Schlussbericht

Durchsetzungsinitiative:
Polarisierung stark, leichter Nein-Trend, Ausgang offen
Zweite Gotthardröhre:
Vorteile für Ja-Seite schwinden
Heiratsstrafe:
Heftige Kritik mindert Annahmechancen
Medienbericht zur 2. Welle der Befragungsreihe "SRG
Trend" zur Volksabstimmung vom 28. Februar 2016
Studie im Auftrag der SRG SSR, Februar 2016
Projektteam
Claude Longchamp Politikwissenschafter,
Lehrbeauftragter der Universitäten Bern und Zürich
Martina Mousson Politikwissenschafterin
Stephan Tschöpe Politikwissenschafter
Marcel Hagemann Sozialwissenschafter
Johanna Schwab Sekretariat und Administration
Alexander Frind Politikwissenschafter
Inhaltsverzeichnis
1
WICHTIGSTES IN KÜRZE............................................................................3
2
EINLEITUNG ..............................................................................................14
2.1 Mandat ................................................................................................14
2.2 Initiative gegen Heiratsstrafe ..............................................................15
2.3 Durchsetzungsinitiative .......................................................................21
2.4 Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation........................................29
2.5 Zweite Gotthardröhre..........................................................................32
2.6 Beteiligung ..........................................................................................38
2.7 Hypothesen zur Meinungsbildung ......................................................39
3
BEFUNDE ...................................................................................................42
3.1 Vorläufige Teilnahmeabsichten ...........................................................42
3.2 Volksinitiative "Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe" ..........47
3.3 Volksinitiative "Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller
Ausländer" ...........................................................................................60
3.4 Volksinitiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!" ...................74
3.5 Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr
im Alpengebiet ....................................................................................79
4
ANHANG ....................................................................................................91
4.1 Forschungskonzept: erweiterter Dispositionsansatz ........................105
4.2 Die SRG-Befragung ...........................................................................116
4.3 Instrumentenvergleich ......................................................................118
4.4 gfs.bern-Team ...................................................................................121
Bern, 16. Februar 2016
Copyright by gfs.bern
Sperrfrist: 17. Februar 2016, 17h00
2
1
Wichtigstes in Kürze
Wäre bereits am 9. Februar 2016 über die vier Vorlagen der eidgenössischen Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 entschieden worden, hätte
eine Mehrheit für eine Zweite Gotthardröhre votiert. Knapp mehrheitlich
wäre die Zustimmung zur Initiative gegen die Heiratsstrafe gewesen. Fast
gleich stark wären beide Seiten bei der Durchsetzungsinitiative ausgefallen. Abgelehnt worden wäre die Spekulationsstopp-Initiative.
Um es klar zu sagen: Dies sind keine Prognosen zu den Ergebnissen vom 28.
Februar 2016. Vielmehr handelt es sich um die zweite und letzte Bestandsaufnahme im Rahmen der SRG-Trendbefragung. Für eine Projektion müssten die
Unentschiedenen verteilt werden können, für eine Prognose müsste man zudem wissen, wie sich der last swing in den Kampagnen auf die Stimmabsichten auswirkt. Beides lassen wir bewusst weg.
Tabelle 1
Übersicht gegenwärtige Stimmabsichten Teilnahmewillige
Abstimmung vom 28. Februar 2016
bestimmt /
eher dafür
bestimmt /
eher dagegen
weiss nicht/
keine Antwort
Einschätzung Ausgang
VI gegen Heiratsstrafe
53 (-14)
38 (+17)
9 (-3)
offen
Stand: knapp Ja
Trend: klar Nein
Durchsetzungsinitiative
46 (-5)
49 (+7)
5 (-2)
offen
Stand: keine Mehrheit
Trend: eher Nein
VI gegen Nahrungsmittelspekulation
31 (-17)
54 (+15)
15 (+2)
Nein
Stand: Nein
Trend: klar Nein
Zweite Gotthardröhre
56 (-8)
39 (+10)
5 (-2)
eher Ja
Stand: Ja
Trend: eher Nein
Bemerkung: Bei allen ausgewiesenen Zahlen ist bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit ein statistischer
Unsicherheitsbereich von rund 2.7 Prozentpunkten plus/minus mitzudenken.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Die Absichten, sich an der Abstimmung zu beteiligen, haben sich von der 1. zur
2. Befragungswelle von 48 auf 55 Prozent aller Stimmberechtigten erhöht. Damit zeichnet sich ein überdurchschnittlicher Teilnahmewert ab.
Im Vergleich zur ersten Befragung mit dem mittleren Erhebungstag am 12.
Januar 2016 sind die quantitativen Veränderungen bei den Volksinitiativen gegen Nahrungsmittelspekulation respektive gegen Heiratsstrafe am grössten. Es
folgt die Gotthard-Vorlage. Quantitativ am geringsten sind die Verschiebungen
bei der Durchsetzungsinitiative.
Qualitativ relevant ist, dass wir den Ausgang der Entscheidung gegen die Heiratsstrafe aufgrund der aktuellen Daten und den Trends neu als offen taxieren.
Bei der Durchsetzungsinitiative gilt neuerdings das gleiche, mit leichten Vorteilen für die Gegnerschaft und beim Gotthardtunnel ist das Ja nicht mehr so sicher wie vor Monatsfrist.
Die Meinungsbildung zu den Vorlagen ist ungleich stark fortgeschritten. Am
höchsten ist der Stand bei der Durchsetzungsinitiative, gefolgt von der Vorlage
zum zweiten Gotthard-Tunnel. Dahinter folgen die Volksinitiativen gegen die
Heiratsstrafe respektive gegen die Nahrungsmittelspekulation. Mit anderen
Worten: Die ausgewiesenen Ja/Nein-Anteile haben sich bei den beiden letztgenannten Vorlagen am meisten verändert, und sie könnten sich noch weiter
stark verändern.
3
Durchsetzungsinitiative
Stimmabsichten
Aktuell würden 46 Prozent bestimmt oder eher für die Durchsetzungsinitiative
votieren, und 49 Prozent würden dagegen stimmen.
Damit hat sich seit der ersten Befragung die Zustimmungsbereitschaft um 5
Prozentpunkte verringert, und die Ablehnungstendenz ist um 7 Prozentpunkte
gestiegen.
Die relative Mehrheit hat damit gekehrt, auch wenn sie nicht eindeutig genug
ist, um entscheidend zu sein.
Stand der Meinungsbildung
73 Prozent der Beteiligungsbereiten haben eine dezidierte Stimmabsicht dafür
oder dagegen. Die Meinungsbildung ist damit fortgeschritten, wenn auch nicht
abgeschlossen. Ganz unschlüssig sind 5 Prozent der Teilnahmewilligen.
Konfliktmuster
Das Konfliktmuster ist ausgeprägt. Dominant ist die politische Polarisierung,
einmal zwischen linkem und rechtem Lager, dann zwischen Behördenvertrauen
und –misstrauen.
Mehrheitlich dafür sind die Wählenden der SVP und die Parteiungebundenen.
Bei der SVP sind die Verhältnisse stabil, bei den Ungebundenen geht der Trend
leicht Richtung Nein.
Mehrheiten der anderen Parteianhängerschaften von Grünen bis FDP sind gegen die Durchsetzungsinitiative. Der angelegte Elite/Basis-Konflikt bei der FDP
ist verschwunden. Ihre Wählerschaft ist neu mehrheitlich im Nein.
Der Polarisierungsgrad ist extrem. Zwischen SP und SVP liegen bei der Durchsetzungsinitiative Welten, so differiert der Nein-Anteil um 75 Prozentpunkte.
Grafik 1
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
28
45
63
72
56
10
2
6
10
13
8
30
6
32
70
71
34
11
5
18
16
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
14
11
11
11
3
23
16
FDP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
7
8
9
CVP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
GPS/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
14
3
11
6
4
4
SP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
12
9
25
21
14
14
7
14
19
12
10
12
19
34
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
62
75
2
5
3
SVP/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
59
4
3
4
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Mehrheitlich im Ja sind regierungsmisstrauische Stimmberechtigte mit Teilnahmeabsichten. 74 Prozent von ihnen wollen die Durchsetzungsinitiative annehmen. Bürgerinnen und Bürger mit Regierungsvertrauen lehnen das Begehren zu 68 Prozent ab. Bei den Misstrauischen sind die Verhältnisse stabil, bei
den übrigen entspricht der Trend der allgemeinen Entwicklung.
4
Meinungsdruck
Die Teilnahmewilligen gehen von einer knappen Annahme der Vorlage am Abstimmungstag aus. Ihre mittlere Schätzung für den Ja-Anteil beträgt 51 Prozent
Argumente
Populärstes Einzelargument auf der Ja-Seite ist die konsequente Ausschaffung
krimineller Ausländer ohne Wenn und Aber. Auf der Nein-Seite ist die Zustimmung am grössten, wenn sie von den wachsenden Schwierigkeiten bei den
Verhandlungen mit der EU spricht. Eine relative Mehrheit findet wie die Initianten, die Gerichte würden sich über das Recht stellen respektive die parlamentarische Umsetzung der Masseneinwanderung entspreche nicht dem Volkswillen. Neinseitig gibt es Zustimmungsmehrheiten bei allen getesteten Botschaften, also auch bei der Secondo-Problematik, der vernünftigen Umsetzung durch
das Parlament und dem Verstoss gegen die Menschenrechte durch die SVPInitiative. Indexiert stehen 55 Prozent der beteiligungsbereiten Stimmberechtigten den Nein-Argumenten näher. 40 Prozent sind den Ja-Botschaften näher.
Wirksamstes Argument auf der Ja-Seite ist die konsequente Ausweisung. Tendenziell überziehen die Initianten ihre Position aus Bürgersicht, wenn sie den
Volkswillen über das Völkerrecht stellen. Am meisten wirkt auf der Nein-Seite
das Fehlen der Härtefallklausel im Initiativtext und damit der Verstoss gegen
die Menschenrechte. Auf der gegnerischen Seite wirkt allerdings eher der Mix
an Argumenten als ein einziges.
Vergleich mit
Ausschaffungsinitiative
Im Vergleich zur Ausschaffungsinitiative haben vor allem FDP- und CVPWählende ihre Stimmabsichten verändert. Rund ein Fünftel von ihnen haben
vom Ja ins Nein-Lager gewechselt. Vorhanden, wenn auch deutlich schwächer,
ist der Effekt bei den parteiungebundenen Stimmenden.
Erwartungen bis zur
Volksabstimmung
Im Normalfall nimmt die Ablehnungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf
zu, und es sinkt auch die Zustimmungstendenz. Automatisch ist diese Entwicklung gerade bei rechten Volksinitiativen jedoch nicht.
Setzt sich der Trend fort, wird die Vorlage abgelehnt. Stockt er, bleibt es für
beiden Seiten unsicher. Entsprechend erscheint der Ausgang offen. Die Verhältnisse sind für eine eindeutige Aussage zu knapp.
Stichworte für die Berichterstattung

potenzielle Mehrheitsinitiative von rechts (nationalkonservativ)

fortgeschrittene Meinungsbildung, aber nicht abgeschlossen

hohe Prädisponierung durch Stimmverhalten bei Ausschaffungsinitiative.
Trend vom Ja ins Nein vor allem bei FDP/CVP

Konsequente Ausschaffung krimineller Ausländer populärstes und wirksamstes Ja-Argument

Fehlende Härtefallklausel, Gesetzgebung zur Umsetzung Ausschaffungsinitiative, Probleme für Bilaterale auf Nein-Seite mehrheitsfähig und wirksam

Ausgang offen, Verhältnisse und Trends zu knapp
5
Initiative gegen Heiratsstrafe
Stimmabsichten
Aktuell würden 53 Prozent der teilnahmewilligen Bürgerinnen und Bürger bestimmt oder eher für die Volksinitiative "Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe" stimmen. 38 Prozent wären bestimmt oder eher dagegen.
Noch führt die Ja-Seite. Der Vorsprung ist aber erheblich geschrumpft. Denn
die Veränderungen zur ersten Wellen machen im Schnitt von Ja und Nein 15,5
Prozentpunkte aus. Das ist einiges über dem Mittel an Veränderungen in einem
Abstimmungskampf.
Stand der Meinungsbildung
63 Prozent aller Beteiligungsbereiten haben zwischenzeitlich eine feste Stimmabsicht. Das sind knapp 10 Prozent mehr als in der ersten Befragung. Der Grad
an Entschiedenheit hat damit zugenommen, bleibt aber weiterhin zurück. Die
Meinungsbildung ist hier in vollem Gang.
Konfliktmuster
Profiliert werden die Stimmabsichten in erster Linie durch die Parteibindungen.
Mehrheitlich dafür sind die Parteiwählerschaften von CVP und SVP. Mehrheitlich dagegen fallen die Werte bei den Wählenden von GPS, SP und FDP aus.
Damit sind die Wählerschaften dieser drei Parteien seit der ersten Befragung
gekippt. Die Zustimmungsbereitschaft ist aber auch bei SVP und CVP gesunken. Dabei fällt auf, dass der Ja-Wert in der SVP-Wählerschaft zwischenzeitlich
gar höher ist als an der Basis der Initiativurheberschaft (CVP). Mehrheitlich für
die Vorlage sind die parteiungebunden Stimmenden. Bei Ihnen hat sich nicht
viel verändert. Klar über dem Mittel ist die Zustimmungsbereitschaft auch bei
misstrauischen Bürgerinnen und Bürgern.
Grafik 2
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
7
15
13
32
GPS/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
18
20
10
11
10
11
41
11
13
28
10
6
29
6
20
9
6
18
16
17
18
15
4
13
39
20
34
44
47
43
eher dagegen
22
weiss nicht/keine
Antwort
18
45
bestimmt dagegen
46
eher dafür
25
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
23
14
9
7
14
SVP/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
16
21
35
15
13
32
46
17
CVP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
44
SP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
11
16
8
9
3
FDP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
14
23
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Ganz generell gilt, dass die Zustimmungsbereitschaft rückläufig ist. Das gilt für
alle untersuchten Gruppen, ausser für die Romandie und für Parteiungebundene. Mehrheitlich dafür sind verheiratete Paare respektive Personen, die in einer
eingetragenen Partnerschaft leben. Bei Paaren, bei denen das nicht der Fall ist,
fällt demgegenüber die Ablehnung besonders deutlich aus. Keine Gruppe hat
im Abstimmungskampf ihre Meinung zur Initiative so stark geändert wie diese.
6
Meinungsdruck
50 Prozent der Teilnahmewilligen gehen von einer Annahme aus, 37 Prozent
von einer Ablehnung. Im Schnitt schätzen die Beteiligungsbereiten einen Ausgang von 51 zu 49 Prozent.
Argumente
Das populärste Einzelargument auf Seiten der Initianten betrifft die Ungerechtigkeit der Doppelbesteuerung. 80 Prozent sind damit voll oder eher einverstanden. Knapp mehrheitlich geteilt wird zudem, dass mit der Individualbesteuerung ein Bürokratiemonster geschaffen würde
Bei der Gegnerschaft werden die Steuerausfälle bei einem Ja am breitesten
geteilt. Das sehen 66 Prozent gleich wie die Gegnerschaft. Mehrheitlich geteilt
wird zudem, dass man vor allem Reiche entlaste und gleichgeschlechtliche
Paare diskriminiere.
Viele Teilnahmewillige können den Botschaften beider Seiten etwas abgewinnen. Eher auf Seiten der Initianten sind indexiert 42 Prozent, während 45 Prozent den Nein-Argumenten insgesamt mehr abgewinnen können. 13 Prozent
sind im Dilemma. Sie sehen gleich viel Gutes wie Schlechtes in der Initiative.
Bei einer reinen, argumentenbasierten Entscheidung können diese Werte als
die sicheren Potenziale beider Seiten gelten. Alles andere hängt von den
Schlussentscheidungen einer namhaften Minderheit ab, welche sehr ambivalent eingestellt ist.
Erwartungen bis zur
Volksabstimmung
Die Initiative gegen die Heiratsstrafe ist eine potenziell mehrheitsfähige Initiative. Dafür spricht, dass sich aktuell eine knappe Mehrheit für die Vorlage ausspricht. Feste Meinungen haben sich aber nicht hinreichend entwickelt. Der
Trend spricht für ein Nein. Den Ausgang taxieren wir als offen.
Stichworte für die Berichterstattung

potenzielle Mehrheitsinitiative von rechts (bürgerlich-konservativ)

eher fortgeschrittene Meinungsbildung

ungerechte Doppelbesteuerung populärstes und wirksamstes Argument
auf der Ja-Seite

Folgen der Steuereinbussen populärstes Nein-Argument, Diskriminierung
gleichgeschlechtlicher Paare bisher wirksamstes Argument, das alleine
aber nicht mehrheitsfähig ist

Polarisierungsgrad wachsend, zwischen rechtskonservativ und linksliberal

Ausgang offen, Vorsprung für Ja, aber klarer Nein-Trend
7
Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
Stimmabsichten
Aktuell würden 31 Prozent der teilnahmewilligen Bürger und Bürgerinnen bestimmt oder eher für die Volksinitiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln"
stimmen. 54 Prozent wären bestimmt oder eher gegen die Vorlage. Die Veränderungen seit der ersten Welle sind erheblich. Die Ja-/Nein-Werte haben sich
im Schnitt um 16 Prozentpunkte verschoben.
Stand der Meinungsbildung
Nur 52 Prozent der Beteiligungswilligen haben eine bestimmte Stimmabsicht
dafür oder dagegen. Keine Stimmabsicht zeigen 15 Prozent. Der Grad an Meinungsbildung hat sich damit nur wenig verfestigt. Fest Entschiedene kommen
zu 5 Prozentpunkten mehr vor, Unentschiedene haben um 2 Prozentpunkte
zugenommen. Die Meinungsbildung bleibt für den kurzen Zeitpunkt vor der
Abstimmung wenig fortgeschritten.
Konfliktmuster
Relevant sind die Zusammenhänge der Stimmabsichten entlang der Parteibindungen. Klar gegen die Vorlage votieren will die FDP-Wählerschaft, gefolgt von
CVP- und SVP-Wählenden, die mehrheitlich im Nein sind. Am klarsten dafür ist
die grüne Wählerschaft, gefolgt von der der SP. Damit ist die Links/RechtsPolarisierung gegeben. Zwischen den Polen sind die Parteiungebundenen, mit
einer leicht höheren Affinität zum bürgerlichen Lager.
Grafik 3
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
51
14
19
24
17
12
13
14
13
11
17
30
18
29
23
18
23
14
12
13
22
18
31
17
22
bestimmt
dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
11
8
11
7
8
27
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
32
18
37
19
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
28
SVP/
9. Februar 2016
37
SP/
9 Februar 2016
39
SP/
12. Januar 2016
47
GPS/
9. Februar 2016
GPS/
12. Januar 2016
58
27
24
13
13
28
SVP/
12. Januar 2016
26
22
20
FDP/
9. Februar 2016
25
14
15
FDP/
12. Januar 2016
19
7
14
CVP/ 9.
Februar 2016
13
7
8
CVP/
12. Januar 2016
4
17
2
eher dafür
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Weitgehend verschwunden sind die anfänglichen Zusammenhänge der Stimmabsichten mit der Schicht, dem Alter und dem Geschlecht. Das gilt weitgehend
auch für die Sprachregionen. Signifikant bleibt die Abhängigkeit hiervon nur
wegen dem stark unterschiedlichen Mass an Unschlüssigkeit, die in der italienischsprachigen Schweiz erheblich bleibt, in der Romandie aber auch unüblich
und sogar angestiegen ist.
Erwartungen bis zur
Abstimmung
Erwartet wird, dass sich der klare Trend Richtung Nein bis zum Abstimmungstag weiter fortsetzt.
8
Stichworte für die Berichterstattung

Minderheitsinitiative von links

Meinungsbildung unverändert wenig ausgeprägt

Polarisierung auf der Links/rechts-Achse

Ablehnung sicher
Zweite Gotthardröhre
Gegenwärtige
Stimmabsichten
Aktuell würden 56 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten bestimmt
oder eher für die Zweite Gotthardröhre stimmen. 39 Prozent wären dagegen.
Der Ja-Vorsprung beträgt damit 17 Prozent unter den Entschiedenen.
Der Trend geht Richtung Nein, was bei einer Behördenvorlage eher die Ausnahme ist. Die Ablehnung ist innert Monatsfrist um 10 Prozentpunkte gewachsen, die Zustimmung um 8 Prozentpunkte gesunken.
Stand der Meinungsbildung
65 Prozent haben eine feste Intention; sie sind entweder bestimmt dafür oder
bestimmt dagegen. Nur 5 Prozent äussern zwar Beteiligungs-, nicht aber
Stimmabsichten. Die Meinungsbildung ist damit für den Zeitpunkt eher fortgeschritten, wenn auch nicht abgeschlossen.
Konfliktmuster
Das Konfliktmuster ist in erster Linie parteipolitischer Natur. 70 Prozent der
FDP-Wählenden sind auf der Ja-Seite; bei der SVP sind es 69 Prozent. Auch
unter CVP-Wählenden besteht mit 64 Prozent eine Zustimmungsmehrheit. Bei
den Wählenden der GPS wollen 86 Prozent dagegen stimmen, an der SP-Basis
65 Prozent. Parteiungebundene stehen dem bürgerlichen Lager näher. Sie befürworten die Zweiten Gotthardröhre zu 58 Prozent. Die parteipolitische Polarisierung ist hoch. Die Nein-Differenz zwischen GPS und FDP beträgt 62 Prozent.
Grafik 4
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
15
32
46
61
2
21
5
12
36
18
22
9
6
10
7
3
20
18
9
4
42
47
16
8
16
22
48
9
60
27
11
4
32
20
35
38
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
53
18
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
2
GPS/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
5
7
27
15
SVP/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
18
10
18
25
8
8
FDP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
11
32
9
6
10
19
SP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
15
2
15
CVP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
55
21
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Der Haupttrend der Meinungsbildung Richtung Nein findet sich auch über alle
Parteilager hinweg.
9
Die Zustimmung ist zwischenzeitlich in der deutschsprachigen Schweiz am
höchsten (58%, -8%-punkte), gefolgt vom italienischsprachigen Landesteil
(51%, -25%-punkte) und der französischen Sprachregion (47%, -6%-punkte).
Die Zustimmungsmehrheit ist hier nicht mehr gesichert. Die Veränderungen
sind vor allem im Tessin erheblich. Hier wurde die Gegnerschaft mit dem Abstimmungskampf mobilisiert.
Personen mit mehreren Automobilen im Haushalt sind zu 68 Prozent dafür.
Personen ohne Privatwagen im Haushalt sind zu 55 Prozent dagegen. Am
meisten bewegt haben sich Haushalte mit einem Auto. Bei diesen führt noch
die Ja-Seite mit 50 Prozent, doch die Gegnerschaft ist stärker geworden. Sie
liegt hier bei 43 Prozent.
Meinungsdruck
Die Teilnahmewilligen gehen von einer knappen Annahme der Vorlage am Abstimmungstag aus. Ihre mittlere Schätzung für den Ja-Anteil beträgt 53 Prozent.
Argumente
Alle acht getesteten Botschaften sind mehrheitsfähig. Indexiert stehen 52 Prozent der teilnahmewilligen Personen den Ja-Argumenten näher, bei 41 Prozent
ist das bezogen auf die Nein-Botschaften der Fall.
Eindeutig populärstes Pro-Argument im Abstimmungskampf die Sicherheitsfrage. Zwei Tunnels mit je einer Fahrspur sind für 88 Prozent der Stimmberechtigten sicherer als eine Röhre mit Gegenverkehr.
Auf der Nein-Seite ist die Zustimmung am grössten, wenn mit dem steigenden
Druck aus dem In- und Ausland zur dauerhaften Öffnung der vier Fahrspuren
argumentiert wird.
Am meisten polarisiert die gegnerische Aussage, dass sich der Verkehr
zwangsläufig erhöhen werde. Damit stellen neu die Gegner die zentralen Botschaften zur Meinungsbildung. Auf der Ja-Seite wirken zahlreiche Argumente,
am meisten die Tunnelsicherheit.
Erwartungen bis zur
Volksabstimmung
Die bisherige Meinungsbildung entspricht dem Typ einer positiv vorbestimmten
Behördenvorlage. Allerdings ist es der Ja-Seite nicht gelungen, sich mit dem
Abstimmungskampf zu verstärken. Vielmehr nehmen die Gegner zulasten der
Befürworter zu. Das Ja ist wahrscheinlicher, wenn auch nicht mehr sicher.
Stichworte für die Berichterstattung

positiv vorbestimmte Entscheidung zu einer Behördenvorlage

eher fortgeschrittene Meinungsbildung

Konfliktmuster mit parteipolitischer Polarisierung, persönlicher Betroffenheit und regionaler Betroffenheit

Sicherheit populärstes und wirksamstes Ja-Argument

Öffnung zweite Röhre populärstes Nein-Argument, Verkehrszunahme
wirksamstes

Ausnahmefall der Meinungsbildung für eine Behördenvorlage: Ja nimmt
ab, nicht zu

Ausgang offen
10
Vorläufige Teilnahmeabsichten
Teilnahmeabsichten
Am 9. Februar 2016 hätten sich 55 Prozent der Stimmberechtigten bestimmt
an den Entscheidungen zu den vier Vorlagen beteiligt. Die Teilnahmeabsichten
sind damit innert Monatsfrist um 7 Prozentpunkte gestiegen.
Der Start war in der deutschsprachigen Schweiz ausserordentlich rasant. 59
Prozent unserer Interviewten gaben hier von Beginn weg an, sich äussern zu
wollen. Für die Veränderungen seither sind die italienisch- und französischsprachigen Landesteile entscheidend. Die Teilnahmeabsichten bleiben hier dennoch
zurück. Insgesamt zeichnet sich eine überdurchschnittliche Beteiligung an der
Volksabstimmung vom 28. Februar 2916 ab.
Profil
Die höchste Teilnahmebereitschaft kennt die SP-Wählerschaft; drei Viertel wollen sich hier bestimmt beteiligen. Es folgt die FDP, welche mit 65 Prozent
ebenfalls über dem Mittel mobilisiert. Bei beiden Parteien ist die Mobilisierung
rekordverdächtig – und höher als bei den Nationalratswahlen 2015. Die anderen
Parteiwählerschaften sind nahe dem Schnitt. Unter diesem sind die Beteiligungsabsichten der Parteiungebundenen.
Grafik 5
Teilnahmeabsicht an Abstimmung vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung
"Würden Sie selber an dieser Abstimmung bestimmt teilnehmen, eher teilnehmen, eher nicht teilnehmen oder
bestimmt nicht teilnehmen?"
in % Stimmberechtigter
2
9
45
7
5
4
4
16
1
4
1
1
3 3 7
6
11
2
28
27
31
30
21
52
2
1
9
42
4
5
2
33
9
9
12
9
7
9
33
76
55
59
67
65
62
57
46
39
33
bestimmt nicht
teilnehmen
eher nicht
teilnehmen
weiss nicht/keine
Antwort
eher teilnehmen
56
37
42
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
SVP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
FDP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
CVP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
SP/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
GPS/
12. Januar 2016
bestimmt
teilnehmen
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (N = 1411)
Überdurchschnittlich mobilisiert bleiben die misstrauischen Bürgerinnen und
Bürger. Ihr Vorsprung ist allerdings gesunken. Emotionen im Abstimmungskampf als Mobilisierungsmittel sind kein Privileg der SVP mehr und haben gerade auch bei Liberalen Einzug gehalten.
Stichworte für die Berichterstattung

aktuell überdurchschnittliche Beteiligungsabsichten

Deutschschweiz am stärksten mobilisiert, aber grösste Steigerung im
Tessin

Wählende von FDP und SP überdurchschnittlich teilnahmebereit, Wählende von GPS, CVP und SVP nahe am Mittel
11

