Andrea Schneider - Gottesdienstinstitut Nordkirche

Donnerstag, 4. Juni 2015
Bibelarbeit zu Lukas 16,1-13: Der merk-würdige Verwalter
Pastorin Andrea Schneider, Oldenburg
(kursive Teile von einer Sprecherin, Musikunterbrechungen von der Band)
Die Fragezeichen
Manchmal kann man sich nur wundern, was für Texte in der Bibel stehen.
Humorvoll und frech, amüsant und ärgerlich. Das ehrwürdige Buch der Bücher ist immer
wieder für Überraschungen gut.
Der für die Bibelarbeit heute vorgeschlagene Abschnitt ist so ein Überraschungstext. Er ist
gut geeignet als Wachmacher nach einem langen Kirchentagseröffnungsabend und einer
vermutlich kurzen Nacht - das Gleichnis vom – tja, hier fängt's schon an mit den
Fragezeichen: vom „unehrlichen Verwalter“ - Luther? Oder vom „ungetreuen Verwalter“ GNB, NGÜ? Vom „klugen Verwalter“ - diese diplomatische Bezeichnung wählt die
diplomatisch ausgehandelte ökumenische Einheitsübersetzung? Oder etwa vom
„durchtriebenen Verwalter“ – so die moderne „Hoffnung für alle“?
Fragezeichen ...
Dieses Gleichnis – so geht’s weiter mit den Fragezeichen: Ist es ein Gaunerstück, eine
Robin-Hood-Geschichte oder ein Management-Ratgeber? Ist es unmoralisch oder
missionarisch oder typisch protestantisch? Und natürlich muss das heute auch gefragt
werden: Ist es klug?
Fragezeichen ...
Hören wir Lk 16, 1-9 in der Kirchentagsübersetzung:
Ein reicher Mann hatte einen Geschäftsführer, dieser wurde verdächtigt, seinen Besitz zu
verschleudern. Er ließ ihn rufen: „Was höre ich über dich? Leg deine Bilanz vor! Du kannst
nicht weiter die Geschäfte führen.“ Der Geschäftsführer sagte sich: Was tun? Mein Herr
entzieht mir die Verwaltung. Für Feldarbeit bin ich nicht kräftig genug, zu betteln schäme
ich mich. Jetzt weiß ich, was ich mache, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, sobald
ich aus der Verwaltung entlassen bin.
Er rief diejenigen, die seinem Herrn etwas schuldeten, einzeln zu sich. Den Ersten fragte
er: „Wieviel schuldest du meinem Herrn?“ „Hundert Fass Olivenöl.“ „Hier, nimm deinen
Schuldschein, setz dich, schreib schnell 50!“ „Und du? Was schuldest du?“ „Hundert
Fuhren Weizen.“ „Hier, nimm deinen Schuldschein, schreib 80.“
Und Jesus, der Herr, lobte den Verwalter der Ungerechtigkeit, weil er klug gehandelt hatte.
Im Blick auf ihre Generation sind die Kinder dieser Zeit klüger als die Kinder des Lichts.
Macht euch Freundinnen und Freunde mit dem Geld der Ungerechtigkeit, damit sie euch,
wenn das Geld zu Ende geht, immer ein Zuhause geben.
Jesus erzählt eine Beispielgeschichte. Er greift hier nicht wie in seinen klassischen
Gleichnissen eine allseits bekannte Alltagssituation auf, die durchsichtig ist für Gottes
Wirklichkeit, sondern er beschreibt eine besondere Situation. Ein Beispiel. Auch ein
Vorbild? Da ist es wieder - unser Fragezeichen.
Vers 1-2
Der Verdacht:
„Ein reicher Mann hatte einen Geschäftsführer, dieser wurde verdächtigt, seinen Besitz zu
verschleudern. Er ließ ihn rufen: Was höre ich über dich? Leg deine Bilanz vor! Du kannst
nicht weiter die Geschäfte führen.“
Der Verwalter oder Geschäftsführer, griech. Oikonómos, ist ein Mann mit weitreichenden
Kompetenzen. Ein Ökonom, fit in Wirtschafts- und Rechtsdingen, tätig als Manager im
Auftrag des Eigentümers eines Großunternehmens, ausgestattet mit Prokura. Eine auch
heute übliche Funktion.
Der Großgrundbesitzer in der Agrargesellschaft Palästinas lebte meist nicht auf dem Land,
sondern in der Stadt, sein Verwalter dagegen vor Ort, in der Nähe der Ländereien. Die
Machtverhältnisse waren von oben nach unten straff durchstrukturiert: an der Spitze der
römische Kaiser, darunter Provinzial- und Regionalherrscher, dann Großgrundbesitzer und
ihre Verwalter, Pächter und Kleinbauern, Tagelöhner und Sklaven.
In diesem System von Zuständigkeit und Abhängigkeit spielte der Oikonómos eine
wichtige Rolle: Er war weisungs- und kontrollberechtigt nach unten, selbstständig
handelnd und zugleich erfolgsabhängig nach oben, vermutlich konkurrenzbeobachtet und
neidbeäugt zu den Seiten hin. Sein Job: ein einträglich-komfortabler Karrieresessel und
zugleich ein unsicher-unbequemer Schleudersitz. Auch diese Kombination kennen wir.
