Durchsetzungsinitiative würde heute angenommen – Rasa-Initiative nicht Medienmitteilung Studie im Auftrag von Interpharma, Oktober 2015 Projektteam Claude Longchamp Politikwissenschafter, Lehrbeauftragter der Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen Urs Bieri Politik- und Medienwissenschafter Stephan Tschöpe Politikwissenschafter Aaron Venetz Politikwissenschafter Johanna Schwab Sekretariat und Administration Bern, 10. November 2015 Copyright by gfs.bern Das Mandat Die Interpharma beauftragte das Forschungsinstitut gfs.bern mit der erneuten Durchführung einer Befragung zu den Themen "Bilaterale und Zuwanderung". Hauptziel der Befragung ist es, die Haltung der Stimmberechtigten zu den bilateralen Verträgen differenziert auszuleuchten. Als Nebenprodukt wurden ergänzend auch die Stimmabsichten zur Durchsetzungsinitiative ("Durchsetzung der Initiative gegen kriminelle Ausländer im Sinne der Initianten) und zur RasaInitiative (Volksinitiative „Raus aus der Sackgasse“) erhoben. Die hier vorliegende Kurzberichterstattung beschränkt sich auf Erkenntnisse zu diesen beiden Vorlagen, die gesamte Befragung zu den Bilateralen ist unter www.gfsbern.ch greifbar. Die Durchsetzungsinitiative Wäre letzte Woche über die Durchsetzungsinitiative der SVP in einer Volksabstimmung entschieden worden, wäre sie angenommen worden. 66 Prozent hätten bestimmt oder eher dafür gestimmt, 31 Prozent wären im gleichen Verhältnis dagegen gewesen. Grafik 1 Filter Persönliche Stimmabsicht Durchsetzungsinitiative "Im Februar 2016 wird in der Schweiz über die Initiative 'Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer' oder kurz Durchsetzungsinitiative abgestimmt. Mit der Initiative will die SVP die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative von 2010 in der Bundesverfassung verankern: Kriminelle Ausländer und Ausländerinnen, sollen ausgeschafft und mit einem Einreiseverbot belegt werden. Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Abstimmung teilnehmen würden: Wenn morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?" in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen bestimmt dagegen 15 bestimmt dafür 45 eher dagegen 16 weiss nicht/keine Antwort 3 eher dafür 21 © gfs.bern, Zukunft Bilaterale, 2. Welle, Oktober 2015 (n = 1456) Selbstredend ist das nicht das Abstimmungsergebnis vom 28. Februar 2016. Denn der Abstimmungskampf findet erst noch statt. Aus Erfahrung weiss man, dass sich die Zustimmungsbereitschaft bei Volksinitiativen um rund 15 Prozent verringern kann. Bei Initiativen aus dem rechten Lager fällt der Wert allerdings häufig geringer aus, insbesondere bei solchen zu Ausländerfragen. In seltenen Fällen wie etwa bei der Masseneinwanderungsinitiative findet sogar Gegenteiliges statt. So startete die Ausschaffungsinitiative der SVP 2010 mit 58 Prozent Zustimmungsbereitschaft (und 36 Prozent Ablehnungstendenz) in der SRG-Befragung, die sich in der letzten Umfrage vor der Volksabstimmung auf 54 Prozent (zu 43 2 Prozent) verringerte. Am Abstimmungstag waren 52 Prozent dafür, 48 Prozent dagegen. Die Durchsetzungsinitiative startet nun besser, als dies die Ausschaffungsinitiative getan hat. Die Meinungsbildung ist zwar noch nicht abgeschlossen, vergleichsweise aber entwickelt. So haben 60 Prozent eine bestimmte Stimmabsicht, sei es Ja oder Nein. Nur 3 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten äusserten in der Befragung gar keine Meinung. Ersteres ist für den Zeitpunkt viel, Letzteres ausgesprochen wenig. Grafik 2 Filter Persönliche Stimmabsicht Durchsetzungsinitiative nach Parteibindung "Im Februar 2016 wird in der Schweiz über die Initiative 'Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer' oder kurz Durchsetzungsinitiative abgestimmt. Mit der Initiative will die SVP die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative von 2010 in der Bundesverfassung verankern: Kriminelle Ausländer und Ausländerinnen, sollen ausgeschafft und mit einem Einreiseverbot belegt werden. Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Abstimmung teilnehmen würden: Wenn morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?" in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen 8 31 17 32 14 26 13 7 19 15 15 37 22 8 18 25 4 4 27 26 1 8 5 32 23 11 31 BDP bestimmt dagegen eher dagegen 37 25 weiss nicht/keine Antwort 5 77 16 42 21 21 22 27 GPS SP GLP CVP FDP.Die Liberalen 37 SVP Parteiungebundene eher dafür bestimmt dafür © gfs.bern, Zukunft Bilaterale, 2. Welle, Oktober 2015 (n = 1456), sig. Hauptgrund hierfür ist, dass die Stimmabsichten auf jenen zur Ausschaffungsinitiative aufbauen, die Zustimmungsbereitschaft aber insgesamt höher ausfällt. So würden bei der SVP heute 96 Prozent Ja sagen. Auch bei der FDP.Die Liberalen liegt die gegenwärtige Zustimmung bei 67 Prozent, bei der GLP beträgt der Wert 54 Prozent, und bei der CVP macht er genau die Hälfte aus. Mehrheitlich ablehnend sind die Wählenden der SP (58 Prozent), der GPS und der BDP (je 53 Prozent). Die Initiative sammelt in der Ausgangslage insbesondere die Stimmen der regierungsmisstrauischen Bürgerinnen und Bürger (87 Prozent Zustimmungsbereitschaft). Überdurchschnittlich populär ist sie in der italienischsprachigen Schweiz (86 Prozent) und bei Personen, die ihre Schulzeit auf der obligatorischen Stufe abgeschlossen haben (84 Prozent). In all diesen Gruppen ist die Zustimmungsbereitschaft seit der letzten Volksabstimmung stärker gestiegen als im Durchschnitt. Zudem ergibt sich ein gewisser Zusammenhang mit den Meinungen in der Europa-Frage. Wenn die Wahrnehmung von Nachteilen aus den Bilateralen gleich gross oder grösser ist als jene der Vorteile, will man der Durchsetzungsinitiative mehrheitlich zustimmen. 3 Grafik 3 Filter Persönliche Stimmabsicht Durchsetzungsinitiative nach Einschätzung Bilaterale "Im Februar 2016 wird in der Schweiz über die Initiative 'Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer' oder kurz Durchsetzungsinitiative abgestimmt. Mit der Initiative will die SVP die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative von 2010 in der Bundesverfassung verankern: Kriminelle Ausländer und Ausländerinnen, sollen ausgeschafft und mit einem Einreiseverbot belegt werden. Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Abstimmung teilnehmen würden: Wenn morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?" in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen 6 19 39 12 13 1 3 2 8 10 22 7 6 5 5 bestimmt dagegen 23 eher dagegen 6 12 24 26 18 6 4 95 weiss nicht/keine Antwort 21 73 18 65 61 49 eher dafür 32 19 nur Vorteile eher Vorteile Vor- und Nachteile gleichzeitig eher Nachteile nur Nachteile weder noch weiss nicht/ keine Antwort bestimmt dafür © gfs.bern, Zukunft Bilaterale, 2. Welle, Oktober 2015 (n = 1456), sig. Zu den wichtigen Argumenten zugunsten der Durchsetzungsinitiative zählt, dass 47 Prozent der Meinung sind, der Schweizer Volkswille stehe über dem Völkerrecht. Das sind genau gleich viele, wie das Gegenteilige denken. Dies verweist auch auf die Einschätzung kommender Debatten in diesem Bereich. Zu erwarten ist, dass die Meinungsbildung durch mehr Information in der Sache beeinflusst werden kann. Denn der Abstimmungskampf hat noch kaum stattgefunden, sodass vorhandene