Teilnahmeabsicht behördenmisstrauischer Bürgerinnen und Bürger nach
wie vor überdurchschnittlich, Teilnahmeabsichten Regierungsvertrauender sind gegenüber erster Welle namhaft angestiegen
Generelles
Trend Umfragen
Momentaufnahme
Projektionen
Prognosen
Mindestens zweimalige Messung von Stimmabsichten, um Entwicklung der
Meinungsbildung zu sehen.
Einmalige Messung von Stimmabsichten.
Momentaufnahmen, bei denen die Unentschiedenen verteilt werden.
Projektionen, welche die kommende Meinungsbildung bis zum Abstimmungstag mitberücksichtigen und die erwarteten Ja/Nein-Anteil bestimmen.
Wie üblich handelt es sich auch bei der zweiten Befragung um eine Momentaufnahme, ohne direkte prognostische Absicht. Der Vergleich der ersten und
zweiten Welle ergibt eine perspektivische Sicht, die gewisse Rückschlüsse bis
zum Abstimmungstag erlaubt.
Anstatt einer Prognose erstellen wir aber Szenarien der Meinungsbildung und
der Beteiligungsentwicklung. Dabei gehen wir bei Volksinitiativen grundsätzlich
davon aus, dass sich die Ablehnungsbereitschaft erst mit dem Abstimmungskampf aufbaut und die Zustimmungsbereitschaft vor allem bei linken Initiativen
in dieser Phase sinkt. Schwieriger ist es, bei rechten Initiativen allgemeine Regeln für die Auswahl von Szenarien festzulegen, da sie sich bis zum Schluss zu
einer Protestabstimmung entwickeln können.
Keine Aussagen machen können wir über das Ständemehr, das bei Volksinitiativen ebenfalls entscheidet, denn die Fallzahl lässt gesicherte Rückschlüsse auf
die Kantone nicht zu.
Erinnert sei daran, dass der 9. Februar 2016 der mittlere Befragungstag war
und die letzten Entscheidungen am 28. Februar gefällt werden müssen. Das
sind 20 Tage oder fast 3 Wochen Differenz, während denen ein wesentlicher
Teil des Abstimmungskampfes und damit der Formierung des Volkswillens erst
stattfindet.
12
Datengrundlage
Die vorliegende Befragungsreihe wurde vom gfs-Befragungsdienst realisiert,
die Berichterstattung nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor. Befragt wurden 1411 repräsentativ ausgewählte Stimmberechtigte in der ganzen Schweiz.
Um sprachregionale Aussagen machen zu können, haben wir die Sprachminderheiten überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um nationale Aussagen machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht.
Tabelle 2
Technischer Kurzbericht SRG-Trend
Volksabstimmung vom 28. Februar 2016
Auftraggeber
CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit
Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz
Herkunft der Adressen
Telefonverzeichnis der Swisscom (gepoolt)
Datenerhebung
telefonisch, computergestützt (CATI)
Art der Stichprobenziehung
geschichtet nach
at random/Geburtstagsmethode im Haushalt
Sprachregionen
Befragungszeitraum
5.– 13. Februar 2016
mittlerer Befragungstag 9. Februar 2016
Stichprobengrösse
minimal 1400, effektiv 1411
n DCH: 704, n WCH: 404, n ICH: 303
Stichprobenfehler
+/- 2.7%
Quotenmerkmale
Geschlecht/Alter interlocked
Gewichtung nach
Sprache, Teilnahme, Parteiaffinität
Befragungsdauer
Mittel
Standardabweichung
15.7 Minuten
4.8 Minuten
Publikation
17. Februar 2016, 17h
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Die Sperrfrist für den aktuellen Bericht ist Mittwoch, der 17. Februar 2016, um
17.00 Uhr. Danach sind die Ergebnisse und der Bericht unter Quellenangaben
frei.
Zitierweise
2. Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 28.
Februar 2016, vom Forschungsinstitut gfs.bern zwischen dem 5. und 13. Februar 2016 bei 1411 repräsentativ ausgewählten Stimmberechtigten durchgeführt.
13
2
Einleitung
2.1
Mandat
Das Projekt "Abstimmungsvorbefragungen und Trendberichterstattung für die
SRG-SSR-Medien", welches das Forschungsinstitut gfs.bern speziell für die
Abstimmungsvorlagen vom 28. Februar 2016 vornimmt besteht aus zwei Befragungen bei einem repräsentativ ausgewählten Querschnitt der stimmberechtigten Schweizer Bevölkerung. Diese Befragungsdaten werden mittels
ausgefeilter statistischer Datenanalyse ausgewertet und die Befunde im Rahmen des Dispositionsansatzes interpretiert. Dieser schliesst von der Vorlage
auf das Abstimmungsergebnis, und zwar unter Berücksichtigung dessen, was
die Politik daraus macht (Einfluss der Kampagnen, Entscheidungen der Behörden, allgemeines politisches Klima) respektive der Prädispositionen der Bürger
und Bürgerinnen (vergleichbare Entscheidungen von früher, Alltagserfahrungen
von heute).
Grafik 6
Analytisches Schema des Dispositionsansatzes
Klima
Konfliktmuster
meinungsbildende
Eliten
Abstimmungskampf
Vorlage
Dispositionen
Konfliktmuster
Stimmwillige
Entscheidung
Prädispositionen
Zeitachse
© gfs.bern
Unsere generelle These lautet: Abstimmungsergebnisse stehen nicht an sich
fest. Sie sind das Produkt aus dem Abstimmungskampf einerseits, und den
Prädispositionen anderseits. Der Abstimmungskampf wird durch das politische
Klima und die Positionsbezüge der meinungsbildenden Elite bestimmt, während sich die Prädispositionen aus den Alltagserfahrungen ableiten, welche die
Bürger und Bürgerinnen mit dem Abstimmungsthema machen.
Veränderungen im Meinungsbildungsprozess vor Volksabstimmungen fallen
meist deutlich höher aus, als dies bei Parteiwahlen der Fall ist. Stabilität ist
nicht der Normal-, sondern der Ausnahmefall. Dabei gilt: Je geringer die Prädispositionen sind, desto volatiler ist die Meinungsbildung. Stabilisierend wirken
Abstimmungskämpfe, wenn sie bereits vorhandene Prädispositionen
(re)aktivieren. Veränderungen sind dann zu erwarten, wenn es zu einem Meinungsaufbau bei unentschiedenen Bürger und Bürgerinnen kommt respektive
wenn ein Meinungswandel vom Ja ins Nein oder umgekehrt vorkommt. Hinzu
können Mobilisierungseffekte kommen, wenn sich die Beteiligungsabsichten
mit dem Abstimmungskampf entwickeln. Bei Behördenvorlagen gehen wir
14
davon aus, dass Meinungsaufbau stattfinden, derweil es bei Initiativen auch zu
Meinungswandel kommt.
Abgestimmt wird am 28. Februar 2016 über vier Vorlagen, die nachfolgend
vorgestellt werden:
1.
Volksinitiative "Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe", kurz
Initiative gegen Heiratsstrafe
2.
Volksinitiative "Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer", kurz Durchsetzungsinitiative
3.
Volksinitiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!", kurz Initiative
gegen Nahrungsmittelspekulation
4.
Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im
Alpengebiet (STVG), kurz zweiter Gotthardtunnel
2.2
Initiative gegen Heiratsstrafe
Die Volksinitiative "Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe" will in der
Verfassung verankern, dass Ehepaare steuerlich eine Wirtschaftsgemeinschaft
bilden und nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und
Sozialversicherungen. Lanciert wurde die Initiative aus den Reihen der CVP; im
Initiativkomitee hat es auch Vertreter und Vertreterinnen von SVP und EVP.
In der SRG-Trend-Befragung und in den Erläuterungen des Bundesrates (offizielle Abstimmungsbroschüre) wurde die Vorlage wie folgt umschrieben:
"Die Initiative fordert, dass die Ehe gegenüber anderen Lebensformen nicht
benachteiligt wird, insbesondere nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen. Die Ehe soll die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Mann
und Frau sein, und das Ehepaar soll in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden."
2.2.1 Konfliktmuster
In der Schlussabstimmung des Nationalrates wurde die Initiative gegen die
Heiratsstrafe mit 107 zu 85 Stimmen abgelehnt. Im Ständerat betrug die Ablehnung 25 zu 20 Stimmen. Dem Anliegen der Initianten wurde somit seitens
des Parlamentes letztlich keine Folge geleistet. Der Bundesrat, der die Vorlage
ursprünglich bejaht hatte, musste sie alsdann ebenfalls ablehnen. Die Mehrheitsverhältnisse in den Behörden waren aber knapp und die Vorlage polarisierte die Behörden.
Die parlamentarische Gegnerschaft der Initiative stammt vorwiegend aus den
Reihen der SP, der GPS, der GLP und der FDP. Geschlossen hinter der Initiative
standen in der Schlussabstimmung im Nationalrat Parlamentarier und Parlamentarierinnen der CVP, mit einer Ausnahme auch solche der SVP, während
sich die BDP gespalten zeigte.
15
Grafik 7
Schlussabstimmung Nationalrat Initiative gegen Heiratsstrafe
Quelle: www.politnetz.ch
Lesebeispiel: Ja heisst Zustimmung zum Antrag des Bundesrates: Initiative zur Ablehnung empfehlen.
Für die Herausgabe der Nein-Parole entschieden sich die SP, die GPS, die GLP,
die BDP und die FDP. Die Ja-Parole gefasst hat neben der Initiantin, der CVP,
die SVP und die EVP. Damit ist eine Spaltung zwischen einem gesellschaftlichkonservativen Lager gegen den Rest die treffende Beschreibung für den Parolenspiegel der Initiative gegen die Heiratsstrafe.
Tabelle 3
Parolen Initiative gegen Heiratsstrafe
Initiative gegen Heiratsstrafe
Stimmempfehlung BR
Nein-Parole
Abstimmung NR
107:85 (Nein-Parole)
Abstimmung SR
25:20 (Nein-Parole)
Befürwortende Parteien
SVP, CVP, EVP (abweichend; Junge CVP ZH)
Ablehnende Parteien
SP, FDP, GPS, GLP, BDP (abweichend; BDP AG)
Quelle: Parteienwebseiten, Stand: 14.02.2016
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Von der ablehnenden Haltung der Behörden weichen drei berücksichtigte Parteien ab. Immerhin zwei davon sind Regierungsparteien. Der Konflikt im Regierungslager ist damit erheblich. Der Bundesrat sprach sich ursprünglich für die
Initiative aus, schloss sich jedoch der ablehnenden Haltung vom Parlament an.
Positioniert haben sich zahlreiche Verbände. Für das Anliegen stehen die
Schweizer Bischofskonferenz ein, der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband und die Finanzdirektorenkonferenz. Dagegen wenden sich Wirtschaftsverbände wie economiesuisse und der Gewerbeverband, der Gewerkschaftsbund sowie Interessenorganisation, die sich für eine "Ehe für alle" einsetzen.
Für das Konfliktmuster unter den Parteien gibt es kaum Vergleichsabstimmungen. Denn es zeichnet sich neu eine bürgerlich-konservative Front zugunsten
einer Volksinitiative ab. Bisher handelte es sich eher um einen Support einzelner Parteien (insbesondere der SVP und der CVP) oder aber des bürgerlichen
Lagers insgesamt (wie bei der Bauspar-Initiative).
16
2.2.2 Abstimmungskampf
Anliegen der Initianten ist es, Paare sollen, egal ob verheiratet oder nicht, gleich
besteuert werden. Diskriminierungen aufgrund des Zivilstandes werden abgelehnt. Ungerechtigkeiten, die schon länger bestehen und benannt sind, sollten
beseitigt werden.
Der Bundesrat unterstützt das Ziel, die Heiratsstrafe abzuschaffen, lehnt die
Volksinitiative jedoch wegen der zu engen Ehedefinition ab. Er will die Möglichkeit der Individualbesteuerung nicht durch eine Verfassungsbestimmung ausschliessen. Er geht davon aus, dass bei einer Annahme der Vorlage 80'000
Menschen, nämlich verheiratete Doppelverdiener-Paare, einen finanzielle Vorteil hätten.
Die befürwortenden Parteien wie CVP, SVP und EVP befürworten die gemeinsame Besteuerung von Paaren ausdrücklich. Sie sehen darin eine Stärkung der
Familie. Die Individualbesteuerung führt ihrer Meinung nach zu einer Vermehrung der Bürokratie.
Grafik 8
Die Gegnerschaft der Initiative bemängelt die enge Definition der Ehe. Die Beschränkung der Lebensgemeinschaft auf Mann und Frau sei diskriminierend
und rückständig. Kritisiert wird weiter die faktische Erhöhung der Hürde für die
Einführung eines Modells mit Individualbesteuerung. Zudem wird von der Gegnerschaft angeführt, dass Ehepaare bei den Sozialversicherungen gar nicht
benachteiligt würden, vielmehr Steuergeschenke an reiche Ehepaare gemacht
würden.
Grafik 9
Medial geniesst die Vorlage weniger Aufmerksamkeit als die Durchsetzungsinitiative oder die Gotthard-Vorlage. Prominentester Auftritt rund um dieses Anliegen war jener von Finanzminister Ueli Mauerer, der in einem Interview bekannt
machte, die Heiratsstrafe bei der Bundessteuer gleich wie seine Vorgängerin
unabhängig vom Abstimmungsausgang abschaffen zu wollen1. Unterstützung
findet er darin bei seinem Amtskollegen und Bundespräsidenten Johann
Schneider-Amann. Beide zielen mit ihren Voten auf ein Nein zur Vorlage ab.
Anders als in früheren Abstimmungskämpfen zu vergleichbaren Initiativen
spielt das Finanzargument diesmal keine so dominante Rolle. Der Diskriminierungsaspekt ist dafür viel wichtiger. Das gilt letztlich für beide Seiten, denn
auch die Initianten wehren sich gegen die Diskriminierung von Ehepaaren.
Beide Seiten argumentieren vor allem in sozialen Medien aktiv, wobei die NeinKampagne früh einsetzte und eine eigentliche Vorkampagne in den klassischen
Medien führte. Diese berichten insgesamt neutral, mit einer leichten Tendenz
gegen die Vorlage.
1
www.tagesanzeiger.ch, 04.02.2016
17
2.2.3 Zwischenbilanz
Die Ergebnisse der ersten Welle für die SRG haben wir wie folgt verdichtet:
Bei der Volksinitiative gegen die Heiratsstrafe handelt es sich um eine potenzielle Mehrheitsinitiative. Die Zustimmung in der Ausgangslage zum Abstimmungskampf ist mehrheitlich.
Die Prädisponierung ist nur mittelstark. Dabei ist die Zunahme der Ablehnungsbereitschaft am wahrscheinlichsten, gefolgt von der Abnahme der Zustimmungstendenz.
Die ersten Stimmabsichten wurden in der Ausgangslage auffällig schwach
durch die Bewertung der Argumente gestützt, sodass mit erheblichen Veränderungen namentlich im rotgrünen Lager und bei Parteiungebundenen gerechnet
werden kann.
Beide Seiten verfügen über mehrheitsfähige Botschaften. Im Lager der Initianten ist das vor allem die ungerechte Ehebesteuerung nach heutigem Recht, auf
der Nein Seite sind das finanzpolitische Auswirkungen. Bisher polarisiert hat jaseitig die Doppelbesteuerung, nein-seitig die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare. Von den gegnerischen Aussagen zu den finanziellen Folgen ist
noch keine Wirkung ausgegangen.
Das Konfliktmuster in der Ausgangslage war wenig ausgeprägt, am ehesten
parteipolitischer Natur sowie durch die unmittelbare Betroffenheit charakterisiert. Gewisse Elite/Basis-Konflikte finden sich gegenwärtig bei der FDP, der SP
und der GPS, alle im Nein-Lager, nicht aber bei den befürwortenden Parteien
CVP und SVP.
Erwartet wurde, dass die Ablehnung steige und die Zustimmung sinke, wobei
Vorteile für die Initianten weiter bestehen könnten.
2.2.4 Vergleichsvorlage: VI "Familien stärken!"
In jüngster Zeit ist mehrfach über vergleichbare Anliegen abgestimmt worden.
Beide vergleichbaren Volksinitiativen, sind in der Volksabstimmung gescheitert.
Von den Initianten und dem Konfliktmuster besser vergleichbar ist die CVPInitiative von 2015, was sich nicht zwingend im Endergebnis niederschlagen
muss. Denn das Endergebnis war nachweislich von der Dynamik des Abstimmungskampfes abhängig.
Mit einem Ja-Stimmenanteil von 24.6 Prozent wurde diese Initiative vom Volk
und der Gesamtheit der Stände abgelehnt. Etwas höhere Ja-Anteile erzielte die
Initiative in Teilen der Romandie und im Tessin, sie wurde aber auch dort
mehrheitlich abgelehnt. Ausser der CVP, die das Anliegen als Initiantin trug,
sprach auch die SVP die nationale Ja-Parole aus.
18
Grafik 10
Abstimmung vom 8. März 2015: VI "Familien stärken!"
Quelle: www.atlas.bfs.admin.ch
Im Vorfeld der Abstimmung zeigte sich, dass das Anliegen auf Sympathien traf,
denn in im Rahmen der ersten SRG-Trendumfrage sprach sie eine Mehrheit für
die Initiative aus. Mit Fortschreiten des Abstimmungskampfes schwand diese
Mehrheit allerdings und das gegnerische Lager machte Boden gut. Diese Entwicklung war bereits in der zweiten Umfragewelle erkennbar und setzte sich
bis zum Abstimmungssonntag weiter fort. Der Sockel an bestimmter Zustimmung konnte im Wesentlichen gehalten werden, tendenzielle Zustimmende
und die Unentschiedene jedoch wurden durch den Abstimmungskampf zu
Gegnern und Gegnerinnen der Vorlage. Dies ist ein für Initiativen typischer
Meinungsverlauf.
Grafik 11
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht an Abstimmung vom
8. März 2015: VI "Familien stärken!"
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen"
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen/teilgenommen haben
19
35
bestimmt dagegen
14
15
75.4
weiss nicht/keine
Antwort
10
eher dafür
25
14
27
20. Januar 2015
eher dagegen
15
26
17. Februar 2015
bestimmt dafür
24.6
8. März 2015
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 8. März 2015 im Trend, 2. Welle, 16. - 21. Februar 2015 (n = 980), Endergebnis
19
Die VOX-Nachanalyse legte offen, dass die generellen Konfliktlinien bei der
Familieninitiative nicht stark ausgeprägt waren. Sympathisierende aller Parteien
stimmten mehr oder weniger deutlich gegen die Initiative, wobei die Unterstützung bei Anhängerschaften derjenigen Parteien, welche die Ja-Parole herausgegeben hatten, noch am grössten war: Bei der CVP stimmten 49 Prozent und
bei der SVP 27 Prozent für die Initiative. Bei den Anhängerinnen und Anhängern
der SP und der FDP war die Zustimmung klar tiefer (20% bzw. 18%).
Weiter war die persönliche Betroffenheit für den Stimmentscheid relevant: Bei
kinderlosen, ledigen Personen fiel die Zustimmung am tiefsten aus und stieg
mit der Grösse der Familie sowie steigendem Einkommen leicht an.
Im Vergleich hierzu hat sich die CVP bei der neuerlichen Abstimmung besser
aufgestellt; vor allem versucht sie, die Interessen der kantonalen Finanzpolitiker
und -politikerinnen durch Berücksichtigung im Initiativkomitee besser einzubinden.
Dies wirkte sich zumindest auf die Ausgangslage aus. Denn die aktuelle Volksinitiative startete mit einer Zustimmungsbereitschaft von 67 Prozent, verglichen
mit 52 Prozent vor Jahresfrist. Zudem betrug die Ablehnungsbereitschaft vor
einem Monat 21 Prozent, im Vergleichsfall lag der Ausgangswert bei 33 Prozent. Entscheidend ist aber, in welchem Masse Bewegung in die aktuellen
Stimmabsichten kommt.
Markant ist die veränderte Ausgangslage in der italienischsprachigen Schweiz,
gefolgt von der in der deutschsprachigen. Wenig verändert hat sich der Startpunkt in der Romandie.
Grafik 12
Vergleich Filter Persönliche Stimmabsicht VI Familien
stärken und Initiative gegen Heiratsstrafe nach Sprache:
1. Welle
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Volksinitiative 'Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen'/Initiative
gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder
bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
19
12
19
9
15
11
14
12
3
5
10
10
16
13
20
14
26
25
17
20
19
weiss nicht/keine
Antwort
31
56
25
ICH/
Gegen Heiratsstrafe
bestimmt dafür
ICH/
Familien stärken
FCH/
Gegen Heiratsstrafe
FCH/
Familien stärken
24
DCH/
Gegen Heiratsstrafe
eher dafür
42
42
DCH/
Familien stärken
eher dagegen
18
26
27
bestimmt dagegen
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 08. März 2015 im Trend, 19. - 24. Januar 2015 (n = 831)
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
Bei der 2015er-Abstimmung zeichnet sich von Beginn weg eine sozialliberale
Gegnerschaft gegen die damals geforderten Vergünstigung ab, während das
Profil im aktuellen Fall eher zwischen Bürgerlichen und Rotgrünen ausfällt.
Denn in der Ausgangslage war nicht klar, ob sich die Mehrheit der FDPWählenden für oder gegen die neuerliche Initiative aussprechen wird.
20
Grafik 13
Vergleich Filter Persönliche Stimmabsicht VI Familien
stärken und Initiative gegen Heiratsstrafe nach
Parteibindung: 1. Welle
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Volksinitiative 'Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen'/Initiative
gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder
bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
35
13
30
32
34
23
34
18
CVP/
Familien stärken
SP/
Familien stärken
28
11
12
29
25
23
20
32
SP/
Gegen Heiratsstrafe
22
GPS/
Gegen Heiratsstrafe
GPS/
Familien stärken
21
45
15
12
21
9
48
29
13
16
31
6
16
17
eher dagegen
18
weiss nicht/keine
Antwort
21
44
bestimmt dagegen
eher dafür
43
26
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
Gegen Heiratsstrafe
29
11
11
9
7
Parteiungebundene/
Familien stärken
15
32
19
SVP/
Gegen Heiratsstrafe
15
16
6
14
FDP/
Familien stärken
14
15
4
13
8
9
3
14
SVP/
Familien stärken
11
14
FDP/
Gegen Heiratsstrafe
23
CVP/
Gegen Heiratsstrafe
16
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 08. März 2015 im Trend, 19. - 24. Januar 2015 (n = 831)
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
2.3
Durchsetzungsinitiative
Volk und Stände haben im November 2010 die Ausschaffungsinitiative angenommen und damit neue Verfassungsbedingungen geschaffen; Ausländerinnen und Ausländer sollen die Schweiz verlassen, wenn sie wegen bestimmter
Straftaten verurteilt wurden. Im März 2015 hat das Parlament die nötigen Gesetzesbestimmungen dazu verabschiedet, die 2016 in Kraft treten.
Der Urheberschaft der Durchsetzungsinitiative ging die vom Parlament erarbeitete Umsetzung der Ausschaffungsinitiative von Beginn weg zu wenig weit,
weshalb sie die Durchsetzungsinitiative lancierte. Sie verlangt, dass die Bestimmungen zur Ausschaffung direkt und detailliert in die Verfassung geschrieben werden.
In unserer Befragung und in den Erläuterungen des Bundesrates (offizielle Abstimmungsbroschüre) wurde die Durchsetzungsinitiative wie folgt beschrieben:
"Die Initiative verlangt, dass noch einmal über die Ausschaffung krimineller
Ausländerinnen und Ausländer abgestimmt wird. Die Initianten wollen damit
ihre Vorstellung davon durchsetzen, wie die Ausschaffungsinitiative umzusetzen sei. Das Parlament hat diese Umsetzung inzwischen aber beschlossen und
die Gesetze verschärft."
2.3.1 Konfliktmuster
Die Schlussabstimmung im Nationalrat fiel deutlich aus: ausserhalb der Initianten ist keine einzige Stimme für das Anliegen ausgefallen. 140 Ratsmitglieder
sprachen sich gegen die Vorlage aus, die 57 Stimmen dafür, finden sich in der
geschlossenen SVP-Fraktion. In der Schlussabstimmung des Ständerats sahen
die Verhältnisse ähnlich aus; 38 Stimmen für den Antrag des Bundesrats auf
21
Ablehnung der Initiative, 6 SVP-Stimmen dagegen. Die Polarisierung entspricht
der bekannten Opposition aus rechtsnationaler Sicht gegen die Mehrheit.
Grafik 14
Schlussabstimmung Nationalrat Durchsetzungsinitiative
Quelle: www.politnetz.ch
Lesebeispiel: Ja heisst Zustimmung zum Antrag des Bundesrates: Initiative zur Ablehnung empfehlen
Damit steht eine geschlossene SVP-Fraktion allen anderen im Parlament vertretenen Parteien gegenüber und das übersetzt sich eins zu eins in die nationalen
Parteiparolen: SVP (und EDU/MCG) haben die Ja-Parole gefasst, alle anderen
Parteien sprechen die Nein-Parole aus. Es zeichnet sich damit für die Durchsetzungsinitiative ein ähnlicher Parolenspiegel wie bei der Ausschaffungsinitiative
ab. .
Tabelle 4
Parolen Durchsetzungsinitiative
Durchsetzungsinitiative
Stimmempfehlung BR
Nein-Parole
Abstimmung NR
140:57 (Nein-Parole)
Abstimmung SR
38:6 (Nein-Parole)
Befürwortende Parteien
SVP
Ablehnende Parteien
SP, FDP. CVP, GPS, GLP, BDP, EVP
Quelle: Parteienwebseiten, Stand: 20.01.2016
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Von der ablehnenden Position der Behörden weicht eine berücksichtigte Partei
ab, mit der SVP auch eine der starken Regierungsparteien. Der Konflikt im Regierungslager ist damit beschränkt. Die SVP ist isoliert.
Verbandsseitig wird die Gegnerschaft unterstützt von Organen der Kantone,
von economiesuisse, den Gewerkschaften und humanitären Organisationen.
2.3.2 Abstimmungskampf
Die mediale Aufmerksamkeit für die Vorlage ist hoch. Die meisten Medien
bringen beide Standpunkte, sympathisieren aber überwiegend mit dem Nein.
Explizit befürwortet wird die Vorlage von der "Weltwoche", abgelehnt wird sie
namentlich von der "NZZ" und vom "Tagesanzeiger", die Aufsehen erregende
Leitartikel in dieser Sache brachten. Auch in sozialen Medien wird die Debatte
intensiv geführt. Mindestens auf Twitter ist ein Nein-Überhang feststellbar.
Während die Initianten weitgehend einen Standardabstimmungskampf mit
Plakaten und Abstimmungszeitung führen, tritt die Gegnerschaft unüblich auf.
22
Aufrufe von alt-Bundesräten und -rätinnen, alt-Richter und -Richterinnen, (alt)Parlamentarier und Parlamentarierinnen und der Rechtswissenschaft machen
die Runde. Diese formierte sich im Abstimmungskampf zusehends und sammelte Geld, das seitens economiesuisse erwartet wurde, letztlich aber ausblieb. Der Tagesanzeiger titelte in Anlehnung an die Masseneinwanderungsinitiative, die "49.7" Prozent seien gerade noch rechtzeitig erwacht.
Grafik 15
Die Befürworterschaft der Initiative argumentiert, die neuerliche Initiative sei
für die korrekte Umsetzung der Ausschaffungsinitiative unerlässlich. Sie sei
zum Schutz gut integrierter Ausländer und Ausländerinnen. Sie sichere Sozialwerke und verhindere Wiederholungstaten. Ganz generell schaffe sie Sicherheit. Die SVP argumentiert auffällig mit dem Opferschutz: Sie wirft gleichzeitig
der Gegnerschaft vor, sich für die Täter stark zu machen.
Der Bundesrat, der die Nein-Seite anführt. Sieht Grundregeln der Demokratie
gebrochen, befürchtet Einschränkungen der Justiz, Belastungen der Beziehungen zur EU und insistiert, das Parlament habe seine Arbeit bei der Umsetzung
der Ausschaffungsinitiative gemacht.
Grafik 16
Seitens der ablehnenden Parteien wird von einer gefährlichen Aushebelung des
Rechtsstaats gesprochen, die die Unverhältnismässigkeit der Initiative kritisiert
und die Missachtung der Menschenrechte angeprangert. Vorgeworfen wird
den Initianten, den Delikte-Katalog nicht nur konkretisiert, sondern auch erweitert zu haben. Weiter wird befürchtet, die Schweiz mache sich unglaubwürdig
und der Initiativtext können nicht umgesetzt werden.
Tendenziell haben sich zwei unterschiedliche Diskurse etabliert: jener zur Sicherheit im Alltag und jener zum Rechtsstaat. Das Konfliktpotenzial der Durchsetzungsinitiative mit rechtstaatlichen Grundsätzen führte zu einer eigentlichen
Metadiskussion: Die Initianten beklagen eine einmalige Ballung von Macht gegen die Vorlage. So soll das Volk daran gehindert werden, sich in Machtbereiche einzumischen, welche die Obrigkeit für sich beanspruche. Höhepunkt dieser Interpretation war die Provokation von Christoph Blocher, die Schweiz bewege sich in Richtung einer (Eliten-)Diktatur. SVP-kritisch gesinnte Wirtschaftsführer werfen der Partei im Gegenzug vor, Volksentscheide zu instrumentalisieren und zu einer Diktatur der Mehrheit machen zu wollen.
Politikwissenschaftliche Interpretationen sehen in der Entwicklung einen Lernprozess, ausgelöst durch vergleichbare Volksabstimmungen der letzten 20 Jahre. Sie orten einerseits einen wiederkehrenden Elite/Basis-Konflikt, denn Eliten
seien öffnungswilliger, das Volk isolationistischer eingestellt. Das drücke sich in
konservativen Entscheidungen der Stimmberechtigten aus, bisweilen im Gegensatz zu den meinungsbildenden Eliten. Auch unter Fachleuten umstrittener
sind Vorwürfe, wonach die Politik den Volkswillen missachte. Das wird zwar
nicht kategorisch ausgeschlossen, jedoch als Folge davon gesehen, dass Initiativen vermehrt internationale Verträge missachten würden und zu Marketinginstrumenten der Parteien verkommen würden, die einzig der Themenbewirt23
schaftung dienen. Nötig sei eine Reform der Volksrechte, um Missbräuche zu
verhindern.
Anderseits werden Lernprozesse in der politischen Kommunikation gesehen.
So würde sich der aggressive Stil, der früher der SVP-Werbung eigen war, heute zusehends überall durchsetzen. Verwiesen wird auf Plakate mit offensichtlicher Anspielung auf Gewalt und gegen Institutionen und Werte, welche die
Schweiz ausmachten. Die Rede ist von Anschlägen auf die Schweiz oder die
Demokratie. Dies gilt namentlich für die linke Propaganda gegen die Durchsetzungsinitiative, die ganz auf ihre Zielgruppen ausgerichtet ist. Demgegenüber
ist die Propaganda aus der bürgerlichen Mitte gemässigter. betont, dass die
Initiative nicht nötig respektive eine Zwängerei sei. Erwartet wird, dass die
Kette aus Provokation durch Emotionalisierung der Mobilisierung förderlich ist.
Der Durchsetzungsinitiative kommt dabei mit Blick auf die Abstimmung vom
28. Februar 2016 eine Lokomotiv-Funktion zu.
2.3.3 Exkurs: Institutionenvertrauen
Eines der zentralen Themen im Abstimmungskampf zur Durchsetzungsinitiative
ist das Institutionenvertrauen. Ausgehend von der generellen Kritik am Bundesrat misstrauen die Initianten dem Parlament und der Gerichten recht flächendeckend.
Sowohl in den VOX-Analysen als auch im Sorgenbarometer erkundigen wir uns
regelmässig zum Vertrauen der Stimmberechtigten in die Institutionen. In der
VOX-Analyse beschränken wir uns dabei auf den Bundesrat, im Sorgenbarometer wird das separat nach Regierung, Legislative und Judikative ermittelt. Dabei
unterscheiden wir beim Parlament sogar nach beiden Kammern. Bei der VOXAnalyse ist die Datenbasis grösser, denn die Resultate werden nach jeder Abstimmung erhoben, während dies beim Sorgenbarometer einmal jährlich der
Fall ist. Bei der VOX handelt es sich pro Jahr um rund 4000 Telefon-Interviews,
beim Sorgenbarometer um gut 1000 Personen, die direkt befragt werden
Grafik 17
Regierungsvertrauen 2004-2015
"Ich lese Ihnen jetzt zwei Ansichten vor, die man recht oft über unsere Regierung hören kann. Welcher stimmen Sie am
ehesten zu? 1) Ich kann mich meistens auf die Regierung im Bundeshaus verlassen. Sie handelt nach bestem Wissen und
Gewissen, zum Wohle aller. 2) Im Bundeshaus wird immer mehr gegen und immer weniger für das Volk entschieden. Die
Regierung kennt unsere Sorgen und Wünsche nicht mehr."
in % Stimmberechtigter
48
50
45
43
44
40
45
20
18
32
32
14
13
14
31
11
13
30
2005
Misstrauen (gegen
das Volk entschieden)
weiss nicht/keine
Antwort
12
20
32
2004
32
14
12
18
38
Vertrauen (kann mich
verlassen)
37
39
2006
2007
43
2008
48
43
2009
2010
48
2011
54
55
54
2012
2013
2014
58
2015
 gfs.bern, VOX-Trendauswertungen (04-15, Vox 82-119), Stand Juli 2015 (n pro Vox = jeweils ca. 1000), gewichtet nach Teilnahme
Im Detail unterscheiden sich die Messwerte leicht, was mit den unterschiedlichen Zeitpunkten und Erhebungsinstrumenten, vor allem aber dem variierenden Kontext zusammenhängt. Denn die VOX-Daten werden stets nach einem
24
Abstimmungswochenende ermittelt, in einer meist etwas aufgewühlten Situation mit Gewinnern und Verlierern.
Grafik 18
Die wesentlichen Ergebnisse lauten:
Erstens: Tiefpunkt im Vertrauen der Bürgerschaft zu den Institutionen war das
Jahr 2003. Damals fanden allgemeine Wahlen statt, die mit dem Entscheid,
Christoph Blocher in die Bundesregierung zu wählen, endete. Die VOXBefragungen 2004 sprachen von 32 Prozent Vertrauenden, der Sorgenbarometer 1 Jahr nach der Bundesratswahl von 40 Prozent. Seither hat das Institutionenvertrauen gemäss beiden Instrumenten wieder zugenommen, wenn auch
nicht ganz konstant. So zeigte insbesondere 2014 einen vorübergehenden
Rückgang. Aktuell spricht die VOX-Analyse von 58 Prozent Vertrauenden, derweil dies beim Sorgenbarometer 63 Prozent sind.
Zweitens: Im Sorgenbarometer kann das Vertrauen in die verschiedenen Behörden sogar noch etwas differenziert werden. Dabei gilt, dass das Bundesgericht stets besser abschneidet, während das Parlament weniger gut weg
kommt. Dabei liegt der Nationalrat meist etwas vor dem Ständerat. Die aktuellen Werte für die Justiz liegen bei 68 Prozent, für die Parlamentskammern separat bei 57 für den National- und 56 für den Ständerat.
Drittens: Die Ergebnisse sprechen dafür, dass man nicht von einem generalisierten Misstrauen in die Institutionen ausgehen kann. Das bestätigt auch eine
Reihe weitere Untersuchungen, die in aller Regel von einem erhöhten Vertrauen in die Institutionen in der Schweiz sprechen. Hauptgründe hierfür werden in
der Wirtschaftslage einerseits, den Institutionen anderseits gesehen. So entwickelte sich die Konjunktur trotz der globalen Finanzmarktkrise in der Schweiz ab
2010 vorteilhaft, was zum Anstieg im Institutionenvertrauen beitrug. Zudem
sind die Werte gerade im Systemvergleich an sich höher, weil die Polarisierung
zwischen Eliten und Volk dank Eigenheiten wie der direkten Demokratie, dem
Föderalismus und dem Milizsystem geringer ist.
Viertens: Aus Vertrauensmessungen darf man jedoch nicht schliessen, dass
die Unterstützung der Behördenpolitik automatisch gesichert ist. Vertrauen
bedeutet letztlich nur, dass man von der Richtigkeit der geleistet Arbeit im Sinne des Prozesses ausgeht. Gesprochen wird von einer diffusen Unterstützung,
die im Einzelfall nicht in eine spezifische münden muss. Besser verwendbar ist
25
der umgekehrte Zusammenhang: Wer kein Institutionenvertrauen hat, unterstützt mit geringer Wahrscheinlichkeit die Politik der Behörden.
2.3.4 Zwischenbilanz
Aufgrund der ersten Welle zur SRG-Befragungsreihe haben wir die Ausgangslage im Abstimmungskampf wie folgt beschrieben.
Bei der Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer handelt es sich um eine potenzielle Mehrheitsinitiative, die vor allem durch die
Entscheidungen bei der Ausschaffungsinitiative stark prädisponiert ist.
Die Meinungsbildung war von Beginn weg fortgeschritten, wenn auch die
Stimmabsichten nicht überall abschliessend gemacht waren. Es bestand eine
knappe Ja-Mehrheit. Änderungen im Ja/Nein-Anteil namentlich durch die Mobilisierung erschienen aber möglich; bei einer weiter steigenden Beteiligung
wurde mit Vorteilen für die Initianten gerechnet.
Populärstes Argument der Kampagne ist die konsequente Ausschaffung krimineller Ausländer. Es hat bisher auch mit Abstand am meisten polarisiert. Seitens der Gegner gibt es kein so eindeutiges Argument. Mehrheitlich akzeptiert
und zielgruppenspezifisch wirkungsvoll sind die Gesetzgebung des Parlaments
zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, die fehlende Härtefallklausel in der
Volksinitiative und die Folgen für die Bilateralen. Tendenziell als Bumerang wirkt
es sich aus, wenn die Initianten den Volkswillen generell über das Völkerrecht
stellen.
Das Konfliktmuster in der Ausgangslage glich dem aus bekannten Vergleichsabstimmungen. Die Opposition war parlamentarisch nicht mehrheitsfähig, unter
den Stimmwilligen aber grösser, weil es Elite/Basis-Konflikte gibt. Dieser ist
rechts ausgeprägter als links, aber auch bei den Parteiungebundenen vorhanden. Verstärkt kam dies durch Ja-Stimmen der regierungsmisstrauischen Bürgerinnen und Bürger vor. Dies kennzeichnet aber auch die Stimmabsichten der
unteren Schichten. Neu war, dass die Zustimmungsbereitschaft insbesondere
bei jüngeren Personen höher war als im hohen Alter.
Erwartet wird, dass die Ablehnung etwa steigt und die Zustimmung etwas
sinkt. Grosse Veränderungen werden angesichts des fortgeschrittenen Standes
der Meinungsbildung jedoch nicht angenommen. Offen ist der Ausgang auch
wegen dem Ständemehr.
2.3.5 Vergleichsvorlage: Ausschaffungsinitiative
Die offensichtliche Referenz für die Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative ist ihr Vorläufer die Ausschaffungsinitiative der SVP vom 28. November
2011, die vom Volk mit einem Ja-Anteil von 52.3 Prozent angenommen wurde.
Der Bundesrat, das Parlament und der Grossteil aller Parteien empfahlen die
Vorlage zur Ablehnung und lediglich die SVP sowie einige Parteien aus dem
rechts-konservativen Lager beschlossen die Ja-Parole.
Die Volksinitiative war in der Ausgangslage mehrheitsfähig, weil die Kriminalität
bestimmter Ausländergruppen in breiten Bevölkerungsschichten problematisiert worden ist. Der Lösungsansatz der Initianten und Initiantinnen war allerdings gerade im Parlament umstritten, sodass es zu einem Gegenentwurf kam,
der Ziele der Initiative aufnahm, sie aber mit anderen Mitteln verfolgen wollte.
Der Verlauf der Meinungsbildung zur Ausschaffungsinitiative ist kein eindeutiger Regelfall. Obwohl sich der Ja-Anteil, wie bei Initiativen üblich, von der ersten hin zur zweiten Umfrage verringerte, tat er dies nicht in gewohntem Ausmass. Es gelang während der Kampagnenphase beiden Lagern ähnlich gut, mit
ihren Argumenten zu überzeugen. Insbesondere blieb der übliche Meinungs26
wandel der tendenziellen Befürworterschaft aus; aus tendenziellen Befürwortern wurden zum Schluss dezidierte.
Solche Fälle der Meinungsbildung bei Initiativen treten nach unserer Erfahrung
dann auf, wenn es mit der Initiativentscheidung zu einem Tabubruch kommt,
mit dem sich eine Proteststimmung aufbaut. Es ist in solchen Situationen möglich, dass sich die Zusammensetzung der Teilnahmewilligen (zugunsten der
Initiative) ändert oder auch ein kurzfristiger Meinungswandel im Sinne des Zeichensetzens entsteht. Denkbar ist der Fall auch, wenn der Problemdruck als
hoch angesehen wird, sodass mit der Stimmabgabe ein bewusstes Zeichen
gegen die Erfahrungen aus dem Alltag gesetzt wird. Der hitzig geführte Abstimmungskampf und die hohe Mobilisierung von Stimmberechtigten (52.9%
Stimmbeteiligung) stützen diese These.
Der Ausgang der Abstimmung wurde von der VOX-Autorenschaft als historisch
bezeichnet, denn erstmals wurde eine Initiative im Bereich der Ausländerpolitik
im engeren Sinne angenommen. Diesen Erfolg hatte die SVP-Initiative gemäss
VOX-Nachanalyse zunächst der konsequenten Unterstützung in den eigenen
Reihen zu verdanken. Ausserdem fand die Initiative auch Zuspruch in bürgerlichen Kreisen. Etwa jede zweite FDP-Wählerin respektive jeder zweite FDPWähler legte ein Ja ein. Bei der CVP-Anhängerschaft war der Ja-Stimmenanteil
zwar geringer, aber mehr als ein Drittel (37%) von ihnen entschied sich – entgegen der Parteiparole – zugunsten des Begehrens. Im linken Lager stiess die
Initiative erwartungsgemäss auf wenig Sympathie. Nur 12 Prozent der SPAnhängerschaft stimmten zu ihren Gunsten.
Mit Ausnahme von Basel-Stadt erreichte das SVP-Volksbegehren in allen
Deutschschweizer Kantonen eine Mehrheit. In den französischsprachigen Kantonen wurde sie mit Ausnahme des Wallis zwar mehrheitlich verworfen, aber
überall lag der Ja-Stimmenanteil bei über 40 Prozent.
Grafik 19
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht an Abstimmung vom
28. November 2010: "Ausschaffungs-Initiative"
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn morgen schon
über die Ausschaffungs-Initiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder
bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
24
37
12
bestimmt dagegen
47.7
eher dagegen
6
6
3
22
15
weiss nicht/keine Antwort
eher dafür
52.3
36
1. Welle/13.10.2010
39
2. Welle/10.11.2010
bestimmt dafür
28.11.2010
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. November 2010 im Trend, 2. Welle, 08. – 13.11.2010 (n = ca. 750), Endergebnis
Denkbar ist auch ein Bezug zur Einbürgerungsinitiative, denn sie zeigte ein ähnliches Konfliktmuster, allerdings bei deutlich geringerer Konfliktintensität. Den
Hauptgrund hierfür sehen wir darin, dass institutionelle Fragen nicht die gleiche
Sprengkraft haben wie gesellschaftspolitische. Deshalb wirken rechtspolitische
Bedenken der Gegnerschaft in solchen Fällen deutlich stärker.
27
Grafik 20
Abstimmung vom 28. November 2010: Ausschaffungsinitiative
Quelle: www.atlas.bfs.admin.ch
Aus dem Vergleich der Startpunkte bei beiden Befragungen kann man ableiten,
dass die Ausschaffungsinitiative etwas besser begann als die Durchsetzungsinitiative. Denn die erste Volksinitiative zum Thema begann mit 58 Prozent Zustimmungsbereitschaft, die zweite mit 51 Prozent. Bei der Ausschaffungsinitiative startete die Gegnerschaft bei 36 Prozent, während dies bei der aktuellen
Vorlage 42 Prozent waren.
Grafik 21
Vergleich Filter Persönliche Stimmabsicht AusschaffungsInitiative und Durchsetzungsinitiative nach Sprache:
1. Welle
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Ausschaffungs-Initiative/Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
28
33
DCH/
Durchsetzungsinitiative
DCH/
Ausschaffungsinitiative
38
18
bestimmt dagegen
8
18
30
16
2
6
10
eher dagegen
11
18
21
weiss nicht/keine
Antwort
45
44
31
eher dafür
bestimmt dafür
20
ICH/
Durchsetzungsinitiative
18
16
FCH/
Ausschaffungsinitiative
23
11
5
29
7
11
6
22
ICH/
Ausschaffungsinitiative
33
FCH/
Durchsetzungsinitiative
22
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. November 2010 im Trend, 1. Welle, 12. – 16. Okt. 2010 (n = 765)
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
Geringer ist die Zustimmung in der Ausgangslage namentlich in der deutschsprachigen Schweiz, nicht aber im italienischsprachigen Landesteil. In der französischsprachigen Schweiz sind etwas mehr Teilnahmewillige dafür, die Mei28
nungsbildung ist aber weniger klar fortgeschritten als zum Vergleichszeitpunkt
2010.
Geringer fällt der anfängliche Support namentlich bei der SP aus, gefolgt von
der CVP und der FDP. Einzig bei den Parteiungebundenen ist die Zustimmungsbereitschaft leicht erhöht.
Grafik 22
Vergleich Filter Persönliche Stimmabsicht AusschaffungsInitiative und Durchsetzungsinitiative nach Parteibindung:
1. Welle
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Ausschaffungs-Initiative/Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
2
20
21
15
14
10
8
19
30
23
70
32
30
16
13
34
23
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
Durchsetzungsinitiative
9
76
SVP/
Ausschaffungsinitiative
21
25
25
CVP/
Durchsetzungsinitiative
3
7
8
SP/
Durchsetzungsinitiative
2
SP/
Ausschaffungsinitiative
19
GPS/
Durchsetzungsinitiative
14
GPS/
Ausschaffungsinitiative
12
2
13
14
24
4
3
4
12
10
7
3
19
14
FDP/
Durchsetzungsinitiative
11
16
17
21
FDP/
Ausschaffungsinitiative
62
12
8
7
19
45
CVP/
Ausschaffungsinitiative
66
3
SVP/
Durchsetzungsinitiative
