Ja, ich möchte folgendes sagen . . . . . . damit begannen die

Ja, ich möchte folgendes sagen . . .
. . . damit begannen die Ansprachen, Feststellungen, Belehrungen und Rügen unseres
Direktors Dipl.-Ing. Edmund Lerner beim Mittag- oder Abendessen.
Zunächst zwei Zeilen aus dem Seefelder Maturablatt 1955:
„Des Hauses Schicksal lenkt er weise, ist stets besorg um Weh und Glück
ich glaub´ er lächelt sogar leise, wenn einer dreht ein tolles Stück . . .“
Und nun Direktor Lerner im Originalton:
„Der Zhuber leidet an atypischer Achondroplasie mit Mikromelie und Mopsschnautzigkeit“
„Noch bin ich der Direktor, merken sie sich das, Rappold“
„Ich bin der gütigste Direktor von Europa und habe ein Herz für meine Schüler. Nicht so wie
der Direktor Dorner*), der wo kein Herz nicht hat“ (* Name geändert)
„Ich bin ungeheuer beweglich und ich mache aus einer Unterrichtsstunde zwei“
„Beim Schispringen hupfen diese Trottel weiter als sie können“
„Die kaufmännische Kunst besteht darin, billig einzukaufen und teuer zu verkaufen. Und da
gibt es Trottel, die studieren das fünf oder sechs Jahre lang“
„Ich sag es immer wieder: Jeder ein Schuft der mehr ausgibt als er hat“
„Der Frühling kommt, alles sprießt wieder und der Zirkus am Gschwandkopf ist zu Ende.
Und Sie, Herr Professor M. sind der Zirkusdirektor“
„Der Otto Zhuber träumt von einer Karriere in den USA. Wie stellt er sich das vor? „Tom
Mix der kühne Reiter saß auf seinem schwarzen Mustang. In der rechten Hand hielt er den
zwölfschüssigen Colt, in der linken die gerettete Farmerstochter. Auf der Brust glänzte der
silberne Sheriffstern. Der Sack mit den Nuggets hing am Sattelknauf. Soeben hatte er fünf
Postkutschenräuber und zehn Apachen erschossen, ohne zu zielen und ohne auch nur einmal
nach zu laden. Lachend gab er seinem Hengst die silbernen Sporen und ritt der aufgehenden
Sonne und einer herrlichen Zukunft entgegen. Wie aber ist die Wirklichkeit im Land der
unbegrenzten Möglichkeiten? Passen sie auf Zhuber. Da sitzt der besoffene Auswanderer Otto
in einer Wellblechbude, hat keine Arbeit, kein Geld und die Läuse fressen ihn auf“
„Ja, gut ist das. Die USA sind eine fortschrittliche Kulturnation. Sie haben nicht nur die
Atombombe, sondern auch den Barhocker erfunden. Die langen Sesselhaxen waren notwendig weil es immer Hochwasser gab und damit das Ungeziefer nicht so leicht hinauf
klettern kann. Heute sitzen schon alle Tiroler wie die Affen auf solchen Barhockern und
tanzen Boogie-Woogie“
„Gestern hab ich den Waldhart auf der Straße gesehen. Ich dachte er hat eine Tasche unter
dem Arm. Nein, es war ein Mädchen, es hat ihm nicht einmal bis zur Hüfte gereicht“
„Wenn sie so weiter machen enden sie mit einem roten Schnupftuch und einer Schnapsflasche
im Straßengraben – und keine Ziege brunzt sie mehr an“
„Gut aufpassen – ich hatte einmal einen Vater“
„Es war im Jahr Neunzehnhundertundsommer, da war ich Verwalter auf einem Betrieb“
„Ein guter Verwalter sitzt am Sonntag auf der Haferkiste“
„Und wieder ist ein Autobus voll europäischer Klofrauen in Seefeld eingetroffen“
„Meine 150 Lumpen rennen wie die läufigen Dackel diesen Weibern nach“
„Wenn sie als Adjunkt am Tisch des Verwalters essen, müssen sie das Essen loben, egal ob es
ihnen schmeckt oder nicht. So gewinnen sie das Herz der Frau Verwalter. Wenn sie aber
zeigen, dass es ihnen nicht schmeckt, wird die Frau Verwalter so lange bohren bis sie der
Verwalter hinaus schmeißt“
„Blöd ist der Kerl also auch noch“
„Der Limberger kann höchstens im Gasthof Lamm maturieren“
„Auf einer Fachexkursion schläft man nicht – man lernt. Sie sind eh so schwach, Waldhart“
„Herr Professor M., ihnen kann ich leider keinen Hausarrest verpassen“
„Ich schmeiß sie hinaus – ich kann für jeden Lumpen fünf gute Schüler bekommen“
„Sie Wieselburger Schweinsblase!“