Eine knappe Situationsbeschreibung zum Einstieg in die Geschichte. Der reiche Mann hat
Stimmen gehört. Ihm wurde etwas zugetragen. Vermutungen. Verdächtigungen: Chef, dein
Geschäftsführer verprasst dein Geld! Ob da was dran ist? Oder ob da neidische
Konkurrenten eine Intrige spinnen? Und was mag das Motiv dieser ach so besorgten
Beobachter sein? Wirklich nur reinherzige Solidarität mit dem Chef? Oder doch auch
Eigeninteresse? Schließlich sind es ja auch nur Menschen - wie wir …
In der Lutherübersetzung heißt es hier zu Beginn nicht: „Er wurde verdächtigt“, sondern
„Er wurde beschuldigt“. Das klingt nach: Schon klar! Das Urteil steht, die Überschrift über
das Gleichnis entsprechend auch: „Der unehrliche Verwalter“. Und damit ist ein Bild von
diesem Mann vorgezeichnet, eine verengte Perspektive auf unser Gleichnis vorgegeben.
Übrigens ist diese Perspektive die der Reichen, also unsere. Schnell solidarisieren wir uns
mit dem reichen Mann. Regen uns auf: Unmöglich ist das - den Besitz eines anderen
verschleudern!
Aber halten wir fest: Es ist im Text ein Verdacht gegen den Verwalter. Nur ein Verdacht.
Und der Großgrundbesitzer ist nicht nur ein reicher, sondern auch ein kluger Mann. Er
sucht das direkte Gespräch mit dem Denunzierten. Er stellt eine Frage, stellt den Verdacht
in Frage: Was höre ich über dich?
Ich denke: Das ist schon eine erste kleine Antwort auf die große Frage, die uns in diesen
Tagen beschäftigen soll: Was ist klug? Klug ist in einem Konflikt: Face to face miteinander
reden. Fragen statt behaupten. Und dann recherchieren statt urteilen – so wie es hier der
Chef tut: Öffne deine Bücher, leg deine Abrechnungen vor, erkläre deine Bilanz.
Klug und klar ist auch, was dann folgt - die Ansage möglicher Konsequenzen aus der
Recherche: Du wirst wohl nicht mehr mein Verwalter sein können.
Worum geht es in dem Verdacht? Der Mann soll das Vermögen seines Chefs
„verschleudern“. Diaskorpízo. Was heißt das: War der Verwalter ein Bösewicht und hat in
die eigene Tasche gewirtschaftet oder hatte er nur kein gutes Händchen für
Geldgeschäfte? Hatte falsch kalkuliert und deshalb nicht maximale Rendite rausgeholt?
War der Verwalter schlicht ein Unglücksrabe, wie es sie heute auch gibt, die auf die
falschen Pferde oder Aktien setzen und ihr Geld - haste nicht gesehen - los sind …
Viele Ausleger sind sich schnell einig an dieser Stelle: Der Verwalter ist ein fieser Schurke,
bestenfalls ein schlitzohriger Schlingel. Es geht um Betrug. Entsprechend übersetzt die
Gute Nachricht den ersten Satz so: „Ein reicher Mann hatte einen Verwalter, der ihn
betrog.“
Mir geht das zu schnell. Denn wörtlich übersetzt heißt diaskorpízo „ausstreuen“,
„verteilen“. Das klingt nicht unbedingt gleich nach Betrug. Das klingt nach fröhlichem
Weitergeben, vielleicht auch nach unbedachtem Risiko. Oder sogar nach bewusster
Großzügigkeit?
Das Wort diaskorpízo stammt aus der Landwirtschaft. Es beschreibt die Art des Säens im
Orient: Ein Sämann streut Samen aus – auf dem trocken-heißen Boden muss das
reichlich und verschwenderisch geschehen. Davon erzählt Jesus in Bildworten: Der
Sämann verschleudert viel beim Säen. Vergeudet Saat auf dem Weg, unter den Dornen.
Aber das gilt es in Kauf zu nehmen. Denn nur ein Bruchteil des Ausgestreuten wächst bis
zur Ernte. Deshalb: Ausstreuen ist klug! Und dieses großzügig ausstreuende Säen ist für
Jesus ein Bild, worum es im Reich Gottes geht: Liebe weit ausstreuen. Großzügig
verteilen. Mit offenen Händen.
In einem anderen Gleichnis Jesu, im 15. Kapitel des Lukasevangeliums, in der Geschichte
vom sog. „Verlorenen Sohn“, findet sich auch das Wort „diaskorpízo“.
Der jüngere Sohn, der mit seinem Erbe in die weite Welt zieht, aus Lust an der Freiheit,
aber auch um sich eine neue Existenz aufzubauen, schließlich ist er ja nicht Erbe von
Haus und Hof - er verteilt Geld und gute Laune, unter Fremden und Freunden und
solchen, die es werden könnten. Er verstreut das Vermögen seines Vaters: Diaskorpízo.
Luther übersetzt deutlich moralisierend: „dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen“.
Die Gute Nachricht spricht immerhin etwas freundlicher vom „Verjubeln“.
Diesem verlorenen Sohn, der sein Erbe verstreut und verliert - großzügig und großspurig,
risikoreich und bedenkenarm, lebenslustig und am Ende eben auch todtraurig - genau
diesem Luftikus-Sohn läuft der Vater entgegen. Viel zu schnell angesichts der
orientalischen Hitze. Viel zu überschwänglich für Menschen mit ordentlich-bürgerlichem
Geschmack. Viel zu fröhlich für moralinsaures, schmallippiges Kommentieren nach dem
Motto: Unmöglich, ungerecht, diese Liebes-Verschwendung!