43
59
30
28
Parteiungebundene/
Ausschaffungsinitiative
23
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. November 2010 im Trend, 1. Welle, 12. – 16. Okt. 2010 (n = 765)
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
2.4
Initiative gegen
Nahrungsmittelspekulation
Die Initiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!" verlangt, dass spekulative Geschäfte mit Agrarderivaten in der Schweiz verboten werden. Zulässig
bleiben sollen lediglich Geschäfte zur terminlichen und preislichen Absicherung.
Ausserdem soll sich der Bund auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass
die Spekulation auf den Märkten für Agrarderivate bekämpft wird.
Lanciert wurde die Volksinitiative gegen Nahrungsmittelspekulation von den
Juso; mitgetragen wird sie von der jungen CVP, der AL, der EVP und den Grünen sowie Organisationen aus humanitären und kirchlichen Kreisen.
In unserer Befragung und in den Erläuterungen des Bundesrates (offizielle Abstimmungsbroschüre) wurde die Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
wie folgt beschrieben:
"Die Volksinitiative verlangt in der Schweiz ein Verbot von spekulativen Finanzgeschäften, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel beziehen. Ausserdem soll sich der Bund auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass solche
Geschäfte bekämpft werden."
29
2.4.1 Konfliktmuster
Im Nationalrat wurde die Initiative mit 130 zu 58 Nein-Stimmen abgelehnt. Im
Ständerat legten 31 Parlamentsmitglieder ein Nein ein, während sich 11 für die
Initiative aussprachen. Das Ergebnis war damit recht klar: Die Polarisierung
entspricht weitgehend der linksgrünen Opposition gegen die bürgerliche Mehrheit.
Grafik 23
Schlussabstimmung Nationalrat Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
Quelle: www.politnetz.ch
Lesebeispiel: Ja heisst Zustimmung zum Antrag des Bundesrates: Initiative zur Ablehnung empfehlen
Es zeichnet sich damit eine politische Entscheidung entlang der Parteispektren
ab, wobei sich die politische Mitte mit dem rechtsbürgerlichen Lager gegen die
SP und die Grünen aufstellen dürften. Die Parteiparolen entsprechen diesem
Bild. Auf der nationalen Ebene beschliessen bisher einzig die SP, die Grünen
und die EVP die Ja-Parole, während GLP, CVP und SVP das Anliegen zur Ablehnung empfehlen.
Tabelle 5
Parolen VI gegen Nahrungsmittelspekulation
VI gegen Nahrungsmittelspekulation
Stimmempfehlung BR
Nein-Parole
Abstimmung NR
130:58 (Nein-Parole)
Abstimmung SR
30:11 (Nein-Parole)
Befürwortende Parteien
SP, GPS, EVP
Ablehnende Parteien
SVP, FDP, CVP, GLP, BDP
Quelle: Parteienwebseiten, Stand: 20.01.2016
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Von der ablehnenden Position der Behörden weichen drei berücksichtigte Parteien ab, mit der SP auch eine starke Regierungspartei. Der Konflikt im Regierungslager ist damit beschränkt vorhanden.
Verbandsseitig findet die Ja-Seite Support beim Gewerkschaftsbund, Bauern –
und Entwicklungshilfeorganisationen und Umweltverbänden. Die Nein-Seite
wird durch economiesuisse, die Bankiervereinigung und die Föderation der
Nahrungsmittelindustrien verstärkt.
30
2.4.2 Abstimmungskampf
Nach Ansicht der Initiantinnen und Initianten haben spekulative Geschäfte mit
Agrarderivaten einen negativen Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise und tragen zu Armut und Hunger in der Welt bei. Zudem nähmen viele Finanzkonzerne
ihre Verantwortung nicht wahr. Die Schweiz habe es auch verpasst, die Spekulation per Gesetz einzudämmen. Schliesslich, mit Essen spiele man nicht.
Grafik 24
Der Bundesrat attestiert der Initiative mit der Bekämpfung von Armut und Hunger hehre Ziele, die wichtig für die Schweiz seien. Er setzt aber auch die bewährten Instrumente, wie Entwicklungszusammenarbeit oder humanitäre Nothilfe. Zudem soll sich die Schweiz international für eine Verbesserung der
Transparenz auf den Rohstoffmärkten engagieren. Bei einer Annahme der Initiative sieht er namentlich Schaden für den Wirtschaftsstandort und Unternehmen.
Die Gegnerschaft führt ins Feld, das betroffene Unternehmen ihre Handelsaktivitäten schlichtweg ins Ausland verlegen könnten. Daher hätte ein Schweizer
Verbot kaum Auswirkungen auf den weltweiten Handel mit Agrarderivaten. Die
Initiative sei Unsinn, nütze nichts und schade nur. Teils verteidigen sie Spekulation auch als Mittel der langfristigen Versicherung für Lebensmittelkonzerne
und Landwirte.
Die mediale Präsenz der Vorlage ist von allen vier Abstimmungsthemen am
geringsten. Ein eigentlichen Medientenor hat sich dabei nicht entwickelt. Als
Kampagnenereignisse der Hauptkampagnenphase können vorerst zwei Aktionen der Pro-Seite genannt werden, ein neuartiges und klassisches Kampagnenelement: Das medienwirksame Aufschalten einer Website2, wo direkte
Beschwerdemails an den CEO der Credit Suisse abgesetzt werden können
sowie ein breiter Versand von Propagandamaterial in Schweizer Haushalte.
Zusätzliche Unterstützung erhielten die Initianten von verschiedenen Bauernvereinigungen der Schweiz. Der gegnerischen Seite gelang der Aufbau einer
Argumentationskette zu den wirtschaftsschädigenden Wirkungen einer Annahme der Initiative und sie betonen die Wirkungslosigkeit einer SchweizerLösung im weltweiten Kontext.
2.4.3 Zwischenbilanz
Aufgrund der ersten von zwei Befragungswellen hielten wir als Zwischenbilanz
zur Volksinitiative gegen Nahrungsmittelspekulation fest:
Bei der Vorlage zum Spekulationsstopp bei Nahrungsmitteln handelt es sich um
eine Minderheitsinitiative, die ein neues Thema aufwirft, sodass nicht mit ausgeprägt prädisponierten Stimmabsichten gerechnet werden kann.
In der Ausgangslage bestand keine absolute Zustimmungsmehrheit, jedoch
eine relative. Die Meinungsbildung war wie erwartet bisher wenig fortgeschritten. Die Polarisierung folgte wie im Parlament dem Links/rechts-Muster; sie
war aber wenig ausgeprägt. Insbesondere unter den Wählenden der SVP und
CVP gab es vorerst recht starke Abweichungen von den Parteiparolen.
2
http://spekulationsstopp.ch/credit-suisse/
31
Argumentativ dreht sich die Debatte aus Bevölkerungssicht um die Ursachen
des Welthungers. Die Initianten haben damit ein zentrales Thema gesetzt, finden aber mit ihrem Lösungsansatz keine Mehrheit.
Erwartet wird, dass die Ablehnung steigt und die Zustimmung sinkt, sodass die
Initiative wahrscheinlich abgelehnt werde.
2.5
Zweiter Gotthardtunnel
Der Gotthard-Strassentunnel wird jährlich von rund fünf Millionen Personenwagen und 900‘000 Lastwagen genutzt. Die Strasse über den Pass kann jeweils
nur im Sommerhalbjahr befahren werden. Im Winter ist sie nicht passierbar.
Mit einem täglichen Verkehr von durchschnittlich 17‘000 Fahrzeugen ist der
Gotthard die wichtigste Alpenverbindung der Schweiz. Nach rund 35 Jahren
Betrieb soll der Gotthardstrassentunnel altershalber saniert werden. Um die
Strassenverbindung während der mehrjährigen Sanierungsarbeiten aufrecht zu
erhalten, haben Bundesrat und Parlament den Bau eines zweiten Tunnels beschlossen, die während der Sanierungsarbeiten als Ausweichtunnel dienen soll.
Nach der Sanierung sollen beide Tunnel in Betrieb sein, ohne dabei die Kapazität insgesamt zu erhöhen: Im Gesetz ist verankert, dass immer nur eine Fahrspur pro Richtung betrieben werden darf. Der Bau der zweiten Tunnelröhre und
die Sanierung der bestehenden kosten rund 2,8 Milliarden Franken. Gegen die
Vorlage wurde von rotgrüner Seite erfolgreich das Referendum ergriffen. Federführend war der Verein "Nein zur 2. Gotthardröhre" bestehend aus über 50
nationalen und lokalen Organisationen (Parteien, Vereine, Gewerkschaften,
Interessengemeinschaften, Stiftungen und NGOs).
In unserer Befragung und in den Erläuterungen des Bundesrates (offizielle Abstimmungsbroschüre) wurde die Vorlage wie folgt beschrieben:
"Die Gesetzesänderung ermöglicht den Bau einer zweiten Röhre mit anschliessender Sanierung des bestehenden Tunnels. So ist die Strassenverbindung
durch den Gotthard auch während der Sanierung verfügbar. Im Gesetz wird
zudem verankert, dass immer nur eine Fahrspur pro Richtung offen ist."
2.5.1 Konfliktmuster
Der Bau eines Sanierungstunnels wurde von beiden Räten gutgeheissen. Im
Ständerat betrug das Resultat 28 Ja- zu 17 Nein-Stimmen, im Nationalrat wurde
die Vorlage mit 109 Ja- zu 74 Nein-Stimmen angenommen.
Grafik 25
Schlussabstimmung Nationalrat über zweite Gotthardröhre
Lesebeispiel: Das Parlament stimmt über die Änderung der Bundesgesetzes ab. Ein Ja bedeutet: Annahme der Änderung.
Quelle: www.politnetz.ch
32
Die sozialdemokratische, grüne und grünliberale Fraktion stimmten in beiden
Kammern geschlossen gegen die zweite Gotthardröhre. Auf der befürwortenden Seite standen in beiden Räten die BDP, CVP, FDP, BDP und die SVP, wenn
auch nicht alle geschlossen. Der Entscheid war nur eher klar, hat jedoch vorwiegend auf entlang der Links/rechts-Achse polarisiert.
Orientiert man sich an der Schlussabstimmung im Parlament kann bei dieser
Abstimmung eine ökologisch-links-orientierte Front gegen eine bürgerlichrechts-orientierte erwartet werden. Durchbrochen werden dürfte dieses Muster allerdings von regionalen Faktoren. National bereits ein Ja als offizielle Parteiparole gefasst haben die SVP, BDP und die CVP. Die Vorlage zur Ablehnung
empfehlen dagegen die SP, GPS, GLP und die EVP.
Tabelle 6
Parolen zweite Gotthardröhre
Bundesbeschluss zweite Gotthardröhre
Stimmempfehlung BR
Ja-Parole
Abstimmung NR
109:74 (Ja-Parole)
Abstimmung SR
28:17 (Ja-Parole)
Befürwortende Parteien
SVP, FDP, CVP, BDP (abweichend CVP UR, NW)
Ablehnende Parteien
SP, GPS, GLP, EVP
Quelle: Parteienwebseiten, Stand: 20.01.2016
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Von der zustimmenden Position der Behörden weichen vier berücksichtigte
Parteien ab, mit der SP auch eine starke Regierungspartei. Der Konflikt im Regierungslager ist damit beschränkt vorhanden.
Die Ja-Seite wird von Verbänden der Automobilisten, der Transporteure und der
Bauwirtschaft sowie der Wirtschaftsverbände unterstützt. Auf der Nein-Seite
finden sich Umweltverbände, der Verkehrsclub, der Gewerkschaftsbund und
Swisscleantech.
2.5.2 Abstimmungskampf
Die Aufmerksamkeit für diese Vorlage ist hoch. Medial ist die Vorlage zum
Zweiten Gotthardtunnel sehr präsent, wobei beide Seiten ihren Platz erhalten.
Die Pro-Seite setze mit einer Kampagnenzeitung an alle Schweizer Haushalte
auf klassische Kampagnenführung, die gegnerische Seite ist im Internet sehr
präsent und führt mit Animationsvideos Alternativen zur zweiten Tunnelröhre
vor Augen. Überrascht nahm manch einer die deutliche und gegnerische Positionierung der NZZ zur Kenntnis und auch "Das Magazin" gab gegnerischen
Stimmen in einer Ausgabe Platz. Aufsehen erregte Clown Dimitri, der im Abstimmungskampf vom Befürworter zum Gegner mutierte.
Seitens der Befürworterschaft wird dagegen mit Sicherheit, Kosteneffizienz
und der Wichtigkeit der steten Nord-Südverbindung argumentiert. Der Gotthard-Strassentunnel gilt als Herzstück der Nord-Süd-Verbindung durch die Alpen und sichert Bevölkerung und Handel eine ganzjährig verfügbare Strassenverbindung. Zudem sei damit für alle künftigen Sanierungen am Gotthard vorgesorgt.
Grafik 26
33
Ergriffen wurde das Referendum, weil der Alpenschutz nicht gewährleistet
bleibe, es besser Alternativen gäbe und die getroffene Wahl finanzpolitischer
Unsinn sei.
Die Gegner und Gegnerinnen des Zweiten Gotthardtunnels befürchten konkret,
dass die zweite Röhre, wenn sie einmal gebaut sei, auch genutzt werde und
die Schweiz so zur "Transithölle" verkomme. Kritisiert wird auch der Umstand,
so viel Geld in ein Projekt zu schiessen, während in den Städten und Agglomerationen, wo der Verkehr aus allen Nähten platze und Geld für notwendige Projekte fehle. Die Neat dagegen, in die das Schweizer Volk 24 Milliarden investiert hat, sieht man durch die zweite Gotthardröhre konkurrenziert. Gefährdet
sei zudem das Verlagerungsziel des Güterverkehrs auf die Schiene.
Grafik 27
2.5.3 Zwischenbilanz
Als Bilanz der ersten von zwei Befragungswellen hielten wir zur GotthardVorlage fest:
Bei der Vorlage, die zu einem zweiten Gotthardtunnel führen soll, handelt es
sich um eine positiv vorbestimmte Behördenvorlage, gegen die von rotgrüner
Seite das Referendum ergriffen worden ist.
Die Debatte wurde durch Sicherheitsfragen bestimmt. Polarisierend wirkten
aber eher die staatspolitischen Botschaften: Die drohende Abkapselung des
Tessins ohne den neuen Tunnel einerseits, die Ritzung des Alpenschutzes bei
einer zweiten Röhre anderseits.
Die bisherige Polarisierung folgt der Konfliktlinie im Parlament. Sie ist in erster
Linie durch den Gegensatz zwischen bürgerlicher und linker (Verkehrs-) Politik
geprägt. Hinzu kommen Unterschiede nach Sprachregionen, wobei die italienischsprachige Schweiz (verstärkt dafür) und die Romandie (verstärkt unentschieden) die Gegensätze bilden. Die parteipolitische Polarisierung ist mittelstark, ohne dass es bisher zu namhaften Abweichungen der nationalen Parolen
gekommen wäre.
Erwartet wird, dass die Befürworter im Vorteil bleiben. Im Normalfall verteilen
sich die Unschlüssigen auf beide Seite, im Ausnahmefall könne auch ein Teil
der anfänglichen Ja-Lager das Lager wechseln.
2.5.4 Vergleichsvorlage: Gegenvorschlag zur
Avanti-Initiative
Eine Vergleichsvorlage aus jüngerer Vergangenheit ist jene über die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur, kurz FABI. Inhaltich näher am
Thema liegt jedoch eine etwas ältere Vorlage, der Gegenvorschlag zur AvantiInitiative.
Die Automobilverbände TCS und ACS hatten mit einer Ende 2000 eingereichten Volksinitiative verlangt, dass Engpässe auf überlasteten Autobahnteilstücken im Mittelland behoben und am Gotthard ein zweiter Strassentunnel gebaut wird. Letzteres hätte die teilweise Ausserkraftsetzung der 1994 vom Volk
34
angenommenen Alpenschutzinitiative bedingt. Der Bundesrat lehnte den Gotthardstrassentunnel als nicht dringlich ab und legte einen Gegenentwurf vor.
Dieser sah neben dem Ausbau von überlasteten Nationalstrassen auch die
Förderung des öffentlichen Agglomerationsverkehrs mit bisher für den Strassenbau zweckgebundenen Mitteln vor. Gegen den Willen des Bundesrates
nahm das Parlament zusätzlich den Bau einer zweiten Tunnelröhre durch den
Gotthard in den Gegenvorschlag auf, was die Automobilverbände veranlasste,
ihre Avanti-Initiative zurückzuziehen. Da das Parlament auf die Festlegung eines
Termins für den Bau der Gotthardröhre verzichtet hatte, stellte sich in der Abstimmungskampagne auch der Bundesrat hinter den Parlamentsbeschluss.
Die Fronten im damaligen Abstimmungskampf waren weitgehend klar: Auf der
Gegnerseite befanden sich die SP, die GPS sowie die Umweltschutzorganisationen und die Gewerkschaften. Für den Gegenvorschlag setzten sich die FDP,
die SVP und die Unternehmerverbände ein. Nicht in dieses für Umweltschutzfragen klassische Schema passte die CVP mit ihrer gegen die Parteileitung
gefassten Nein-Parole.
Die Kampagne wurde namentlich von der Contra-Seite sehr engagiert geführt.
Ihre Argumente konzentrierten sich auf zwei Elemente: Den Gotthard-Tunnel,
welcher das Ziel einer Verlagerung des Gütertransitverkehrs auf die Schiene
sabotiere, und die angesichts der Sparanstrengungen des Staates hohen Kosten von rund 30 Milliarden Schweizer Franken. Die Befürworterschaft pries die
Vorlage als ausgewogenes Konzept zur Förderung sowohl des privaten als auch
des öffentlichen Verkehrs an, dessen Finanzierung durch die Verwendung von
zweckgebundenen Abgaben der Automobilisten auch langfristig gesichert sei.
In der Volksabstimmung vom 8. Februar 2004 wurde der Avanti-Gegenvorschlag mit einem Neinstimmen-Anteil von 62,8 Prozent deutlich abgelehnt.
Das für eine Annahme ebenfalls erforderliche Ständemehr hatte sie noch klarer
verfehlt, ergab sich doch in keinem einzigen Kanton eine zustimmende Mehrheit.
Grafik 28
Abstimmung vom 8. Februar 2004: Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative
Quelle: www.atlas.bfs.admin.ch
Die VOX-Nachanalyse dieser Abstimmung legte offen, dass das Abstimmungsverhalten von einem klaren Links/rechts-Graben geprägt war: Wer sich politisch
als links einstufte, hatte den Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative abgelehnt,
wer sich rechts einstufte, hatte ihn knapp angenommen. Fast ebenso stark beeinflusste die Einstellung zur Umweltschutzpolitik den Entscheid: Wer den
35
Schutz der Umwelt höher bewertet als das Wirtschaftswachstum, stimmte zu
79 Prozent Nein.
Dass die Skepsis weit ins bürgerliche Lager hineinreichte, zeigte das Verhalten
der Parteisympathisanten. Nur etwas mehr als die Hälfte der Anhängerschaft
der SVP und der FDP folgte den Ja-Parolen ihrer Parteien. Im Gegensatz dazu
schlossen sich 79 Prozent der SP-Sympathisanten und rund zwei Drittel der
CVP-Gefolgschaft den ablehnenden Empfehlungen ihrer Parteien an. Die sozialen Merkmale wirkten sich nur schwach auf das Abstimmungsverhalten aus.
Am wichtigsten war die Frage, wie viele Personenwagen in einem Haushalt
vorhanden sind. Stimmende aus Haushalten mit mehreren Autos waren die
einzigen, welche den Avanti-Gegenvorschlag mehrheitlich guthiessen.
Für die Mehrheit der Nein-Stimmenden war der Avanti-Gegenvorschlag eindeutig ein Plebiszit gegen einen zweiten Gotthardtunnel. Bereits an zweiter Stelle
der Entscheidungsmotive folgen die von der Contra-Propaganda herausgestrichenen Kosten des Projekts.
Das Pro-Argument, dass ein zweiter Strassentunnel durch den Gotthard notwendig sei, hat die beiden Lager am meisten polarisiert. Obwohl im politischen
Spektrum die Zustimmung zum Gotthardtunnel von links nach rechts zunimmt,
war er bei keiner Partei mehrheitsfähig.
Von den gegnerischen Argumenten polarisierte vor allem die Aussage, dass
neue Strassen grundsätzlich zu mehr Verkehr führen und deshalb aus Umweltschutzgründen darauf zu verzichten sei. Eine Zweidrittelmehrheit der Stimmenden war mit dem Argument einverstanden, dass der Bund anstelle der Autobahnen den öffentlichen Nahverkehr ausbauen solle.
Grafik 29
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 8. Februar 2004:
Gegenvorschlag Avanti-Initiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie bei einer solchen Abstimmung teilnehmen würden oder
nicht: Wenn morgen schon über den Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen/teilgenommen haben
22
37
18
62.8
14
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
19
21
bestimmt dagegen /
Nein
17
eher dafür
10
bestimmt dafür / Ja
37.2
20
9. Dezember 2003
22
20. Januar 2004
8. Februar 2004
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 8. Februar 2004 im Trend, 2. Welle, 14. – 25. Januar 2004 (n = 900), Endergebnis
Die Vorlage für einen zweiten Gotthard-Strassentunnel startet klar besser als
der Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative. Damals waren in der Ausgangslage 41
Prozent dafür und 40 Prozent dagegen. Aktuell waren zum vergleichbaren Zeitpunkt 64 Prozent auf der Ja-Seite, nur 29 Prozent im Nein-Lager.
Markant sind die Unterschiede in der Ausgangslage namentlich in der italienischsprachigen Schweiz. Die Differenz beträgt hier rund 30 Prozentpunkte. Bei
zirka einem Viertel der teilnahmewilligen Stimmberechtigte in der deutschsprachigen Schweiz findet sich vergleichbares.
36
Grafik 30
Vergleich Filter Persönliche Stimmabsicht Gegenvorschlag
zur Avanti-Initiative und Zweite Gotthardröhre nach Sprache:
1. Welle
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über den Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative/die Änderung des Bundesgesetzes über den
Strassentransitverkehr im Alpengebiet abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher
dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
13
3
18
13
14
11
22
14
23
31
22
16
12
25
eher dafür
29
FCH/
Zweite Gotthardröhre
ICH/
Gegenvorschlag Avanti
21
FCH/
Gegenvorschlag Avanti
DCH/
Zweite Gotthardröhre
weiss nicht/keine
Antwort
54
18
DCH/
Gegenvorschlag Avanti
eher dagegen
22
15
44
21
bestimmt dagegen
20
32
20
11
6
7
bestimmt dafür
ICH/
Zweite Gotthardröhre
18
25
© SRG-Trend/gfs.bern, Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative 2003 (n = 830)
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
Vergleichbares findet sich auch nach Parteibindungen. Generell gilt: Je rechter
eine Parteiwählerschaft ist, umso markanter fällt der Meinungswandel aus. Bei
der SVP-Basis startet die Vorlage mit 33 Prozent mehr Zustimmung, während
sich bei den Grünen kaum eine nennenswerte Veränderung eingestellt hat.
Einiges spricht dafür, dass sich darin der allgemeine Rechtsrutsch, verbunden
mit der Abkehr von ökologischen Präferenzen gerade im bürgerlichen Lager
ausdrückt.
Grafik 31
Vergleich Filter Persönliche Stimmabsicht Gegenvorschlag
zur Avanti-Initiative und Zweite Gotthardröhre nach
Parteibindung: 1. Welle
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über den Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative/die Änderung des Bundesgesetzes über den
Strassentransitverkehr im Alpengebiet abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher
dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
18
15
12
10
13
18
SP/
Gegenvorschlag Avanti
SP/
Zweite Gotthardröhre
25
17
16
8
15
32
28
27
21
eher dagegen
23
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
60
47
36
bestimmt dagegen
16
19
20
23
CVP/
Zweite Gotthardröhre
12
22
18
20
9
35
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
Zweite Gotthardröhre
16
26
11
14
Parteiungebundene/
Gegenvorschlag Avanti
15
2
GPS/
Zweite Gotthardröhre
11
27
32
10
7
3
SVP/
Zweite Gotthardröhre
21
GPS/
Gegenvorschlag Avanti
23
8
8
14
25
CVP/
Gegenvorschlag Avanti
21
15
2
27
10
25
SVP/
Gegenvorschlag Avanti
16
55
15
FDP/
Gegenvorschlag Avanti
33
32
FDP/
Zweite Gotthardröhre
12
29
© SRG-Trend/gfs.bern, Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative 2003 (n = 830)
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
37
2.6
Beteiligung
Die erste Vorbefragung in unserer Serie ging bei 48 Prozent von einer Stimmabsicht aus. Erwartet wird, dass der Wert bis zum Abstimmungstag nochmals
zunimmt. Wenig Gesichertes lässt sich dabei über die finale Höhe aussagen,
denn diese ergibt sich im Wesentlichen aus dem Abstimmungskampf einerseits und den Mobilisierungsbestrebungen anderseits. Zunahmen im Abstimmungskampf bis 5 Prozentpunkte gelten als normal, darüber als unüblich.
Die Beteiligungshöhe hängt davon ab, dass es mindestens eine LokomotivVorlage gibt. Sie zeichnet sich in der Regel durch polarisierte Lager mit klarer
Meinungsbildung ab, was in der Werbung und Medienberichterstattung entsprechend zum Ausdruck kommt.
Im aktuellen Fall ist das zweifelsfrei die Durchsetzungsinitiative. Die erste Welle sprach von 62 Prozent der Beteiligungsbereiten Bürger und Bürgerinnen mit
festen Stimmabsichten, weiteren 31 Prozent mit tendenziellen. Bei der Gotthardabstimmung waren 56 Prozent bereits zu Beginn des Abstimmungskampfes überzeugt, bei der Heiratsstrafe 52 Prozent und beim Spekulationsstopp lag
der Vergleichswert bei 47 Prozent. Darin spiegelt sich auch die (vermutete)
Intensität der Medienberichterstattung. Denn auch diese ist bei der Durchsetzungsinitiative und dem zweiten Gotthardtunnel hoch, bei den beiden anderen
Vorlagen tiefer.
Dazu passen beispielhaft die Zuschauerzahlen respektive Marktanteile, die regelmässig zur "Arena"-Sendung ermittelt werden. Die relevante Zusammensetzung dazu findet sich nachfolgend. Sie zeigt, dass sowohl die Zuschauerzahlen
als auch der Markanteil positiv mit der Prädisponiertheit korreliert.
Tabelle 7
Grad der Prädisposition von Stimmabsichten (1. Welle) und Resonanz der
"Arena"-Sendungen zu den Themen
Prädisposition
hoch
Prädisposition
mittel
Durchsetzungsinitiative
62
31
7
301'000
30%
Zweiter Gotthardtunnel
56
37
7
271'000
29%
Heiratsstrafe
52
36
12
177'000
18%
Spekulationsstopp
47
40
13
140'000
12%
Vorlage
Prädisposition
tief
Zuschauer
Arena (SRF)
Marktanteil
Fussnote: Gemäss Angaben von Jonas Projer, Leiter Arena, beeinflusste die Sendung "Dschungelcamp" den Marktanteil bei der
Spekulationsstopp- respektive Nahrungsmittel-Initiative um zirka 3 Prozentpunkte negativ.
Der Überzeugungsgrad einer Vorlage entscheidet auch darüber wie die Argumente im Abstimmungskampf gelesen werden. Je klarer man sich einer Position zuneigt, umso eher liest man alle Botschaften als Bestätigungen, sei es im
gemeinten Sinne oder im umgekehrten. Konkret, was von der eigenen Seite
herkommt bestätigt einen wie beabsichtigt, was von der anderen Seite kommt
auch, aber ganz anders als intendiert. Vor allem bei Unschlüssigen ist mit stärker verbreiteten Ambivalenzen zu rechnen. Das gilt namentlich für Behördenvorlagen weit ab vom Bürgeralltag. Demgegenüber wirken bei Initiativen die
Kampagnen stärker dagegen als dafür, sodass es auch bei Teilen der tendenziellen Befürworter und Befürworterinnen zu einem Meinungswechsel kommen
kann.
Konkret heisst dies, der Spielraum für Veränderungen ist bei der Durchsetzungsinitiative am tiefsten, bei der Spekulationsstoppinitiative am höchsten. Da
die Verhältnisse bei der Durchsetzungsinitiative am ausgeglichensten sind,
rechnet man hier am ehesten mit einem knappen Ergebnis, was die mediale
Aufmerksamkeit und selektive Beteiligung durch diese Vorlage nochmals steigert.
Alles zusammen führt dazu, dass Vorlagen mit geringerem Überzeugungsgrad
am ehesten durch die sachfremde Beteiligungszusammensetzung beeinflusst
38
werden können. Dem Endergebnis bei der Spekulationsstoppinitiative dürfte
damit durchaus etwas Ideologisches anhaften.
Kurz angesprochen sei auch, dass die Beteiligungshöhe diesmal den Ausgang
gerade bei der Durchsetzungsinitiative mitentscheiden kann. Nachweislich zeigen Bürger und Bürgerinnen mit einer Parteibindung, die gegen die Parole ihrer
Partei stimmen wollen, eine geringere Zurückhaltung, dies auch am Abstimmungstag auszudrücken. Sie spüren den Meinungsdruck. Es fehlt ihnen an
Vorbildern, die ebenso abweichen wie sie. Sie halten deshalb mit ihrer Meinung
in aller Regel zurück. In Umfragen drückt sich das nicht, wie häufig vermutet, in
der Anpassung an die Mehrheit aus, sondern in der bekundeten NichtTeilnahme trotz vorhandener Stimmabsicht. Bei einer kann das Muster Volksabstimmung durchbrochen werden, vor allem durch ausserordentliche Ereignisse, die emotional aufwühlen und damit eine unübliche Meinungsbildung und
-äusserung zulassen. Bei keiner Vorlage sind die Effekte gross, bei der Durchsetzungsinitiative würden sie sich aber zugunsten der Ja-Seite äussern.
2.7
Hypothesen zur Meinungsbildung
Unsere Abklärungen vor der Befragung lassen die nachstehende Übersicht zu,
die einerseits auf Rechtsform und die Herkunft der Vorlage abstellt, anderseits
auf die Behandlung in den Behörden, die Ausgangslage, das Konfliktmuster und
den Typ der Meinungsbildung. Sie folgt damit der generellen These des Dispositionsansatzes, die einleitend kurz vorgestellt wurde.
Tabelle 8
Übersicht Stimmabsichten nach Parteibindungen, Abweichungen
von Parolen, Unentschiedenheit und Teilnahmebereitschaft
Rechtsform
Parlamentarische
Opposition
VI gegen Heiratsstrafe
Volksinitiative
Durchsetzungsinitiative
Mehrheitsfähigkeit
Prädisponiertheit
Konflikttyp
bürgerlich-konservativ potenziell
gegeben
eher hoch (beschränkt indirekte
Vergleichsabstimmungen)
linksliberal vs. bürgerlichkonservativ, persönliche
Betroffenheit
Volksinitiative
nationalkonservativ
potenziell
gegeben
Hoch (direkte Vernationalkonservativ vs.
gleichsabstimmung) linksliberal, aber Elite/Basis
VI gegen Nahrungsmittelspekulation
Volksinitiative
rotgrün
nicht gegeben
gering
Zweite Gotthardröhre
Behördenvorlage
rotgrün
gegeben
eher hoch (indirekte bürgerlich vs. rotgrün,
Vergleichsabstimregionale Betroffenheit
mung)
bürgerlich vs. rotgrün,
geringe Ausprägung
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
39
Unsere Hypothesen für die vorliegende Untersuchungsreihe zu den Volksabstimmungen vom 28. Februar 2016 lauten:
Hypothese Beteiligung an Volkabstimmungen
Am 28. Februar 2016 kommt es mit vier Vorlagen zu einer überdurchschnittlichen Zahl an Abstimmungen. Erwartet wird entsprechend eine Beteiligung
über dem langjährigen Mittel.
Sollte es zu einer überdurchschnittlichen Mobilisierung der regierungsmisstrauischen Stimmbürgerschaft kommen, wird der Protestcharakter (von rechts) in
den Voten verstärkt.
Hypothese Initiative gegen Heiratsstrafe
Bei der Initiative gegen Heiratsstrafe handelt es sich um eine potenziell mehrheitsfähige Vorlage, bei welcher der Abstimmungskampf entscheidet.
Mit der Besteuerung von Ehepaaren nimmt sie ein verbreitet problematisch
empfundenes Thema auf, das bis weit in die Behörden hinein akzeptiert wird.
Aufgrund der Ehedefinition und der fiskalischen Folgen ist sie allerdings kritisierbar, weshalb mit dem normalen Verlauf der Meinungsbildung gerechnet
werden kann, bei dem sich die Gegnerschaft im Verlauf des Abstimmungskampfes aufbaut und das Lager der Befürworterschaft schrumpft.
Gerechnet wird mit einer Polarisierung zwischen konservativer und linksliberaler Bürgerschaft, etwas durchbrochen durch die Betroffenheit als verheiratetes
Paar. Das Veränderungspotenzial des Abstimmungskampfes wird als erheblich
eingestuft.
Es bestehen Vorteile für das Ja, der Ausgang der Volksentscheidung ist offen.
Hypothese Durchsetzungsinitiative
Bei der Durchsetzungsinitiative handelt es sich um eine potenziell mehrheitsfähige Vorlage mit direktem Bezug zur angenommenen Ausschaffungsinitiative.
Diese griff ein gesellschaftlich breit empfundenes Problem auf, das in erster
Linie mit juristischen Argumenten bekämpft wurde, was erfolglos blieb. Die
neue Initiative verbindet die Problematik mit einer Institutionenkritik, wonach
verschiedene Behörden bei der Ausschaffung zu wenig weit gehen.
In einer solchen Konstellation ist ein Elite/Basis-Konflikt häufig, vermehrt rechts
denn links, bei dem namentlich die Mobilisierungsfrage der innerparteilichen
Minderheiten von Belang wird. Typisiert ist mit einer generellen Konfliktlinie zu
rechnen: Ängste vor Identitätsverlust auf der einen Seite, Befürworter einer
multikulturellen, offenen Schweiz auf der anderen Seite.
Erwartet wird mit einer vergleichbaren Ausgangslage und aufgrund einer alltäglichen und politisch verbreiteten Prädisposition ein eher geringes, aber vorhandenes Veränderungspotenzial durch den Abstimmungskampf.
Es bestehen Vorteile für das Ja, der Ausgang der Volkabstimmung ist aber offen.
Hypothese Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
Bei der Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation handelt es sich um ein Minderheitsanliegen.
Stossrichtung und Trägerschaft entsprechen einem klaren Linksprofil mit beschränkter Ausstrahlung auf die politische Mitte. Erwartet wird, dass die Gegnerschaft im Verlaufe des Abstimmungskampfes stärker wird und das Lager
der Befürworterschaft abnimmt. Postuliert wird eine Polarisierung im
Links/rechts-Spektrum. Denkbar ist eine beschränkte Unterstützung im konservativ-bürgerlichen Elektorat.
Ein Nein am Abstimmungstag ist das wahrscheinlichste Szenario.
40
Hypothese zweite Gotthardröhre
Bei der "Gotthard"-Abstimmung handelt es sich um eine Behördenvorlage, die
aufgrund des Alltagsbezugs vorbestimmte Stimmabsichten kennt. Bestimmt
sind diese durch drei Faktoren: Parteizugehörigkeit, regionale Betroffenheit und
Autobesitz.
Aufgrund der Vorteile für den Transitverkehr ist mit einer mehrheitlich Zustimmung in der Ausgangslage zu rechnen, verbunden mit einer Opposition aus
dem rotgrünen, beschränkt auch dem bürgerlichen Lager, das einen Verstoss
gegen die Verlagerungspolitik am Gotthard sieht.
Die Glaubwürdigkeit der Absender ist von Belang, denn es wir mit unsicheren
Auswirkungen vor allem bei einer Annahme argumentiert.
Mit eindeutigen Mehrheiten ist nicht zu rechnen, die Entscheidung fällt erst im
Abstimmungskampf.
41
3
Befunde
3.1
Vorläufige Teilnahmeabsichten
3.1.1 Profil der Beteiligungswilligen
55 Prozent der Stimmberechtigten gaben am 9. Februar 2016 an, sich bestimmt an der Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 beteiligen zu wollen.
Das sind mehr als noch vor einem Monat (+7%-punkte), so dass die Mobilisierungsfunktion der Kampagnen deutlich wahrnehmbar eingesetzt hat.
Grafik 32
Teilnahmeabsicht an Abstimmung vom 28. Februar 2016
"Würden Sie selber an dieser Abstimmung bestimmt teilnehmen, eher teilnehmen, eher nicht teilnehmen oder
bestimmt nicht teilnehmen?"
in % Stimmberechtigter
2
5
7
5
6
5
38
29
bestimmt nicht
teilnehmen
eher nicht
teilnehmen
weiss nicht/keine
Antwort
eher teilnehmen
48
12. Januar 2016
55
bestimmt
teilnehmen
9. Februar 2016
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (N = 1411)
Die Beteiligungsabsichten stellen unter dem Strich eine überdurchschnittliche
Teilnahme (Legislaturmittel 2011-2015: 45.6%) in Aussicht. Das ist bei vier
Vorlagen an sich nichts Ungewöhnliches, denn jede Vorlage kennt ihr spezifisches Mobilisierungspotenzial. Zusätzlich kann die frühe (mediale) Auseinandersetzung mit den anstehenden Entscheidungen als Erklärung für die hohen
Beteiligungsabsichten ins Feld geführt werden. Das trifft insbesondere auf die
Durchsetzungsinitiative zu, beschränkt auch auf den zweiten Gotthard Tunnel
und die Initiative zur Abschaffung der Ehestrafe.
Die Erfahrung lehrt zudem, dass Abstimmungskämpfe in den verschiedenen
Sprachregionen der Schweiz unterschiedlichen zeitlichen Rhythmen folgen; sie
werden in der Deutschschweiz regelmässig zuerst losgetreten und erst danach
in der Westschweiz und im Tessin.
Dieses Bild bestätigt die zweite SRG-Trend-Umfrage: In der Deutschschweiz
liegt die Teilnahmebereitschaft mit 59 Prozent exakt im nationalen Mittel, in der
Westschweiz und im Tessin bleibt sie mit 47 respektive 41 Prozent dahinter
zurück. Die stärkste Wirkung entfalteten Kampagnen im Tessin, wo die Teilnahmeabsichten gegenüber der ersten Umfrage am stärksten angestiegen sind
(+15%-punkte). Dahinter folgt die Westschweiz mit einer ebenfalls namhaften
42
Steigerung der Beteiligungsabsichten (+6%-punkte). In der Deutschschweiz
dagegen hält sich die Mobilisierung auf stabilem Niveau. Ein Entscheid über
eine allfällige Abstimmungsteilnahme wurde damit in der Deutschschweiz bereits früh gefasst und die eigentlichen Hauptkampagnen haben einen solchen
lediglich bestärkt, nicht aber weiter aufgebaut.
Grafik 33
Teilnahmeabsicht an Abstimmung vom 28. Februar 2016
nach Sprachregion
"Würden Sie selber an dieser Abstimmung bestimmt teilnehmen, eher teilnehmen, eher nicht teilnehmen oder
bestimmt nicht teilnehmen?"
in % Stimmberechtigter
1
5
6
6
6
5
29
24
3
4
7
5
8
7
45
33
3
4
14
6
7
5
41
bestimmt nicht
teilnehmen
eher nicht
teilnehmen
53
weiss nicht/keine
Antwort
59
59
41
47
41
eher teilnehmen
ICH/
9. Februar 2016
ICH/
12. Januar 2016
FCH/
9. Februar 2016
FCH/
12. Januar 2016
DCH/
9. Februar 2016
DCH/
12. Januar 2016
26
bestimmt
teilnehmen
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (N = 1411)
Nach Parteiwählerschaften gesondert betrachtet, finden sich unterschiedlich
fortgeschrittene Teilnahmeabsichten: Am wenigsten weit und klar unterdurchschnittlich bleibt die Intention einer Abstimmungsteilnahme bei Parteiungebundenen, wo auch kaum Bewegung festzustellen ist (+5%-punkte).
Exakt im Mittel liegen die Teilnahmeabsichten von GPS-affinen Wählerinnen
und Wählern (+16%-punkte), klar darüber liegen sie bei SP-Sympathisierenden
(+17%-punkte). Wählerschaften aus dem linken Spektrum wurden in der
Hauptkampagnenphase klar stärker mobilisiert als solche aus dem rechten politischen Spektrum oder aus der politischen Mitte. Denn die Teilnahmeabsichten
der FDP-affinen Wählerschaft mögen zwar über dem nationalen Mittel liegen,
sie wurden durch den Abstimmungskampf jedoch nur unwesentlich beeinflusst
(+3 %-punkte). Anders die SVP-affine-Wählerschaft, die sich in der ersten Umfrage noch verhalten teilnahmewillig zeigte: Anfang Februar hätten sich 56 Prozent des SVP-affinen Elektorates an der Abstimmung beteiligt, was einer Steigerung von 10 Prozentpunkten entspricht.
Speziell ist die Entwicklung der Teilnahmeabsichten von CVP-nahen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern; der anfängliche Enthusiasmus einer Teilnahme
scheint verpufft, denn als einzige Wählergruppe zeigen sie sich weniger mobilisiert als noch vor gut einem Monat (-10%-punkte).
43
Grafik 34
Teilnahmeabsicht an Abstimmung vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung
"Würden Sie selber an dieser Abstimmung bestimmt teilnehmen, eher teilnehmen, eher nicht teilnehmen oder
bestimmt nicht teilnehmen?"
in % Stimmberechtigter
2
9
45
7
5
4
4
16
1
4
11
2
28
27
30
1
1
3 3 7
6
31
21
52
2
1
9
4
5
2
33
42
9
9
12
9
7
9
33
76
55
59
67
57
62
65
eher nicht
teilnehmen
weiss nicht/keine
Antwort
eher teilnehmen
56
46
39
33
bestimmt nicht
teilnehmen
37
42
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
SVP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
FDP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
CVP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
SP/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
GPS/
12. Januar 2016
bestimmt
teilnehmen
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (N = 1411)
Bei der SP und der FDP handelt es sich dabei um Rekordwerte der Teilnahmeabsicht für die letzten fünf Jahre. Die Teilnahmeabsichten der SP-nahen Wählerschaft schwankten in der vergangenen Legislatur bei einem Mittelwert von
56 Prozent zwischen 41 und 75 Prozent. Bei der FDP lag der Tiefstwert bei 33
Prozent, der Höchstwert bei 65 Prozent. Im Mittel lag die Mobilisierung bei 45
Prozent. Bei der SVP zeigen sich Potenzialausschöpfungen von 36 bis 56 Prozent (Volkswahl des Bundesrats) also maximal gleich hoch wie jetzt. Der jetzige
CVP-Messwert stellt einen hohen, aber keinen Rekordwert dar; den ermittelten
wir im Vorfeld der Abschaffung der Wehrpflicht, verbunden mit der Tankstellenliberalisierung. Auch bei den Parteiungebundenen ist das aktuelle Ergebnis
nicht rekordverdächtig. Da mobilisierte die Kontroverse um die Ecopop-Initiative
besser.
Klarer noch wird die Besonderheit der gegenwärtig vorgefundenen Mobilisierung, wenn man sie jener der Wahlen 2015 vergleicht. Aktuell sind SP und FDP
besser mobilisiert als drei Wochen vor den Nationalratswahlen 2015, die CVP
ist gleich gut unterwegs, und die Beteiligungsbereitschaft der denkbaren SVPWählenden ist heute etwas geringer als Ende September des letzten Jahres.
Tabelle 9
Teilnahmebereitschaft zu den Wahlen 2015 und
zu den Volksabstimmungen vom 28. Februar 2016
Wahlen 2015
Wahlbarometer
VA 28.02.2016
SRG-Trend 2. Welle
Differenz
SVP
60
56
-4
SP
63
76
+13
FDP
45
65
+20
CVP
58
57
-1
GPS
60
55
-5
Partei
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (N = 1411)
Quer zu den Parteibindungen bestätigen sich beschränkt Anzeichen einer populistischen Aufladung der Teilnahmeabsichten, was bei drei Initiativen mit je
44
unterschiedlicher politischer Stossrichtung und entsprechend unterschiedlichem Mobilisierungspotenzial nicht wirklich erstaunt. Regierungsmisstrauische
bleiben überdurchschnittlich gewillt, am 28. Februar teilzunehmen, während
jene mit Vertrauen in die Regierung sich exakt im Mittel einpendeln. Relativierend ist anzufügen, dass sich die Teilnahmeabsichten regierungsskeptischer
Kreise mit dem Verlauf des Abstimmungskampfes nicht weiter gesteigert haben. Die Teilnahmeabsichten Regierungsvertrauender dagegen sind gegenüber
erster Welle namhaft angestiegen.
Grafik 35
Teilnahmeabsicht an Abstimmung vom 28. Februar 2016
nach Regierungsvertrauen
"Würden Sie selber an dieser Abstimmung bestimmt teilnehmen, eher teilnehmen, eher nicht teilnehmen oder
bestimmt nicht teilnehmen?"
in % Stimmberechtigter
1
4
9
3
7
8
5
6
6
5
3
5
25
28
39
4
6
3
5
9
3
23
44
bestimmt nicht
teilnehmen
eher nicht
teilnehmen
52
weiss nicht/keine
Antwort
62
55
47
60
30
Misstrauen/
9. Februar 2016
Misstrauen/
12. Januar 2016
weiss nicht/ keine
Antwort/
9. Februar 2016
bestimmt teilnehmen
weiss nicht/ keine
Antwort/
12. Januar 2016
Vertrauen/
9. Februar 2016
Vertrauen/
12. Januar 2016
eher teilnehmen
43
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (N = 1411)
Kurz zusammengefasst zeigen die bisherigen Abklärungen, welche Merkmalsgruppen die Beteiligung in welche Richtung beeinflussen. Nebst Parteibindung,
Regierungsvertrauen und Sprachregion, variieren die Teilnahmewerte hinsichtlich sozioökonomischer und soziodemografischer Merkmale, nicht mehr jedoch
nach Siedlungsarten.
Tabelle 10
Konfliktlinien: Teilnahme an Abstimmungen
Konflikt
Signifikanz
bestimmt
teilnehmen
Teilnahme
unsicher
Parteibindung
sig.
SP, (CVP), FDP, (SVP)
(FDP), (Parteiungebundene)
Sprachregion
sig.
(DCH)
(FCH)
Siedlungsart
n.sig.
Schulbildung
sig.
hoch
(tief), (mittel)
HH-Einkommen
sig.
(CHF 3- 5000), CHF 5-7000, (CHF 7- 9000),
CHF9- 11000, über CHF 11000
(bis CHF 3000), (CHF 3- 5000)
Geschlecht
sig.
(Mann)
(Frau)
Alter
sig.
40-64-Jährige, 65+-Jährige
(18- bis 39-Jährige)
Regierungsvertrauen sig.
(Misstrauen)
(Vertrauen)
Konfession
protestantisch, keine Konfession
(protestantisch)
sig.
Lesebeispiel: Aufgeführte Untergruppen weichen mehr als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Stimmberechtigten ab. Untergruppen
in Klammern weichen weniger als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Stimmberechtigten ab.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (N = 1411)
45
3.1.2 Stichworte für die Berichterstattung

