Dietmar Kamlah: Klug - jetzt und ewig

Vortrag beim Christustag am 4. Juni 2015 in Bahnbrücken
CHRISTUS
TAG
Klug - jetzt und ewig
Lukas 16,1-13
Dietmar Kamlah, Stuttgart
Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei
ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre
ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3
Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich
nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen
jeden für sich, und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Er sprach: Hundert Eimer
Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7 Danach
fragte er den zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach
zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.
1
Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt
sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit
dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.
8
Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist
auch im Großen ungerecht. 11 Wenn ihr nun mit dem ungerechten Mammon nicht treu seid, wer wird
euch das wahre Gut anvertrauen? 12 Und wenn ihr mit dem fremden Gut nicht treu seid, wer wird euch
geben, was euer ist? 13 Kein Knecht kann zwei Herren dienen; entweder er wird den einen hassen und den
andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen
und dem Mammon.
10
Der Kirchentagslosung haben wir es zu verdanken, dass es auch beim diesjährigen Christustag um
das Thema „Klugheit“ geht. Dem Halbsatz des Kirchentages „Damit wir klug werden!“ stellt der
Christustag den Hauptsatz „Gottes Wort macht klug!“ an die Seite.
Soweit so klug. Aber war es wirklich so klug, als Paradebeispiel für einen klugen Menschen gerade
solch einen korrupten Verwalter zu wählen?
Das ist doch eine sehr anrüchige Geschichte. Hier stinkt es doch gewaltig nach Korruption, Betrug, Urkundenfälschung, Schmiergeldern, Amtsmissbrauch und den Geruch kennen wir inzwischen zur Genüge. Davon haben wir doch die Nase gestrichen voll.
Man konnte es natürlich nicht wissen, dass die Ausdünstungen des FIFA-Skandals gerade jetzt
noch so penetrant in der Luft liegen.
Es gibt ja so Gerüche, bei denen bestimmte Menschen sich unwillkürlich angewidert abwenden.
Nicht für jeden riecht Bestechung nach Parfum. Jetzt wird uns hier aber ein korrupter Verwalter
präsentiert und dabei gesagt: Riech mal! Ist das nicht dufte?!
Und man denkt: Hier riecht es doch sehr streng nach griechischer Vetternwirtschaft, nach geschmierten FIFA-Funktionären, nach gewissenlosen Bankern und Spekulanten. Und da soll man
noch ergiebig schnüffeln und inhalieren?
Nicht zu fassen, was man da liest: „Der Herr lobte den Verwalter!“
Da hält man doch die Luft an und fragt sich: „Welcher Herr soll das gemacht haben?“ Sollte es der
reiche Großgrundbesitzer aus der Erzählung sein? Das wäre zumindest eine merkwürdige und
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äußerst ungewöhnliche Reaktion. Man stelle sich vor, da hat ein Mitarbeiter massiv Urkundenfälschung betrieben und der, um dessen Geld es dabei geht, sagt anerkennend: „Alle Achtung, der
Mann weiß wie man sich seine Zukunft sichert!“
Nun ja, ganz ausgeschlossen ist diese Interpretation wohl nicht. Jesus hat in seinen Gleichnissen
durchaus die eine oder andere Ungewöhnlichkeit eingebaut.
Aber vielleicht ist es ja auch Jesus selbst, der hier mit dem lobenden Herrn gemeint ist. Das wäre
freilich noch viel irritierender. Soll eine solche gerissene Gaunerei etwa ein lobenswertes Vorbild
einer Gott wohlgefälligen Klugheit sein?Wenn man annimmt, dass mit dem lobenden Herrn an
dieser Stelle der Großgrundbesitzer gemeint ist , so hat doch Jesus auf jeden Fall dieses Lob geteilt.
Er schaut diese Geschichte aus einem ganz anderen Blickwinkel an als es beispielsweise die anwesenden Pharisäer tun. Die moralischen Aspekte waren für Jesus gar nicht so bemerkenswert.
Natürlich war das Ganze ein Betrug, aber Jesus sieht in der Geschichte, die vielleicht sogar ein
wirkliches Geschehen aufgegriffen hat, ein selten gutes und anschauliches Bild, für das, was ihm
in Punkto Geld am Herzen liegt. Lassen Sie mich da an einem Beispiel erklären.