Ich finde, diese ach so bekannte Geschichte wird ganz neu spannend, wenn wir uns den
„verlorenen Sohn“ nicht gleich als missratenen Erbteil-Verprasser vorstellen, sondern als
verschwenderischen Sinnsucher, der wiederum vom Vater verschwenderisch geliebt wird.
Was, wenn wir mit demselben Blick auch auf unseren Verwalter schauen? Passen dann
für ihn noch die üblichen Überschriften: Unehrlich. Untreu. Durchtrieben - ?
Verstreuen oder verschwenden, verteilen oder vergeuden? Der Grat ist schmal. Auch in
unserem Gleichnis. Der Verdacht ist nur ein Verdacht. Die Frage bleibt: Was ist unser
Verwalter für einer?
Vers 3
Die Pause:
Der Geschäftsführer sagte sich: „Was tun? Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Für
Feldarbeit bin ich nicht kräftig genug, zu betteln schäme ich mich. Jetzt weiß ich, was ich
mache, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, sobald ich aus der Verwaltung
entlassen bin.“
Nicht nur der Grundbesitzer mit seiner face-to-face-Kommunikation, auch sein Ökonom
reagiert klug: Erstmal Stopptaste drücken. Erstmal sich besinnen. Die Lage checken. Die
Möglichkeiten prüfen. Vermutlich wird er seinen Job verlieren. In der antiken Gesellschaft
war es üblich, das Personalkarussel durch Denunzieren - modern gesagt: Mobbing - in
Bewegung zu bringen. Zwischenfrage: nur damals?
In so einer unklaren Situation ist eine Nachdenk-Pause klug. Der Geschäftsführer nutzt sie
zum Durchspielen der verschiedenen Möglichkeiten: Er könnte gegen den Verdacht
ankämpfen. Versuchen, die Urheber der Intrige zu finden. Leider wohl mit geringer
Erfolgsaussicht, damals genau so wie heute. Eine Schlammschlacht würde alle
beschmutzen. Er könnte beim Chef versuchen, den Vorwurf abzuwälzen: schlechte Ernte,
hoher Krankenstand, faule Arbeitskräfte, große Konkurrenz usw.. Aber vermutlich hätte er
auch dafür schlechte Karten und seine Weste wäre nicht weiß genug.
Er entscheidet sich, bei sich zu bleiben. Die persönlichen Ressourcen zu bewerten. Das
ist klug. Denn anscheinend ist unser Ökonom ein Schreibtischtäter, kein Kraftarbeiter.
Viele Ausleger meinen, der Hinweis auf seine körperliche Schwäche sei eine Masche
dieses Bösewichts.
Ich möchte dem Verwalter erstmal glauben. Auf dem ausgedörrten Feld zu hacken und zu
rackern, war wirklich Schwerstarbeit. Ein Satz aus dem Talmud drückt es so aus: „Es gibt
kein schlimmeres Gewerbe als die Beschäftigung mit dem Boden.“ Und zuzugeben,
körperlich unfit oder auch sonst schwach zu sein, das war und ist in jedem Fall nicht so
ohne, für Männer und Frauen. Aber Schwäche eingestehen, das ist mutig – und klug.
Die andere Option, die der Verwalter durchspielt: Betteln. Betteln müssen ist noch mehr
als schwach sein eine Kränkung. Almosen – seien diese nun Zeichen der Zedaka, der
Gerechtigkeit, wie sie in biblischer Zeit die Tora von den Gläubigen forderte, oder seien es
in unserer modernen Gesellschaft gesetzlich verankerte Hartz-IV-Leistungen: Nicht von
eigener Arbeit selbstwirksam leben zu können, sondern abhängig zu sein von
Zuwendungen anderer, das ist „zum Schämen“, wie der Verwalter in unserer Geschichte
sagt und wie es viele Menschen heute empfinden.
In biblisch-jüdischen Frömmigkeit galt betteln müssen als „Schande“, war nicht nur
unterste gesellschaftliche Stufe, sondern bedeutete auch religiös ein Outcast zu sein,
unrein. In Jesus Sirach heißt es: „Mein Kind, verlege dich nicht aufs Betteln. Es ist besser
zu sterben, als zu betteln.“
Wenn also unser Verwalter-Ökonom hier sich weigert, körperlich zu arbeiten und zu
betteln, ist das, denke ich, nicht der schnelle Ausweg eines schlitzohrigen Gauners. Es ist
die Klugheit eines Lebens-Ökonomen, dem nach zu denken: Wer bin ich? Was kann ich?
Was will ich?
So zu fragen ist klug. Eine Nachdenkpause ist klug. Auch wir machen eine.
------------ Musik ----------In der Nachdenkpause des Verwalters wächst Kreativität: Die Kirchentagsübersetzung
klingt hier richtig nach Geistesblitz: „Jetzt weiß ich, was ich mache ...“
Das Interessante und Kluge hier: Der Verwalter zergrübelt sich nicht im Bohren in der
Vergangenheit, sondern schaut in die Zukunft. Er nimmt in seiner Phantasie die
angedrohte Entlassung vorweg und entwickelt aus dieser Sicht eine Lösung. Dass er das
kann, ist ein Indiz, dass es sich bei ihm um einen freien Mann handelt, der eine Schonfrist
hat, nicht um einen Sklaven, der von seinem Herrn sofort drastischere Konsequenzen
hätte befürchten müssen als nur einen Rauswurf.