aktuell überdurchschnittliche Beteiligungsabsichten

Deutschschweiz am stärksten mobilisiert, aber grösste Steigerung im
Tessin

Wählende von FDP und SP überdurchschnittlich teilnahmebereit, Wählende von GPS, CVP, und SVP nahe am Mittel

behördenmisstrauische Bürgerinnen und Bürger über dem Mittel mobilisiert, aber nur Teilnahmeabsichten Regierungsvertrauender namhaft angestiegen
46
3.2
Volksinitiative "Für Ehe und Familie –
gegen die Heiratsstrafe"
3.2.1 Vorläufige Stimmabsichten
Zum Zeitpunkt der zweiten Befragung bestätigt sich mit 53 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten eine Mehrheit für die Initiative gegen die
Heiratsstrafe. Die Gegnerschaft setzt sich aus 28 Prozent bestimmten und 10
Prozent tendenziellen Gegnern und Gegnerinnen zusammen. Insgesamt resultiert dies in einem Nein-Potenzial von 38 Prozent.
Die Initianten konnten damit ihren Vorteil in die Hauptphase des Abstimmungskampfes retten, der Abstimmungskampf, der bei Initiativen in aller Regel der
Nein-Seite Aufwind verschafft, macht sich jedoch deutlich bemerkbar. Dynamisch betrachtet hat nämlich der für Initiativen typische Meinungsverlauf eingesetzt: Die Ja-Mehrheit hat sich innert Monatsfrist verringert (-14%-punkte),
derweil sich die Nein-Minderheit vergrössert hat (+17%-punkte). Das ist eine
grosse Veränderung innert vier Wochen und spricht dafür, dass die Entscheidfindung zur Initiative gegen die Heiratsstrafe hochdynamisch ist.
Grafik 36
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar
2016: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
12
9
28
bestimmt
dagegen
10
eher dagegen
12
9
27
18
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
40
12. Januar 2016
35
bestimmt dafür
9. Februar 2016
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Der Stand der Meinungsbildung ist fortgeschritten. Mit 63 Prozent verfügt zwischenzeitlich eine klare Mehrheit der Teilnahmewilligen über eine gefestigte
Stimmabsicht, sei es für oder gegen die Initiative. Namhaft zugelegt hat dabei
allerdings nur die konsolidierte Nein-Seite. 28 Prozent kennen eine tendenzielle
Entscheidung, und 9 Prozent der Teilnahmewilligen bleiben nach wie vor unschlüssig, was weiterhin auf einen gewissen Spielraum für den Abstimmungskampf verweist: Unentschiedene müssen überzeugt werden und die Erfahrung
zeigt, dass die tendenzielle Unterstützung zu Initiativen brüchig ist. Dies zeichnet sich für die Initiative gegen die Heiratsstrafe bereits ab.
Was am 28. Februar 2016 in der Frage der Heiratsstrafe resultieren wird, bleibt
mit Unsicherheiten behaftet, denn der Meinungsverlauf spricht für ein Nein, der
47
hohe Ausgangswert allerdings eher für ein Ja. Der Startwert lag klar über dem,
was die Partei in jüngerer Vergangenheit mit einer Initiative erreicht hat.3
Hinzu kommt, dass die Stimmberechtigten selber von einer knappen Annahme
der Vorlage ausgehen (Stimmberechtigte 50.6% geschätzter Ja-Anteil, Teilnehmende 50.2%). Insofern lässt sich ein gewisser Meinungsdruck nur schwer
von der Hand weisen. Mit ihrem Anliegen die Heiratsstrafe abzuschaffen, hat
die CVP durchaus einen Nerv getroffen.
3.2.2 Vorläufiges Konfliktmuster
Das Konfliktmuster der Initiative bleibt vorwiegend durch Parteiaffinität und
Betroffenheit geprägt. Festgehalten werden kann übergreifend, dass sich die
beschriebene Tendenz eines Nein-Anteil-Aufbaus und eines Ja-AnteilRückgangs über annähernd alle Untergruppen hinweg bestätigt. Auf die einzigen beiden Ausnahmen hiervon wird in der Folge eingegangen. Mit dem Einsetzten des Abstimmungskampfes wurden weitere Gruppen polarisiert, grundlegend sind diese Abweichungen jedoch nur in drei Fällen.
Die erste wesentliche Konfliktlinie bestätigt sich entlang der Parteibindungen,
wobei hier aus Nuancen in der ersten Umfrage handfeste Unterschiede entstanden sind. Äusserten sich vor knapp einem Monat noch Teilnahmewillige
jeglicher Parteibindung mehrheitlich für die Vorlage, sind Sympathisierende der
Grünen, der SP und der FDP gekippt und lehnen die Initiative in der zweiten
Umfrage mehrheitlich ab. Die Phänomene der behördlichen Willensbildung
haben sich damit auf die Parteiwählerschaften übertragen. Von den fünf grössten Parteien sind nun alle Wähler und Wählerinnen mehrheitlich im Einklang mit
den nationalen Parteiparolen. Die in der Ausgangslage vorgefundenen Elite/Basis-Konflikte bei der SP, der FDP und der GPS sind erodiert.
Am deutlichsten fällt die Ablehnung der Initiative gegen die Heiratsstrafe im
linken Spektrum aus; GPS-affine Wählergruppen äussern zu 60 Prozent eine
ablehnende Haltung, SP-affine zu 56 Prozent. Im Umfeld der FDP geben 51
Prozent an, gegen die Initiative stimmen zu wollen. Gewisse, um nicht zu sagen gewichtige, Sympathien bleiben der Abschaffung der Heiratsstrafe allerdings im FPD-Umfeld erhalten; immerhin 43 Prozent der FDP-affinen Wählerschaft hätten am 9. Februar noch Ja gestimmt.
Die höchste Zustimmung erfährt die CVP-Initiative nicht mehr aus den eignen
Reihen (CVP: 59% eher/bestimmt dafür) sondern von SVP-nahen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern (65% eher/bestimmt dafür).
Darüber hinaus sind Parteiungebundene dem Ja-Lager zuzurechnen (68%) und
bei diesen Stimmberechtigten ohne feste Parteibindung ist das Meinungsbild
eindeutig. Die Zustimmung hat sich nämlich in dieser Gruppe von der ersten
zur zweiten Umfrage hin weiter aufgebaut (+7%-punkte) und das ist klar die
Ausnahme.
Damit findet sich 19 Tage vor der Abstimmung ein ablehnender Block im linken
politischen Spektrum, gestärkt durch ein bürgerliches Nein aus FDP-Kreisen.
Dem steht das Ja der Wählerschaft der Initiantin entgegen, verstärkt durch das
Ja aus SVP-Kreisen und der parteiungebundenen Wählerschaft.
3
siehe Einleitung Kapitel 2.2, Referenzabstimmung VI "Familien stärken!"
48
Grafik 37
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
15
13
32
GPS/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
41
11
13
28
29
10
6
16
9
6
17
18
18
15
4
13
39
20
34
44
47
43
eher dagegen
22
weiss nicht/keine
Antwort
18
45
bestimmt dagegen
46
eher dafür
25
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
11
18
20
10
7
10
11
6
20
SVP/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
23
14
9
7
14
FDP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
16
21
35
15
13
32
46
17
CVP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
44
16
SP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
11
8
9
3
14
23
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Akzentuiert präsentiert sich zweitens das Betroffenheitsmuster: Verheiratete
Stimmberechtigte und solche, die in einer eingetragen Partnerschaft leben,
geben auch in der zweiten Umfrage mehrheitlich an, für die Vorlage zu sein.
Die anfänglich mehrheitliche Zustimmung von ledigen, geschiedenen, verwitweten oder im Konkubinat lebenden Teilnahmewilligen ist jedoch zwischenzeitlich einer relativmehrheitlichen Ablehnung der Vorlage gewichen. Die potenziell
Begünstigten dieser Vorlage hegen damit nach wie vor grössere Sympathien
als der Schweizer Durchschnitt, die Ja-Anteile sind aber auch in dieser Gruppe
rückläufig.
Grafik 38
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Betroffenheit: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
9
8
24
11
8
29
18
35
13
9
10
21
25
12
38
34
eher dagegen
11
13
43
bestimmt dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
29
Rest/
9. Februar 2016
Rest/
12. Januar 2016
verheiratet/eingetragene
Partnerschaft/
9. Februar 2016
verheiratet/eingetragene
Partnerschaft/
12. Januar 2016
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
49
Unterschiedliche Mehrheiten finden sich schliesslich nach Einkommen betrachtet, wobei die Ja-Anteile auch hier über sämtlichen Einkommensgruppen hinweg rückläufig sind und das Nein ansteigt. Einzig bei Teilnahmewilligen mit den
tiefsten Haushaltseinkommen hat diese Entwicklung allerdings zu neuen
Mehrheiten geführt; sie hätten die CVP-Initiative vergangene Woche relativmehrheitlich abgelehnt.
Grafik 39
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Haushaltseinkommen: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
9
16
28
9
18
24
10
16
22
8
15
12
9
9
14
11
11
26
9
10
30
27
17
34
38
12
8
22
20
9
13
31
9
7
38
30
4
4
13
5
11
27
30
38
35
47
36
41
38
10
7
24
14
42
bestimmt dagegen
10
16
15
29
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
43
30
über CHF 11 000/
9. Februar 2016
über CHF 11 000/
12. Januar 2016
CHF 9-11 000/
9. Februar 2016
CHF 9-11 000/
12. Januar 2016
CHF 7-9000/
9. Februar 2016
CHF 7-9000/
12. Januar 2016
CHF 5-7000/
9. Februar 2016
CHF 5-7000/
12. Januar 2016
CHF 3-5000/
9. Februar 2016
CHF 3-5000/
12. Januar 2016
bis CHF 3000/
9. Februar 2016
bis CHF 3000/
12. Januar 2016
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Für die zweite sozioökonomische Grösse, die Schulbildung, findet sich dahingehend ein Unterschied, dass Teilnahmewillige mit obligatorischem Schulabschluss in höherem Masse unentschieden sind, als solche mit höheren Schulabschlüssen. Bemerkenswert ist, dass erst der Abstimmungskampf zu dieser
Situation geführt hat. Anders formuliert haben Kampagnenargumente die unterste Bildungsgruppe verunsichert. Nichts desto trotz bleiben in allen Bildungsschichten zustimmende, wenn auch schwindende Mehrheiten bestehen.
Erst durch den Abstimmungskampf polarisiert wurden auch regierungskritische
Kreise. Teilnahmewillige, die der Regierung grundsätzlich vertrauen, haben sich
auch deren Position angenähert. Zwar bleiben auch sie relativmehrheitlich im
Ja, der Meinungsverlauf zeigt aber eher Richtung Nein, wohl weil man der Regierung vertraut das Problem der Steuerdiskriminierung von Verheirateten, wie
verschiedentlich angetönt, auf anderem Weg zu lösen.
Dieser Trend ist unter Teilnahmewilligen, die der Regierung gegenüber Skepsis
hegen klar verhaltener und die Zustimmung bleibt in diesem Umfeld mit 62
Prozent hoch.
50
Grafik 40
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Regierungsvertrauen: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
12
10
32
11
6
10
25
9
30
9
18
25
18
40
14
bestimmt dagegen
22
9
11
27
22
34
10
8
8
27
18
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
17
34
eher dafür
44
40
Misstrauen/
9. Februar 2016
Misstrauen/
12. Januar 2016
weiss nicht/ keine
Antwort/
9. Februar 2016
weiss nicht/ keine
Antwort/
12. Januar 2016
Vertrauen/
9. Februar 2016
Vertrauen/
12. Januar 2016
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Die Meinungsbildung ist in der Deutschschweiz klar am weitesten fortgeschritten während im Tessin und in der Romandie vermehrte Unsicherheit wahrnehmbar ist. In allen drei Sprachregionen hätte das CVP-Anliegen jedoch zustimmenden Mehrheiten gefunden. Speziell ist die Romandie, denn hier hält
sich der Ja-Anteil auf stabilem Niveau und der Nein-Anteil hat sich vergleichsweise wenig stark aufgebaut. In der Deutschschweiz konnte die Nein-Seite
innert Monatsfrist 19 Prozentpunkte gutmachen, im Tessin waren es mit 18
Prozentpunkten ähnlich viel. In der Romandie baut sich das Nein vergleichsweise schleppend auf (+5%-punkte).
Grafik 41
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Sprachregion: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
12
9
14
31
10
11
9
26
17
3
5
18
16
8
12
20
15
31
29
20
18
eher dagegen
8
15
16
56
42
bestimmt
dagegen
37
40
25
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
27
ICH/
9. Februar 2016
ICH/
12. Januar 2016
FCH/
9. Februar 2016
FCH/
12. Januar 2016
DCH/
9. Februar 2016
DCH/
12. Januar 2016
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
51
Bemerkenswert ist, dass keine der untersuchten sozioökonomischen Grössen
für die Haltung zur Initiative gegen die Heiratsstrafe wirklich relevant ist. Für
das Alter gilt dieser Befund uneingeschränkt; Teilnahmewillige aller Altersgruppen stimmen der Vorlage mehrheitlich zu, sind jedoch alle vom gleichen Meinungsverlauf erfasst: Das Ja verliert zu Gunsten des Neins.
Das gilt auch nach Geschlecht betrachtet, wobei der Abstimmungskampf hier
zu einem signifikanten Unterschied geführt hat: Zwar hätten Frauen wie Männer vergangene Woche mehrheitlich Ja gestimmt, Männer hätten dies allerdings deutlicher als Frauen getan, denn letztere sind weniger gefestigt in ihren
geäusserten Stimmabsichten.
Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass das Einsetzen der
Hauptphase des Abstimmungskampfes die Stimmabsichten polarisiert hat,
denn es finden sich klar mehr relevante Konfliktlinien als noch vor einem Monat. Allerdings ist diese Polarisierung bisher eher gradueller Natur und nur in
drei Fällen grundlegend, denn vom Mainstream abweichende Mehrheitsverhältnisse finden sich einzig bei SP-, GPS- und FDP-affinen Teilnahmewilligen,
bei Ledigen, Verwitweten und im Konkubinat Lebenden sowie bei solchen mit
den tiefsten Haushaltseinkommen.
Alle übrigen Untergruppen sind der Abschaffung der Heiratsstrafe mehrheitlich
wohlgesinnt. Allerdings sind mit Ausnahme der Romandie und der Parteiungebundenen alle Untergruppen von ein und demselben Trend erfasst: Das Ja
verliert an Boden und das Nein konnte sich aufbauen.
Tabelle 11
Konfliktlinien: VI gegen Heiratsstrafe
Konflikt
Signifikanz
Ja ++
Nein ++
Unschlüssigkeit ++
Parteibindung
sig.
CVP, SVP,
Parteiungebundene
GPS, SP, FDP
(SP),
(Parteiungebundene)
Sprachregion
sig.
(FCH), (ICH)
(DCH)
(FCH), ICH
Zivilstand
sig.
verheiratet
ledig, verwitwet, (geschieden), lebt mit Partner/in
(nicht eingetragene Partnerschaft)
geschieden
Siedlungsart
n.sig.
Schulbildung
sig.
(mittel)
(hoch)
tief
HH-Einkommen
sig.
(CHF 3- 5000),
(CHF 5- 7000),
(CHF 9- 11000),
(über CHF 11000)
bis CHF 3000,
CHF 7- 9000,
(CHF 9- 11000),
(über CHF 11000)
(bis CHF 3000),
(CHF 5- 7000)
Geschlecht
sig.
(Mann)
(Mann)
(Frau)
Alter
n.sig.
Regierungsvertrauen
sig.
Misstrauen
(Vertrauen)
weiss nicht/keine Antwort
Konfession
sig.
(römisch-katholisch), (protestantisch)
(protestantisch), keine
Konfession
(römisch-katholisch)
Lesebeispiel: Aufgeführte Untergruppen weichen mehr als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab. Untergruppen in
Klammern weichen weniger als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
52
3.2.3 Argumententest
Aufschlussreich ist die Analyse der Argumente für und gegen die Initiative gegen die Heiratsstrafe, denn sie liefert einen Eindruck davon, inwiefern das
Mehrheitsverhältnis inhaltlich abgestützt ist.
Dass die Initianten ein Problem aufgegriffen haben, das weite Teile der Stimmberechtigten mit fester Teilnahmeabsicht als relevant erachten, bestätigt sich
deutlich: Das Ungerechtigkeits-Argument wird von 80 Prozent mehr oder weniger geteilt. Nur 15 Prozent widersprechen der Aussage, dass es doppelt ungerecht sei, wenn zwei Personen durch eine Heirat mehr Steuern bezahlen und
weniger Rente erhalten, als wenn sie nicht verheiratet wären. Daran hat auch
der Abstimmungskampf kaum etwas geändert (-4%-punkte).
Zweifel sind eher dahingehend entstanden, dass Heiraten durch diese Initiative
wieder attraktiver werde (-8%-punkte), denn zwischenzeitlich verwirft eine
relative Mehrheit diese Aussage (46:48).
Das dritte Pro-Argument wurde erst in der zweiten Umfrage getestet, so dass
hier nichts über die Entwicklung gesagt werden kann. Festgehalten werden
kann allerdings, dass die Hälfte der Teilnahmewilligen an der gemeinsamen
Besteuerung von Ehepaaren festhalten möchte, weil die Einführung eines Individualbesteuerungsmodells für sie der Schaffung eines Bürokratiemonsters
entspricht. 40 Porzent widersprechen dieser Aussage und 10 Prozent sind unschlüssig.
Unter dem Strich verlieren damit zwei der im Zeitvergleich beurteilbaren ProArgumente an Zustimmung. Das von der Initiative gegen die Heiratsstrafe angesprochene Problem bleibt aber im Grunde unbestritten.
Grafik 42
Trend Filter Pro-Argumente zur Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ich lese Ihnen jetzt einige Argumente vor, die man im Zusammenhang mit der Initiative gegen die Heiratsstrafe
immer wieder hören und lesen kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher
einverstanden, eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht einverstanden sind."
Dopppelbesteuerung ungerecht "Es ist doppelt ungerecht, wenn zwei Personen durch eine Heirat mehr Steuern zahlen und
weniger Rente erhalten, als wenn sie nicht verheiratet wären."
schafft Bürokratiemonster* "Ehepaare sollen weiterhin gemeinsam besteuert werden, die Individualbesteuerung von Ehepaaren
schafft ein Bürokratiemonster. "
Heiraten attraktiver "Die Initiative macht Heiraten wieder attraktiver."
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen, Anteil voll/eher einverstanden
84
54
80
Dopppelbesteuerung
ungerecht
50
schafft
Bürokratiemonster*
46
Heiraten attraktiver
12. Januar 2016
9. Februar 2016
*nur in zweiter Welle befragt
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Die beiden gegnerischen Argumente, die einen Zeitvergleich erlauben, haben
eher etwas an Boden gewonnen. Erstaunlicherweise weniger das Argument,
dass Steuereinbussen resultieren werden (+3%-punkte) als vielmehr das Diskriminierungsargument (+7%-punkte).
53
Drei Viertel der Teilnahmewilligen gehen davon aus, dass bei einer Annahme
der Initiative Steuereinbussen drohen, 23 Prozent glauben dies nicht. Die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare ist für 56 Prozent problematisch, der
Widerspruch ist hier allerdings trotz gestiegener Zustimmung grösser. 35 Prozent sehen diesen Umstand der Diskriminierung nämlich nicht als gegeben an.
Das linke Gegenargument der stärkeren Entlastung reicher Ehepaare wird von
56 Prozent geteilt und von 27 Prozent verworfen. Die Verunsicherung ist mit 17
Prozent unbestimmter Voten (weiss nicht/keine Antwort) jedoch in dieser Frage
eindeutig am grössten.
Grafik 43
Trend Filter Contra-Argumente zur Initiative gegen
Heiratsstrafe
"Ich lese Ihnen jetzt einige Argumente vor, die man im Zusammenhang mit der Initiative gegen die Heiratsstrafe
immer wieder hören und lesen kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher
einverstanden, eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht einverstanden sind."
Steuereinbussen "Die Annahme der Initiative führt zu Steuereinbussen."
Reiche stärker entlastet* "Die Initiative würde reiche Ehepaare am stärksten entlasten, Mittelstand und ärmere Ehepaare
hingegen deutlich weniger."
diskriminiert gleichgeschlechtliche Paare "Die enge Definition von Ehe diskriminiert gleichgeschlechtliche Paare."
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen, Anteil voll/eher einverstanden
63
66
Steuereinbussen
56 56
49
Reiche stärker
entlastet*
diskriminiert
gleichgeschlechtliche
Paare
12. Januar 2016
9. Februar 2016
*nur in zweiter Welle befragt
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Die Meinungen zu allen Argumenten erscheinen relativ gefestigt, denn die
Mehrheiten sind mit einer Ausnahme eindeutig, und es finden sich verhältnismässig wenige unentschiedene Voten zu den getesteten Botschaften. Beides
spricht für ein erhöhtes Mass an Prädisponierung in Fragen der Heiratsstrafe.
Führt man sich die Regressionsanalyse vor Augen, wird deutlich, wo die Sympathien dem Anliegen gegenüber wirksam begründet liegen und inwiefern Argumente überhaupt eine Rolle spielen.
Durch die Argumente erklärt werden können aktuell 28 Prozent eines
Stimmentscheids, was in dieser Kampagnenphase einem eher tiefen Wert
entspricht. Im Vergleich zur ersten SRG-Trendumfrage ist dieser Wert zwar
leicht angestiegen. Stimmentschiede zur Initiative gegen die Heiratsstrafe werden aber nach wie vor nur bedingt inhaltlich gestützt getroffen. Man orientiert
sich zusätzlich an anderen Grössen oder entscheidet aus dem Bauch heraus.
Die Leseweise der Regressionsanalyse ist allerdings eindeutig: Die Initiative
wird von der perzipierten Ungerechtigkeit der Doppelbesteuerung getragen und
diese ist, wie beschrieben, äusserst weit verbreitet. Dass allerdings Heiraten
durch die Abschaffung der Ehestrafe attraktiver werde, wird relativmehrheitlich
nicht geglaubt und wirkt sich entsprechend negativ auf einen Stimmentscheid
aus. Erst die tiefere Auseinandersetzung mit der Vorlage vermochte dieses
Argument zu kippen, denn in der ersten Umfragewelle wirkte das Heiratsargu54
ment noch positiv. Es wurde also anders formuliert in der Hauptkampagnenphase entkräftet.
Der Initiativ-Gegnerschaft gelang die Platzierung ihrer Einwände, denn zwischenzeitlich erweisen sich alle drei getesteten Contra-Botschaften als entscheidrelevant. In der ersten Umfrage galt dies lediglich für das nach wie vor
stärkste gegnerische Argument; die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Paare. Zusätzlich stützen das Argument, dass Reiche verhältnismässig stärker
entlastet werden als arme und das Argument der Steuereinbussen ein Nein zur
Initiative gegen die Heiratsstrafe. Das neu getestete SP-Argument der stärkeren Entlastung reicher Ehepaare wirkt in abgeschwächter Form ebenfalls auf
ein Nein und auch das Argument der Steuereinbussen entfaltet mittlerweile
seine Wirkung auf die Stimmabsicht. Es ist allerdings das schwächste ContraArgument, so dass Entscheide gegen die Initiative nach wie vor eher von der
gesellschaftsliberalen Argumentation getragen werden.
Das Gesamtbild ist damit klar: Es dominiert die Pro-Seite, allerdings kann sie
mit nur einem Argument wirklich punkten. Die gegnerische Argumentation hat
mit dem Fortschreiten des Abstimmungskampfes ihre Wirkung entfaltet und
sie ist breitenwirksam. Am stärksten gestützt wird sie nach wie vor vom Diskriminierungsargument. Damit hat sich eine für Initiativen typische Situation
herausgebildet, wo ein Problem im Zentrum steht, dessen Lösung jedoch auf
verschiedene Weise problematisiert wird.
Grafik 44
Filter Regressionsanalyse persönliche Stimmabsicht
zur Initiative gegen Heiratsstrafe
Filter: Stimmberechtigte, die bestimmt teilnehmen wollen
Ja
Nein
Doppelbesteuerung ungerecht
Ablehnung zu:
Heiraten attraktiver
diskriminiert gleichgeschlechtliche Paare
Reiche stärker entlasten
Steuereinbussen
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167), R2 = 0.281
Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unabhängigen Variablen – hier der
Pro- und Contra-Argumente – (in abnehmender Reihenfolge) auf eine abhängige Variable – den Stimmentscheid. Anhand der Farbe lässt sich
2
unterscheiden, ob ein Element eher zu einer Ja-Stimmabgabe (blau) oder zu einer Nein-Stimmabgabe (orange) geführt hat. Das R gibt Auskunft
darüber, wie erklärungskräftig ein Modell ist – je näher der Wert bei 1 liegt, desto grösser ist der Anteil der Varianz in der abhängigen Variable, der
mit den unabhängigen Variablen erklärt wird. Argumente, welche in der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss. Argumente mit dem
Wortzusatz "Ablehnung zu" werden mehrheitlich verneint. Entsprechend sind solche Argumente in die andere Richtung eingefärbt und erhalten
besagten Zusatz. Die schwarze Linie in der Mitte der Abbildung bezeichnet den Median. Befindet sich ein Argument genau auf der Mitte der Linie,
bedeutet dies, dass 50 Prozent der Befragten einverstanden mit dem Argument sind, während die anderen 50 Prozent nicht einverstanden mit
dem Argument sind ('weiss nicht'-Angaben werden dafür ausgeklammert). Je weiter das Kästchen nach links oder rechts von der 50-Prozentlinie
abweicht, desto grösser ist die einseitige Beurteilung des betreffenden Arguments. Der rote Punkt dient als Lesehilfe, er markiert jeweils die Mitte
des Kästchens.
55
Eine andere Art der Messung des Potenzials argumentativer Haltungen geschieht anhand des Indexwertes. Analytisch gesehen ist es wenig wahrscheinlich, dass ein Argument für alle Bürger und Bürgerinnen massgeblich ist. Daher
wird die indexierte Version aller Argumente beigezogen, welche die Argumente
nicht hinsichtlich ihrer Wirkung gewichtet, sondern die mittlere Nähe einer Person zu allen Argumenten bilanziert. Interessant ist die dabei resultierende Diskrepanz von Stimmabsichten und argumentativer Haltung. Was diese Analyse
für die Initiative gegen die Heiratsstrafe offenlegt, kann wie folgt zusammengefasst werden:
Erstens werden dem Anliegen grundsätzlich Sympathien entgegengebracht.
Das Problem ist weitum akzeptiert. Allerdings liegt die argumentative Zustimmung (43%) nicht nur deutlich unter der faktischen (53%), sie ist darüber hinaus nicht mehrheitlich. Würde nämlich rein die argumentative Haltung der
Stimmberechtigen zählen, wäre das Anliegen nicht mehrheitsfähig.
Zweitens liegt die argumentative Zustimmung zur Initiative durchs Band tiefer
als die faktische und sie ist drittens lediglich bei Wählerschaften von GPS, SP,
FDP und SVP im Einklang mit den Stimmabsichten.
Grafik 45
Filter Zustimmung zur Initiative gegen Heiratsstrafe und
Index Argumente nach Parteien
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
65
Index Argumente
Ja+/Nein-
68
59
53
43
33
33
36
54
44
39
42
30
23
Total
bestimmt
teilnehmende
Parteiungebundene
SVP
FDP
CVP
SP
GPS
Stimmabsicht
bestimmt/eher dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Erläuterung: Beim Argumentenindex werden die Argumente aufgrund ihrer Bedeutung für die Stimmabsicht recodiert. Dabei wird die Zustimmung
(sehr/eher einverstanden) zu den Pro-Argumenten und die Ablehnung zu den Contra-Argumenten (sehr/eher nicht einverstanden) als positiv
definiert, die Ablehnung (sehr/eher nicht einverstanden) zu den Pro-Argumenten und die Zustimmung (sehr/eher einverstanden) zu den ContraArgumenten als negativ definiert. Keine inhaltliche Nennung (weiss nicht/keine Antwort) bei den Argumenten wird als Null definiert. Dies wird für
jedes Argument berechnet und danach summiert. Entsteht eine positive Summe, liegt ein Überhang zur argumentativen Zustimmung vor, liegt eine
negative Summe vor, eine argumentative Ablehnung. Eine summierte Null bedeutet neutral. Der ausgewiesene Wert ist der positive Überhang zu
den Argumenten.
CVP-affine Wählerinnen und Wähler wollen der Initiative nämlich zustimmen,
obwohl sie argumentativ eher einem Nein zugewandt wären. Ein Phänomen,
das sich auch bei Parteiungebundenen zeigt. In diesen beiden Wählergruppen
ist ein weiteres Schwinden der Zustimmung damit möglich. Eine ähnliche Situation fanden wir noch in der ersten Umfragewelle auch im linken politischen
Spektrum. Allerdings haben sich dort die Stimmabsichten den Argumenten
bereits angeglichen.
56
Argumentativ im Ja befindet sich letztlich nur noch die SVP-Wählerschaft. Aus
diesem Wählersegment ist mit dem deutlichsten Ja zu rechnen. Die FDPWählerschaft hat sich von der ersten zur zweiten Umfragewelle sowohl argumentativ als auch an Stimmabsichten gemessen von der Ja- zur Nein-Seite hin
bewegt. Und innerhalb der CVP bröckelt die argumentative Unterstützung der
Vorlage, nicht aber die faktische – man will die Partei mit ihrer Initiative nicht im
Stich lassen.
3.2.4 Szenarien der weiteren Meinungsbildung
Die Überlegungen und Haltungen zu konkreten Auswirkungen der Initiative
waren in der Ausgangslage noch wenig kritisch, was typisch für eine Initiative
ist. Das Problembewusstsein ist prädisponiert, nicht aber unbedingt die Lösungspräferenz, da sich diese erst im Verlauf eines Meinungsbildungsprozesses auf die Entscheidungsabsichten auswirkt. Exakt dieser Prozess hat zwischenzeitlich eingesetzt und Bewegung in die Meinungsbildung gebracht.
Der Gegnerschaft gelang die Platzierung ihrer Argumente und es konnten relevante Zweifel an der Lösung gestreut werden, obwohl die Ungerechtigkeit des
Status quo nicht wirklich umstritten ist.
Namentlich die Wählerschaften von GPS, SP und FDP liessen sich von der
gegnerischen Argumentation überzeugen und haben in ihrer Mehrheit die Seite
gewechselt: Sie wollen das Anliegen, wie von ihren Stammparteien empfohlen,
zwischenzeitlich verwerfen.
Allerdings behält die Initiative Strahlkraft im rechten Spektrum, namentlich bei
der SVP. Damit es allerdings zum Abstimmungserfolg reicht, müssten auch die
Parteiungebundenen bei der Stange gehalten werden und diese sind gespalten:
Haltungsseitig stehen sie der Nein-Seite näher, sie wollen jedoch mehrheitlich
Ja stimmen.
Insgesamt ergibt sich ein gespaltenes Bild, was gewisse Unsicherheiten mit
sich bringt und wohl letztlich Ausdruck der ebenso gespaltenen Haltung von
Bundesrat und Parlament.
Erwartet wird von den Stimmberechtigten eine knappe Annahme der Initiative
und auch die aktuellen Stimmabsichten zeigen bei hoher Prädisponierung in
diese Richtung. Die Argumente sprechen allerdings in dieser fortgeschrittenen
Phase des Abstimmungskampfes bereits nicht mehr für die Initiative und auch
die Dynamik der Meinungsbildung verweist eher auf eine Ablehnung am 28.
Februar 2016.
Tabelle 12
Indikatoren der Einschätzung der VI gegen Heiratsstrafe
Ausprägung
Parlament
dagegen
NR: 56%
SR: 56%
dafür
NR: 44%
SR: 44%
Insgesamt
Erklärung
Argumente
R2
Trenderwartung
Dispositionsansatz
Index
Argumente
SP, GPS,
GLP,
FDP
50%
45%
38%
Normalszenario
mit Zunahme
Nein
SVP,
CVP,
EVP,
EDU
50%
42%
53%
Spezialfall mit
Stagnation Ja
oder Polarisierung
28%v
Stimmabsichten
Prädisponierung
Erwartung
Stimmende
Parolen
63%
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Der hohe Ausgangwert der Zustimmung für eine Initiative lässt allerdings gewisse Zweifel darüber entstehen, wie viel weiter das Ja noch erodieren wird.
57
Denn wie mehrfach betont, hat die CVP mit ihrer Initiative zweifelsohne ein
relevantes Problem aufs Tapet gebracht.
Entsprechend formulieren wir zwei generelle Hypothesen zu den möglichen
Trends in der Meinungsbildung zur Initiative gegen die Heiratsstrafe:
Der Normalfall besteht darin, dass die Vorlage vor dem Abstimmungskampf in
der Bevölkerungsgunst besser abschneidet. Während des Abstimmungskampfes steigt der Nein-Anteil, meist sinkt auch die Zustimmung. Hinzu kommt,
dass sich damit meist ein Fokuswandel einstellt: Vom Problem verlagert sich
die Meinungsbildung hin zur Lösung des Problems.
In Ausnahmefällen funktioniert dieser erprobte Mechanismus des Meinungswandels zu Volksinitiativen nicht. Das ist namentlich dann der Fall, wenn es zu
einer Protestabstimmung kommt. Die Symbolik der Entscheidung ist dann
wichtiger als ihre Konsequenzen. Gegenüber den Behörden soll, in einem meist
tabuisierten Bereich, ein klares Zeichen gesetzt werden.
Das Regelfall-Schicksal blühte der inhaltlichen Referenzvorlage, der CVPFamilieninitiative von vergangenem Jahr (siehe Einleitung). Während eine
Mehrheit der Befragten in der ersten SRG-Trend-Umfrage vor Beginn des Abstimmungskampfes bestimmt oder eher für die CVP-Familieninitiative stimmen
wollten (52%), verlief die anschliessende Meinungsbildung kontinuierlich im
Sinne der Initiativgegner (2. SRG-Trend-Umfrage: 40% eher/bestimmt dafür,
Resultat Abstimmung: 24.6% Ja). Aktuell finden wir gleiches, allerdings mit
einem höheren Ausgangswert, was Unsicherheiten mit sich bringt.
Denn etwa die Abstimmung über den Familienartikel zeigte mit ihrem Auseinanderklaffen von Volks- und Ständemehr, dass ein gewisser Meinungsdruck
oder Handlungsbedarf in Sachen Familienpolitik und vielleicht eben auch in
Fragen der Besteuerung von Ehepartnern nicht von der Hand gewiesen werden
kann. Daher erachten wir nach wie vor auch das zweite Szenario einer Annahme als möglich, wenn auch weniger wahrscheinlich.
Grafik 46
Positiv prädisponierte Initiative mit Mehrheitswandel, Ablehnung
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Vor der Kampagne
 gfs.bern, Campaigning
Positiv prädisponierte Initiative ohne Mehrheitswandel, Annahme
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Abstimmungstag
Nein
Nein
Unentschieden
Unentschieden
Ja
Ja
Vor der Kampagne
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
58
3.2.5 Stichworte für die Berichterstattung