Die Zeit ist noch gar nicht so lange her, in der man seine Urlaubsbilder nicht gleich nach dem
Urlaub auf seinem Handy präsentieren konnte, sondern erst noch die belichteten Filmrollen zum
Entwickeln ins Fotolabor bringen musste. Da entwickelte man zuerst ein Negativbild und machte
davon dann positive Abzüge.
Jesus macht es ähnlich. Er taucht ein skandalöses Geschehen in ein eigentümliches Entwicklungsbad und lässt vor den Augen seiner Jünger erst einmal ein Negativbild sichtbar werden. Dieses
Negativbild muss ins Positivbild gewandelt werden. Erst dann tritt in ganzer Klarheit vor Augen,
wie eine Klugheit aussieht, die sich nicht nur eine lebenswerte Zukunft im vergänglichen Leben
sondern die sich eine lebenswerte Zukunft in der Ewigkeit bereitet. Denn darauf kommt es Jesus
an. Lassen Sie uns mal einen kurzen Blick in das Entwicklungsbad werfen, in dem das Negativbild
immer klarer Umrisse annimmt. Zuerst sieht man nur einen entlarvten und denunzierten Verwalter.
Vorwurf: Verschwendung. Dieser unverantwortliche Hallodri soll mit dem ihm anvertrauten Vermögen so umgegangen sein, als wäre es sein eigenes, dass er für seine eigenen Gelüste und Vergnügungen munter ausgeben kann. Wer genau hinsieht erkennt: Dieser Verwalter wird nicht zu
Unrecht beschuldigt. Die Vorwürfe stimmen wohl.
Zumindest macht er keinerlei Versuch, sich selbst zu rechtfertigen und seine Entlassung abzuwenden.
Aus der Tatsache, dass er die Übergabeabrechnung zu erstellen hat, wird klar, dass die fristlose
Entlassung definitiv feststeht.
Er wird zwar nicht bestraft, aber da er keine Rücklagen gebildet hat sondern das abgezweigte Geld
auf den Kopf gehauen hat, wird er in Kürze ohne einen Pfennig Geld und ohne ein Dach über dem
Kopf auf der Straße stehen.
Gut nachvollziehbar, dass ihn ein einziger Gedanke beschäftigt, nämlich wie er gut weiterleben
kann, wenn er mit einem Male besitz- und mittellos dasteht.
Im Abwägen der verschiedenen Optionen erscheinen ihm die körperliche Arbeit als physisches
und die Bettelei als psychisches No-Go. Zum Beiseiteschaffen von Geld gibt es auch keinerlei Möglichkeit mehr. Die Tatsache aber, dass er noch alle Vollmachten besitzt, bringt ihn schließlich auf
die geniale Idee, wie man nicht durch erhöhte Pachtforderungen sondern ganz im Gegenteil durch
reduzierte Pachtabgaben einen großen Gewinn für die persönliche Arbeitslosenversorgung erwirtschaften kann.
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Das Ganze kann sich natürlich nicht allgemein und öffentlich vollziehen, sondern muss in geheimen konspirativen Gesprächen abgemacht werden. Klar, einer kommt bei diesem Deal natürlich
nicht auf seine Kosten. Aber das ist der, bei dem es lediglich um Reichtumssteigerung gegangen
wäre. Für den reichen Herrn des Verwalters entsteht dadurch kein existenzgefährdender Verlust
sondern nur ein kleinerer Gewinn.
Der gerissene Verwalter investiert das Geld seines Herrn ohne dessen Zustimmung und Wissen in
die Entwicklung dankbarer Freundschaften. Er investiert damit in eine Währung, die ihm niemand wegnehmen kann und die keinen Wertverlust erleidet.
Das Ganze war zumindest zwischen dem Verwalter und den Pächtern eine echte Win-Win-Situation. Die Pächter erhielten eine spürbare Entlastung und der Verwalter gewann dafür ihre bleibende
Dankbarkeit.
Wer solche Win-Win-Situationen zustande bringt ist wirklich klug schreibt der Wirtschaftshistoriker Carlo Cipolla in einem Aufsatz mit dem schönen Titel „Die Gesetze der menschlichen Dummheit“.
Die Dummheit zeigt sich darin, dass jemand so handelt, dass weder er selbst noch irgend jemand
anderes einen Gewinn davonträgt sondern dass am Ende alle nur Verluste macht.
