Monatspredigt 11/2015

Predigt über Matthäus 25,14-30
Verantwortung übernehmen
Liebe Gemeinde
Jesus vergleicht das Gottesreich mit einem Mann, der seinen Besitz
Verwaltern anvertraute, ins Ausland reiste und seine Verwalter nach seiner
Rückkehr zur Rechenschaft zog. Solche Männer gab es tatsächlich. Es
waren palästinische Grossgrundbesitzer oder reiche Kaufleute, die z. B.
nach Rom oder Alexandria reisten, um ihre Geschäfte zu tätigen oder dort
das Leben zu geniessen. Bis zu ihrer Rückkehr führten Verwalter ihre
Arbeit in Palästina weiter.
Im Gleichnis von den anvertrauten Talenten stehen die Knechte bzw. die
Verwalter für die Jünger, der Mann, der ins Ausland reiste, ist Jesus. Nach
seiner Auferstehung kehrt Jesus zum Vater im Himmel zurück. Hier spricht
Jesus also von der Zeit zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft, also von
der Zeit, in der wir leben.
Der Besitz, den der Mann seinen Verwaltern anvertraut, ist die Botschaft
vom Gottesreich. Jesus hat seinen Jüngern seine Botschaft anvertraut.
Jeder Christ ist Botschafter an Christi Statt. Er ist ein Zeuge seines Herrn
in Wort und Tat. Beim anvertrauten Besitz handelt es sich um beträchtliche
Summen, war doch die Kaufkraft des Geldes damals viel höher als heute.
Die Verwalter bekommen unterschiedliche Beträge, der erste fünfmal
soviel wie der dritte. Jeder bekommt die Summe, die seinem Können
entspricht. Der erste ist sehr begabt. Er bekommt die grösste Summe von
fünf Talenten. Der zweite hat mittlere Fähigkeiten. Ihm vertraut der Herr
zwei Talente an. Der dritte ist schwächer begabt. Es ist für ihn
anspruchsvoll genug, ein Talent zu verwalten. Jesus vergibt die Aufträge
nicht nach einem Gleichheitsprinzip, sondern misst die Aufgaben
individuell zu, je nach Begabung und Kapazität des Verwalters. Von keinem
wird mehr erwartet, als er kann. Das ist Gottes Barmherzigkeit.
Liebe Gemeinde
Jeder Mitarbeiter im Gottesreich bekommt einen Auftrag nach seinem
Können. Das ist eine gewaltige Entlastung. Einer allein muss nicht alles
können. Ein Kirchgemeinderat, der im Besuchsdienst tätig ist, muss nicht
alle älteren Gemeindeglieder besuchen. Beim einen hat er offene Türen,
da soll er hingehen. Beim anderen wird er abgewiesen. Das entlastet ihn.
Da hat ein anderer Mitarbeiter einen Zugang. Da soll derjenige hingehen,
den Gott senden will. Im Auftrag von Jesus muss niemand alles können.
Niemand muss die Arbeit allein machen. Jesus beruft andere genauso wie
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mich. Andere haben andere Gaben. Gott will sie in einem anderen Dienst
gebrauchen, für den sie Kraft und Freude haben. Entscheidend ist nicht,
wie viel wir tun, sondern wie treu wir unseren Dienst tun.
Die drei Verwalter im Gleichnis legen zwei Verhaltensweisen an den Tag.
Die ersten beiden machen sich unverzüglich an die Arbeit. Jeder von ihnen
arbeitet mit den anvertrauten Talenten. Die beiden ersten Verwalter
verdoppeln ihre Summe.
Anders der dritte. Er geht weg. Er distanziert sich. Er gräbt ein Loch in die
Erde und versteckt das Geld seines Herrn. Aber eben: Nicht in Sicherheit
bringen soll der Verwalter das Geld seines Herrn, sondern anderes
dazugewinnen. Das Geld soll arbeiten, in Umlauf kommen. Wenn er das
Geld versteckt, tut er gerade das, was sein Herr nicht will.