Stimmabsichten vor allem durch Prädispositionen geprägt sind, während nach einer Kampagne auch Informationen eine Rolle spielen. Unser Fazit lautet: Die Durchsetzungsinitiativen würde heute angenommen werden. Ob dies am Abstimmungstag auch so ist, lassen wir bewusst offen. Wir klassieren die Vorlage aber ausdrücklich als potenziell mehrheitsfähig, weil sie sowohl im nationalkonservativen wie auch im liberalen Lager Resonanz findet. Vom Abstimmungskampf kann man erwarten, dass dieser die anfängliche Zustimmungsbereitschaft relativiert. Entscheidend ist hier, wie sich die CVP positioniert und mit ihr die ganze politische Mitte. Ferner sind relativierende Effekte durch Information wahrscheinlich. RASA-Initiative Ebenfalls erhoben wurden die gegenwärtigen Stimmabsichten zur RASAInitiative. Die Meinungen sind hier gespalten: 44 Prozent wären aktuell dafür, 45 dagegen. 11 Prozent der Teilnahmewilligen haben keine Stimmabsicht. Feste Stimmabsichten, dafür oder dagegen, sind nur minderheitlich vorhanden. Das lässt für die Zukunft noch vieles offen. 4 Grafik 4 Filter Persönliche Stimmabsicht VI "Raus aus der Sackgasse" "Aktuell werden auch Unterschriften gesammelt für die Initiative "Raus aus der Sackgasse" oder kurz RASAInitiative. Die Initiative will den Beschluss zur Masseneinwanderungsinitiative rückgängig machen und damit den Zustand herstellen, wie er vor dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative gültig war. Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Abstimmung teilnehmen würden: Wenn morgen schon über die RASAInitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?" in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen bestimmt dafür 21 bestimmt dagegen 28 eher dafür 23 eher dagegen 17 weiss nicht/keine Antwort 11 © gfs.bern, Zukunft Bilaterale, 2. Welle, Oktober 2015 (n = 1456) Das Zustimmungspotenzial ist bei SP-Wählenden mit 62 Prozent bestimmt und eher dafür am grössten. Bei der SVP sind 83 Prozent bestimmt oder eher dagegen. Zur voraussichtlichen Gegnerschaft zählen auch die Parteiungebundenen und die FDP.Die Liberalen-Wählenden, während dies in der Mitte unsicher ist. Wer bei den Bilateralen mehr Vor- als Nachteile erkennt, ist mehrheitlich für die RASA-Initiative. Bei umgekehrter Einschätzung resultieren mehrheitliche Ablehnungsabsichten. Wer in der Einschätzung gespalten oder unsicher ist, neigt zum Nein, ohne dass eindeutige Mehrheiten sichtbar werden. Daraus kann man schliessen, dass gegenwärtig ein Nein wahrscheinlicher ist als ein Ja, die definitive Bewertung aber erst noch erfolgt, und zwar in Kenntnis der Frage, wie die Masseneinwanderungsinitiative in der Schweiz umgesetzt werden soll. Die Beteiligungsabsichten Die Beteiligungsabsichten sind noch eher unterentwickelt. Gegenwärtig würden 36 Prozent der Stimmberechtigten teilnehmen. Die mittlere Beteiligung bei Volksabstimmungen betrug in der vergangenen Legislatur 45 Prozent. Bis zum Abstimmungstag (namentlich über die Durchsetzungsinitiative) ist mit einer Zunahme zu rechnen. Nebst den Positionierungs- und Informationsaspekten sind damit auch die Mobilisierung der verschiedenen politischen Lager von Belang. 