Bis jetzt waren wir beim Negativbild. Unverkennbar sind die dunklen Farben der Berechnung,
der Unehrlichkeit und Selbstbezogenheit, der kriminellen Energie. Wer das Negativ als Positivbild ansieht, könnte aus dieser Episode fälschlicherweise eine Legitimierung von Lug und Trug
herauslesen oder es als eine Illustration des Sprichwortes „Der Zweck heiligt die Mittel“ ansehen.
Das Negativ ist aber auch in den Augen von Jesus ein Negativ und muss ins Positiv transformiert
werden. Jesus erzählt diese Geschichte seinen Jüngern, damit sie klug mit Geld, Vermögen und
Gütern umgehen. Der Unterschied zum Negativbild besteht darin, dass es bei den Jüngern um
eine Klugheit ohne Falschheit geht. „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben!“
Bei dem ungerechten Verwalter war es die Eigenliebe im Angesicht des unabwendbaren Jobverlustes, die ihn antrieb, sich Freunde zu machen.
Bei den Jüngern soll es die dankbare Gottesliebe im Angesicht des ganz gewiss kommenden Reiches Gottes sein, die sie antreibt, sich Freunde zu machen. Aber Freunde machen sollen sie sich
auch.
Was beim Verwalter in betrügerischer Manier ohne den Willen seines Herrn geschah, dass sollen
die Jünger in Aufrichtigkeit, ohne berechnendes Kalkül und mit der vollen Zustimmung ihres
Herrn tun. Investiert in der begrenzten Zeit eures irdischen Lebens, den Reichtum, das Vermögen,
das Geld in die Entwicklung dankbarer Freundschaften. Investiert in dem Bewusstsein, dass dankbare Freundschaften der einzige Reichtum ist, der die Grenze des Todes passieren wird. Investiert
in dem Bewusstsein, dass diese kluge Investition das Lob des Herrn empfangen wird.
Gott vertraut uns Vermögen an, damit etwas von Gottes Güte in dieser Welt sichtbar wird. Wo
dieses Vermögen einfach zum eigenen Besitz erklärt wird, wird aus dem Vermögen Gottes der
ungerechte Mammon.
Reichtum an Geld und irdischen Gütern im Angesicht der Armut des Nächsten ist ungerechter
Mammon. Überfluss, der aufgestaut und am Überfließen nach unten gehindert wird, ist ungerechter Mammon. Reichtum, der zum Lebensinhalt, zum Lebenssinn, zur Lebensorientierung und zur
Lebensgarantie gemacht wird ist ungerechter Mammon. Er ist ungerecht, weil er unrechtmäßiger
Weise den Platz einnimmt, der nur Gott alleine zukommt.
Beim Geld scheint es nur zwei lebbare Alternativen zu geben: Entweder man dient seiner größten Liebe mit seinem Geld oder man dient dem Geld als seiner größten Liebe. Dem trügerischen
Versprechen des Geldes unser ewig bleibender Besitz zu sein, kann man sich nur entziehen, wenn
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man das Geld im Gehorsam und in der Liebe zu Gott in Dienst nimmt, um den Bedürftigen spürbare Wohltat und Entlastung zu schenken.
Helmut Gollwitzer hat einen eindrücklichen Kommentar zu dieser Geschichte geschrieben:
„Wir kommen einmal arm zu den ewigen Hütten, weil wir alles zurücklassen mussten, was wir im
Leben gewonnen hatten, gerade das alles, was mit Geld zu kaufen war. Nun aber treten uns dort
Erwerbungen entgegen, von denen wir nichts mehr wussten.
Nicht erworbene Besitztümer – die sind vergangen! – sondern gewonnene Freunde, in denen hier
auf Erden Christus uns nahegekommen ist. Die zeugen nun dort für uns und erinnern den Herrn,
dass er in ihnen von uns gespeist, getränkt, gekleidet, beherbergt, besucht worden ist.“
Dann wird der Herr, dem das letzte Urteil über einem jeden Menschen zusteht, die wahre Klugheit
im Umgang mit den geringen fremdem Gütern vor allen Ohren loben und den klugen Verwaltern
das wahre, ewig bleibende Eigentum übergeben:
„Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Königreich, das euch bereitet ist von Anbeginn
der Welt.“
Wie hatte Jim Elliot die Klugheit des Glaubens beschrieben: „Der ist kein Narr, der hingibt, was er
nicht behalten kann um zu gewinnen, was er nicht verlieren kann.“
AMEN
Quelle: www.christustag.de
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