Der Aussicht, demnächst ohne Job auf der Straße zu stehen, begegnet unser Mann mit
dem Plan, von anderen in ihre Häuser aufgenommen zu werden. Er hofft nicht auf
spontane Nettigkeit, sondern es geht um Freundschaft als „Philia“. Philia - das meint im
antiken Verständnis Freundschaft und Gastfreundschaft als sachlich-nüchterne,
gefühlsunabhängige Verpflichtung. Man ist jemand Freundschaft schuldig, wenn der sich
selbst philia-artig verhalten hat. Ein offenes Haus also für den, der selbst z.B. sein Haus
oder Portemonnaie geöffnet hat. Gegenseitigkeit. Eine Art gesellschaftlicher Kitt. Auch uns
heute nicht fremd. Oder vielleicht ganz neu wiederzuentdecken.
Ich denke, der Plan des Verwalters ist weniger ein Zeichen für übermäßigen Egoismus.
Eher ein Zeichen für Klugheit: sich erinnern an funktionierende Konventionen, die
gelingendes Leben für alle bezwecken.
Man könnte auch sagen, unser von vielen so gescholtene Verwalter argumentiert hier
nicht gegen, sondern durchaus im Sinne der Tora. Schließlich ist das doch die
Zusammenfassung des Gesetzes: Nicht nur Gott lieben mit aller Kraft und ganzem
Herzen, sondern auch den Nächsten – und diesen dann eben: „wie dich selbst“. Nächstenund Selbstliebe sind in der Tora untrennbar verknüpft. Das Etikett „ungerecht“, das dem
Verwalter in vielen Übersetzungen und Auslegungen anhaftet - ich merke, es löst sich.
Schaun wir weiter.
Vers 5-7
Der Plan:
Er rief diejenigen, die seinem Herrn etwas schuldeten, einzeln zu sich. Den Ersten fragte
er: „Wieviel schuldest du meinem Herrn?“ „Hundert Fass Olivenöl.“ „Hier, nimm deinen
Schuldschein, setz dich, schreib schnell 50!“ „Und du? Was schuldest du?“ „Hundert
Fuhren Weizen.“ „Hier, nimm deinen Schuldschein, schreib 80.“
Eine riesige Schuldsumme: 100 Fass Öl entsprechen einem Ernteertrag von fast 150
Olivenbäumen. Für den Ertrag eines einzigen Olivenbaums konnte man ungefähr 1000
Denare erzielen. Die geschuldeten 100 Fuhren Weizen entsprechen dem Ertrag von über
40 Hektar Ackerland. Wie auch immer man versucht, das in für uns vorstellbare
Geldbeträge umzurechnen – sie sind riesig und der Berg ist überfordernd groß, vor dem
diese Schuldner stehen.
Umstritten ist, ob es sich bei ihnen um Händler handelt, die beim Großhändler in Verzug
sind mit der Bezahlung von Lieferungen. Oder um Grundstückspächter, die dem
Großgrundbesitzer die Pacht schulden. Jedenfalls ist angesichts dieser großen Summen
anzunehmen, dass es nicht um von Schuldsklaverei bedrohte Kleinbauern geht, sondern
um vermögende Leute, denen überhaupt erst solche großen Transaktionen möglich sind.
Dafür spricht auch, dass sie in eigenen Häusern wohnen, in die sie den evtl. geschassten
Verwalter hätten aufnehmen können. Nicht desto trotz ist die hohe Verschuldung
existenzbedrohend. Das legt die Erzählung nahe.
Diese Händler oder Pächter also ruft der Geschäftsführer einzeln nacheinander zu sich,
vermutlich gibt es noch mehr als die beschriebenen zwei. Und flugs, flugs – herrlich wie
mit diesem altmodischen Wort in der Lutherübersetzung die für Verwaltungsakte
ungewöhnlich schnell vonstatten gehende Abwicklung beschrieben wird – flugs sind die
Schuldbeträge deutlich - z.T. um die Hälfte - reduziert.
Unser Verwalter - ein Urkundenfälscher? Folgt nun also nachdem der Erstverdacht ja nicht
wirklich bestätigt wurde, in der Tat ein Betrug, bei dem die Schuldner noch zu Komplizen
gemacht werden? Häufig wird die Geschichte so verstanden. Und die Überschrift über
unsre Perikope deshalb so gewählt: Der unehrliche, oder: der betrügerische Verwalter.
Aber auch hier müssen wir genau hinschauen, bevor wir das Urteil fällen und das Etikett
wieder festkleben: Es gehörte zu den Aufgaben eines Oikonómos, Verträge auszuhandeln
und zu überwachen, Rechnungen zu stellen und ihre Bezahlung zu regeln. Er handelte
stellvertretend für seinen Dienstherrn.
Was er unterzeichnet hatte, galt als vom Kyrios unterzeichnet und war rechtsgültig. In
diesem Rahmen hatte er durchaus die Erlaubnis, Verträge und Schuldscheine zu ändern,
wenn es ihm sinnvoll erschien. Dies wiederum konnte er nicht alleine tun, sondern nur
zusammen mit dem Vertragspartner.
In die kleinen Wachs-Täfelchen wurde der zu zahlende Betrag vom Schuldner
eigenhändig eingeritzt und dann wurde das Täfelchen wieder zugeklappt, verschnürt und
versiegelt vom Verwalter.