5 Datenbasis Die Ergebnisse der Studie "Zukunft Bilaterale" vom Oktober 2015 basieren auf einer repräsentativen telefonischen Befragung von 2'525 Stimmberechtigten aus der ganzen Schweiz durch gfs.bern. Die Befragung wurde zwischen dem 19. und 31. Oktober 2015 durchgeführt. Befragt wurde mittels eines Random Digit Dialing (RDD)/Dualframe-Verfahrens via Festnetz und Handy. Über die technischen Eckwerte dieser Umfrage orientiert die nachstehende Übersicht: Tabelle 1 Technischer Kurzbericht Auftraggeber Interpharma Grundgesamtheit Stimmberechtigte der Schweiz, die einer der drei Landessprachen, Deutsch, Französisch oder Italienisch, mächtig sind Befragungsgebiet gesamte Schweiz Herkunft der Adressen Stichprobenplan nach Gabler/Häder für RDD/Dual Frame Verwendung der Swiss-Interview-Liste Datenerhebung telefonisch, computergestützt (CATI) Art der Stichprobenziehung Random-Quota; Geburtstagsmethode im Haushalt Befragungszeitraum Welle 1 9. bis 27. Februar 2015 mittlerer Befragungstag 19. Februar 2015 Befragungszeitraum Welle 2 19. bis 31. Oktober 2015 mittlerer Befragungstag 24. Oktober 2015 Stichprobengrösse Welle 1 minimal 2'500, effektiv 2'507 n DCH: 1'754, n FCH: 603, n ICH: 150 n Festnetz: 2'004, n Handy: 503 Stichprobengrösse Welle 2 minimal 2'500, effektiv 2'525 n DCH: 1'760, n FCH: 607, n ICH: 158 n Festnetz: 2'021, n Handy: 504 Fehlerbereich ± 2.0 Prozentpunkte bei 50/50 (und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit) Quotenmerkmale Sprache, Alter/Geschlecht interlocked, Festnetz und Handy Gewichtung nach Dualframe-Gewichtung, Designgewichtung nach Sprachregion, zusätzliches Redressement nach Alter/Geschlecht interlocked, Siedlungsart, Parteibindung und Stimmverhalten zur Initiative gegen Masseneinwanderung, jeweils pro Sprachregion Befragungsdauer Mittelwert 24.8 Minuten Standardabweichung ±5.8 Minuten © gfs.bern, Zukunft Bilaterale, 2. Welle, Oktober 2015 6 gfs.bern-Team CLAUDE LONGCHAMP Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung gfs.bern, Verwaltungsrat gfs-bd, Politikwissenschafter und Historiker, Lehrbeauftragter der Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen, Dozent an der Zürcher Hochschule Winterthur, am MAZ Luzern und am VMI der Universität Fribourg und am KPM der Universität Bern. Schwerpunkte: Abstimmungen, Wahlen, Parteien, politische Kultur, politische Kommunikation, Lobbying, öffentliche Meinung, Rassismus, Gesundheits- und Finanzpolitik Zahlreiche Publikationen in Buchform, in Sammelbänden, wissenschaftlichen Zeitschriften URS BIERI Senior Projektleiter, Mitglied der Geschäftsleitung, Politik- und Medienwissenschafter, Executive MBA FH in strategischem Management, Lehrbeauftragter an der Kalaidos Fachhochschule Schwerpunkte: Themen- und Issue-Monitoring, Image- und Reputationsanalysen, Risikotechnologien, Abstimmungsanalysen, Kampagnenvorbereitung und -begleitung, Integrierte Kommunikationsanalysen, Qualitative Methoden Publikationen in Sammelbänden, Fachmagazinen, Tagespresse und auf dem Internet STEPHAN TSCHÖPE Leiter Analyse und Dienste, Politikwissenschafter Schwerpunkte: Koordination Dienstleistungen, komplexe statistische Datenanalytik, EDV- und Befragungs-Programmierungen, Hochrechnungen, Parteien- und Strukturanalysen mit Aggregatdaten, Integrierte Kommunikationsanalysen, Visualisierung AARON VENETZ Praktikant, Politikwissenschafter Schwerpunkte: Datenmodellierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Datenanalyse, Programmierungen, Medienanalysen, Visualisierungen JOHANNA LEA SCHWAB Sekretariat und Administration, Kauffrau EFZ Schwerpunkte: Desktop-Publishing, Visualisierungen, Projektadministration, Vortragsadministration 7 gfs.bern ag Hirschengraben 5 Postfach CH – 3001 Bern Telefon +41 31 311 08 06 Telefax +41 31 311 08 19 [email protected] www.gfsbern.ch Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied des Verbands Schweizer Markt- und Sozialforschung und garantiert, dass keine Interviews mit offenen oder verdeckten Werbe-, Verkaufsoder Bestellabsichten durchgeführt werden. 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