potenzielle Mehrheitsinitiative von rechts (bürgerlich-konservativ)

fortgeschrittene Meinungsbildung aber schwache argumentative Untermauerung der Stimmabsichten

ungerechte Doppelbesteuerung populärstes und wirksamstes Argument
auf der Ja-Seite, Problem ist unbestritten

verschiedene Angriffsflächen, am deutlichsten: Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare

Polarisierungsgrad gewachsen: gesellschaftlich liberal vs. konservativ,
Betroffenheit

Zustimmung von Parteiungebundenen und CVP im Konflikt mit argumentativer Haltung

Ja-Vorsprung war erheblich, Nein-Kampagnen zeigen allerdings Wirkung

Ausgang schwer abschätzbar: Meinungsverlauf spricht für Ablehnung,
hoher Startwert spricht für Annahme
59
3.3
Volksinitiative "Zur Durchsetzung der
Ausschaffung krimineller Ausländer"
3.3.1 Vorläufige Stimmabsichten
Zum Zeitpunkt der Befragung waren 49 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten gegen die SVP-Initiative, und 46 Prozent befürworteten sie. Die
Stimmabsichten sind damit gespalten.
Im Zeitvergleich sind die Veränderungen gering, aber wichtig. Die Gegnerschaft
ist um 7 Prozentpunkte gewachsen, die Befürwortung ist um 5 Prozentpunkte
geschrumpft. Der anfänglich knappe Vorteil der Initianten und Initiantinnen in
der SRG-Befragung hat sich damit in einen relativen Nachteil verändert.
Der wichtigste Grund für die Veränderungen bezieht sich auf die Mobilisierung.
Wie wir im Teilnahmekapitel gesehen haben, sind die Beteiligungsabsichten
zwischenzeitlich gestiegen. In absoluten Zahlen haben beide Seiten zugelegt.
Die Nein-Sager wegen der Spezialmobilisierung bei SP und FDP jedoch mehr.
Grafik 47
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar
2016: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
31
40
eher dagegen
11
7
9
5
20
bestimmt dagegen
13
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
bestimmt dafür
31
12. Januar 2016
33
9. Februar 2016
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Der Stand der Meinungsbildung ist fortgeschritten, aber nicht abgeschlossen.
73 Prozent der beteiligungsbereiten Bürgerinnen und Bürger haben eine feste
Stimmabsicht. Weitere 22 Prozent sind tendenziell entschieden. 5 Prozent äussern, ganz unentschieden zu sein.
Ganz überraschend ist dies nicht, denn die Kontroverse begann 2007 und hält
seither mehr oder minder stark an. Zudem wurde 2010 über die Ausschaffungsinitiative abgestimmt, auf die sich die neue Vorlage direkt bezieht. Die
Vertrautheit mit dem Thema kann damit als hoch eingestuft werden, was eine
frühe und relativ stabile Meinungsbildung begünstigt.
Viel diskutiert worden ist, ob die Gefängnisflucht eines syrischen Häftlings in
Dietikon in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar die Meinungsbildung beeinflusst hatten. Kurzfristig konnte man eine starke Medialisierung, verbunden mit
60
einer erhöhten Emotionalisierung festhalten. Dies drückte sich in Aktivitäten in
den sozialen Medien aus. Die Debatte zur Durchsetzungsinitiative änderte der
Gefängnisausbruch jedoch nicht wirklich; die Initianten stiegen weder mit Inseraten noch mit offiziellen Stellungnahmen auf. Hauptgrund hierfür dürfte der
fortgeschrittene Stand der Debatte sein, verbunden mit der Tatsache, dass die
Durchsetzungsinitiative in diesem Fall keine Auswirkung gehabt hätte.
Unsere Befragung bestätigt diese eher zurückhaltende Interpretation. Denn die
Stimmabsichten lagen vor dem Ereignis bei 45:49, in den ersten vier Tagen
danach bei 46:48. Die geringen Veränderungen sprechen keineswegs für einen
eindeutigen Einfluss.
Wir taxieren den Ausgang unverändert als offen, mit etwas verbesserten Chancen für die Nein-Seite. Auch die Teilnahmewilligen gehen von einem knappen
Abstimmungsausgang aus. Die mittlere Schätzung beträgt 51 zu 49 Prozent.
Damit führt die Ja-Seite ganz knapp, verliert aber an Vorsprung. Bei der ersten
Messung lag der Quotient noch bei 54:46 Prozent.
3.3.2 Vorläufiges Konfliktmuster
Das Konfliktmuster bei der Durchsetzungsinitiative ist vorwiegend politischer
Natur. Zuerst unterscheiden sich die Stimmabsichten entlang der Parteibindungen. Dann variieren sie je nach Regierungsvertrauen/-misstrauen.
An der Basis der SVP wollen 90 Prozent bestimmt oder eher Ja stimmen. Das
sind 44 Prozentpunkte mehr als der Schnitt.
Den Gegenpol bilden die SP-Wählenden, bei denen 82 Prozent die Vorlage ablehnen wollen. Auch das sind 33 Prozentpunkte mehr als das Mittel. Bei den
Grünen sind 86 Prozent der Wählenden auf der Nein-Seite, bei der CVP sind es
72 Prozent und bei der FDP 67 Prozent.
Die grösste Verschiebung hat an der Basis der FDP stattgefunden. Der NeinAnteil ist hier um 25 Prozentpunkte gestiegen. Bei der CVP-Wählerschaft hat er
um 17 Prozentpunkte zugenommen. Bei den GPS-Wählenden beträgt der Vergleichswert plus 15 Prozentpunkte.
Bei der FDP hat dies zu einem Wechsel der (relativen) Mehrheiten geführt. Die
Parteiwählerschaft hat sich nach einer offensiven Kampagne der Parteispitze
ins Nein-Lager bewegt.
Wenn die Abstimmung dennoch nicht entschieden ist, hat dies vor allem mit
der Position der Parteiungebundenen zu tun. Sie sprechen sich zu 52 Prozent
für die Initiative aus. Der Trend bewegt sich zwar auch hier leicht gegen Nein,
ist aber nur schwach ausgebildet, und zu einem Mehrheitswechsel wie bei der
FDP ist es (wenigstens bisher) nicht gekommen.
61
Grafik 48
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
28
45
75
63
72
9
56
SP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
GPS/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
14
3
10
2
6
10
25
13
30
6
70
34
71
11
5
18
16
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
14
11
11
11
3
32
14
8
23
16
FDP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
7
8
9
11
6
4
4
CVP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
12
21
14
7
14
19
12
10
12
19
34
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
62
2
5
3
SVP/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
59
4
3
4
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Wer dem Bundesrat misstraut, ist zu 74 Prozent für die Durchsetzungsinitiative.
Wer Vertrauen hat in die Arbeit der Behörden würde heute zu 68 Prozent Nein
sagen. Bürgerinnen und Bürger dazwischen sind zu 48 Prozent auf der Ja-Seite
und zu 45 Prozent im Nein-Lager.
Grafik 49
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Regierungsvertrauen: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
25
39
40
57
6
4
6
7
24
16
5
eher dafür
bestimmt dafür
Misstrauen/
9. Februar 2016
Vertrauen/
9. Februar 2016
58
32
Misstrauen/
12. Januar 2016
Vertrauen/
12. Januar 2016
49
weiss nicht/
keine Antwort/
9. Februar 2016
16
41
weiss nicht/
keine Antwort/
12. Januar 2016
20
eher dagegen
16
11
11
bestimmt dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
9
7
20
16
8
6
13
12
13
13
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
62
Politisch gesprochen, besteht damit eine mehrheitliche Zustimmung an der
Basis der SVP, bei den Parteiungebundenen und den Personen mit Behördenmisstrauen. Diese befürwortenden Gruppen wurden vom Abstimmungskampf
in ihren Haltungen bestärkt und sind noch deutlicher im Ja als vor rund einem
Monat. Anders von links bis in die bürgerliche Mitte, wo man zwischenzeitlich
mehrheitlich bis fast geschlossen gegen die Initiative ist. Dasselbe gilt für Bürgerinnen und Bürger mit Behördenvertrauen.
Der Polarisierungsgrad ist erheblich. Die Differenz zwischen SVP und SP beträgt im Nein-Anteil 75 Prozentpunkte, im Ja 74 Prozentpunkte. Damit sind die
Wahrnehmung und Bewertung der Vorlage fast vollständig konträr.
Die Meinungsführung durch die Initiativ-Gegnerschaft im Abstimmungskampf
zeigt Wirkung. Das exemplarische Engagement der Parteispitzen, von Betroffenen wie den Rechtsgelehrten und die Appelle der Massenmedien haben
die Elite/Basis-Konflikte im Nein-Lager weitgehend zum Verschwinden gebracht. Die Ablehnung wächst umso deutlicher, je grösser das Vertrauen in die
Behördenarbeit ist. Die SVP-Wählerschaft zeigt sich davon aber unbeeindruckt.
Sie wirkt aber etwas isolierter, denn ihre Verbündeten finden sich vor allem bei
parteipolitisch distanzierten Menschen mit geringem Behördenvertrauen. Im
bürgerlichen Lager hat sich die Zustimmung namentlich bei den FDPWählenden bis auf 30 Prozent verringert.
Räumlich gesehen gibt es in der italienischsprachigen Schweiz einen Gegentrend. Denn die Zustimmung hat hier zugenommen. Sie beträgt nun 68 Prozent. Demgegenüber wächst die Ablehnung in den deutsch- und französischsprachigen Landesteilen. Sie liegt bei 50 respektive 49 Prozent.
Grafik 50
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Sprachregion: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
33
22
34
43
5
18
7
3
11
11
19
7
5
8
10
16
11
18
15
21
eher dagegen
17
weiss nicht/keine
Antwort
12
31
eher dafür
21
44
36
51
bestimmt dafür
ICH/ 9.
Februar 2016
18
ICH/ 12.
Januar 2016
FCH/
12. Januar
2016
DCH/
9. Februar
2016
DCH/
12. Januar
2016
20
FCH/
9. Februar
2016
33
bestimmt dagegen
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Höher als im Schnitt ist die Zustimmungsbereitschaft auf dem Land. Da ist eine
Mehrheit dafür. Die Tendenz zum Nein kommt dagegen in den grossen Agglomerationen überproportional vor, wo es eine negative Mehrheit gibt.
63
Grafik 51
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Siedlungsart: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
bestimmt dagegen
30
10
7
16
31
32
43
12
10
7
8
5
5
16
18
12
46
14
6
26
35
22
grosse
Agglomeration/
12. Januar 2016
kleine/mittlere
Agglomeration/
12. Januar 2016
33
kleine/mittlere
Agglomeration/
9. Februar 2016
35
ländlich/
9. Februar 2016
ländlich/
12. Januar 2016
39
eher dagegen
11
4
11
28
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
bestimmt dafür
grosse
Agglomeration/
9. Februar 2016
28
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Auf der individuellen Ebene finden sich weitere, statistisch signifikante Unterschiede entlang der Schicht, des Geschlechts und des Alters. Vermehrt dagegen ist man bei hoher Bildung oder hohem Haushaltseinkommen, vermehrt
dafür sind Unterschichten und Männer, während Frauen und Mittelschichten
überdurchschnittlich zögern. Nennenswert sind die Schichteinflüsse: Teilnahmewillige mit einem höheren Schulabschluss sind zu 58 Prozent gegen die
SVP-Initiative. Bei Absolventinnen und Absolventen der obligatorischen Schulzeit ist die relevante Zahl genau gleich; hingegen sind 58 Prozent dafür. Der
Trend geht allerdings überall Richtung Nein-Aufbau. Relevant war diese Entwicklung bei 18- bis 39-Jährigen und Pensionierten, bei Frauen, bei Teilnahmewilligen mit hohen Einkommen, bei der FDP-Wählerschaft sowie bei Bewohnern und Bewohnerinnen urbaner Zentren, der Deutschschweiz oder der Romandie. In diesen Gruppen ist von der ersten zur zweiten Umfrage aus einer
mehrheitlichen Zustimmung eine mehrheitliche Ablehnung geworden.
Tabelle 13
Konfliktlinien: Durchsetzungsinitiative
Konflikt
Signifikanz
Ja ++
Nein ++
Unschlüssigkeit ++
Parteibindung
sig.
SVP, Parteiungebundene
GPS, SP, CVP
(GPS), (FDP), (Parteiungebundene)
Sprachregion
sig.
ICH
(DCH)
(FCH), (ICH)
Siedlungsart
sig.
(ländlich)
(grosse Agglomeration)
(kleine/mittlere Agglomeration)
Schulbildung
sig.
tief, mittel
hoch
(tief)
HH-Einkommen
sig.
bis CHF 3000,
(CHF 3-5000),
(CHF 5-7000)
(CHF 3-5000),
CHF 9-11000,
(über CHF 11000)
(CHF 7-9000)
Geschlecht
n.sig.
Alter
sig.
(18- bis 39-Jährige)
(40- bis 64-Jährige)
18- bis 39-Jährige
Regierungsvertrauen
sig.
Misstrauen
Vertrauen
(weiss nicht/keine Antwort)
Lesebeispiel: Aufgeführte Untergruppen weichen mehr als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab. Untergruppen in
Klammern weichen weniger als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
64
3.3.3 Stimmabsichten zur Durchsetzungsinitiative
verglichen mit der Ausschaffungsinitiative
Wichtigste Vergleichsabstimmung ist die zur Ausschaffungsinitiative. Sie passierte bei einer Beteiligung von 52,6 Prozent mit 52,9 Prozent Zustimmung und
einem Ja von 16,5 Ständen.
Um Vergleiche anstellen zu können, stellten wir eine Rückerinnerungsfrage
zum damaligen Stimmentscheid. Nur diese erlaubt es, Veränderungen auf dem
individuellen Niveau zu schätzen.
Der Vergleich der damaligen Stimmabsichten legt nahe, dass die Verhältnisse
bei SVP, SP und GPS im Wesentlichen gleich sind wie damals. Verändert hat
sich die Situation an der Basis der FDP und der CVP. Beide sind diesmal stärker
im Nein. Bei der CVP nahm der Anteil in den zweiten Wellen von 61 und 72
Prozent zu, bei der FDP stieg er von 49 auf 67 Prozent. Tendenziell gilt dies
auch für die Parteiungebundenen, denn der Ja-Anteil reduzierte sich hier von 62
auf 52 Prozent.
Grafik 52
Vergleich Filter Persönliche Stimmabsicht AusschaffungsInitiative und Durchsetzungsinitiative nach Parteibindung:
2. Welle
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Ausschaffungs-Initiative/Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
2 2
2
14
10
17
80
eher dagegen
5
5
11
19
5
18
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
71
14
11
11
11
3
32
43
30
34
bestimmt dafür
16
6
Parteiungebundene/
Durchsetzungsinitiative
11
20
9
bestimmt dagegen
28
Parteiungebundene/
Ausschaffungsinitiative
2
5
4
SVP/
Durchsetzungsinitiative
6
CVP/
Ausschaffungsinitiative
GPS/
Durchsetzungsinitiative
4
10
SP/
Durchsetzungsinitiative
8
6
4
GPS/
Ausschaffungsinitiative
11
17
SP/
Ausschaffungsinitiative
22
12
11
3
9
63
SVP/
Ausschaffungsinitiative
9
2
56
FDP/
Ausschaffungsinitiative
75
72
CVP/
Durchsetzungsinitiative
76
66
19
44
FDP/
Durchsetzungsinitiative
52
2
5
3
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. November 2010 im Trend, 2. Welle, 08. – 13.11.2010 (n = 771)
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Wer damals dafür war, will zu praktisch 77 Prozent erneut Ja sagen. 19 Prozent
der damaligen Befürworter haben ins Nein-Lager gewechselt. Wer damals dagegen stimmte, will es im wachsenden Masse, nämlich zu 91 Prozent, wieder
tun. 7 Prozent werden das Gegenteil machen. Damit gibt es auch auf individueller Ebene einen leichten Trend vom Ja bei der Ausschaffungsinitiative ins Nein
bei der Durchsetzungsinitiative. Die Entwicklung hat zwischen den Abstimmungen stattgefunden; sie ist mit dem Abstimmungskampf noch minimal stärker geworden.
65
Grafik 53
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Stimmabgabe Ausschaffungsinitiative:
Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
9
7
4
29
12
bestimmt dagegen
7
4
16
eher dagegen
65
80
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
51
61
16
7
8
4
ja/
12. Januar 2016
ja/
9. Februar 2016
nein/
12. Januar 2016
bestimmt dafür
11
2
4
3
nein/
9. Februar 2016
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Gliedert man diese Auswertung nach Parteilagern, sind die dynamischen Effekte von der ersten hin zur zweiten Umfrage wiederum bei den FDP- respektive
CVP-Wählenden am klarsten. Die Bilanz bei der FDP beträgt 20 Prozent vom Ja
ins Nein. Bei der CVP sind es knapp so viele. Bei den Ungebundenen halbiert
sich der Wert auf 9 Prozent. Gering sind die Verschiebungen wiederum bei SP,
GPS und SVP.
3.3.4 Argumententest
Beide Seiten verfügen unverändert über mindestens ein mehrheitsfähiges Argument in der Kontroverse zur Durchsetzungsinitiative.
Bei den Befürwortern ist es die Ausschaffung krimineller Ausländer und Ausländerinnen "ohne Wenn und Aber". Voll oder eher einverstanden sind 60 Prozent.
Bei der Gegnerschaft sind die Erschwernisse bei den Verhandlungen mit der
EU mit 67 Prozent bestimmtem oder tendenziellem Einverständnis das populärste Argument.
Bezogen auf die Ja-Argumente halten wir fest, dass die drei anderen, getesteten Botschaften für sich gesehen nicht mehrheitsfähig sind. Das gilt für die
Annahme, die vom Parlament beschlossene Umsetzung der Ausschaffungsinitiative entspreche nicht dem Volkswillen, für die Vorstellung, die Gerichte massen sich an, über dem Recht zu stehen und für die generelle Auffassung, der
Volkswille stehe über dem Völkerrecht. In allen drei Fällen teilen maximal 42-45
Prozent die Argumente der Initianten. Daraus kann man nicht zwingend eine
Nein-Mehrheit ableiten. Diese gibt es nur beim Vergleich von Volkswille und
Völkerrecht; da widerspricht die eindeutige Mehrheit der Position der Initianten,
derweil dies in den beiden anderen Fällen nur bei einer relativen Mehrheit der
Fall war.
66
Grafik 54
Trend Filter Pro-Argumente zur Durchsetzungsinitiative
"Ich lese Ihnen jetzt einige Argumente vor, die man im Zusammenhang mit der Durchsetzungsinitiative immer
wieder hören und lesen kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden,
eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht einverstanden sind."
kriminelle Ausländer ausschaffen "Kriminelle Ausländer gehören ohne Wenn und Aber ausgeschafft."
Gerichte über Recht* "Die Gerichte massen sich an, über dem Schweizer Recht zu stehen und verhindern legitime
Ausschaffungen."
Umsetzung Ausschaffungsinitiative ≠ Volkswillen "Die vom Parlament beschlossene Umsetzung der Ausschaffungsinitiative
entspricht nicht dem Volkswillen."
Volkswille wichtiger als Völkerrecht "Der Schweizer Volkswille ist wichtiger als das Völkerrecht."
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen, Anteil voll/eher einverstanden
65
60
44
43
45
45
42
kriminelle Ausländer
ausschaffen
Gerichte über CHRecht*
Umsetzung
Ausschaffungsinitiative
≠ Volkswillen
Volkswille wichtiger als
Völkerrecht
12. Januar 2016
9. Februar 2016
*nur in zweiter Welle befragt
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Anders sieht es bei den vier getesteten Nein-Botschaften aus. Sie sind für sich
betrachtet alle mehrheitsfähig. Das gilt jenseits des bereits erwähnten EUArgumentes für die Secondo-Problematik, für die Parlamentsvorlage zur Umsetzung für den Verstoss gegen die Härtefallklausel. Sie alle kennen 55 Prozent
bestimmtes oder tendenzielles Einverständnis oder auch mehr.
Grafik 55
Trend Filter Contra-Argumente zur Durchsetzungsinitiative
"Ich lese Ihnen jetzt einige Argumente vor, die man im Zusammenhang mit der Durchsetzungsinitiative immer
wieder hören und lesen kann. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden,
eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht einverstanden sind."
Verhandlungen mit EU schwieriger "Eine Annahme der Durchsetzungsinitiative macht die Verhandlungen mit der EU zur
Personenfreizügigkeit noch schwieriger."
Secondo-Problematik* "In der Schweiz geborene Ausländer und Ausländerinnen können nicht in ein Land ausgeschafft werden,
das sie kaum kennen."
vernünftige Gesetzesvorlage durch Parlament "Das Parlament hat eine vernünftige Gesetzesvorlage ausgearbeitet, die in
Kraft tritt, wenn die Durchsetzungsinitiative abgelehnt wird."
gegen Menschenrechtskonvention "Die Durchsetzungsinitiative verstösst gegen die Menschenrechtskonventionen weil sie
keine Härtefallklausel kennt."
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen, Anteil voll/eher einverstanden
68
61
52
67
Verhandlungen mit EU
schwieriger
63
60
55
Secondo-Problematik*
vernünftige Gesetzesvorlage
durch Parlament
gegen
Menschenrechtskonvention
12. Januar 2016
9. Februar 2016
*nur in zweiter Welle befragt
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
67
Schätzt man den Erklärungswert der Botschaften für die Stimmabsichten, zeigt
sich zuerst, dass 62 Prozent der individuell geäusserten Dispositionen zur
Durchsetzungsinitiative argumentativ korrekt nachvollzogen werden können.
Auch das spricht für eine fortgeschrittene Meinungsbildung, für die die Botschaften der Kampagnen relevant sind. Zudem fällt auf, dass jede der acht getesteten Botschaften einen Erklärungsbeitrag liefert, wenn auch nicht einen
gleich starken.
Grafik 56
Filter Regressionsanalyse persönliche Stimmabsicht
zur Durchsetzungsinitiative
Filter: Stimmberechtigte, die bestimmt teilnehmen wollen
Ja
Nein
kriminelle Ausländer ausschaffen
Ablehnung zu:
Volkswille wichtiger als Völkerrecht
gegen Menschenrechtskonvention
Gerichte über CH-Recht
vernünftige Gesetzesvorlage durch Parlament
Verhandlungen mit EU schwieriger
Umsetzung Ausschaffungsinitiative ≠
Volkswille
Secondo-Problematik
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167), R2 = 0.622
Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unabhängigen Variablen – hier der
Pro- und Contra-Argumente – (in abnehmender Reihenfolge) auf eine abhängige Variable, den Stimmentscheid. Anhand der Farbe lässt sich
2
unterscheiden, ob ein Element eher zu einer Ja-Stimmabgabe (blau) oder zu einer Nein-Stimmabgabe (orange) geführt hat. Das R gibt Auskunft
darüber, wie erklärungskräftig ein Modell ist – je näher der Wert bei 1 liegt, desto grösser ist der Anteil der Varianz in der abhängigen Variable, der
mit den unabhängigen Variablen erklärt wird. Argumente, welche in der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss. Argumente mit dem
Wortzusatz "Ablehnung zu" werden mehrheitlich verneint. Entsprechend sind solche Argumente in die andere Richtung eingefärbt und erhalten
besagten Zusatz. Die schwarze Linie in der Mitte der Abbildung bezeichnet den Median. Befindet sich ein Argument genau auf der Mitte der Linie,
bedeutet dies, dass 50 Prozent der Befragten einverstanden mit dem Argument sind, während die anderen 50 Prozent damit nicht einverstanden
sind ("Weiss nicht"-Angaben werden dafür ausgeklammert). Je weiter das Kästchen nach links oder rechts von der 50-Prozentlinie abweicht, desto
grösser ist die einseitige Beurteilung des betreffenden Arguments. Der rote Punkt dient als Lesehilfe, er markiert jeweils die Mitte des Kästchens.
Quantifiziert man die Effekte der einzelnen Argumente auf die Stimmabsichten,
resultiert die nachstehende Reihenfolge hinsichtlich der Polarisierung:
Ja-Seite

kriminelle Ausländerinnen und Ausländer ohne Wenn und Aber ausschaffen (mehrheitsfähig)

Gerichte massen sich an, über dem Schweizer Recht zu stehen (relative
Mehrheit)

Parlamentarische Umsetzung entspricht nicht dem Volkswillen (relative
Mehrheit)
68
Mit aufführen müssten wir selbstredend auch die Botschaft, der Volkswille sei
wichtiger als das Völkerrecht. Sie würde sogar an zweiter Stelle rangieren, wird
allerdings mehrheitlich verworfen, sodass man diese Botschaft eher als Bumerang-Polarisierung klassieren muss. Das Thematisieren des Vorrangs des
Volkswillens begünstigt ein Nein eher denn ein Ja.
Nein-Seite

Härtefallklausel (mehrheitsfähig)

Gesetzesvorlage des Parlaments (mehrheitsfähig)

Schwierigkeiten Verhandlungen mit EU (mehrheitsfähig)

Secondo-Problematik (mehrheitsfähig).
Die Initianten und Initiantinnen haben mit der konsequenten Ausschaffung krimineller Ausländer die zentrale Kampagnenbotschaft platzieren können. Dem
stehen aber verschiedenen Bedenken gegenüber, wie die fehlende Härtefallklausel, die Alternative mit dem Gesetzesvorschlag des Parlaments und die
Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit der EU. Überzeichnet haben die
Initianten mit dem Argument, Schweizer Volksentscheidungen würden über
dem Völkerrecht stehen. In dieser Frage wendet sich die Mehrheit von ihnen
ab.
Die Argumente können auch indexiert verwendet werden, um die Stimmabsichten zu kontrollieren. Indexiert man die Nähe und Distanz der Teilnahmewilligen BürgerInnen zu allen geprüften Argumenten, stehen 55 Prozent den NeinBotschaften näher, bei 40 Prozent gilt das hinsichtlich der Ja-Argumente. 5
Prozent lassen sich nicht klassieren, denn sie positionieren sich gleich häufig zu
Gunsten oder Ungunsten zu den Botschaften beider Seiten.
Die nachstehende Grafik listet die Parteien horizontal, und sie zeigt, in welchem
Masse die Parteigängerschaften uns eine Ja-Stimmabsicht bekundeten respektive in welchem Mass wir eine solche aufgrund der Argumentenbewertungen
insgesamt vermuten können. Dabei ist auffällig, dass die Unterschiede gering
sind. Bei der CVP sind die Wert praktisch identisch, bei der FDP besteht eine
Differenz von 4 Prozentpunkten, bei SP und GPS von je 6 und bei der SVP von
8 Prozentpunkten. Einzig bei den Parteiungebundenen gibt es eine relevante
Differenz von 11 Prozentpunkten.
Die Indexwerte sind dabei konsequent tiefer. Inhaltlich gesprochen bedeutet
dies, dass die Stimmabsichten nicht nur insgesamt leicht stärker im Ja sind als
die durchschnittlichen Bewertungen der Botschaften, nirgends aber das Umgekehrte vorliegt. Das würde bedeuten, dass versteckte Ja-Stimmen in der Sonntagsfrage nicht zum Ausdruck kämen, sich im Argumententest aber zeigen
würden. Dies ist kaum der Fall.
69
Grafik 57
Filter Zustimmung zur Durchsetzungsinitiative und Index
Argumente nach Parteien
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
90
Index Argumente
Ja+/Nein-
82
52
46
30
40
41
16
17
8
Stimmabsicht
bestimmt/eher dafür
Total
bestimmt
teilnehmende
Parteiungebundene
SVP
FDP
15
CVP
SP
GPS
2
10
26
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Erläuterung: Beim Argumentenindex werden die Argumente aufgrund ihrer Bedeutung für die Stimmabsicht recodiert. Dabei wird die Zustimmung
(sehr/eher einverstanden) zu den Pro-Argumenten und die Ablehnung zu den Contra-Argumenten (sehr/eher nicht einverstanden) als positiv
definiert, die Ablehnung (sehr/eher nicht einverstanden) zu den Pro-Argumenten und die Zustimmung (sehr/eher einverstanden) zu den ContraArgumenten als negativ definiert. Keine inhaltliche Nennung (weiss nicht/keine Antwort) bei den Argumenten wird als Null definiert. Dies wird für
jedes Argument berechnet und danach summiert. Entsteht eine positive Summe, liegt ein Überhang zur argumentativen Zustimmung vor, liegt eine
negative Summe vor, eine argumentative Ablehnung. Eine summierte Null bedeutet neutral. Der ausgewiesene Wert ist der positive Überhang zu
den Argumenten.
3.3.5 Szenarien der weiteren Meinungsbildung
Bei einer Volksinitiative kommt es in der Regel zu einer Verlagerung der kollektiven Meinungsbildung von der Beurteilung des mit der Vorlage angesprochenen Problems hin zur Lösung des Problems. Das führt dazu, dass die Zustimmungsbereitschaft insgesamt sinkt, derweil die Ablehnungstendenz mit
dem Abstimmungskampf zunimmt.
Grafik 58
Positiv prädisponierte Initiative mit Mehrheitswandel, Ablehnung
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Vor der Kampagne
 gfs.bern, Campaigning
Positiv prädisponierte Initiative ohne Mehrheitswandel, Annahme
Abstimmungstag
Nein
Nein
Unentschieden
Unentschieden
Ja
Ja
Vor der Kampagne
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
70
Der hier beschriebene Mechanismus funktioniert bei Initiativen mit linker Unterstützung letztlich lückenlos, derweil dies bei rechten Volksbegehren weniger
eindeutig der Fall ist. Denn es gibt auch Fälle, bei denen die Zustimmungsmehrheit bleibt respektive als Folge des Abstimmungskampfes erst entsteht.
Bezogen auf SVP-Initiativen kann man drei typische Fälle erwähnen:

Zustimmungsmehrheit von Anfang an und bleibend: Ausschaffungsinitiative

Anfängliche Minderheit, Wandel zur Mehrheit mit Kampagnen: Masseneinwanderungsinitiative