Das Ergebnis dieser Änderung war eine neue, rechtsverbindliche Urkunde, keine
Fälschung im strengen Sinne. Was aber war es dann? War es genau das, was der
Verwalter vielleicht auch schon vorher praktiziert hat und was ihm vorgeworfen wurde: ein
leichtfüßiges Verstreuen, ein weitherziges Austeilen – an die, die es nötig haben, die unter
dem Berg von Schulden sonst untergegangen wären?
Der reiche Mann wird durch die Aktion des Verwalters zwar nicht direkt seines Geldes
beraubt, aber er verdient erheblich weniger, erhält deutlich weniger Pacht oder
Verkaufserlös. So gesehen, wird er geschädigt. Und deshalb ja die spontane Aufregung,
wenn man das Gleichnis liest: Unmöglich, so mit dem Besitz eines anderen umzugehen ...
Die andere Seite jedoch: Die Schuldner erhalten durch diesen Schuldenschnitt viel eher
die Möglichkeit, überhaupt etwas zu zahlen oder zurückzuzahlen.
Hier klingt in der Geschichte das alte biblische Gebot des Sabbatjahres an: Alle sieben
Jahre eine Ruhepause – nicht nur für Felder. Oder auch dieser Gedanke, dass es alle 7x7
Jahre, also im 50. Jahr, ein heiliges Erlassjahr geben soll, ein Jahr der umfassenden
Freilassung, wo - so im 3.Buch Mose beschrieben - „jeder wieder zu seiner Habe und zu
seiner Sippe kommen soll“.
Auf diesem Hintergrund verhält sich unser „ungetreuer“ Oikonómos also durchaus „Bibeltreu“, indem er dafür sorgt, dass hoch verschuldete Menschen durch einen
Schuldenschnitt die Chance haben, wieder auf die Beine zu kommen - wirtschaftlich,
persönlich.
Schuldenschnitt – das kommt uns sehr bekannt vor, z.B. aus der endlosen GriechenlandDiskussion der letzten Monate. Ich kann nicht beurteilen, wie da eine sinnvolle Lösung
aussehen könnte. Will als theologische Schusterin bei meinen Leisten bleiben.
Aber trotzdem: Ein Schuldenerlass für Überschuldete, die Geldelite und
Vermögensbesitzer in die Pflicht nehmen, sie sogar „schädigen“ - heftig wird dies ja
diskutiert auf allen Ebenen. Und in dieser Richtung zu denken, zu verhandeln und zu
handeln – wäre das nicht gerecht? Im Sinne einer Gerechtigkeit, wie die Bibel sie versteht:
Jedem das, was er braucht?
Und wäre das nicht auch klug? Ich finde es interessant, dass Fachleute immer wieder
darauf hinweisen – so habe ich es zum Beispiel kürzlich in einem Vortrag der Bremer
Wirtschaftsprofessorin Adelheid Biesecker gehört: Im Sinne eines zukunftsorientierten
Gesellschaftsvertrags plädiert sie dafür, die Alleinherrschaft einer Marktökonomie, die
ausschließlich vom den Gesetzen des Kapitalismus geprägt ist und auf ungebremsten
Zuwachs gepolt, aufzubrechen. Es ist sinnvoll und not-wendig, sozial und ökologisch zu
planen und nachhaltig und umweltachtsam zu wirtschaften. Ganz ohne wollsockigökomäßiges Gutmenschentum ist es ökonomisch klug, sich einzusetzen für ein „Gutes
Leben“ für alle auf unserem Globus - für Menschen, Tiere, Pflanzen.
Es ist klug, Gerechtigkeit anzustreben zwischen den Generationen und auch innerhalb
dieser Generation. Eine Gerechtigkeit, die gerade die „Armen“ in Blick nimmt. Nicht
herablassend gönnerhaft, sondern im eigenen Interesse.
Unser Oikonómos – er verhält sich in diesem Sinne ökonomisch umsichtig. Macht
weitsichtiges Networking. Versucht, die unterschiedlichen Interessen auszugleichen.
Will eine Zukunft für alle Beteiligten ermöglichen. Und wird dafür gelobt. Ob also diese
kleine alte biblische Geschichte Anregungen bietet für die Lösung unserer großen globalen
modernen Probleme? Spannend …
V. 8
Das Lob:
Und Jesus, der Herr, lobte den Verwalter der Ungerechtigkeit, weil er klug gehandelt hatte.
Im Blick auf ihre Generation sind die Kinder dieser Zeit klüger als die Kinder des Lichts.
Der Verwalter wird gelobt. Die vieldiskutierte Frage: von wem? Im griechischen Urtext
steht hier: Kyrios, d.h. Herr. Das bezieht sich an vielen Stellen im NT auf Jesus. Aber ist
auch hier Jesus gemeint? Am Anfang unseres Gleichnisses meint Kyrios den Eigentümer:
„Mein Herr entzieht mir die Verwaltung.“ Die unterschiedlichen Deutungen spiegeln sich
schon in den Übersetzungen wider. Luther übersetzt neutral mit „Herr“, die Gute Nachricht
wie auch die Kirchentagsübersetzung mit: „Jesus, der Herr“.
Wenn es Jesus ist, der diesen Verwalter lobt, würde diese ungewöhnliche und provokative
Pointe die ursprüngliche Echtheit des ganzen Gleichnisses belegen. Das ist so
merkwürdig - das kann nur ursprünglich jesuanisch sein. Ein auch an anderen
zweifelhaften Bibelstellen übliches exegetisches Verfahren: Je ungewöhnlicher und
unableitbarer, desto echter.
