinsam einen Kredit auf. Zunächst zahlte hauptsächlich Emma die Kreditraten. Im Jahr
2007 veräußerte Emma die Liegenschaft mit einem Übergabsvertrag an Adele. Gleichzeitig
vereinbarten die beiden ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht für Emma. Die beiden
waren sich einig, „gemeinsam am Haus zu arbeiten und zu investieren“, und arbeiteten in
etwa gleich fleißig im Haushalt und beim Ausbau des Hauses mit. Im Zuge einer
umfangreichen Renovierung erneuerten sie das Dach, brachten eine Wärmeschutzfassade
an und errichteten eine Garage und einen Erker. Im Sommer 2014 trennten sich die beiden.
Seither wohnt Adele weiterhin im Haus. Sie tauschte die Schlösser aus und bezahlte die noch
offenen Kreditraten zurück. Emma begehrt nun die Zahlung der Hälfte des Wertes der
Liegenschaft.
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