„Wenn ich einmal huste picken Sie an der Wand“
„ Sie wollen nicht Adjunkt in Halbturn werden? Dann gehen sie halt zurück auf ihre
steirischen Pimperlbetriebe“
„Sie sind Verwalter auf einem Betrieb mit einer großen Hühnerzucht . Ja, und 25 Deputatisten
haben sie auch und die wollen plötzlich alle Hühner halten. Wie gehen sie da vor? Ganz
einfach. Die Deputatisten müssen eine andere Rasse haben, sonst werden ihnen alle Hendln
gestohlen. Passen sie auf, Kienast, nicht schlafen, machen sie ihr Spatzenhirn auf“
„Merken sie sich, die GV – was ist das Ziervogel? Sie träumen schon wieder von einer
Hausgehilfin. Die GV das ist – jetzt hat er schon wieder die Augen zu, der Tschick, GV, das
ist die Gemeinsame Verpflegung und zählt zum landwirtschaftlichen Einkommen. Man meint
damit auf gut Deutsch Fressen und Saufen. Ist das klar, Limberger? Schauen sie mich an und
nicht beim Fenster hinaus“
„Den Lumpen erkennt man an seiner bolschewistischen Frisur“
„Ein Verwalter kann sich eine Frau die dreimal im Monat zum Frisör rennt nicht leisten“
„Frauen müssen bindegewebig sein, so will es die Natur. Der schmalhüftige Girl-Typ geht
bei der ersten Geburt ex“
„Das luxurieren der Bastarde ist auch für sie interessant, Hager. Sie mit ihrer Mestizensehnsucht nach Blut und Messer. Man nennt das auch den Heterosiseffekt falls sie sich das leichter
merken.“
„Aus einem Adler wird kein Spatz und aus einem Dackel kein Bernhardiner“
„Ich werde sie prüfen und sie werden nichts wissen“
„Der Zhuber hat die Hände im Hosensack und kratzt sich den Dreck von den Knien“
„Werden Sie lieber Straßenmusikant – nicht Landwirt“.
„Den Säufer erkennt man an seinem roten Gesicht. Schauen sie in den Spiegel, Limberger“
„Drehen sie sich um, Müller Wolfgang, ich will sie nicht mehr sehen“
(Ich hatte ein Lehrpräperat (Schweinemagen) zu stark aufgeblasen, so dass es zerplatzte.
Gehorsam drehte ich mich um und saß den Rest der Stunde verkehrt).
Ja, auch ich möchte folgendes sagen:
Direktor Lerner führte die Höhere Bundeslehranstalt für alpine Landwirtschaft in Seefeld /
Tirol – 150 Schülern in drei Jahrgängen – mit nur vier anstaltseigenen Lehrern und einem
Buchhalter. Diese Mannschaft erledigte auch sämtliche Verwaltungs- und Büroarbeiten.
Darüber hinaus gab es nur noch einen Hausmeister und das Küchenpersonal.
Direktor Lerner unterrichtete Betriebslehre, Buchführung, Tierzucht und Fütterungslehre.
Eine große Anzahl von Fächern wurde von Gastprofessoren aus Innsbruck abgedeckt.
Um den kargen Speisezettel ohne Kostensteigerung aufzubessern mästete Direktor Lerner mit
Küchenabfällen der Schule und von Seefelder Hotels Schweine in einer adaptierten Garage.
Wir hatten ihm den ehrenvollen Spitznahmen „Vati“ verpasst.
Rückschauend bewundere ich sein universelles Wissen. Von ihm lernte ich Zielstrebigkeit,
Improvisation, betriebswirtschaftliches Denken, Organisation, Konsequenz und Sparsamkeit.
Sympathisch waren wir uns aber in meiner dreijährigen Seefelderzeit nicht. Erst 1958, anlässlich meiner Lehrbefähigungsprüfung, kamen wir uns auf der gemeinsamen Fahrt von Wien
ins Ennstal in einem nächtlichen Gespräch näher. Damals riet er mir: „Gehen Sie in die
Privatwirtschaft, der Schuldienst ist nichts für Ihr Temperament“. Er hatte zu 100% Recht.
Die angeführten Lerner-Zitate lassen vielleicht erahnen, welches Klima damals an der
Höheren Bundeslehranstalt für alpine Landwirtschaft herrschte. Es war eine Mischung aus
Kasernenhof, Gutskanzlei und Kindergarten. Erstrebenswert? Nicht unbedingt, aber geschadet
hat es uns nicht. Ich denke jedenfalls mit Vergnügen an diese Zeit zurück.
Zum Schluss noch zwei Zeilen aus dem „Seefelder Maturablatt 1955“
„Wir woll´n nicht länger klagen, er war halt so – ihr wisst,
dass er trotz allem unser – Direktor Lerner ist“.
Wolfgang Müller
MJ 1955