In der Tat: Ein Lob Jesu für dieses ja durchaus zweifelhafte Verhalten - das bedeutet einen
neuen Aspekt im üblichen edel-moralischen Jesusbild. Das Beispiel vom Verwalter
bekommt theologisches Gewicht.
Wenn aber mit Kyrios hier der weltliche Herr gemeint ist? Viele Ausleger meinen, das sei
nicht denkbar. Wieso sollte der Großgrundbesitzer seinen Verwalter loben, der ihn ja um
einen Großteil seines Geldes gebracht hat und den er eben noch schassen wollte? .
Ich finde diese Deutung aber durchaus auch einleuchtend. Wenn der Eigentümer seinen –
sagen wir mal - kreativen Verwalter lobt, dann hätte er nämlich auch selbst etwas
dazugelernt aus dessen Verhalten. Er wäre selbst klüger geworden durch diese Aktion,
den Schuldnern die Schulden so stark zu mindern. Hätte begriffen, dass ihm dieser
Schuldenerlass auch nutzt.
Wie auch immer - entscheidend ist: Das merkwürdige Verhalten des Verwalters ist
buchstäblich merk-würdig. Wird überliefert vom Evangelisten und ist lobenswert - vor den
Ohren der ersten HörerInnen und vor den Augen der christlichen Leserschaft, bis heute.
Und dieses Lob wird verknüpft mit einem Lob der Kinder dieser Zeit, die „klüger“ seien als
die „Kinder des Lichts“. „Kinder des Lichts“ nannten sich die Leute der jüdischen QumranSekte, aber so werden manchmal, z.B. im Johannesevangelium, auch die Christen
bezeichnet.
Das ist eine Provokation. So in einem Nebensatz mal eben ins Gleichnis und in unsere
Ohren heute morgen gestreut: Die Weltmenschen haben euch Frommen was voraus.
Sind zupackend, lösungsorientiert, weitblickend. Eben: Klug! Wie der Verwalter. Ihr
dagegen: Wie oft verkriecht ihr euch zaghaft - statt mutig zu handeln. Wartet auf bessere
(End-)Zeiten - statt kreativ etwas zu verändern. Dreht euch insiderhaft um euch selbst und meint zugleich, die Lebensweisheit und Glaubensrichtigkeit mit Löffeln gefressen zu
haben. Hört hin: Ihr Kinder des Lichts könnt was lernen von den Kindern der Welt!
So gesehen passt dieser Bibelarbeitstext gut zur Eröffnung des „Zentrums Gottesdienst“.
Denn als Projektleitung haben wir geplant, uns in den unterschiedlichen Veranstaltungen
immer wieder anregen zu lassen von Menschen und Ideen von „außen“.
Wir wollen fragen nach zeitgemäßen Formen und Inhalten von Gottesdienst, danach, was
Menschen heute bewegt. Gleich im Anschluss an diese Bibelarbeit wird es hier in der
Steigkirche sehr konkret um die Frage gehen: Im Gottesdienst klug werden – wie?
Vielleicht gerade mal nicht durch interne Kirchen-Profis, sondern durch „andere“?
Durch Erfahrungen, die „normale“ Menschen persönlich erzählen? Oder sogar durch
„Lebensexperten“, die erstmal gar nix mit Kirche und Gottesdienst am Hut haben? Kinder
des Lichts treffen auf Kinder der Welt. Am Sonntag im Gottesdienst. Aber nicht nur da.
Das kann nur spannend werden.
Zurück zu unserem Gleichnis:
Der Kyrios lobt – wen? Die Kirchentagsübersetzung ist zutreffend, weil sie wahrnimmt,
dass im Urtext nicht das Adjektiv „ungerecht“ steht, sondern das Substantiv im Genitiv:
Nicht der ungerechte Verwalter, sondern der Verwalter der Ungerechtigkeit wird gelobt.
Das ist ein entscheidender Unterschied. Der Verwalter ist nicht als Person ungerecht.
Nein: Er bewegt sich im ungerechten System, das geprägt ist von Geld und Gier, Macht
und Ohnmacht. Aber zugleich steigt er daraus aus. Durchbricht die Regeln, knackt die
altbekannte, zerstörerische Gesetzmäßigkeit: Schulden haben, nicht zurückzahlen
können, mehr Schulden haben, noch weniger zahlen können – und darin versacken,
immer tiefer. Ein Kreislauf des Gesetzes, aber auch der Gesetzlichkeit. Dem widersetzt er
sich. Gegen atemberaubende Schuld setzt er befreiendes Aufatmen.
Und Jesus fordert auf, eine Lehre daraus zu ziehen:
Vers 9
Die Lehre:
Macht euch Freundinnen und Freunde mit dem Geld der Ungerechtigkeit, damit sie euch,
wenn das Geld zu Ende geht, immer ein Zuhause geben.
„Ex“ - steht hier, d.h. aus oder durch. Aus dem Geld oder durch das Geld sollen sich die
Christen Freunde machen. Sie sollen sich nicht mit dem Geld anfreunden, nicht den
Reichtum an sich zum Freund machen, sich nicht den Reichen anbiedern.
Nein, instrumental gedacht und formuliert: mit Hilfe des Geldes, durch klugen Umgang
damit sollen sie Freunde gewinnen.