Zustimmungsmehrheit zu Beginn, Meinungsumschwung im Abstimmungskampf: Einbürgerungsinitiative
Grafik 59
Die bisherige Meinungsbildung unterscheidet sich von der bei der Initiative
gegen Masseneinwanderung am klarsten. Sie gleicht der bei der Ausschaffungsinitiative am deutlichsten. Der Unterschied zur Einbürgerungsinitiative ist
nur gradueller Natur, das aber deutlich. Oder anders gesagt: Wie bei er Ausschaffungsinitiative war die Zustimmungsbereitschaft in den SRG-Befragungen
zu Beginn mehrheitlich, verringerte sich dann aber. Im Referenzfall blieb die
mehrheitliche Zustimmung in unseren Befragungsreihen bis am Schluss. Das
stimmte sehr gut mit dem Endergebnis überein. Aktuell ist der Ja-Wert unter
die Hälfte gefallen.
Wenn wir das dennoch nicht für abschliessend entschieden halten, hat das mit
der denkbaren Eigenschaft rechter Initiativen insbesondere mit nationalkonservativem und rechtspopulistischen Gehalt respektive Kommunikation zu tun, die
man bei Ausländerfragen kennt. Demnach können solche Protestabstimmungen zwar im Abstimmungskampf selber an Zustimmung verlieren, dank der
Schlussmobilisierung legen sie aber kurzfristig noch einmal zu.
In Ansätzen sehen wir das bei der Durchsetzungsinitiative auch, wenn wir die
drei zur Verfügung stehenden Umfragen zum Thema als Film betrachten. Demnach reduzierte sich die harte Zustimmung vor allem als Folge des Vorabstimmungskampfes, während sie mit diesem wieder etwas zunahm.
71
Grafik 60
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar
2016: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
15
31
40
16
bestimmt dagegen
3
11
21
eher dagegen
9
7
5
20
13
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
bestimmt dafür
45
33
31
24. Oktober 2015
12. Januar 2016
9. Februar 2016
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Setzt sich die Gegenbewegung fort, ist der Ausgang offen, ohne das ist das
Nein eher wahrscheinlich.
Im Normalfall resultiert demnach ein Nein. Dafür spricht vor allem der Argumententest, es können aber auch Stimmabsichten beigezogenen werden. Dagegen kann man die Erwartungshaltung der Stimmwilligen vorbringen, die einen minimalen Ja-Überschuss sieht.
Tabelle 14
Indikatoren der Einschätzung der Durchsetzungsinitiative
Erwartung
Stimmende
Index
Argumente
SP,
GPS,
GLP,
Piraten,
CVP,
EVP,
BDP,
FDP
49%
55%
Bestimmt
Teilnehmende:
49%
Normalszenario mit
leicht sinkendem JaAnteil
Ausnahmeszenario,
wenn Beteiligungsabsicht stark steigend
SVP,
EDU
51%
40%
Bestimmt
Teilnehmende:
46%
Normalszenario mit
steigendem NeinAnteil
Ausnahmeszenario,
wenn Beteiligungsabsichten stark steigen
Ausprägung
Parlament
Parolen
dagegen
NR: 71%
SR: 83%
dafür
NR: 29%
SR: 13%
Insgesamt
Erklärung
Argumente
R2
62%
Stimmabsichten
Grad Meinungsbildung
Trenderwartung
Dispositionsansatz
63%
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 793)
Die etwas heterogenen Befunde passen gut zu rechten Initiativen mit nationalkonservativem und rechtspopulistischem Gehalt. Demnach entscheiden die
72
kurzfristigen Momente rund um Ereignisse in der Schlussphase der Abstimmung, auf welche Seite die Mehrheit kippt.
3.3.6 Stichworte für die Berichterstattung

potenzielle Mehrheitsinitiative von rechts (nationalkonservativ)

fortgeschrittene Meinungsbildung, aber nicht mehr zunehmend

hohe Prädisponierung durch Stimmverhalten bei Ausschaffungsinitiative.
Leichter Umschwung vom Ja ins Nein

Konsequente Ausschaffung krimineller Ausländer populärstes und wirksamstes Ja-Argument

fehlende Härtefallklausel, Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, Probleme für Bilaterale und Secondo-Problematik auf Nein-Seite
mehrheitsfähig und wirksam

Ausgang eher Nein, aber unverändert offen
73
3.4
Volksinitiative "Keine Spekulation mit
Nahrungsmitteln!"
3.4.1 Vorläufige Stimmabsichten
Zum Zeitpunkt der Befragung waren 31 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten bestimmt oder eher für die Volksinitiative "Keine Spekulation mit
Nahrungsmitteln". 54 Prozent waren bestimmt oder eher dagegen.
Der anfängliche Vorsprung der Initianten hat sich damit in einen Rückstand
verwandelt. Stattgefunden hat damit der bekannte Prozess der Meinungsbildung bei linken Initiativen.
Grafik 61
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar
2016: Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
19
32
bestimmt dagegen
20
eher dagegen
13
20
28
12. Januar 2016
22
weiss nicht/keine
Antwort
15
eher dafür
11
bestimmt dafür
20
9. Februar 2016
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Der Stand der Meinungsbildung zur Spekulationsstopp-Vorlage bleibt weiterhin
zurück. Nur 52 Prozent der Beteiligungsbereiten hatten knapp drei Wochen vor
dem Abstimmungstag eine bestimmte Stimmabsicht. Ein Drittel hat sich tendenziell entschieden, und bei 15 Prozent ist das gar nicht der Fall. Über die Zeit
betrachtet, sind die Veränderungen marginal. Die Meinungsbildung hat sich
graduell kaum verstärkt. Die Unentschiedenheit hat sogar leicht zugenommen.
Wahrgenommen hat man die Opposition. Sie wirkt sich auf den Trend in den
Stimmabsichten aus. So hat sich die Zustimmungsbereitschaft um 17 Prozentpunkte verringert, und die Ablehnungstendenz ist um 15 Prozentpunkte gestiegen. Im Schnitt beträgt die Veränderung 16 Prozentpunkte – ein weit überdurchschnittlicher Wert.
Die grosse Veränderung trotz geringer öffentlicher Debatte hat mit der Eigenschaft der Thematik zu tun. Das Anliegen geniesst, bei geringer Auseinandersetzung, ein Sympathiepotenzial. Dieses schwindet bei schon mässiger Beschäftigung mit der öffentlichen Meinung, weil keine festen Prädispositionen
bestehen. Für viele Stimmberechtigte ist das Thema neu. Und es ist auch anspruchsvoll. Der wichtigste, bekannte Mechanismus bei einer solchen Ausgangslage ist, dass man sich an der Parole der bevorzugten Partei ausrichtet.
74
3.4.2 Vorläufiges Konfliktmuster
Das Konfliktmuster in den Stimmabsichten zur Spekulationsstopp-Initiative ist
in erster Linie parteipolitischer Natur. Die Stimmabsichten sind je nach Parteibindung ungleich. Unverändert keinen Einfluss finden wir dagegen hinsichtlich
des Regierungsvertrauens/-misstrauens.
Am klarsten gegen die Initiative stimmen will die Basis der FDP. 74 Prozent
ihrer Wählenden sind mehr oder weniger klar dagegen. An der Basis von SVP
und CVP sind es je 60 Prozent.
Am klarsten dafür sind die Wählenden der GPS. 72 Prozent wollen hier zustimmen. Unter den SP-Wählenden sind es 50 Prozent.
Nicht eindeutig ist die Position der Parteiungebundenen. Eine relative Mehrheit
von 48 Prozent will Nein sagen, 30 Prozent wollen der Vorlage zustimmen. Die
Unschlüssigkeit hat hier im Verlaufe des Abstimmungskampfes klar zugenommen.
Im Übrigen gilt, dass der Trend in allen politischen Lagern gleich ist wie im Allgemeinen. Die Meinungsbildung entwickelt sich Richtung Nein.
Grafik 62
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
32
14
19
24
17
12
14
13
11
17
30
18
29
13
18
37
23
18
23
14
12
13
22
18
17
22
bestimmt
dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
11
8
11
7
8
31
27
19
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
37
SP/
9 Februar 2016
39
SP/
12. Januar 2016
47
GPS/
9. Februar 2016
GPS/
12. Januar 2016
58
28
51
24
13
13
27
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
26
28
SVP/
9. Februar 2016
25
22
20
SVP/
12. Januar 2016
14
15
FDP/
9. Februar 2016
19
7
14
FDP/
12. Januar 2016
13
7
8
CVP/ 9.
Februar 2016
17
2
CVP/
12. Januar 2016
4
eher dafür
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Die Entwicklung der Meinungsbildung folgt damit den Parolen der jeweiligen
Parteien. Die Trennlinie befindet sich zwischen Bürgerlichen und den Rotgrünen. Parteiungebundene sind dazwischen, mit einer leicht höheren Affinität
zum rechten als zum linken Lager.
Die Polarisierung ist erheblich. So unterscheiden sich die FDP- und GPSWählenden im Ja-Anteil um 57 Prozentpunkte. Im Nein-Anteil sind es 54 Prozentpunkte. Beides ist eindeutig mehr als zu Beginn des Abstimmungskampfes.
Die Mehrheiten in den Parteiwählerschaften entsprechen zwischenzeitlich
durchwegs den Parteiparolen. Unsicher ist einzig, ob dies bei der SP so bleibt.
Verschwunden ist dagegen die latente Zustimmungsbereitschaft im rechten
und konservativen politischen Lager.
75
Statistisch nur noch knapp relevant sind die anfänglichen Unterschiede, die wir
entlang von Schulabschluss, Alter und Geschlecht im Gefolge der ersten Welle
festhielten. Letztlich bleibt, dass Männer etwas mehr dagegen und Frauen
etwas unschlüssiger sind.
Signifikant sind einzig noch die Unterschiede nach Sprachregionen. Dies ist
allerdings nicht eine Folge verschiedener Zustimmungswerte. Denn sie
schwanken nur von 30 Prozent in der französischsprachigen Schweiz bis 39
Prozent in der italienischsprachigen. Deutlich anders sind dafür die Anteil auf
der Nein-Seite. In der deutschsprachigen Schweiz liegt ihr Wert bei 57 Prozent,
in der italienischsprachigen bei nur 29 Prozent. Hauptgrund ist, dass im Tessin
der Prozentsatz Unentschiedener mit 32 Prozent unüblich hoch ist und sich
auch nicht verringert hat.
Grafik 63
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Sprachregion: Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
19
21
9
22
35
25
12
17
23
18
30
10
11
21
20
FCH/
12. Januar
2016
15
DCH/
9. Februar
2016
DCH/
12. Januar
2016
32
33
28
ICH/
9. Februar
2016
18
31
ICH/
12. Januar
2016
22
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
bestimmt dafür
15
FCH/
9. Februar
2016
11
21
8
12
22
30
9
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Untenstehende Tabelle fasst die Befunde zum Konfliktmuster der Initiative
gegen Nahrungsmittelspekulation zusammen.
Auf einen Argumententest wurde für die zweite Welle aufgrund der klaren
Ausgangslage verzichtet.
76
Tabelle 15
Konfliktlinien: VI gegen Nahrungsmittelspekulation
Konflikt
Signifikanz
Ja ++
Nein ++
Unschlüssigkeit ++
Parteibindung
sig.
GPS, SP
CVP, FDP, SVP
Parteiungebundene
Sprachregion
sig.
ICH
(DCH)
FCH, ICH
Siedlungsart
n.sig.
Schulbildung
sig.
(mittel)
(hoch)
(tief), (mittel)
HH-Einkommen
n.sig.
Geschlecht
sig.
(Frau)
Mann
Frau
Alter
sig.
(18-39-Jährige), (40-64- (18-39-Jährige), 65+Jährige)
Jährige
(40-64-Jährige)
Regierungsvertrauen
sig.
(Misstrauen)
weiss nicht/keine Antwort,
(Misstrauen)
Konfession
n.sig.
(Vertrauen)
Lesebeispiel: Aufgeführte Untergruppen weichen mehr als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab.
Untergruppen in Klammern weichen weniger als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
3.4.3 Szenarien der weiteren Meinungsbildung
Bei einer Volksinitiative kommt es in der Regel zu einer Verlagerung der kollektiven Meinungsbildung von der Beurteilung des angesprochenen Problems
zur Beurteilung der vorgeschlagenen Lösung. Das hat zur Folge, dass die Ablehnungsbereitschaft mit der Dauer des Abstimmungskampfes steigt, während
sich die Zustimmungstendenz verringert. Bei linken Initiativen gilt dieser Normalfall fast lückenlos.
Die Volksinitiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmittel" der Jungsozialisten,
unterstützt von diversen Kreisen aus dem Mitte/links-Spektrum, fügt sich in
eine Reihe von Vorlagen ein. Namentlich erwähnt sei hier die eidgenössische
Initiative "1:12"; verwiesen sei auch auf vergleichbare Vorlagen wie die zum
Mindestlohn. Ihnen gemeinsam ist, dass sie wirtschaftskritisch aufgestellt sind
und stets mit einer moralischen Anklage verbunden sind.
Für eine Ablehnung in der Volksabstimmung spricht, dass die Behörden die
Vorlage nicht unterstützen und das bürgerliche Lager fast geschlossen auf der
Nein-Seite steht. Diesmal kommt hinzu, dass die Vorlage auch bei den Jungparteien klar im Links/rechts Spektrum polarisiert.
Tabelle 16
Indikatoren der Einschätzung der VI gegen Nahrungsmittelspekulation
Parlament
Parolen
dagegen
NR: 69%
SR: 74%
GLP, CVP,
FDP, SVP,
EDU
54%
Normalszenario mit
Zunahme Nein
dafür
NR: 31%
SR: 26%
SP, GPS,
EVP
31%
Normalszenario mit
Abnahme Ja
Insgesamt
Stimmabsichten
Entschiedenheit
Trenderwartung
Dispositionsansatz
Ausprägung
52%
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 793)
Bis zum Abstimmungstag gehen wir davon aus, dass sich der bisherige Trend
fortsetzt, denn er entspricht den theoretischen Erwartungen und die empirisch
nachgewiesene Entwicklung ist erheblich.
Ein Nein am Abstimmungstag ist sicher, sehr wahrscheinlich sogar deutlicher
als es jetzt zum Ausdruck kommt.
77
Grafik 64
Negativ prädisponierte Initiative ohne Mehrheitswandel, Ablehnung
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Nein
Unentschieden
Ja
Vor der Kampagne
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
3.4.4 Stichworte für die Berichterstattung

Minderheitsinitiative von links

Meinungsbildung weiterhin eher wenig ausgeprägt

starke Polarisierung auf der Links/rechts-Achse, vor allem zwischen FDP
und GPS

Trend zur Annäherung an parlamentarische Mehrheiten

kein Elite/Basis-Konflikt, allenfalls bei SP eine Differenz

Ablehnung dürfte weiter steigen, Zustimmung weiter sinken

Ablehnung in der Volksabstimmung sicher
78
3.5
Änderung des Bundesgesetzes über den
Strassentransitverkehr im Alpengebiet
3.5.1 Vorläufige Stimmabsichten
Anfang Februar 2016 hätten 56 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten für die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im
Alpengebiet gestimmt. 39 Prozent wären dagegen gewesen. Der Zweite Gotthardtunnel wäre demzufolge angenommen worden, hat jedoch gegenüber den
im Januar festgehaltenen Werten etwas an Zustimmung eingebüsst (-8%punkte). Der Abstimmungskampf gab der gegnerischen Argumentation Raum,
was sich in den Stimmabsichten bemerkbar macht; die Nein-Seite konnte innert Monatsfrist 10 Prozentpunkte gutmachen.
Unentschieden bleiben mit 5 Prozent nur noch wenige Stimmberechtige mit
Teilnahmeabsicht und der Kampagnenverlauf hat das Meinungsbild weiter gefestigt, denn 65 Prozent sind in der Frage des zweiten Gotthardtunnels bereits
fest entschlossen.
Grafik 65
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar
2016: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
16
27
bestimmt
dagegen
13
7
12
eher dagegen
5
24
18
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
40
12. Januar 2016
38
bestimmt dafür
9. Februar 2016
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Typologisch entspricht die Sanierungsvorlage zum Gotthardtunnel einer positiv
prädisponierten Behördenvorlage. Diese Einschätzung ist neben dem JaVorsprung auch dem Umstand geschuldet, dass kein Unterschied in der mehrheitlichen Einschätzung der Vorlage von Regierung, Parlament und der teilnahmewilligen Bevölkerung existiert.
Die vornehmliche Kampagnenwirkung bei einer Behördenvorlage ist die Überzeugung Unschlüssiger, was bisher erst in geringem Masse geschah (-2%punkte). Vielmehr erfasste die Nein-Kampagne im vorliegenden Fall auch tendenzielle Befürworterinnen und Befürworter, denn der Sockel dieser tendenziellen Zustimmung zum Zweiten Gotthardtunnel ist am schmelzen. Diese Entwicklung entspricht typologisch einer Polarisierung der Meinungsbildung zum
Nein.
79
Klimatisch wird allerdings nach wie vor ein Vorteil für die Ja-Seite wahrgenommen: Die teilnahmewilligen Stimmberechtigten schätzen im Schnitt, dass die
Vorlage am Abstimmungstag 53.7 Prozent Zustimmung erreichen wird. Lediglich eine Minderheit von ihnen geht von einer Ablehnung der Vorlage aus (22%
gehen von einem Ja-Anteil unter 50 Prozent aus), 70 Prozent rechnen mit einer
Zustimmung. Damit haben sich die Erwartung des Abstimmungsausgangs und
die geäusserten Stimmabsichten einander angenähert.
3.5.2 Vorläufiges Konfliktmuster
Symptomatisch für diesen fortgeschrittenen Stand der Meinungsbildung ist die
deutliche und sich mit der zweiten Umfrage konsolidiert erweisende Polarisierung. Mit Ausnahme der Siedlungsart und des Alters erweisen sich alle untersuchten Grössen als signifikante Spaltungsmerkmale. Nur in zwei Fällen führt
diese Spaltung jedoch zu vom Mainstream abweichenden Mehrheiten. Die
Entwicklung der Stimmabsichten verlief dabei in der Mehrheit der Untergruppen gleich; der Nein-Anteil ist etwas angestiegen, der Ja-Anteil ist rückläufig
oder hält sich stabil.
Die primäre Polarisierung im Abstimmungskampf verläuft entlang der Parteibindungen und spaltet zwischen links und rechts. Linke Parteiwählerschaften
wurden von der Nein-Kampagne bestätigt und konsolidierten ihre ablehnende
Haltung, während in der Mitte und im rechten Spektrum weniger Bewegung
festzustellen ist. Sympathisantinnen und Sympathisanten der GPS und der SP
bleiben im Nein. Im Umfeld der CVP kippen die Mehrheitsverhältnisse ins Ja
und auch FDP- und SVP-affine Teilnahmewillige sind klar dem BefürworterLager zuzurechnen. Parteiungebundene schliessen sich dieser Mehrheit an,
allerdings hat hier die Nein-Kampagne deutliche Spuren hinterlassen, denn der
Nein-Anteil stieg innerhalb eines Monats um 13 Prozentpunkte.
Grafik 66
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
15
32
46
61
2
21
22
9
6
10
7
3
20
18
9
4
5
12
42
47
22
48
9
16
8
16
19
36
18
27
15
60
27
11
4
32
20
35
38
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
53
18
bestimmt dafür
Parteiungebundene/
12. Januar 2016
Parteiungebundene/
9. Februar 2016
2
GPS/
12. Januar 2016
GPS/
9. Februar 2016
5
7
8
8
SVP/
12. Januar 2016
SVP/
9. Februar 2016
18
10
18
25
9
6
10
FDP/
12. Januar 2016
FDP/
9. Februar 2016
11
32
SP/
12. Januar 2016
SP/
9. Februar 2016
15
2
15
CVP/
12. Januar 2016
CVP/
9. Februar 2016
55
21
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Die Stimmabsichten sämtlicher Parteiwählerschaften sind damit, wie bereits in
der Ausgangslage, im Einklang mit den Parolen ihrer jeweiligen Partei. Es be80
stehen keine parteiinternen Elite/Basis-Konflikte, aber die Parteien und Wählerschaften aus dem linken Spektrum stehen in Opposition zur Behördenposition.
Die Vorlage zum zweiten Gotthardtunnel kennt zwei Betroffenheitsdimensionen, denn man kann als Einwohner eines angrenzenden Kantons oder aber als
Autofahrer direkt von den Auswirkungen eines Stimmentscheids tangiert sein.
Während die vorliegende Stichprobe nicht ausreicht, um Aussagen auf Kantonsebene machen zu können, können approximativ die Sprachregion untersucht werden. Die Frage jedoch, ob man selber Autobesitzer oder Autobesitzerin ist oder nicht, spaltet weitaus stärker.
Neben Sympathisanten der SP und der GPS sind Teilnahmewillige ohne Auto
die einzige Untergruppe, welche der Vorlage ablehnend gegenübersteht. Gefestigte 55 Prozent von ihnen hätten am 9. Februar 2016 Nein gestimmt. Teilnahmewillige dagegen, die ein Auto besitzen und noch deutlicher solche mit
zwei Autos und mehr hätten den Sanierungstunnel angenommen (50%/68%
eher/bestimmt dafür).
Grafik 67
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Autobesitz: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
10
16
36
29
43
13
7
11
12
18
12
24
7
bestimmt dagegen
6
10
4
eher dagegen
25
22
weiss nicht/keine
Antwort
15
6
16
40
23
14
18
13
35
46
46
eher dafür
23
zwei Autos und
mehr/
9. Februar 2016
zwei Autos und
mehr/
12. Januar 2016
ein Auto/
9. Februar 2016
ein Auto/
12. Januar 2016
kein Auto/
9. Februar 2016
kein Auto/
12. Januar 2016
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Nach Sprachregionen betrachtet bleibt die Westschweiz in der Meinungsbildung zurück; nicht nur finden sich klar weniger fest Entschlossene, auch ist das
Meinungsbild bei 47 Prozent Befürwortern und 42 Prozent Gegnern wenig akzentuiert. In der Deutschschweiz sprechen sich 58 Prozent für den Sanierungstunnel aus und 39 Prozent dagegen, Nur noch drei Prozent sind unentschieden.
Alle drei Sprachregionen wurden von einer Polarisierung hin zum Nein erfasst,
allerdings fällt diese in der Romandie und insbesondere im Tessin deutlich stärker aus als in der Deutschschweiz. Im Tessin geben noch 51 Prozent für den
Zweiten Gotthardtunnel zu stimmen, vor einem Monat waren es 76 Prozent.
Das bleibt eine Mehrheit für den Tunnel, der anfängliche Enthusiasmus für den
Sanierungstunnel wurde allerdings im Tessin von relevanten Zweifeln abgeschwächt.
81
Grafik 68
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Sprachregion: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
22
11
3
11
23
30
22
8
bestimmt dagegen
11
eher dagegen
9
22
weiss nicht/keine
Antwort
54
42
21
25
FCH/
12. Januar 2016
FCH/
9. Februar 2016
41
DCH/
9. Februar 2016
DCH/
12. Januar 2016
19
6
7
11
17
32
44
11
23
eher dafür
ICH/
9. Februar 2016
13
3
13
28
ICH/
12. Januar 2016
18
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Beschränkt erweisen sich gesellschaftliche Differenzierungen als relevant. So
zeigen sich Frauen weniger deutlich in ihrer Zustimmung als Männer oder jüngere Teilnahmewillige weniger als ältere. Unter dem Strich würden jedoch
Frauen (52%) wie Männer (59%) respektive Junge (51%) wie Teilnahmewillige
im mittleren Alter (56%) oder Pensionierte (58%) mehrheitlich für den Sanierungstunnel am Gotthard stimmen.
Grafik 69
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Alter: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
14
25
15
5
34
15
27
12
19
5
8
29
12
10
7
26
20
16
10
8
5
12
17
20
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
40
41
65+-Jährige/
9. Februar 2016
bestimmt dafür
65+-Jährige/
12. Januar 2016
18-39-Jährige/
9. Februar 2016
39
40-64-Jährige/
9. Februar 2016
31
40-64-Jährige/
12. Januar 2016
32
18-39-Jährige/
12. Januar 2016
eher dafür
46
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
82
Am Rande erweisen sich zudem sozioökonomische Grössen als relevant, wobei nicht das Einkommen wohl aber die Schulbildung eine Rolle spielt. Tief Gebildete sind nämlich die dritte vom Mainstream abweichende Gruppe, denn sie
wurden von einem straken Nein-Trend erfasst und lehnen den Sanierungstunnel relativmehrheitlich ab. Das war in der ersten Umfrage klar anders. Ein gewisses Mass an Polarisierung findet sich auch unter Hochgebildeten, sie bleiben jedoch mehrheitlich dem Ja zugeneigt.
Grafik 70
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Schulbildung: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
25
3
7
27
17
25
19
28
14
13
21
15
7
9
4
20
17
14
7
27
14
5
19
14
43
45
37
hoch/
12. Januar 2016
mittel/
9. Februar 2016
mittel/
12. Januar 2016
tief/
9. Februar 2016
tief/
12. Januar 2016
24
34
hoch/
9. Februar 2016
46
bestimmt dagegen
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
bestimmt dafür
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Zu guter Letzt erweist sich auch das Institutionenvertrauen als signifikant, wobei sich keine Anzeichen für einen Protestcharakter dieser Entscheidung finden
lassen. Regierungskritische Teilnahmewillige sind nämlich die am stärksten
befürwortende Gruppe. Am verhaltensten ist die Zustimmung unter jenen Teilnahmewilligen, die keine Angabe zum Regierungsvertrauen machen können
oder wollen. Nahe am Durchschnitt bewegen sich die Zustimmungswerte von
Stimmberechtigten, die der Regierung grundsätzlich vertrauen.
83
Grafik 71
Trend Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016
nach Regierungsvertrauen: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
14
27
29
26
14
12
15
4
8
14
19
9
3
24
16
16
36
weiss nicht/
keine Antwort/
12. Januar 2016
32
eher dagegen
weiss nicht/keine
Antwort
eher dafür
44
44
Vertrauen/
9. Februar 2016
Vertrauen/
12. Januar 2016
39
19
15
9
bestimmt dagegen
28
bestimmt dafür
Misstrauen/
9. Februar 2016
24
weiss nicht/
keine Antwort/
9. Februar 2016
7
28
9
Misstrauen/
12. Januar 2016
16
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Mit anderen Worten: Die Opposition gegen den Sanierungstunnel am Gotthard
kommt von links, wird an der Basis von GPS und SP mehrheitlich getragen und
sie wird verstärkt von Teilnahmewilligen, die kein Auto besitzen oder maximal
über einen obligatorischen Schlussabschluss verfügen. Kritische oder zögernde
Untertöne finden sich eher bei jenen Teilnahmewilligen, die den Behörden gegenüber indifferent eingestellt sind oder in der Westschweiz leben. Zusammengefasst finden sich diese Befunde in der nachfolgenden Tabelle.
Tabelle 17
Konfliktlinien: Zweite Gotthardröhre
Konflikt
Signifikanz
Ja ++
Nein ++
Unschlüssigkeit ++
Parteibindung
sig.
CVP, FDP, SVP,
GPS, SP
(Parteiungebundene)
(CVP), (FDP)
Sprachregion
sig.
(DCH)
(FCH)
(FCH), (ICH)
Siedlungsart
n.sig.
Schulbildung
sig.
mittel,
tief, (hoch)
tief
HH-Einkommen
n.sig.
Geschlecht
sig.
(Mann)
(Frau)
(Frau)
Alter
sig.
(65+-Jährige)
(18-39-Jährige)
Regierungsvertrauen
sig.
(Misstrauen)
(Vertrauen), (weiss
nicht/keine Antwort)
Autobesitz
sig.
zwei Autos und
mehr
kein Auto, (ein Auto) (kein Auto), (ein
Auto)
Konfession
sig.
(römisch-katholisch)
(keine Konfession)
weiss nicht/keine
Antwort
(keine Konfession)
Lesebeispiel: Aufgeführte Untergruppen weichen mehr als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab.
Untergruppen in Klammern weichen weniger als 5 Prozentpunkte vom Mittel der Teilnahmewilligen ab.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
84
3.5.3 Argumententest
Die Ja-Seite kann mit vier überzeugenden Botschaften werben, wobei das Sicherheitsargument heraussticht. Stabile 88 Prozent akzeptieren die Aussage,
dass je eine Fahrspur pro Tunnel sicherer sei als eine Variante mit Gegenverkehr. Diese Argumentationslinie ist weitgehend unbestritten. Stabile 62 Prozent
erachten die Notwendigkeit von Zusatzbauten und den resultierenden Landverschleiss als gegeben.
Bewegung ist allerdings in der Frage der Abkoppelung des Tessins festzustellen. Noch vor einem Monat war dies das zweitstärkste Argument für den Sanierungstunnel, zwischenzeitlich wurde es auf den dritten Rang verwiesen
(-7%-punkte), wird aber nach wie vor mehrheitlich geteilt. Das neu getestete,
vierte Kampagnenargument zu den Schäden für die Schweizer Wirtschaft bei
einer Schliessung des Tunnels überzeugt 57 Prozent der Teilnahmewilligen, 37
Prozent widersprechen.
Kurzum liegt die Vorlage dann richtig, wenn sie die Notwendigkeit des Tunnels
glaubhaft machen kann – sei es, um das Tessin nicht abzuhängen, sei es um
Landverschwendung zu vermeiden – und, wenn sie an Sicherheitsbedürfnisse
und den Wirtschaftsstandort Schweiz appelliert. Dynamisch betrachtet hat dabei die staatspolitische Argumentation etwas an Boden verloren.
Grafik 72
Trend Filter Pro-Argumente zur Zweiten Gotthardröhre
"Ich lese Ihnen jetzt einige Argumente vor, die man im Zusammenhang mit der Änderung des Bundesgesetzes
über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet immer wieder hören und lesen kann. Sagen Sie mir bitte
jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden, eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht
einverstanden sind."
je eine Fahrspur sicherer "Zwei Tunnelröhren mit je einer Fahrspur sind sicherer als ein Tunnel mit Gegenverkehr."
Landverbrauch für Bahnverlad " Die Verbindung zu Norditalien, dem drittwichtigsten Handelspartner der Schweiz, zu kappen ist
schädlich für die Schweizer Wirtschaft."
Tessin nicht abschneiden** " Die Schweiz kann es sich nicht leisten, das Tessin während dreier Jahre abzukoppeln."
schädlich für CH Wirtschaft* "Die Verbindung zu Norditalien, dem drittwichtigsten Handelspartner der Schweiz, zu kappen ist
schädlich für die Schweizer Wirtschaft."
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen , Anteil voll/eher einverstanden
88
88
68
62
61
61
je eine Fahrspur
sicherer
Landverbrauch für
Bahnverlad
57
Tessin nicht
abschneiden
schädlich für CH
Wirtschaft*
12. Januar 2016
9. Februar 2016
*nur in zweiter Welle befragt
**Änderung Fragestellung zur ersten Welle
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Auch vier Argumentationslinien der Gegenkampagne wurden getestet und sie
erfahren allesamt mehrheitliche Unterstützung. Der Gegnerschaft gelang es
folglich mit Fortschreiten der Kampagne, relevante Zweifel zu streuen. Dieser
Umstand äussert sich bereits in der beschriebenen leichten Polarisierung der
Stimmabsichten zum Nein, er ist aber auch inhaltlich untermauert: Stabile 67
Prozent der Stimmberechtigten befürchten nämlich, dass der Druck zur Öffnung der zweiten Fahrspur steigen werde und ebenso stabile 59 Prozent erachten einen Widerspruch zum Alpenschutz erachten als gegeben. Leicht an Boden verloren hat dagegen das Argument, dass sich der Verkehr am Gotthard
und damit auch gesundheitsschädigende Emissionen erhöhen werde (-3%punkte).
85
Zusätzlich erachten 58 Prozent den hohen Mitteleinsatz am Gotthard als falsch,
weil dann Geld zur Lösung anderer Verkehrsengpässe fehle. Dieses Argument
hat gegenüber der ersten Welle als einziges namhaft an Unterstützung gewonnen (+6%-punkte).
Die Opposition hält dem Bau der zweiten Gotthardröhre Bedenken zur Verkehrsbelastung und dem Druck dieser nachzugeben sowie ökologische Einwände entgegen. Mit dem Kampagnenverlauf aufzubauen, vermochte sie die
Kritik, das Projekt fokussiere zu einseitig auf einen einzelnen Verkehrsknotenpunkt.
Grafik 73
Trend Filter Contra-Argumente zur Zweiten Gotthardröhre
"Ich lese Ihnen jetzt einige Argumente vor, die man im Zusammenhang mit der Änderung des Bundesgesetzes
über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet immer wieder hören und lesen kann. Sagen Sie mir bitte
jeweils, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden, eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht
einverstanden sind."
Druck aus In- und Ausland wird steigen "Der Druck aus dem In- und Ausland zur Öffnung der zweiten Fahrspur, wird nach
deren Fertigstellung steigen."
widerspricht Schutz der Alpen** "Der geplante Sanierungstunnel widerspricht dem vom Volk beschlossenen Schutz der Alpen
vor immer mehr Strassenverkehr."
verbraucht finanzielle Mittel "Der Bau eines Gotthard-Sanierungstunnels verbraucht finanzielle Mittel, die dann bei Ausbau
anderer Verkehrsengpässe in der Schweiz fehlen."
Verkehr am Gotthard erhöht sich** "Mit der zweiten Röhre erhöht sich der Verkehr am Gotthard, der Ausstoss von Schadstoffen
und die Lärmbelastung steigen."
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen , Anteil voll/eher einverstanden
66
58
57
52
67
59
Druck aus In- und
Ausland wird steigen
58
55
widerspricht Schutz der
Alpen
verbraucht finanzielle
Mittel
Verkehr am Gotthard
erhöht sich
12. Januar 2016
9. Februar 2016
**Änderung Fragestellung zur ersten Welle
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Für eine quantitative Hierarchisierung der Argumentationskette erlaubt die Regressionsanalyse, denn erst sie legt offen, wie die Argumente im Zusammenspiel auf einen Stimmentschied wirken.
Bemerkenswert ist, dass erstens alle acht hier getesteten Argumente auf einen
Stimmentscheid wirken und zweitens, dass damit hohe 53 Prozent einer Entscheidung für oder gegen die zweite Röhre am Gotthard erklärt werden können. Wir haben es hier also nicht mit einem Bauchentscheid, sondern einer
argumentativ abgestützten Entscheidung zu tun. Relativierend muss höchstens
der Umstand erwähnt werden, dass bei dieser Vorlage acht anstelle von sechs
Argumenten getestet wurden, und das alleine erhöht die Modellgüte leicht.
Insofern ist bei direkten Vergleichen mit den Werten anderer Vorlagen gewisse
Vorsicht geboten.
Was sich gegenüber der ersten Welle am meisten verändert hat, ist die Dominanz der gegnerischen Argumentation. Die beiden stärksten Argumente zur
Erklärung eines Stimmentscheids sind nämlich neu Contra-Argumente. Befürchtungen rund um erhöhtes Verkehrsaufkommen sowie die Gefährdung des
Alpenschutzes erweisen sich als effektivste Schwachstelle des Sanierungstunnels, denn diese beiden Argumente befördern am ehesten ein Nein. Dahinter
reiht sich jedoch die gesamte Pro-Argumentation geschlossen ein und sämtliche Argumente der Pro-Seite wirken wie intendiert auf ein Ja. Ein eigentliches
Killerargument ist dabei schwer auszumachen, denn alle vier getesteten Argumentationslinien wirken ähnlich stark. Etwas mehr in den Vordergrund gerückt
86
ist gegenüber der ersten Umfrage das Sicherheitsargument, weiterhin als zentral erweist sich die staatspolitische Räson. Befürchtete Wirtschaftsschäden
und der Landverschleiss für Zusatzbauten wirken ähnlich stark auf ein Ja. Weniger bedeutend ist dagegen die Wirkung der Contra-Argumente zum Mitteleinsatz und zum Druck der Öffnung auf ein Nein.
Die Erfolge, die der gegnerischen Seite durchaus attestiert werden können,
nähren sich also primär aus zwei Quellen: Die Angst, dass sich das Verkehrsaufkommen durch einen zweiten Tunnel erhöht und der Widerspruch zum vom
Volk beschossenen Alpenschutz. Die Befürworterseite hält jedoch den Sicherheitsaspekt und die Solidarität mit dem Tessin als starke Motive dafür in der
Hand und überzeugt gemessen an den aktuellen Stimmabsichten offensichtlich
mehr.
Grafik 74
Filter Regressionsanalyse persönliche Stimmabsicht
zur Zweiten Gotthardröhre
Filter: Stimmberechtigte, die bestimmt teilnehmen wollen
Ja
Nein
Verkehr am Gotthard erhöht sich
widerspricht Schutz der Alpen
je eine Fahrspur sicherer
Tessin nicht abschneiden
Landverbrauch für Bahnverlad
schädlich für CH Wirtschaft
verbraucht finanzielle Mittel
Druck aus In- und Ausland wird steigen
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167), R2 = 0.529
Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unabhängigen Variablen – hier der
Pro- und Contra-Argumente – (in abnehmender Reihenfolge) auf eine abhängige Variable, den Stimmentscheid. Anhand der Farbe lässt sich
2
unterscheiden, ob ein Element eher zu einer Ja-Stimmabgabe (blau) oder zu einer Nein-Stimmabgabe (orange) geführt hat. Das R gibt Auskunft
darüber, wie erklärungskräftig ein Modell ist – je näher der Wert bei 1 liegt, desto grösser ist der Anteil der Varianz in der abhängigen Variable, der
mit den unabhängigen Variablen erklärt wird. Argumente, welche in der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss. Argumente mit dem
Wortzusatz "Ablehnung zu" werden mehrheitlich verneint. Entsprechend sind solche Argumente in die andere Richtung eingefärbt und erhalten
besagten Zusatz. Die schwarze Linie in der Mitte der Abbildung bezeichnet den Median. Befindet sich ein Argument genau auf der Mitte der Linie,
bedeutet dies, dass 50 Prozent der Befragten einverstanden mit dem Argument sind, während die anderen 50 Prozent damit nicht einverstanden
sind ("Weiss nicht"-Angaben werden dafür ausgeklammert). Je weiter das Kästchen nach links oder rechts von der 50-Prozentlinie abweicht, desto
grösser ist die einseitige Beurteilung des betreffenden Arguments. Der rote Punkt dient als Lesehilfe, er markiert jeweils die Mitte des Kästchens.
Aufgrund der regionalen Betroffenheit ist ein Blick auf die Sprachregionen aufschlussreich. Nachfolgende Tabelle fasst die Zustimmung zu den Argumenten
und ihre Wirkung gemäss Regressionsanalyse zusammen.
Interessant ist das Tessin, denn es erweist sich nur ein einziges der ProArgumente als relevant für einen Stimmentscheid; das Sicherheitsargument.
Das war vor einem Monat noch anders, denn damals war das einzige wirksame
Argument für die Vorlage, dass man nicht abgeschnitten werden wollte. Dieser
Effekt hat sich neutralisiert. Was allerdings bleibt, ist dass ein Nein-Argumente
stärker wirkt als das Sicherheitsargument, was die gestiegenen Nein-Anteile in
den Tessiner Stimmabsichten erklären dürfte: Die Angst vor erhöhter Verkehrsbelastung wirkt sich sehr stark auf ein Nein aus. Den finanziellen Mittel87
verbrauch erachten die Ticinesi dagegen als wenig problematisch, eher noch ist
der Alpenschutz ein entscheidrelevantes Kriterium für ein Nein.
Das ist in der Deutschschweiz und in vor allem der Romandie klar anders: Weil
man einseitigen Mitteleinsatz befürchtet, ist man dort eher dem Nein zugeneigt.
Das Zögern der Romandie in Bezug auf den Zweiten Gotthardtunnel lässt sich
anhand der Regressionsanalyse gut nachzeichnen, denn die Angst vor erhöhter
Verkehrsbelastung ist hier das stärkste Argument und es wirkt gegen eine
zweite Gotthardröhre. Die Zustimmung dagegen wird in der französischsprachigen Schweiz am stärksten vom Wirtschaftsargument getragen, was in den
anderen beiden Sprachregionen höchstens am Rande zum Tragen kommt.
Die Leseweise ist in der Deutschschweiz nochmal leicht anders, obwohl auch
dort die Angst vor erhöhtem Verkehrsaufkommen das wirksamste Argument
ist. Wirksamstes Pro-Argument ist in der Deutschschweiz nämlich das staatspolitische Argument, das Tessin nicht abzukoppeln. Bemerkenswert ist, dass
diese Argumentation einzig in der Deutschschweiz Wirksamkeit entfaltet.
Tabelle 18
Regressionen nach Sprachregion: Zweite Gotthardröhre
deutschsprachige
Schweiz
französischsprachige
Schweiz
italienischsprachige
Schweiz
schädlich für CH Wirtschaft
Zustimmung
.100
Zustimmung
.250
Zustimmung
n.s.
Tessin nicht abschneiden
Zustimmung
.162
Zustimmung
n.s.
Zustimmung
n.s.
Landverbrauch für Bahnverlad
Zustimmung
.155
Zustimmung
.107
Zustimmung
n.s.
je eine Fahrspur sicherer
Zustimmung
.155
Zustimmung
.147
Zustimmung
.212
widerspricht Schutz der Alpen
Zustimmung
-.202
Zustimmung
-.192
Zustimmung
-.178
Verkehr am Gotthard erhöht sich
Zustimmung
-.252
Zustimmung
-.299
Zustimmung
-.431
verbraucht finanzielle Mittel
Zustimmung
-.080
Zustimmung
-.191
Ablehnung
-.247
Druck aus In- und Ausland wird
steigen
Zustimmung
-.078
Zustimmung
n.s.
Zustimmung
n.s.
JaMehrheit
relative JaMehrheit
JaMehrheit
mittel
.530
mittel
.526
hoch
.615
Argument
Pro
Contra
Total
Erklärungsgrad
Lesebeispiel: Dargestellt ist, ob ein Argument mehrheitlich ablehnt (Abl.) oder geteilt wird (Zust.) und als Zahl die Stärke des Einflusses eines
Arguments auf die Stimmabsicht (beziffert durch den Beta-Koeffizienten aus der Regressionsanalyse). Je näher der Wert des Koeffizienten bei 1
liegt, desto höher der Einfluss des Argumentes. Das Vorzeichen gibt Auskunft über die Richtung des Einflusses.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
88
3.5.4 Szenarien der weiteren Meinungsbildung
Abschliessend werden die Erwartungshaltungen zum Abstimmungsausgang
klassifiziert. Dazu dient nachfolgende Übersicht, welche neben der Behördenposition, den Parolen und den Erwartungen der Stimmenden auch deren
Stimmabsichten und einen Indexwert zu den Argumenten enthält.
Die Stimmabsichten legen zum zweiten Mal in Folge ein Plus für die Ja-Seite
nahe, werden von argumentativen Haltungen getragen und sind im Einklang
mit der Behördenposition und den Parolen der grossen fünf Parteien. Der Konflikt der parlamentarischen Beratung findet seine Verlängerung im Abstimmungskampf und spaltet das linke Lager gegen Mitte-rechts.
Die Fokussierung der Debatte auf Schwachstellen und Risiken eines Sanierungstunnels, wie sie die Gegnerschaft macht, hat die Bevölkerung zwar erreicht, sie gewichtet aber zumindest bisher den Nutzen und Sicherheit offensichtlich höher als Befürchtungen rund um Alpen- und Umweltschutz respektive erhöhtes Verkehrsaufkommen.
Tabelle 19
Indikatoren der Einschätzung der zweiten Gotthardröhre
Ausprägung
Erwartung
Stimmende
Index
Argumente
Erklärung
Argumente R2
Stimmabsichten
Prädisponierung
Trenderwartung
Dispositionsansatz
Parlament
Parolen
dagegen
NR: 40%
SR: 38%
SP, GPS,
GLP, EVP
46%
41%
39%
Polarisierung
möglich
dafür
NR: 60%
SR: 62%
SVP, BDP,
FDP, CVP,
EDU
54%
52%
56%
Polarisierung
möglich
Insgesamt
53%
65%
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016 (n = 1167)
Das Normalszenario für Behördenvorlagen sieht gemäss Dispositionsansatz
vor, dass sich Unentschiedene mit dem Verlauf des Abstimmungskampfes in
einem ungewissen Verhältnis auf beide Seiten verteilen. Die Zahlen der zweiten SRG-Trendumfrage sprechen allerdings eher für ein Spezialszenario, denn
der Ja-Anteil ist gegenüber der ersten Umfrage rückläufig während der NeinAnteil angestiegen ist. Das entspricht einer Meinungsbildung in der Stimmbevölkerung, die sich tendenziell weg vom Behördenstandpunkt und dem
Mainstream, hin zur Opposition entwickeln.
Bei der Vorlage zum Sanierungstunnel am Gotthard haben wir es allerdings mit
einer eindeutig positiv prädisponierten Behördenvorlage zu tun, so dass die
Gegenkampagne für einen Abstimmungserfolg viel an Boden gutmachen
müsste.
Die Meinungsbildung zur eingangs diskutierten Referenzvorlage, der Abstimmung über die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) entsprach dem Regelfall der Meinungsbildung zu Behördenvorlagen und passierte
die Abstimmung bei einem tieferen Ausgangswert in der ersten Umfrage (56%
eher/bestimmt dafür) mit einem Ja-Anteil von 62 Prozent.
Die zweite Referenzvorlage entsprach dem Ausnahmeszenario, allerdings handelte es sich bei der Abstimmung über die Avanti-Initiative nicht um einen Gegenvorschlag, der vom Bundesrat nicht vehement verteidigt wurde. Zu betonen
ist allerdings, dass damals über eine fixe zweite Gotthardröhre abgestimmt
wurde, nicht über einen Sanierungstunnel. Letztlich scheiterte der Gegenvorschlag an dieser zweiten Röhre, weil die Skepsis über dessen Folgen weit ins
bürgerliche Lager reichte. Das ist im aktuellen Fall klar anders.
89
Nichts desto trotz ist der Abstimmungsausgang nur bedingt determiniert. Der
gute Ausgangswert und das Konfliktmuster der Vorlage sprechen eher für eine
Annahme. Die Dynamik der Meinungsbildung im Kampagnenverlauf relativiert
dies allerdings. Wir taxieren den Abstimmungsausgang als bedingt offen, denn
eine Annahme bleibt wahrscheinlicher als eine Ablehnung.
Grafik 75
Positiv prädisponierte Behördenvorlage mit Meinungswandel zum
Nein, Ausgang offen
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Nein
Unentschieden
Ja
Vor der Kampagne
Während der Kampagne
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
3.5.5 Stichworte für die Berichterstattung