Was will Jesus mit dem Gleichnis sagen? „Gewinnen“ ist ein Fachausdruck
der urchristlichen Missionssprache. Wer die Botschaft von Jesus
weitergibt, gewinnt Menschen für das Reich Gottes. Jetzt ist klar, warum
der dritte Verwalter das Geld unter keinen Umständen hätte vergraben
dürfen. Das Geld nicht in Umlauf setzen, bedeutet: nicht die Botschaft vom
Gottesreich weitergeben. Und wer die Botschaft von Jesus nicht weitergibt,
gewinnt keine Menschen für das Reich Gottes. Weggehen, sich
distanzieren, die Botschaft zurückhalten ist Sünde. Wer die frohe Botschaft
kennt und niemandem davon erzählt, handelt gegen den Willen Jesu. Wer
heimlich Christ ist und nicht dazu steht vor den Menschen, enttäuscht
Jesus. Wer zu träg ist, das Evangelium weiterzugeben, versündigt sich.
Wer feig ist, muss die Konsequenzen tragen. Wir leben in der Zeit zwischen
Himmelfahrt und Wiederkunft Jesu. Diese Zeit ist Missionszeit. Warum ist
Jesus noch nicht wiedergekommen? Weil wir seine Boten sein sollen, die
Menschen für das Gottesreich gewinnen. Jesus erwartet von uns, dass wir
nicht die Hände in den Schoss legen und uns über unser persönliches
Seelenheil freuen, sondern dass wir missionarisch leben. Ausgerechnet
der Verwalter, der die kleinste Aufgabe zu bewältigen hatte – nur ein Talent
– distanziert sich.
Nach langer Zeit kommt der Herr zurück und fordert Rechenschaft von den
Verwaltern (Vers 19). Es dauert lange bis zur Wiederkunft Jesu. Die
christliche Gemeinde braucht einen langen Atem. Aber der Herr kommt
garantiert zurück. In dem Moment fordert er Rechenschaft von den
Verwaltern. Wir müssen einmal Rechenschaft geben über unser Leben.
Jesus spricht hier aber nicht vom allgemeinen Weltgericht. Das Gericht
über die Christen gehört mit der ersten Auferstehung zusammen. Das
allgemeine Weltgericht ist mit der zweiten Auferstehung verbunden. Bei der
Wiederkunft Jesu findet die Auferstehung der Gläubigen und das Gericht
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über ihre Werke statt. Danach folgt die allgemeine Auferstehung der Toten
und das allgemeine Weltgericht.
Der erste Verwalter berichtet stolz und mit Freude: Herr, du hast mir fünf
Talente anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Talente gewonnen
(Vers 20). Der Mitarbeiter im Reich Gottes ist eine verantwortliche
Persönlichkeit. Durch Gottes Ruf und Gnade wird der Mensch ein
verantwortlicher Mitarbeiter. Was wir in der Mission aufbauen, kann
verschieden sein: Gold, Silber, edle Steine, Holz, Heu oder Stroh (1
Korinther 3,12f). Das ist unser Werk, unsere Verantwortung.
Der Herr ist begeistert. Er lobt den tüchtigen und treuen Verwalter: Recht
so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich
will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude (Vers 21)! Wir
werden überwältigt sein, wenn der Herr einmal zu uns sagt: „Gut gemacht!
Die Prüfung ist bestanden. Das Ziel ist erreicht. Der Kampf ist gekämpft.
Der Lauf ist vollendet. Du hast Treue gehalten. Du hast den Siegespreis
errungen.“
Aber, müssen wir fragen: Ist das nicht ein Lohn nach den Werken?
Tatsächlich. Klar davon unterscheiden müssen wir die Frage, wie wir
Sündenvergebung erlangen bzw. gerechtfertigt werden. Hier gilt: ohne des
Gesetzes Werke, allein durch den Glauben (Römer 3,28). Der Lohn nach
den Werken betrifft diejenigen, die bereits von Gott als seine Kinder
angenommen sind, d. h. die Gerechtfertigten. Sie sind aus Gnade gerettet.
Aber sie verspielen ihre Gnade, wenn sie ihre Talente vergraben, d. h.
wenn sie ungehorsam sind. Von der Treue hängt es ab, wie gross die
Belohnung ausfällt. Es gibt also verschiedene Ränge im Gottesreich, ohne
jeden Neid. Es kann auch sein, dass unser Werk in der Nachfolge
überhaupt kein Ergebnis brachte, und doch werden wir gerettet – wie
durchs Feuer hindurch (1 Korinther 3,15).