Das Wort „Mammon“, das sich unübersetzt im Urtext findet, ist ein Lehnwort aus dem
Aramäischen. Über Martin Luther hat es sich auch in die deutsche Sprache eingebürgert z.B. in dem abschätzigen und fast verharmlosend sprichwörtlichen: „Der schnöde
Mammon“. Auch hier wieder, anders als z.B. Luther übersetzt, kein Adjektiv: nicht „der
ungerechte Mammon“, sondern der offenere Genitiv: „Mammon der Ungerechtigkeit“.
Geld ist nicht an sich zu verurteilen und auch kein von Frommen spritzfingrig zu
behandelndes No-Go. Es gibt nicht gutes oder schlechtes, sauberes oder schmutziges
oder schwarzes (na ja, das gibt’s schon …) Geld. Zwar schafft Geld einerseits
Abhängigkeit, Ungerechtigkeit klebt am Mammon. Aber andererseits kann man mit diesem
Hilfs-Mittel auch Gutes tun, Beziehungen fördern, zur Gerechtigkeit beitragen.
Die zupackende Klugheit des Verwalters, seine mangelnde Scheu, Geld anzufassen und
zu nutzen - das ist der Vergleichspunkt zwischen Bild- und Sachhälfte, auf den die
Gleichnisdeutung ja traditionell abhebt. Und die Botschaft an die Leserinnen und Leser ist:
Nehmt auch ihr den Mammon als Hilfs-Mittel. Setzt ihn klug ein, für eine weise
Perspektive, die euch eine Zukunft ermöglicht, für die Zeit, „wenn das Geld zu Ende geht.“
Wenn das Geld zu Ende geht – da geht’s um mehr als Geldknappheit. Es geht um die
Macht und Ungerechtigkeit des Mammon.
Man mag es kaum glauben: Aber die ist begrenzt. Es wird der Tag kommen, da geht sie zu
Ende. Eine Utopie? Nein, reale Hoffnung. Auch heute. Es ist die Perspektive des Reiches
Gottes. Das ist bereits angebrochen – so verkündigt es Jesus. Und die Kinder des Lichts
sollen nun klug darauf hin handeln - auch mit Hilfe des Mammon.
Einige Übersetzungen beziehen sich hier leider auf jüngere Handschriften, wo zu lesen ist:
Eklipéte: „Wenn ihr zuende geht, werden sie euch aufnehmen...“ Aber die älteren
Handschriften lesen „eklipé“ - „Wenn er, der Mammon zu Ende geht“.
Letzteres ist richtig, denke ich. Es geht nicht um das individuelle Lebensende. Es geht um
das Ende dieses schnöden und immer wieder so ungerechten Mammon. Dann, so ist die
Hoffnung, warten wörtlich: „ewige Zelte“, ein „Zuhause für immer“, auf die Kinder des
Lichts.
Ewige Zelte - vielleicht klingt hier die Sehnsucht der Jünger auf dem sog. Berg der
Verklärung an, von der Lukas im 9.Kapitel erzählt, oder auch die Wüstenwanderung
Israels, wo der mitwandernde Gott in der Stiftshütte gegenwärtig war.
Aufgenommen werden in die „ewigen Zelte“ - das heißt: Einen Ort der Zugehörigkeit
haben. Umfassende Gemeinschaft erleben. Etwas Positiven, rundum Schönes, ja,
Gerechtes - das soll aus dem rechten Umgang mit dem Mammon der Ungerechtigkeit
wachsen.
Verrückt! Vermutlich fanden die ersten Christen sie genauso un-möglich wie wir heute.
Unser Gleichnis wurde heftig diskutiert in der frühen Kirche. Man hat um seine Bedeutung
gerungen. Es wurde in mehreren Stufen bearbeitet. Das spiegelt die Endfassung wider.
Lukas hat hier einzelne Spruchworte ergänzt:
Vers 10-12
Die Kommentare:
Wer im Kleinsten auf Vertrauen setzt, tut es auch im Großen. Wer im Kleinsten auf
Ungerechtigkeit setzt, tut es auch im Großen. Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten
Geld nicht auf Vertrauen setzt, wer sollte euch dann das Wahre anvertrauen? Wenn ihr im
Umgang mit dem, was euch fremd ist, nicht auf Vertrauen setzt, wer sollte euch dann
geben, was ihr braucht?
Die Provokation musste eingerahmt, gedeutet werden. Dabei ist die Argumentation, vom
Kleinen auf das Große zu schließen, nicht unbedingt logisch lupenrein. Wieso sollte
jemand, der sich in kleinen, unbedeutenden Dingen zuverlässig und menschentreu
verhält, dies auch selbstverständlich im größeren Zusammenhang tun? Mir würden
jedenfalls schon Beispiele einfallen, die das Gegenteil beweisen, dass gerade die
verlockend große Geldgeschichte eigentlich brave Bürger verführt zum Mauscheln und
Tricksen. Und dass umgekehrt fiese Geldhaie in der großen Welt zugleich liebevoll treue
Familienväter in der kleinen sein können.
Aber Logik hin oder her - diese Kommentare wollen lehrhafte Hinweise geben:
„Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen Treu.“, so übersetzt Luther hier. Pistos.
Treu. Das könnte missverständlich nach kniepig-verkniffener Buchhaltertreue klingen.
Schön alles abheften und zusammenhalten. Nichts unnötig ausgeben, auf keinen Fall
ausstreuen. Aber diese Art der Buchhaltertreue ist hier sicher nicht gemeint. Im Gegenteil.
Die Kirchentagsübersetzung ist besser: Pistos – auf Vertrauen setzend. Pistos „glaubenweckend, vertrauenschaffend“.
Jemand ist also dann pistos, treu, wenn er Vertrauen und Beziehungen schafft, das Gute
und Wahre weitergibt - vielleicht sogar ausstreut?
Da haben wir es wieder: das Diaskorpízo unseres Verwalters.
Im Zusammenhang des Lukasevangelium will unser Gleichnis die Gemeinde ermahnen,
Treue zu leben. Großzügig und vertrauensvoll. Im Kleinen und im Großen. Die
Kommentare runden sich mit einem bekannten Spruch, der sich fast gleichlautend auch im
Matthäusevangelium, in der Bergpredigt Jesu findet:
Vers 13
Das Ausrufezeichen:
Niemand kann zwei Herren, zwei Mächten, dienen. Entweder du wirst die eine hassen und
die andere lieben oder du wirst an der einen festhalten und die andere verachten. Ihr
könnt nicht Gott dienen und dem Geld.
Ein dickes Ausrufezeichen zum Schluss. Zu massiv für dieses kleine Gleichnis?
Verkleistert es seine Provokation mit einer allgemein gültigen Sentenz, wie manche
Ausleger meinen? Oder bringt es seine Botschaft noch einmal zum Klingen?
Es ist noch einmal Zeit für eine Nachklang-Pause.
---------- Musik --------Nach dem abwägenden Hin und Her der vorausgehenden Verse wird’s jetzt zum Schluss
richtig emotional: hassen oder lieben! Festhalten oder verachten! Von einer Entscheidung
ist die Rede: entweder-oder! Und von zwei Herren – hier wieder der Begriff „Kyrios“.
„Mammon“ - oder übersetzt „Geld“ - ist ein „Jemand“. Dieser Kyrios erwartet Liebe. Dienst.
Mammon – vermutlich ist dieses Wort zurückzuführen auf einen semitischen Wortstamm
mit der Bedeutung „auf etwas trauen, das zuverlässig ist“. Es hat dieselbe Wurzel wie
„Amen“ - So sei es. Von der Bedeutung her geht es in Richtung „Kredit“, von lateinisch:
credere - vertrauen, glauben. Ein Kreditnehmer muss vertrauenswürdig sein, so wie ein
Gläubiger einen Kredit vergibt, weil er vertrauensvoll dem Schuldner die Rückzahlung
glaubt.
Mammon – das ist in diesem Wort-Umfeld von Glauben und Vertrauen ein Macht-Wort mit
Macht-Anspruch. Entweder Mammon oder Gott. Gott vertrauen oder dem Ab-Gott dienen.
Wieviel Macht der Mammon hat, wieviel Dienstbarkeit er beansprucht, das wissen wir. Wir
erleben es privat: als Schnäppchenjäger und Bankkontobetrachter, als Berufskonkurrenten
und Karriereleiterkletterer. Und auch öffentlich: in Politikerreden und Talkshowstatements,
in FIFA-Wahlen und Blatter-Aktivitäten.
Überall der Lockruf des Mammon: Zähle mich! Horte mich! Verlass dich auf mich!
Auf keinen Fall: Verteile mich! Verstreu mich!
Mir fällt der reiche Kornbauer ein, auch eine Gleichnisgestalt aus dem Lukasevangelium.
Gegenfigur zu unserm Verwalter. Der Kornbauer verteilt und verstreut nicht, er sammelt
und hortet. Baut neue Scheunen für seine große Ernte. Und dann legt auch er eine
Gedankenpause ein und spricht wie unser Verwalter mit sich selbst:
„Liebe Seele, du hast nun einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink
und habe guten Mut!“
Sein großer Getreide- und Ölvorrat – das ist seine Sicherheit.
Sein mächtiger Mammon-Kyrios. Ihm dient er. Mit aller Kraft und ganzer Seele.
Aber: wie trügerisch! Wie tragisch!
Wir lesen in Lukas 12, 20: „Gott sprach zu ihm: Du Narr! Schon diese Nacht wird man
deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?“
Ja, was bleibt vom Sammeln und Sichern und Horten? Nichts.
Der Kornbauer - ein Narr. Wir Kornbauern - Narren.
Die Macht des Mammon – eine große Narretei.
Der Verwalter - in der Tat ungetreu. Dem Mammon gegenüber. Frech widerspricht er
dessen Regeln. Streut Geld aus. Investiert in Beziehungen. Schenkt Freiheit. Einfach so.
Auch er - ein Narr? Verrückt?
Jedenfalls einer, der die närrischen Mammonmaßstäbe ver-rückt.
Zwischen dem Kornbauer- und dem Verwaltergleichnis steht im Lukasevangelium
folgendes: „Trachtet zuerst nach Gottes Reich. Dann wird euch alles andere zufallen.
Verkauft, was ihr habt und gebt Almosen. Macht euch Geldbeutel, die nicht veralten, einen
Schatz, der niemals abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb hinkommt und den keine Motten
fressen. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“
Das sind Anti-Mammon-Worte von der Gebe-Freude.
Herzens-Worte mit Lebens-Klugheit.
Mutmach-Worte zum Gott-Lieben und den Nächsten wie sich selbst.
„Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Geld.“
Nein, ich finde nicht, dass dieser Schluss unser Gleichnis zukleistert. Im Gegenteil.
Das Ausrufezeichen lockt: Werdet Gerechtigkeits-Ausstreuer – großherzig-klug.
Und vielleicht manchmal auch - verrückt-frech.
AS / Stand 8.6.