Was ist die Belohnung? „Ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines
Herrn Freude!“, sagt Jesus zum treuen und tüchtigen Verwalter. Das
bedeutet: Er kommt ins Reich Gottes und darf mit Christus regieren. Gott
wird ihm spezielle Aufgaben zuweisen. Es wird also alles andere als
langweilig sein in der Ewigkeit. Wir werden unvorstellbare Freude haben
und Aufgaben wahrnehmen, die Freude bereiten werden.
Jesus ist der endzeitliche Richter, vor dem wir als Christen Rechenschaft
ablegen werden. Der zweite Verwalter bekommt das gleiche Lob wie der
erste. Auch er hat es gut gemacht und bekommt den angemessenen Lohn.
Anders der dritte Verwalter. Er handelt nicht aus Liebe zu seinem Herrn.
Die Anrede „Herr“ ist bloss ein Lippenbekenntnis. Der dritte Verwalter lebt
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nicht in einer persönlichen Beziehung mit Jesus. Er hat ein falsches
Christusbild. Er sieht in Jesus einen harten Mann. Das Gegenteil ist wahr:
Jesus war besonders barmherzig mit ihm. Er hatte ihm die kleinste Aufgabe
anvertraut, nur ein Talent, nach seinem Können. In Wahrheit will der dritte
Verwalter dem Herrn nicht gehorchen. Er schreckt zurück vor dem Wagnis,
sich für seinen Herrn einzusetzen. Er will nicht für ihn arbeiten. Er tut lieber
seinen eigenen Willen. Er steht im Gleichnis für die Menschen, die es nicht
wagen, Zeugen Jesu zu sein, weil sie kein Vertrauen zu Jesus haben.
Unanständig war er nicht. Er hat das anvertraute Talent nicht gestohlen. Er
war so anständig, dass er alle Rechtsvorschriften über die Aufbewahrung
anvertrauter Sachen erfüllt hat. Aber das spricht ihn nicht frei. Jesus will
nicht das Anvertraute zurückerstattet haben, sondern die Arbeit, damit
weitere Menschen von der Botschaft erreicht werden. Sein Wort soll laufen
– auf unseren Füssen und durch unser Zeugnis. Anständigkeit im
bürgerlichen Sinn genügt nicht, um Christ zu sein. Jesus sucht Hingabe
und Gehorsam. Darum lautet das Urteil über den dritten Verwalter: Du
böser und fauler Knecht (Vers 26)! Bös ist, wer Jesus ungehorsam ist. Faul
oder träg ist, wer seinen Auftrag nicht erfüllt. Wer sich vom Herrn
distanziert, wer nicht in einer liebevollen, vertrauensvollen Beziehung mit
ihm lebt, kann auch seinen Auftrag nicht mehr erfüllen.
Der dritte Knecht hätte ja sein Geld zur Bank bringen können, wenn er sich
die Arbeit ersparen wollte, so hätte er das Geld für sich arbeiten lassen. So
hätte er immer noch etwas für seinen Herrn herausschlagen können. Wenn
er noch ein bisschen Treue und Liebe zu seinem Herrn gehabt hätte. Hätte
der dritte Verwalter auch nur das Geringste getan, so wäre Jesus mit ihm
zufrieden gewesen. Oder hätte der dritte Verwalter – wenn er selbst schon
nicht Zeuge in der Oeffentlichkeit sein wollte – den Dienst von Missionaren
unterstützt, dann hätte ihn Jesus ins Gottesreich aufgenommen. Aber
Jesus fand nicht das Geringste an Engagement bei ihm. Besonders
tragisch ist, dass die harte Strafe einen trifft, der Christ gewesen ist. Er war
ein unnützer Knecht. Darum gehört er an den ewigen Gerichtsort der
Gottesferne.
Liebe Gemeinde
Diese ernste Stelle warnt uns Christen davor, böse und faul zu werden.
Lassen wir uns warnen vor Ungehorsam und Trägheit. Arbeiten wir für den
Herrn, bis er wiederkommt. Engagieren wir uns direkt oder indirekt in der
Mission. Geben wir die Botschaft vom Reich Gottes weiter. Der Lohn wird
überwältigend sein, das Engagement lohnt sich.
Amen
22-11-2015, Madeleine Koch-Stoll, Pfrn., Adelboden
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