positiv vorbestimmte Entscheidung zu einer Behördenvorlage

Meinungsbildung fortgeschritten

auf beiden Seiten mehrheitsfähige Argumente: zentral sind Verkehrsaufkommen vs. Sicherheitsfrage

Konfliktmuster mit parteipolitischer Polarisierung, persönlicher Betroffenheit, Bildungseffekte und beschränkt regionalen Betroffenheit

Ausnahmefall der Meinungsbildung: Ja nimmt ab

Annahme bleibt aufgrund hohen Startwerts wahrscheinlicher, Ausgang
muss jedoch wegen der Dynamik offen gelassen werden
90
4
Synthese
Am 28. Februar 2016 entscheiden die Schweizer Stimmberechtigten über vier
Vorlagen:

Initiative "Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe" (der CVP und
Zugewandter)

Initiative "Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer" (der
SVP)

Initiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln" (der Juso und Zugewandter)

Zweite Gotthardröhre, durch ein Referendum aus rotgrünen Kreisen in
Frage gestellt.
Mit der Synthese verdichten wir die Ergebnisse aus den verschiedenen Befunden der zweiten Befragungswelle und der Trends seit der ersten. Wir konzentrieren uns dabei auf jene, die zur These des Dispositionsansatzes passen.
4.1
Die generelle These
Gemäss unserer allgemeinsten Auffassung über Volksabstimmungen stehen
die Resultate von Volksabstimmungen nicht ein für alle Mal fest. Anders als bei
Wahlen sind sie viel stärker variabel. Denn bei Volksabstimmungen gibt es keine Parteiidentifikation, die fast alles vorbestimmt. Wichtiger sind der Einfluss
des Abstimmungskampfes und der Bezug des Themas zum Alltag der Bürgerschaft. Letzteres nennen wir Prädispositionen oder Einstellungen, die sich auch
ohne Abstimmungskampf ergeben. Zu ihnen gehören themenspezifische Meinungen, aber auch Haltungen zu den Behörden und Parteien. Den Abstimmungskampf wiederum sehen wir durch das Konfliktmuster in der meinungsbildenden Elite bestimmt. Dazu zählen wir die Behörden, die Medien und auch
die Zivilgesellschaft.
Grafik 76
Analytisches Schema des Dispositionsansatzes
Klima
Konfliktmuster
meinungsbildende
Eliten
Abstimmungskampf
Vorlage
Dispositionen
Konfliktmuster
Stimmwillige
Entscheidung
Prädispositionen
Zeitachse
© gfs.bern
91
Generell gehen wir davon aus, dass sich die Position der Bürgerschaft im Abstimmungskampf an jene der Behörden anpasst.

Initiativen mögen noch so gut starten, ihre Ablehnung nimmt mit den
Kampagnen zu und die Zustimmung verringert sich, wenn Regierung und
Parlament dagegen sind. Kommt es nicht zu diesem Effekt, ist entweder
die Behördenposition löcherig, oder aber, was häufiger ist, mit dem Abstimmungskampf wird ein Protestpotenzial deutlich. Dieses steigt auf die
überwiegend eingesetzte Schwachstellenkommunikation gegen die Initiative nicht ein, will vielmehr ein gut sichtbares Zeichen des Unmuts setzen.

Auch bei Behördenvorlagen kommt es in aller Regel zu einer Anpassung
der Bürgermeinung an jene von Regierung und Parlament. Dabei sind
Meinungsänderungen weniger häufig, vielmehr interessiert hier die Meinungsbildung der gänzlich oder tendenziell unschlüssigen Bürgerinnen
und Bürger. Im Normalfall verteilen sie sich auf beide Seiten. Im Ausnahmefall zerfällt die anfängliche Zustimmungsbereitschaft und die Zustimmung sinkt. Das ist namentlich dann vorstellbar, wenn die parlamentarische Allianz im Abstimmungskampf auseinander fällt.
Aufgrund dieser Annahmen hatten wie die Vorlagen vom 28. Februar 2016 wie
folgt bewertet:
Tabelle 20
Übersicht Stimmabsichten nach Parteibindungen, Abweichungen
von Parolen, Unentschiedenheit und Teilnahmebereitschaft
Rechtsform
Parlamentarische
Opposition
VI gegen Heiratsstrafe
Volksinitiative
Durchsetzungsinitiative
Mehrheitsfähigkeit
Prädisponiertheit
Konflikttyp
bürgerlich-konservativ potenziell
gegeben
eher hoch
(beschränkt indirekte Vergleichsabstimmungen)
linksliberal vs. bürgerlichkonservativ,
persönliche Betroffenheit
Volksinitiative
nationalkonservativ
potenziell
gegeben
hoch
(direkte Vergleichsabstimmung)
nationalkonservativ vs.
linksliberal,
aber Elite/Basis
VI gegen Nahrungsmittelspekulation
Volksinitiative
rotgrün
nicht gegeben
gering
bürgerlich vs. rotgrün,
geringe Ausprägung
Zweite Gotthardröhre
Behördenvorlage
rotgrün
gegeben
eher hoch
bürgerlich vs. rotgrün,
(indirekte Vegleichs- regionale Betroffenheit
abstimmung)
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Die konkreten Messergebnisse unserer zweiten Trendbefragung sind in der
nachstehenden Übersicht in knappster Art und Weise zusammengefasst. Sie
bilden die Grundlage für die nachfolgende Synthese zu den Vorlagen einerseits,
der Beteiligung anderseits.
92
Tabelle 21
Übersicht gegenwärtiger Stand der Stimmabsichten und Meinungsbildung zu Volksabstimmungen vom 28. Februar 2016
Indikatoren
VI gegen Heiratsstrafe
Durchsetzungsinitiative
VI Nahrungsmittelspekulation
Zweite Gotthardröhre
Grad der Prädisponierung
eher fortgeschritten
fortgeschritten
wenig fortgeschritten
eher fortgeschritten
55 Prozent der Stimmberechtigten
Teilnahmeabsicht
ohne Stimmabsichten
9 Prozent der Teilnahmewilligen
5 Prozent der Teilnahmewilligen
15 Prozent der Teilnahmewilligen
5 Prozent der Teilnahmewilligen
mit tendenziellen Stimmabsichten
28 Prozent der Teilnahmewilligen
22 Prozent der Teilnahmewilligen
33 Prozent der Teilnahmewilligen
30 Prozent der Teilnahmewilligen
mit festen Stimmabsichten
63 Prozent der Teilnahmewilligen
73 Prozent der Teilnahmewilligen
52 Prozent der Teilnahmewilligen
65 Prozent der Teilnahmewilligen
Richtung der Prädisponierung
absolute Mehrheit dafür
relative Mehrheit dafür
absolute Mehrheit dagegen
absolute Mehrheit dafür
bestimmt und eher dafür
53 Prozent der Teilnahmewilligen
46 Prozent der Teilnahmewilligen
31 Prozent der Teilnahmewilligen
56 Prozent der Teilnahmewilligen
bestimmt und eher dagegen
38 Prozent der Teilnahmewilligen
49 Prozent der Teilnahmewilligen
54 Prozent der Teilnahmewilligen
39 Prozent der Teilnahmewilligen
Szenarien der Meinungsbildung
positiv prädisponiert,
Polarisierung Richtung Nein
knapp positiv prädisponiert,
Polarisierung Richtung Nein
nicht prädisponiert,
Polarisierung Richtung Nein
positiv prädisponiert,
Polarisierung Richtung Nein
nimmt zu
Szenarien Beteiligung
Szenarien Ausgang Volksabstimmung offen (Stand: knapp Ja, Trend: klar Nein)
offen (Stand: keine Mehrheit, Trend: eher Nein)
Nein (Stand: Nein, Trend Nein)
eher Ja (Stand: Ja, Trend: eher Nein
Konfliktmuster
signifikant
Parteibindung
(CVP/SVP(Parteiungebundene vs.
GPS/SP/FDP)
Sprachregion (FCH/ICH vs. DCH)
Zivilstand (verheiratet vs. verwitwet/ledig/
/lebt mit PartnerIn (nicht eingetragene
Partnerschaft)
Schulbildung (mittel vs. hoch)
HH-einkommen, (mittel/hoch vs. tief)
Geschlecht (Mann vs. Frau)
Regierungsvertrauen (Misstrauen vs.
Vertrauen)
Konfession (katholisch/protestantisch vs.
keine Konfession)
Parteibindung (SVP/ Parteiungebundene vs. GPS/SP/CVP/FDP)
Sprachregion (ICH vs. DCH)
Siedlungsart (kleine /mittlere vs. grosse
Aggl.)
Schulbildung (tief/mittel vs. hoch)
HH-einkommen, (tief vs. hoch)
Alter (mittel vs. alt)
Regierungsvertrauen (Misstrauen vs.
Vertrauen)
Parteibindung (GPS/SP vs.
CVP/FDP/SVP)
Sprachregion (ICH vs. DCH)
Schulbildung (mittel vs. hoch)
Alter (mittel vs. jung/alt)
Regierungsvertrauen (Misstrauen vs.
Vertrauen)
Parteibindung
(CVP/FDP/SVP/Parteiungebundene vs.
GPS/SP)
Sprachregion (DCH vs. FCH)
Schulbildung (mittel vs. tief)
Geschlecht (Mann vs. Frau)
Alter (alt vs. jung)
Regierungsvertrauen (Misstrauen vs. Vertrauen).)
Autobesitz (ja vs. nein)
nicht signifikant
Alter, Siedlungsart
Konfession
Siedlungsart, HH-einkommen, Konfession
Siedlungsart, HH-einkommen,
typologisch
gesellschaftlich liberal vs. traditionell,
Betroffenheit
links/rechts, Elite/Basis-Konflikt
bürgerlich/rotgrün
links/rechts, Betroffenheit
Mehrheitsfähige Argumente
Pro
Doppelbesteuerung ungerecht
Abl.: Heiraten attraktiver
kriminelle Ausländer ausschaffen
Abl: Volkswille vor Völkerrecht
Gerichte über CH-Recht
Umsetzung ≠ Volkswille
-
je eine Fahrspur sicherer
Tessin nicht abschneiden
Landverbrauch für Bahnverlad
schädlich für CH Wirtschaft
Contra
diskriminiert gleichgeschlechtliche Paare
Reiche stärker entlasten
Steuereinbussen
gegen Menschenrechtskonvention
vernünftige Gesetzesvorlage
Verhandlungen mit EU schwieriger
Secondo-Problematik
-
Verkehr am Gotthard erhöht sich
widerspricht Schutz der Alpen
verbraucht finanzielle Mittel
Druck aus In- und Ausland wird steigen
Bestimmungsgrad
tief (R =0.281)
hoch (R =0.622)
Zentrale Polarität bisher
ungerecht vs. Diskriminierung
Ausschaffen vs. Menschenrechte
2
2
2
mittel (R =0.529)
-
Verkehrsaufkommen vs. Sicherheit
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
93
4.2
Diskussion der Hypothesen
4.2.1 Stimmbeteiligung
Hypothese Beteiligung an Volkabstimmungen
Am 28. Februar 2016 kommt es mit vier Vorlagen zu einer überdurchschnittlichen Zahl an Abstimmungen. Erwartet wird entsprechend eine Beteiligung
über dem langjährigen Mittel.
Sollte es zu einer überdurchschnittlichen Mobilisierung der regierungsmisstrauischen Stimmbürgerschaft kommen, wird der Protestcharakter (von rechts) in
den Voten verstärkt.
Das mehrjährige Mittel der Beteiligung an Volksabstimmung liegt bei 45.8 Prozent. Dabei ergeben sich erheblich Schwankungen im Gefolge der Politisierung
im Abstimmungskampf. Auf individueller Ebene können wir mit rund 25 Prozent sicheren Abstimmungseilnehmerinnen und -teilnehmern rechnen, derweil
rund 20 Prozent sich nie oder kaum beteiligen. Alle anderen sind selektiv Teilnehmende, die sich abhängig vom Thema interessieren und im Gefolge von
Abstimmungskämpfen mobilisiert werden.
Unsere aktuelle Messung geht von rund 55 Prozent teilnahmewilligen Stimmberechtigten aus. Das entspricht einem überdurchschnittlichen Wert, der im
Vergleich zum Vormonat noch gestiegen ist.
Bestätigt wird dies durch den bisherigen Rücklauf der brieflichen Stimmen. Die
zuverlässigste Statistik kommt aus dem Kanton Genf. Normalweise sind die
Werte nur leicht über dem nationalen Schnitt. Im Konkreten zeichnet sich auch
hier eine hohe Mobilisierung ab, wenn auch nicht ganz so breit wie bei der
Masseneinwanderungsinitiative.
Grafik 77
Entwicklung der Stimmbeteiligung im Kanton Genf
in % eingetragener Stimmberechtigter
57.4
9. Feb. 2014
28. Feb. 2016
28.3
25. Nov. 2012
19
18
17
16
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Tage bis zur
Abstimmung
 gfs.bern, Quelle: www.ge.ch
Gemäss unserer Umfragen besonders auffällig sind die Beteiligungswerte bei
SP und FDP. Sie sind rekordverdächtig hoch, höher jedenfalls als bei den vergangenen Nationalratswahlen. Bei den anderen Parteien bewegen sich die
Beteiligungswerte ebenfalls im oberen Bereich. Der bisherige Abstimmungs94
kampf seit der ersten Befragung hat mit der SVP und der GPS die Pole mobilisiert. Einzig die CVP konnte mit dieser Steigerung nicht mithalten. Dank ihrer
Familieninitiative startete sie zwar mit Enthusiasmus, der angesichts der Kontroversen nicht ganz durchgehalten werden konnte.
Die Beteiligungsabsichten waren von Beginn weg im behördenkritischen Publikum hoch. Die Unterschiede haben sich seither ausgeglichen. Das gilt auch für
die Sprachregionen, denn die ermittelten Teilnahmewerte waren insbesondere
im deutschsprachigen Landesteil von Beginn weg hoch; seither steigen die
Beteiligungsabsichten vor allem in den anderen Sprachregionen.
Unsere Hypothese wird damit weitgehend bestätigt. Das gilt für die Höhe der
Beteiligung. Gründe hierfür orten wir zunächst in der Vielzahl Vorlagen, in der
hohen Intensität des Abstimmungskampfes und in der starken Polarisierung
der Gesellschaft insbesondere durch die Durchsetzungsinitiative.
Der Protestcharakter kommt im mobilisierten Elektorat zwar zum Ausdruck, ist
aber nicht generell gewachsen. Die heftigen Reaktionen auf die Durchsetzungsinitiative sehen wir als Hauptursache dafür. Das Misstrauen in die Behörden
hilft aber den Initianten von rechts, insbesondere der SVP, aber auch der CVP.
4.2.2 Initiative gegen Heiratsstrafe
Hypothese Initiative gegen Heiratsstrafe
Bei der Initiative gegen Heiratsstrafe handelt es sich um eine potenziell mehrheitsfähige Vorlage, bei welcher der Abstimmungskampf entscheidet.
Mit der Besteuerung von Ehepaaren nimmt sie ein verbreitet problematisch
empfundenes Thema auf, das bis weit in die Behörden hinein akzeptiert wird.
Aufgrund der Ehedefinition und der fiskalischen Folgen ist sie allerdings kritisierbar, weshalb mit dem normalen Verlauf der Meinungsbildung gerechnet
werden kann, bei dem sich die Gegnerschaft im Verlauf des Abstimmungskampfes aufbaut und das Lager der Befürworterschaft schrumpft.
Gerechnet wird mit einer Polarisierung zwischen konservativer und linksliberaler Bürgerschaft, etwas durchbrochen durch die Betroffenheit als verheiratetes
Paar. Das Veränderungspotenzial des Abstimmungskampfes wird als erheblich
eingestuft.
Der anfänglich hohe Sympathiebonus für diese Volksinitiative ist mit dem Abstimmungskampf stark geschrumpft. Die Gegner haben aufgeholt, und es findet eine Verlagerung vom Ja Richtung Nein statt. Das Ausmass ist höher als im
Normalfall. Zudem ist die Meinungsbildung nicht abgeschlossen, was weitere
Veränderungen in den Stimmabsichten zulässt. Noch führen die Initianten, doch
kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mehrheit kippt.
Die Zustimmung ist im konservativen Lager hoch. Zwischenzeitlich sind die JaWerte bei der SVP höher als bei der CVP. Mehrheitlich zustimmend sind sie
auch bei den Parteiungebundenen. Klar zugenommen hat die Ablehnung an
den Basen von SP, FDP und GPS. Sie folgen jetzt den ablehnenden Parteiparolen mehrheitlich. Geblieben sind unterschiedliche Mehrheiten nach Betroffenheit als Ehepaar. Wer nicht direkt angesprochen wird, hat mit dem Abstimmungskampf vom mehrheitlichen Ja ins tendenzielle Nein gewechselt. In Bewegung geraten ist die Meinungsbildung namentlichen in der deutsch- und
italienischsprachigen Schweiz, sei es aufgrund von Positionsänderungen resp.
aufgrund der Mobilisierungsverschiebungen. Bisher wenig geschehen ist in der
französischsprachigen Schweiz.
95
Grafik 78
Argumentativ hat die Ja-Seite mit der Kritik an der bestehenden Doppelbesteuerung den zentralen Punkt gesetzt. Die Gegnerschaft verfügt aber über mehrere mehrheitsfähige Einwände, so zu den Steuereinbussen, der Entlastung für
Reiche und der Nachteile für gleichgeschlechtlicher Paare. Die zentrale Polarität
in der Stimmbürgerschaft dreht sich um die Beseitigung alter durch Einführung
neuer Diskriminierungen.
Das hier skizzierte Muster gleich in vielem den beiden bisherigen Familieninitiativen. Dabei sind die Auffälligkeiten in der Meinungsbildung mit der Entscheidung zur SVP-Vorlage (2013) grösser als mit jener der CVP vor Jahresfrist. In
allen fällen starteten die Vorlagen mit einer mehrheitlichen Zustimmung, in
beiden Referenzen sank diese mit der Problematisierung rasch. Schliesslich
scheiterten beide Vorlagen.
Grafik 79
Unsere vor der Befragungsreihe entwickelte Hypothese wird damit weitgehend
bestätigt. Nicht abschliessend entscheidbar ist aber, ob die Vorlage angenommen wird oder nicht. Wir lassen es bewusst offen.
96
4.2.3 Durchsetzungsinitiative
Hypothese Durchsetzungsinitiative
Bei der Durchsetzungsinitiative handelt es sich um eine potenziell mehrheitsfähige Vorlage mit direktem Bezug zur angenommenen Ausschaffungsinitiative.
Diese griff ein gesellschaftlich breit empfundenes Problem auf, das in erster
Linie mit juristischen Argumenten bekämpft wurde, was erfolglos blieb. Die
neue Initiative verbindet die Problematik mit einer Institutionenkritik, wonach
verschiedene Behörden bei der Ausschaffung zu wenig weit gehen.
In einer solchen Konstellation ist ein Elite/Basis-Konflikt häufig, vermehrt rechts
denn links, bei dem namentlich die Mobilisierungsfrage der innerparteilichen
Minderheiten von Belang wird. Typisiert ist mit einer generellen Konfliktlinie zu
rechnen: Ängste vor Identitätsverlust auf der einen Seite, Befürworter einer
multikulturellen, offenen Schweiz auf der anderen Seite.
Erwartet wird mit einer vergleichbaren Ausgangslage und aufgrund einer alltäglichen und politisch verbreiteten Prädisposition ein eher geringes, aber vorhandenes Veränderungspotenzial durch den Abstimmungskampf.
Potenziell mehrheitlich ist die richtige Umschreibung für die Durchsetzungsinitiative. Deutlich geringer als bei den beiden anderen Volksinitiativen ist die Volatilität der Meinungsbildung. Die beiden Lager sind aber nahe bei 50 Prozent,
sodass nicht klar ist, ob die Mehrheitsfähigkeit bestehen bleibt.
Für die Initiativen sind die Wählenden der SVP und in ihrer Mehrheit die regierungskritischen Bürgerinnen und Bürger respektive die Parteiungebundenen.
Der Protestcharakter der Entscheidung kommt hierin am besten zum Ausdruck.
Anders als bei Vergleichsabstimmungen fällt der Anteil abweichender Minderheiten bei den anderen Parteien diesmal aber gering aus. Namentlich in der
FDP-Basis sind die Mehrheitsverhältnisse im Abstimmungskampf gekippt.
Auch der Vergleich mit der Ausschaffungsentscheidung legt nahe, dass das
bürgerliche Zentrum die parlamentarische Reaktion auf Entscheidung von 2010
unterstützt. Wir schätzen, ein Fünftel von FDP und CVP hat das Lager gewechselt. Das ist denn auch der wesentliche Unterschied zur Ausschaffungsinitiative.
Die aktuellen Verhältnisse sind allerdings nach Sprachregionen anders, ist doch
die Zustimmungsbereitschaft namentlich in der italienischsprachigen Schweiz
über dem Mittel und bleibt die Meinungsbildung speziell in der Romandie zurück.
97
Grafik 80
Argumentativ haben auch hier die Initianten den zentralen Punkt mit der Ausschaffung krimineller Ausländer im Abstimmungskampf gemacht. Zahlreich
sind aber die Einwände, vor allem wegen der fehlenden Härtefallklausel, wegen
der Missachtung des parlamentarischen Angebots und wegen der Folgen für
die Verhandlungen mit der EU.
Die Polarisierung durch den Abstimmungskampf ist exemplarisch. Die harte
Kontroverse, nicht nur im Parlament, auch in den Medien, zwischen den Parteien und in der Zivilgesellschaft ist ausserordentlich. Sie hat die Stimmbürger
gespalten. Der unübliche Auftritt namentlich der Gegnerschaft hat zudem etwas Bewegung in die stark vorgefassten Meinungen gebracht.
Der Trend in der Meinungsbildung gleicht bezogen auf SVP-Initiativen jenem,
den wir seit der Ausschaffungsinitiative kennen. Die Mehrheitsfähigkeit ist
gegeben, verringert sich aber mit der Problematisierung im Abstimmungskampf. Im aktuellen Fall sind die Vergleichswerte zu den verschiedenen Zeitpunkten etwas tiefer, vor allem wegen dem indizierten Positionswechsel im
bürgerlichen Zentrum. Eine explosionsartige Politisierung der Vorlage durch den
Abstimmungskampf, wie wir ihn bei der Masseneinwanderungsinitiative erlebt
haben, finden wir in den Umfragedaten jedoch nicht.
98
Grafik 81
Unsere Hypothese wird weitgehend bestätigt. Gleich wie bei der Familieninitiative sind die Messwerte für den Stand und die Entwicklung der Stimmabsichten nicht klar genug, um eine Entscheidung bezüglich Annahme oder Ablehnung vorweg zu nehmen. Entscheiden werden die Schlusskampagnen und da
vor allem die Mobilisierung.
4.2.4 Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
Hypothese Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
Bei der Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation handelt es sich um ein Minderheitsanliegen.
Stossrichtung und Trägerschaft entsprechen einem klaren Linksprofil mit beschränkter Ausstrahlung auf die politische Mitte. Erwartet wird, dass die Gegnerschaft im Verlaufe des Abstimmungskampfes stärker wird und das Lager
der Befürworterschaft abnimmt. Postuliert wird eine Polarisierung im
Links/rechts-Spektrum. Denkbar ist eine beschränkte Unterstützung im konservativ-bürgerlichen Elektorat.
Klar ist die Ausgangslage vor dem Abstimmungstag bei der Initiative gegen
Nahrungsmittelspekulation. Zwar fand sich in der ersten Befragung eine relative
Zustimmungsmehrheit. Doch lag schon damals die Interpretation nahe, dass es
sich bezüglich der Meinungsbildung um einen Normalfall handelt, bei dem die
Nein-Kampagne die Gegnerschaft aufbaut und die Zustimmungsbereitschaft
verringert.
Entstanden ist zwischenzeitlich eine klare Polarisierung auf der Links/RechtsAchse. Dabei bleibt die Position der SP-Wählerschaft noch etwas offen. Verflogen ist aber die anfängliche Zustimmungsbereitschaft im konservativen Lager.
Die Linke wirkt dadurch isoliert.
99
Grafik 82
Unsere Hypothese war korrekt formuliert, und alles andere als eine Ablehnung
der Vorlage in der Volksabstimmung wäre eine Überraschung.
4.2.5 Zweite Gotthardröhre
Hypothese zweite Gotthardröhre
Bei der "Gotthard"-Abstimmung handelt es sich um eine Behördenvorlage, die
aufgrund des Alltagsbezugs vorbestimmte Stimmabsichten kennt. Bestimmt
sind diese durch drei Faktoren: Parteizugehörigkeit, regionale Betroffenheit und
Autobesitz.
Aufgrund der Vorteile für den Transitverkehr ist mit einer mehrheitlich Zustimmung in der Ausgangslage zu rechnen, verbunden mit einer Opposition aus
dem rotgrünen, beschränkt auch dem bürgerlichen Lager, das einen Verstoss
gegen die Verlagerungspolitik am Gotthard sieht.
Die Glaubwürdigkeit der Absender ist von Belang, denn es wird mit unsicheren
Auswirkungen vor allem bei einer Annahme argumentiert.
Mit eindeutigen Mehrheiten ist nicht zu rechnen, die Entscheidung fällt erst im
Abstimmungskampf.
Bei der festgestellten Meinungsbildung zum zweiten Gotthardtunnel handelt es
sich nicht um den Normalfall bei einer Behördenvorlage. Bei diesem müsste
nämlich die Zustimmungsbereitschaft steigen. Unsere Messwerte belegen das
Gegenteil.
Den Hauptgrund hierfür orten wir jeweils im höheren Konflikt, den die Debatte
im Abstimmungskampf auslöst, als dies während der parlamentarischen Beratung der Fall war. Wie erwähnt, gehört die exemplarische Ablehnung der Vorlage durch führende Tageszeitungen zu den wichtigsten Eigenschaften des Abstimmungskampfes. Zwar ist es nicht neu, dass sich Massenmedien in Abstimmungskämpfen äussern, eine Front über mehrere Blätter gegen eine Behördenentscheidung ist jedoch eher unüblich. Das spricht für eine Politisierung
des Journalismus, welche das Geschäft von Regierung und Parlament erschwert.
100
Unsere Befragungsreihe legt nahe, dass die politische Polarisierung zentral ist.
Das bürgerliche Lager ist für den zweiten Tunnel durch den Gotthard, das rotgrüne dagegen. Gespalten sind ungebundene Kräfte, in ihrer knappen Mehrheit
würden sie aktuell dafür stimmen.
Darüber hinaus bestätigt unsere Konfliktanalyse die Entscheidung im Gefolge
der Interessen und Betroffenheiten. Namentlich in sprachregionaler Hinsicht
stellen wir erhebliche Unterschiede zwischen der mehrheitlich befürwortenden
deutschsprachigen und der unschlüssigen französischsprachigen Schweiz fest.
Zudem hat der Abstimmungskampf die Gegnerschaft im italienischsprachigen
Landesteil geweckt.
Grafik 83
Argumentativ dominierte zu Beginn die Sicherheitsfrage. Sie bildet unverändert
die populärste Botschaft der Befürworter, allerdings mit abnehmender Wirkung. Ins Zentrum der Debatte ist der Verdacht gerückt, der Ausbau am Gotthard führe zu mehr Verkehr und widerspreche dem Alpenschutz.
101
Grafik 84
Die Chance, dass die Vorlage die Volksabstimmung passiert, ist weiterhin gegeben, wenn auch verringert. Bei der Abstimmung über den Gegenvorschlag
zur Avanti-Initiative sank die Zustimmungsbereitschaft im Abstimmungskampf
auch deutlich, nicht mehr aber in der Schlussphase.
4.3
Übersicht
Kommen wir zur finalen Übersicht, und damit zur Frage, was für eine Signifikanz der Abstimmungssonntag vom 28. Februar 2016 haben dürfte. Klar fällt
die Antwort nicht aus, da drei der vier Entscheidungen nicht eindeutig sind.
Immerhin sind Szenarien machbar.
Gesichert ist das Nein zur Volksinitiative gegen Nahrungsmittelspekulation.
Eher ja ist die Entscheidung zur Gotthard-Entscheidung, zu dynamisch ist die
Meinungsbildung bei der Initiative gegen Heiratsstrafe und knapp sind die Verhältnisse bei der Durchsetzungsinitiative. Beide Entscheidungen halten wir für
offen.
Tabelle 22
Übersicht über Parteiparolen zu allen vier Vorlagen
Behörden
GPS
SP
GLP
CVP
BDP
FDP
SVP
Total
DSI
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
Gotthard
Ja
Nein
Nein
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Heiratsstrafe
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Ja
Ja
Spekulationsstopp
Nein
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
3
0
1
2
4
3
3
3
CVP
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Sollte der Gotthardtunnel passieren und die Volksinitiativen alle scheitern, würden sich Bundesrat und Parlament durchsetzen. Parteipolitisch gesprochen
wären FDP und BDP die Abstimmungssieger. Ein liberal-bürgerliches Klima
dürfte die Folge der Entscheidung sein. Mit der FDP stünde der eine Wahlsieger bei den Parlamentswahlen im Zentrum. Die neu engagierte Zivilgesellschaft
als Widersacherin der SVP hätte gleich zu Beginn einen Erfolg verbuchen kön102
nen. Auch das dürfte Folgen haben, speziell dann, wenn Institutionen, Rechtsstaat und Völkerrecht pauschal zur Debatte stehen sollten.
Würden der Gotthard und die Eheinitiative angenommen, der Rest aber abgelehnt, entspräche das genau der CVP-Position. Die Behörden erlitten zwar eine
Niederlage, allerdings ausgerechnet in dem Fall, indem ihre Sympathien am
grössten waren. Das würde für eine gemässigt bürgerlich-konservative
Schweiz sprechen.
Sollte die Durchsetzungsinitiative angenommen werden, wird man den Abstimmungssonntag ohne Zweifel anders interpretieren können. Denn dann
hätte sich die SVP ganz oder weitgehend durchgesetzt (wenn die Heiratsstrafe
scheitern sollte). Die Behörden hätten eine exemplarische Niederlage erlitten,
auf dem heikelsten Gebiet der letzten 20 Jahre. Die Debatte über den Gegensatz zwischen Eliten in Politik, Medien und Wissenschaft einerseits, dem
Stimmvolk, repräsentiert durch die SVP, anderseits würde ins Zentrum gerückt. Mit ihr wäre dem anderen Sieger der jüngsten Wahlen der Lead in der
Politik sicher.
Anders wäre es, wenn der Zweite Gotthard Tunnel scheitern sollte. Für die
bürgerliche Schweiz wäre dies ein Schlag gegen ein zentrales Projekt der letzten Jahre. Sollte alles abgelehnt werden, stünde die GLP als Siegerin da, sekundiert von der NZZ.
4.4
Thesen
These Stimmbeteiligung
Die Beteiligungsabsichten sind überdurchschnittlich. Über dem Mittel der letzten Jahren mobilisiert sind die Wählerschaften von SP und FDP. Der Abstimmungskampf hat die Pole bewegt, nicht aber das Zentrum. Bei der CVP stagnieren die Teilnahmeabsichten.
These Initiative gegen Heiratsstrafe
Bei der Vorlage über die Heiratsstrafe handelt es sich um eine potenzielle
Mehrheitsinitiative aus dem bürgerlich-konservativen Lager. Die Zustimmung
war in der Ausgangslage klar mehrheitlich. Mit dem Abstimmungskampf ist sie
aber zurückgegangen.
Mehrheitlich dafür sind rechtskonservative Kreise im Umfeld von SVP, CVP und
Parteiungebundenen sowie die begünstigten Paare. Ihnen ist die Beseitigung
der Heiratsstrafe wichtig.
Ins Nein-Lager gekippt sind namentlich die Wähler und Wählerinnen von SP,
FDP und GPS. Sie haben verschiedene Gründe, so beispielsweise Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare, aber auch die finanziellen Folgen einer Annahme.
Die Meinungsbildung ist nicht abgeschlossen, sodass ein Mehrheitswechsel in
letzter Minute nicht ausgeschlossen werden kann. Denn die Entwicklung verläuft klar gegen die Initiative. Wir taxieren den Ausgang als offen.
These Durchsetzungsinitiative
Bei der Vorlage zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer handelt es sich um eine potenzielle Mehrheitsinitiative, die vor allem durch die
Entscheidungen bei der Ausschaffungsinitiative prädisponiert ist. Zu Beginn
führte die Ja-Seite, aktuell sind beide Lager gleich stark, ohne dass eine gesicherte Mehrheit im Ja oder Nein besteht.
Klar im Ja sind die Wählenden der SVP, mehrheitlich gilt dies auch für die misstrauische Bürgerschaft und die Parteiungebundenen. Ihnen ist die konsequente
Ausschaffung krimineller Ausländer und Ausländerinnen wichtig.
103
Ablehnend sind die Wählerschaften von links bis hin zur FDP. Sie stossen sich
an der fehlenden Härtefallklausel, an der Missachtung der parlamentarischen
Umsetzung und sie fürchten negative Folge in den Verhandlungen mit der EU.
Die Entscheidungen bei der Ausschaffungsinitiative bestimmen die aktuellen
Meinungen stark, nicht aber im bürgerlichen Zentrum. Ein Fünftel der FDP und
CVP haben seither ihre Meinung geändert.
Die Meinungsbildung ist fortgeschritten. Aber nicht abgeschlossen. Angesichts
der engen Verhältnisse sind beide Ausgänge möglich. Letztlich entscheidet die
Mobilisierung.
These gegen Nahrungsmittelspekulation
Bei der Vorlage zum Spekulationsstopp bei Nahrungsmittel handelt es sich um
eine Minderheitsinitiative, die ein neues Thema aufwirft, sodass nicht mit ausgeprägt prädisponierten Stimmabsichten gerechnet werden konnte.
Die Meinungsbildung folgte dem bekannten Schema bei linken Initiativen. Der
rotgrünen Minderheit steht zwischenzeitlich ein weitgehend geschlossenes
bürgerliches Lager gegenüber.
Alles spricht für den Normalfall an Meinungsbildung, die Ablehnung ist sehr
wahrscheinlich.
These zweite Gotthardröhre
Bei der Vorlage, die zu einer zweiten Gotthardröhre führen soll, handelt es sich
um eine positiv vorbestimmte Behördenvorlage, gegen die von rotgrüner Seite
das Referendum ergriffen worden ist.
Das bürgerliche Lager befürwortet weitgehend geschlossen die Vorlage. Die
Sicherheitsfrage ist hier entscheidend.
Das rotgrüne Lager lehnt ebenso geschlossen die Vorlage ab. Sie vermutet die
Vermehrung des Verkehrs, was im Widerspruch zum Alpenschutzartikel stehe.
Die Vorlage stösst (sprach)regional auf eine unterschiedliche Zustimmungsbereitschaft. Namentlich in der französischsprachigen Schweiz bestehen Zweifel.
Mit dem Abstimmungskampf ist im Tessin auch die Gegnerschaft geweckt
worden, sie bleibt aber vorerst minderheitlich.
Der Stand der Meinungsbildung ist eher fortgeschritten, keinesfalls abgeschlossen. Heute würde die Vorlage angenommen, der Trend verläuft aber
gegen sie, was bei einer Behördenvorlage eher der Ausnahmefall ist.
104
5
Anhang
5.1
Forschungskonzept: erweiterter
Dispositionsansatz
gfs.bern fasst sein Forschungskonzept zu Abstimmungen im Dispositionsansatz zusammen. In seiner ursprünglichen Form ist er 1998 durch uns entwickelt
worden; seither ist er laufend an neuste wissenschaftliche Erkenntnisse und
Standards angepasst und aufgrund der Anwendungen überprüft worden.
Primär dient der Dispositionsansatz der Analyse von Prozessen der Meinungsbildung vor Volksabstimmungen, denn er bildet einen sinnvollen Rahmen, mit
dem Umfragedaten zum Entscheidungsprozess analysiert, interpretiert und
eingebettet werden können.
Unseres Wissens ist der Dispositionsansatz die einzige sozialwissenschaftliche
Vorgehensweise, die geeignet ist, Abstimmungsergebnisse in der Schweiz in
der dynamischen Perspektive zu untersuchen.
Untenstehende Grafik zeigt auf, worauf der Dispositionsansatz abstellt und die
die vermuteten Zusammenhänge wirksam werden.
Grafik 85
Analytisches Schema des Dispositionsansatzes
Klima
Konfliktmuster
meinungsbildende
Eliten
Abstimmungskampf
Vorlage
Dispositionen
Konfliktmuster
Stimmwillige
Entscheidung
Prädispositionen
Zeitachse
© gfs.bern
Bei Wahlen bildet die Parteibindung die relevante Grundhaltung auf Basis welcher entschieden wird. Sie bestimmt in einem hohen Masse, wie man Parteien, Kandidierende und Wahlkampfthemen wahrnimmt. Eine solche Vereinfachung ist bei Volksabstimmungen direkt nicht möglich. Dafür variiert die Themenbreite der Vorlagen zu stark. Ausserdem sind Abstimmungskämpfe weniger standardisiert als Wahlkämpfe. Entsprechend ist die informationsgestützte
Meinungsbildung bei Sachentscheidungen wichtiger als bei den routinierteren
Wahlen.
105
Statt auf einer einfachen Parteibindung aufzubauen, stützt sich die Abstimmungsforschung vorzugsweise mit Prädispositionen. Konkret handelt es sich
dabei um Elemente der individuellen Meinungsbildung, die gegeben sind, bevor
ein konkreter Prozess der Entscheidungsfindung einsetzt. Die Meinungsbildung
steht nämlich weder ein für alle Mal fest, noch beginnt sie jedes Mal bei Null.
Zu den bei Volksabstimmungen relevanten Prädispositionen zählen wir insbesondere:

Alltagserfahrungen mit dem Abstimmungsgegenstand (Problembewusstsein)

eindeutige Interessenslagen hinsichtlich einer Vorlage (aufgrund von
Schaden-Nutzen-Erwartungen)

durch Politik und Kultur bestimmte Werthaltungen (wie Einstellung zum
Staat, Präferenzen für Lösungsansätze politischer Probleme)

die Parteibindung (inklusive die Position der Bürger und Bürgerinnen auf
der Links/rechts-Achse)

Abstimmungsroutinen (beispielsweise die Teilnahmeabsicht, Regierungsvertrauen/-misstrauen).
Was die Dynamik angeht, unterscheiden wir generell:

Meinungsaufbau (aus Unentschiedenen werden Entschiedene)

Meinungswandel (aus Vorentschiedenen werden Entschiedene in die
entgegengesetzte Richtung)

Meinungsverstärkung (aus Vorentschiedenen werden Entschiedene in
die sich abzeichnende Richtung)
Das Mass an Vorbestimmtheit von Volksabstimmungen bezeichnen wir als
Prädisponiertheit. Deren Mass und Grad hängt dabei einerseits vom generellen
Vorhandensein relevanter Prädispositionen ab, andererseits von der Art und
Weise, wie Abstimmungskampagnen diese Prädispositionen mobilisieren, verstärken oder verändern können. Insgesamt gilt, dass die Prädisponiertheit von
Abstimmungen geringer ist als diejenige von Wahlen, insbesondere von Parteiwahlen.
Der Dispositionsansatz stützt sich empirisch nicht nur auf die Sonntagsfrage(n)
zu den Stimm- und Teilnahmeabsichten, wie das beispielsweise die Vorschriften des Verbandes der Markt- und Sozialforschung minimal verlangen, sondern
berücksichtigt auch weitere Einstellungsfragen. Im Mandat Trendumfragen vor
Abstimmungen sind dies der Argumententest und das Konfliktmuster, wie es
bei den Stimm- und Teilnahmeabsichten zum Ausdruck kommt. Sie werden
verwendet, um die Ausgangslage und Möglichkeiten von Kampagnen im Abstimmungskampf zu bestimmen und damit das Potenzial von Veränderungen
auszuloten.
5.1.1 Anwendung auf Volksinitiativen
Fast allen Volksinitiativen ist gemeinsam, dass deren Forderungen von Regierung und Parlament nach der Behandlung abgelehnt oder zu Gegenvorschlägen
umformuliert (und somit zu Behördenvorlagen) werden – was sich wiederum
auf die meinungsbildenden Eliten auswirkt. Das unterscheidet Meinungsbildungsprozesse zu Volksinitiativen von solchen zu Behördenvorlagen grundlegend.
Volksinitiativen beinhalten in der Regel einen Sachverhalt, der in der Öffentlichkeit bereits behandelt wurde. Ohne substanzielles Problembewusstsein ist es
schwierig, im vorgeschriebenen Zeitrahmen genügend Unterschriften für das
Zustandekommen einer Initiative zu sammeln. Das heisst indes nicht, dass die
von einer Initiative vorgeschlagene Problemlösung im gleichen Masse bekannt
106
sein muss, ausser sie ist allein durch ihren Titel klar. Entsprechend muss die
Meinungsbildung hinsichtlich des Problems und hinsichtlich seiner spezifischen
Behebung durch die Initiative unterschieden werden. Wir postulieren hier generell, dass das Problembewusstsein erfolgreicher Initiativen prädisponiert ist,
nicht aber die Lösungspräferenz, da sich diese erst im Verlaufe eines Meinungsbildungsprozesses auf die Entscheidungsabsichten auswirkt.
Die Ausgangslage für eine Volksinitiative wird durch das Mass des Problembewusstseins in der Öffentlichkeit bestimmt. Je problematischer eine Situation
eingeschätzt wird, desto eher findet sich vor einer Kampagne eine Zustimmungsbereitschaft zur entsprechenden Initiative. Als je weniger dringlich ein
Problem beurteilt wird, desto eher liegt eine offene, allenfalls sogar negativ
vorbestimmte Ausgangslage vor.
Unsere für die Entscheidung zu Volksinitiativen spezifizierte These lautet demnach: Bei einer Volksinitiative kommt es in der Regel zu einer Verlagerung der
kollektiven Meinungsbildung weg von der Beurteilung des angesprochenen
Problems hin zur Beurteilung der vorgeschlagenen Lösung. Dies alleine kann
die Stimmabsichten beeinflussen. Entsprechend formulieren wir zwei generelle
Hypothesen zu Trends in der Meinungsbildung bei Volksinitiativen:

Der Nein-Anteil nimmt mit der Dauer des Abstimmungskampfes zu.

Der Ja-Anteil nimmt mit der Dauer des Abstimmungskampfes ab.
Damit ist nur etwas über die Richtung ausgesagt, nicht aber über das Ausmass
der Veränderung. Dieses hängt davon ab, wie stark die Prädisponierung (vor
allem der Ja-Seite) ist respektive wie viele Teilnahmewillige unentschieden sind
und wie wirksam die Kampagnen auf solche Unsicherheiten eingehen. Dabei
ist bekannt, dass die Schwachstellenkommunikation zum Lösungsvorschlag die
effektivste ist, sprich am ehesten Unschlüssige und latent Befürwortende zu
Gegnern und Gegnerinnen werden lässt.
Das Ausmass des Meinungswandels in ein Nein ist schwer vorhersehbar: Je
ausgeprägter generell das Problembewusstsein ist, desto kleiner fällt der Meinungswandel aus. Eine rein mechanische Betrachtung führt indessen nicht zum
Ziel; es braucht auch eine dynamische Analyse, die beispielsweise konkrete
Kampagnenaktivitäten miteinbezieht.
In der Realität ist ein Rückgang des Ja-Anteils (fast) immer zu beobachten, das
Ausmass dieses Rückgangs variiert allerdings zwischen 2 und 25 Prozent. Das
Mittel seit 2008 beträgt rund 10 Prozent. Grösser ist der Umschwung auf der
Nein-Seite; im Schnitt beträgt er 25 Prozent.
Eine eindeutige Regel dazu, wie gross der zu erwartende Anteil der Veränderung in den Stimmabsichten ist, gibt es nicht. Am ehesten kann geltend gemacht werden, dass der Prozentsatz "eher-befürwortender" Bürger und Bürgerinnen ein brauchbarer Prädiktor ist. Allerdings kennen wir zwei Typen von Veränderungen: Beim einen schmilzt der ganze Anteil der Befürwortenden weg,
beim anderen Typus hingegen nur weniger als die Hälfte. Zum ersten Typus
kommt es, wenn das Anliegen selbst sehr sympathisch wirkt und so vorerst
viel Zustimmung generiert – während die darauf folgende Kritik am Inhalt der
Vorlage dann zur Erosion der Unterstützung führt. Der zweite Typus hingegen
hat verschiedene Ursachen: Unter anderem diejenige, dass die Zustimmung
von Beginn weg gering ist und sich mit den Kampagnen auch nicht viel ändert.
Vereinfacht kann der Meinungsbildungsprozess zu Initiativen in vier idealtypischen Szenarien festgehalten werden.
Szenario 1: Mehrheitlich positiv prädisponierte Mehrheit in der Ausgangslage,
kaum Opposition zum Lösungsvorschlag oder sehr hoher Problemdruck: Nein
nimmt zu, Ja bleibt (fast) stabil, Vorlage wird (in der Regel) angenommen.
Szenario 2: Mehrheitlich positiv prädisponierte Mehrheit in der Ausgangslage,
beschränkt hoher Problemdruck und Opposition zum Lösungsvorschlag: NeinAnteil nimmt zu, Ja-Anteil nimmt ab. Die Vorlage wird abgelehnt, ausser prä107
disponierter Ja-Anteil über 50 Prozent ist höher als der nachfolgende Meinungswandel während des Abstimmungskampfes.
Grafik 86
Positiv prädisponierte Initiative ohne Mehrheitswandel, Annahme
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Vor der Kampagne
Positiv prädisponierte Initiative mit Mehrheitswandel, Ablehnung
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Nein
Nein
Unentschieden
Unentschieden
Ja
Ja
Vor der Kampagne
Abstimmungstag
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
 gfs.bern, Campaigning
Szenario 3: Minderheitlich positiv prädisponierte Mehrheit in der Ausgangslage: Nein-Anteil nimmt zu, Ja-Anteil nimmt ab, Vorlage wird abgelehnt.
Szenario 4: In Ausnahmefällen kann das Szenario 3 ausbleiben. Das ist nach
unserer Auffassung dann der Fall, wenn es mit der Initiativentscheidung zu
einem Tabubruch kommt, mit dem sich eine Proteststimmung aufbaut. Es ist
möglich, dass sich die Zusammensetzung der Teilnahmewilligen (zugunsten
der Initiative) ändert oder ein kurzfristiger Meinungswandel im Sinne des Zeichensetzens entsteht. Nach unserer Erfahrung ist das sehr selten; es muss
sich aufgrund der Beteiligungsabsichten (im Abstimmungskampf stark steigend) andeuten, im Argumententest sichtbar werden (indem Gegner und Gegnerinnen und Unschlüssige vermehrt Ja-Botschaften zustimmen) und es
braucht in der Regel eine doppelte Öffentlichkeit, was bedeutet, dass
Mainstream-Medien gegen die Initiative sind, Zielgruppenmedien aber eine
verbreitete Zustimmung erahnen lassen. Unter diesen Bedingungen tritt der
vierte und unten postulierte Verlauf ein: Hier hinkt die Darstellung allerdings
etwas, da die Beteiligungsabsichten asymmetrisch zunehmen.
Grafik 87
Negativ prädisponierte Initiative ohne Mehrheitswandel, Ablehnung Negativ prädisponierte Initiative mit Mehrheitswandel wegen
Enttabuisierung, Annahme
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Vor der Kampagne
 gfs.bern, Campaigning
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Abstimmungstag
Nein
Nein
Unentschieden
Unentschieden
Ja
Ja
Vor der Kampagne
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
Nachfolgend eine Übersicht sämtlicher im Rahmen der SRG-Trendumfragen
untersuchten Meinungsbildungsprozesse zu Volksinitiativen seit 2008.
108
Tabelle 23
Abstimmung
Initiativ-Typ
Vorlage
positiv prädisponiert ohne
Mehrheitswandel, Annahme
negativ prädisponiert mit
Mehrheitswandel wegen
Enttabuisierung, Annahme
positiv prädisponiert mit
Mehrheitswandel, Ablehnung
negativ prädisponiert ohne
Mehrheitswandel, Ablehnung
1./2. Welle
Veränderung seit
1./2. Welle
Ja
in %
Nein
in %
Best./eher
Ja in %
best. /eher Differenz
Nein in %
Ja
Differenz
Nein
Abzocker-Initiative
68
32
65/64
25/27
3/4
7/5
Pädophilie-Initiative
64
36
74/59
19/33
-10/5
17/3
Ausschaffungsinitiative
52
48
58/54
36/43
-6/-2
12/5
Zweitwhgs-Initiative
51
49
61/52
27/37
-10/1
22/12
Minarett
58
42
34/37
53/53
24/11
-11/-11
Masseneinwanderung
50
50
37/43
55/50
13/7
-5/0
Sicheres Wohnen Alter
47
53
55/46
25/35
-8/1
28/18
Waffen
44
56
52/47
39/45
-8/-3
17/9
Bauspar-Initiative I
44
56
55/49
22/35
-11/-5
34/21
SVP-Familieninitiative
42
58
64/49
25/43
-22/-7
33/15
Steuergerechtigkeit
42
58
58/45
23/40
-16/-3
35/5
Rentenalter
41
59
52/45
30/43
-11/-4
29/16
Schutz vor
Passivrauchen
34
76
59/41
36/52
-25/-7
40/24
CVP-Familieninitiative
25
75
52/40
33/50
-27/-15
42/25
Abschaffung
Pauschalbesteuerung
41
59
48/42
36/46
-7/-1
23/10
Einheitskrankenkasse
38
62
40/38
51/54
-2/0
11/8
Hanf
37
63
45/38
42/50
-8/-1
21/13
1:12-Initiative
35
65
44/36
44/54
-9/-1
21/11
Einbürgerung
36
64
48/33
37/56
-12/3
27/8
Verbandsbeschwerde
34
66
42/33
40/49
-8/1
26/17
Ferien-Initiative
34
66
39/33
55/63
-5/1
11/3
Kriegsmaterial
32
68
41/39
44/50
-9/-7
24/18
Kampfjet
32
68
34/-
55/-
-2/-
13/-
Bauspar-Initiative II
31
69
47/42
38/45
-16/-11
31/24
Tieranwalt
30
70
45/-
44/-
-15/-
26/-
Abtreibungsfinanzierung
30
70
35/36
58/58
-5/-6
9/10
Erbschaftssteuer
29
81
38/34
51/61
-9/-5
30/20
MwSt-Diskriminierung
29
71
41/41
34/46
-12/-12
37/25
Stipendieninitiative
28
82
49/28
37/50
-21/0
45/32
Aufhebung Wehrpflicht
27
73
35/31
57/63
-8/-4
16/10
Ecopop-Initiative
26
74
35/39
58/56
-9/-13
16/18
Behördenpropaganda
25
75
27/26
57/60
-2/-1
18/15
Staatsverträge vors Volk
25
75
44/33
44/55
-19/-8
31/20
Volkswahl Bundesrat
24
76
25/25
67/66
-1/-1
9/10
Mindestlohn-Initiative
24
76
40/30
52/64
-16/-6
24/12
Gold-Initiative
23
77
44/38
39/47
-21/-15
38/30
Energie- statt MwSt
8
92
29/19
58/73
-21/-11
34/19
*Unverjährbarkeitsinitiative nicht befragt
 SRG-Trend/gfs.bern
109
5.1.2 Anwendung auf Behördenvorlagen
Zu Behördenvorlagen zählen obligatorische Referenden, fakultative Referenden
und Gegenvorschläge zu Volksinitiativen. Ihnen ist gemein, dass sie vom Parlament mehrheitlich abgesegnet wurden. Sämtliche Verfassungsänderungen
gelangen als obligatorische Referenden automatisch vors Stimmvolk. Gesetzesvorlagen hingegen kommen nur dann zur Abstimmung, wenn 50'000 Bürger
und Bürgerinnen dies verlangen. In solchen Fällen (fakultatives Referendum) ist
mit einer organisierten Opposition zu rechnen, während dies bei obligatorischen Referenden nicht zwingend der Fall sein muss (Ausnahme: gleichzeitige
Abstimmung zu Volksinitiative und Gegenvorschlag).
Die These, die wir zur Meinungsbildung zu Behördenvorlagen entwickelt haben, ist komplex, da die Voraussetzungen einer Volksentscheidung zuweilen
wenig einheitlich sind: Einmal kann es an einer organisierten Opposition fehlen
– dann gibt es Fälle, wo die parlamentarische Allianz zerfällt, sobald es zu einer
Volksabstimmung kommt. Letzteres Szenario ist eigentlich nicht vorgesehen
und es erschwert die Annahmechancen in der Bevölkerung, denn die Situation
gleicht jener, die wir bei Volksinitiativen beschrieben haben. Den Mechanismus
nennen wir Meinungsbildung zum Nein.
Beim Ausbleiben organisierter Opposition kommt es zu einem lauen Abstimmungskampf, bei dem es an Kontroversen mangelt und es zu einer Zustimmung ohne grosse Beschäftigung mit dem Thema kommt. Wir bezeichnen dies
als Meinungsumschwung zum Ja.
Der Normalfall bei Behördenvorlagen liegt dazwischen. Er ist durch folgende
Eigenschaften in der Ausgangslage gekennzeichnet:

Die prädisponierte Zustimmung überwiegt die prädisponierte Ablehnung;
die Ja-Seite verfügt in der Ausgangslage jedoch nicht zwingend über eine
absolute Mehrheit.

Die nicht prädisponierten Bürger und Bürgerinnen sind eine relevante
Grösse.
Ein grosser Anteil nicht prädisponierter Bürger und Bürgerinnen kann zwei unterschiedliche Ursachen haben: Einmal kann es sein, dass der Abstimmungsgegenstand zu alltagsfern ist und damit bei einem erheblichen Teil der stimmberechtigten Bevölkerung keine vorgängige Meinungsbildung erfolgt ist. Dann
ist es möglich, dass eine Vorlage so kompliziert ist, dass man aufgrund einer
schnellen Beurteilung nicht zu einem endgültigen – oder auch nur vorläufigen –
Schluss kommen kann.
Die zentrale Wirkung des Abstimmungskampfes zu einer Behördenvorlage
besteht in der Regel darin, dass anfänglich nicht-prädisponierte Stimmberechtigte polarisiert werden. Dabei gibt es keinen Schlüssel dafür, welche Anteile
eher ins Ja respektive eher ins Nein wechseln – dies ist weitgehend variabel.
Es kann vermutet werden, dass die Aktivitäten der einzelnen Akteure im Abstimmungskampf entscheidend sind. Mit anderen Worten: vom aktiven Verhalten der Befürwortenden, die für eine Behördenvorlage werben, und von der
Propagandaintensität beider Seiten im Vergleich. Wir sprechen dann auch von
einer kampagnenabhängigen Polarisierung zum Ja oder Nein. Im Unterschied
zum Meinungsumschwung, wie wir ihn zu Initiativen beschrieben haben, erfasst die Polarisierung nur die Unschlüssigen, nicht aber die vorentschiedenen
Bürger und Bürgerinnen.
Wir brauchen drei Hypothesen, um die denkbare Dynamik abbilden zu können
und veranschaulichen sie mit idealtypischen Verläufen der Meinungsbildung zu
Behördenvorlagen:
110
Szenario 1: Meinungsaufbau zum Ja: Der Ja-Anteil steigt während des Abstimmungskampfes – der Nein-Anteil sinkt. Es kommt zu einer Annahme der
Vorlage.
Grafik 88
Positiv prädisponierte Behördenvorlage, Meinungsaufbau Richtung Nicht prädisponierte Behördenvorlage, Meinungsaufbau Richtung
Ja, Annahme
Ja, Annahme
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Negativ prädisponierte Behördenvorlage, Meinungsaufbau
zum Ja, Annahme
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Nein
Nein
Unentschieden
Unentschieden
unentschieden
Ja
Ja
Vor der Kampagne
Während der Kampagne
Abstimmungstag
Ja
Vor der Kampagne
Während der Kampagne
Abstimmungstag
vor der Kampagne
während der Kampagne
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
 gfs.bern, Campaigning
 gfs.bern, Campaigning
Nein
Szenario 2: Polarisierung (entweder ins Ja- oder ins Nein-Lager): Ja- und NeinAnteile steigen gleichzeitig, bei der (häufiger vorkommenden) Polarisierung ins
Nein stärker zugunsten der Gegnerschaft. Bei der (selteneren) Polarisierung ins
Ja vermehrt zugunsten der Befürwortenden. Der Ausgang ist offen. Er hängt
von der Stärke der Einzeleffekte ab. Wenn der prädisponierte Nein-Anteil grösser ist als der Ja-Anteil, ist mit einer Ablehnung zu rechnen
Grafik 89
Positiv prädisponierte Behördenvorlage, schwache
Polarisierung, Annahme
Nicht-prädisponierte Behördenvorlage, Polarisierung,
Annahme oder Ablehnung je nach Ausgangslage
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Negativ prädisponierte Behördenvorlage, Polarisierung,
Ablehnung
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Nein
Nein
Nein
unentschieden
unentschieden
unentschieden
Ja
Ja
Ja
vor der Kampagne
Abstimmungstag
vor der Kampagne
vor der Kampagne
 gfs.bern, Campaigning
 gfs.bern, Campaigning
während der Kampagne
Abstimmungstag
während der Kampagne
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
Szenario 3: Meinungsumschwung ins Nein: Der Nein-Anteil steigt während
des Abstimmungskampfes, der Ja-Anteil sinkt. Es kommt zu einer Ablehnung
der Vorlage.
Grafik 90
Positiv prädisponierte Behördenvorlage mit
Meinungsumschwung zum Nein, Ablehnung
Nicht prädisponierte Behördenvorlage, Polarisierung
Richtung Nein mit negativem Meinungsaufbau
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
in % Stimmberechtigter mit Teilnahmeabsicht
Nein
Nein
unentschieden
unentschieden
Ja
Ja
vor der Kampagne
vor der Kampagne
 gfs.bern, Campaigning
während der Kampagne
Abstimmungstag
Abstimmungstag
 gfs.bern, Campaigning
Nachfolgend eine Übersicht sämtlicher im Rahmen der SRG-Trendumfragen
untersuchten Meinungsbildungsprozesse zu Behördenvorlagen seit 2008.
111
Tabelle 24
Abstimmung
Referenden
positiv prädisponiert,
Meinungsaufbau Richtung Ja, Annahme
nicht prädisponiert, Meinungsaufbau Richtung
Ja, Annahme
positiv prädisponiert,
schwache Polarisierung
Richtung Nein, Annahme
Vorlage
nicht prädisponiert, Polarisierung Richtung Nein,
Annahme oder Ablehnung
positiv-prädisponiert mit
Meinungsumschwung
zum Nein, Ablehnung
negativ-prädisponiert,
Ablehnung
Ja
in %
Nein
in %
best./eher
dafür
in %
best./eher
dagegen
in %
Differenz Differenz
Ja
Nein
OR
Med. Grundversorgung
88
12
66/71
10/10
22/17
2/2
GV
Neuregelung Geldspiele
87
13
55/65
21/16
32/22
-8/3
GV
Jugendmusikförderung
73
27
68/73
33/17
5/0
-6/10
OR
Forschung am Menschen
77
23
49/-
14/-
28/-
9/-
OR
Verzicht allg. Volksinitiative
68
32
19/29
40/32
49/39
-8/0
OR
Spezialfinanzierung
Luftverkehr
65
35
42/49
26/23
23/16
9/2
FR
Asylgesetz
78
22
48/57
29/29
30/21
-7/-7
FR
Tierseuchengesetz
68
32
-
-
-
-*
68
32
63/63
20/21
5/5
12/21
FR/ind.
Betäubungsmittelgesetz
G.
nicht prädisponiert, Polarisierung Richtung Ja,
Annahme
Veränderung seit
1./2. Welle
1./2. Welle
GV
Komplementärmedizin
67
33
67/69
15/19
0/-2
18/14
FR
Raumplanungsgesetz
64
36
54/59
18/22
10/5
18/14
OR
FABI
62
38
56/56
27/28
6/6
11/10
FR
Personenfreizügigkeit
60
40
50/50
40/43
10/10
0/-3
FR
Epidemiengesetz
60
40
49/49
39/39
11/11
1/1
FR
Tankstellenshops
56
44
46/48
47/45
10/8
-3/-1
FR
IV-Zusatzfinanzierung
55
45
51/50
27/32
4/5
8/13
FR
ALV-Revision
53
47
49/48
25/30
4/5
22/17
FR
Unternehmenssteuerreform
51
49
43/-
29/-
8/-
20/-
FR
Biometrischer Pass
50
50
47/49
39/37
3/1
11/13
GV
Ausschaffungsinitiative
46
54
41/43
49/49
5/3
5/5
FR
Buchpreisbindung
44
56
48/40
39/47
4/-4
17/9
FR
Autobahnvignette
40
60
53/50
41/46
-13/-10
19/14
OR
Familienartikel**
54
46
66/55
23/35
-12/-1
23/ 11
GV
Krankenversicherung
31
69
62/39
18/45
-31/-8
51/24
FR
Gripen-Beschaffung
47
53
42/44
42/51
5/3
11/2
FR
BVG Umwandlungssatz
27
73
17/-
66/-
10/-
-7/-
FR
Managed Care
24
76
33/28
44/58
-9/-4
32/18
FR
RTVG
50
50
46/43
45/47
4/7
5/3
OR
PID
62
38
40/46
44/40
22/16
-6/-2
** beim Volksmehr angenommen, am Ständemehr aber gescheitert
 SRG-Trend/gfs.bern
112
5.1.3 Anwendung auf die Stimmbeteiligung
Bisher wenig beachtet wurden die Auswirkungen der Abstimmungskämpfe auf
die Mobilisierung, respektive auf die Verteilung der Stimmabsichten. Das ist
dem Umstand geschuldet, dass die Identifizierung von Zusammenhängen angesichts einer rasch wechselnden Zahl an Vorlagen und Themen nicht ganz
einfach ist.
Wir halten fest, dass die Auffassung, die Beteiligungshöhe hinge nur vom Abstimmungskampf ab, widerlegt ist. Vielmehr gilt, dass es einen Sockel routinemässig teilnehmender Bürger und Bürgerinnen gibt sowie einen Anteil der
Bevölkerung, der sich in Abhängigkeit vom Klima, der Konfliktsituation und der
eigenen Meinungsbildung beteiligt. Zudem halten wir fest, dass die mittlere
Beteiligung an Volksabstimmungen der letzten Legislatur (2011-2015) bei 45.6
Prozent lag4. Stimmbeteiligungen zwischen 40 und 50 Prozent zeigen meist
keine relevanten Veränderungen in der Zusammensetzung des Elektorates.
Fällt die Beteiligung jedoch höher aus, nimmt vor allem der Anteil der wenig
politischen Bürger und Bürgerinnen zu und die Chancen populistisch geprägter
Entscheidungen steigen. Bei geringeren Teilnahmewerten beteiligen sich die
Bürger und Bürgerinnen mit starkem Interesse an der Politik vergleichsweise
mehr, sodass die Chancen kurzfristiger Veränderungen sinken.
Die Zunahme der Beteiligung(sabsicht) hängt davon ab, ob es eine Vorlage gibt,
die klar mobilisierend wirkt. Hinzu kommt, dass Abstimmungstermine mit mehreren Abstimmungsthemen eher mehr Zusatzbeteiligung auslösen als solche
mit nur einer Vorlage. Hauptgrund dafür ist, dass die Beteiligung dann über den
Sockel hinaus vorlagenspezifischer ausfallen kann. Verwiesen sei aber darauf,
dass die Beteiligungswerte für die einzelnen Vorlagen nicht unbedingt identisch
sein müssen. Mit anderen Worten: Zwischen der Beteiligung an sich und der
Stimmabgabe zu den einzelnen Vorlagen kommt es immer mehr zu einer Differenzierung.
Vereinfachend halten wir hier den Mobilisierungsfall als Regelbeispiel fest. Dabei nimmt die Stimmbeteiligung in Funktion des Abstimmungskampfes im Mittel um 5 Prozentpunkte zu. Alles andere sind Ausnahmen.
Grafik 91
Normalentwicklung der Teilnahmeabsichten während
Abstimmungskampf
in % Stimmberechtigter
Nichtteilnehmende
Teilnehmende
1. Welle
2. Welle
3. Welle
 gfs.bern, Campaigning
4
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/17/03/blank/key/stimmbeteiligung.html
113
5.1.4 Prognose, Momentaufnahme oder Trend?
Ergebnisse aus Abstimmungsumfragen sind per se Momentaufnahmen, keine
Prognosen. Zu viele unbekannte Faktoren verhindern, sie direkt als Vorhersage
verwenden zu können. Der Dispositionsansatz hilft, die Entwicklung verständlich zu machen. Da dieser auch von den Trends abhängig ist, die vom Abstimmungskampf beeinflusst werden, kann man – ohne Kenntnisse des spezifischen Kommunikationsmomentes auf Basis einer einzelnen Befragung – an
sich keine Prognosen machen.
In unseren Berichten hat es sich eingebürgert, in diesem Zusammenhang folgende Begriffe zu verwenden:
Trend-Umfragen – fortgesetzte Messung des Standes der Dinge.
Momentaufnahme – Messung des Standes der Dinge zu einem bestimmten
Zeitpunkt.
Projektionen – Annahmen zur Verteilung von Unentschiedenen in Momentaufnahmen oder Trend-Umfragen.
Prognosen – Annahmen zur weiteren Entwicklung der Meinungsbildung, namentlich in Trendumfragen, die rund zwei Wochen vor der Abstimmung gemacht werden müsse).5
Die Übersicht zu Momentaufnahmen und Projektionen über alle 60 Fälle seit
2008 ist in den nachstehenden beiden Grafiken zusammengefasst. Würde man
bei Behördenvorlagen nur die erste Befragungswelle berücksichtigen, würde
man die Abstimmungsmehrheit in nur 71 Prozent der Fälle kennen. Das ist
eindeutig zu wenig. Mit der zweiten Befragungswelle steigert sich der Vergleichswert auf 94 Prozent. Bezieht man auch die Extrapolation von Trends mit
ein, kommt man auf einen Wert von 97 Prozent.6
Grafik 92 Allenfalls in
Trend prozentuale Häufigkeit der Bestimmung der richtigen
Mehrheit 1. und 2. Welle im Vergleich zum besten Modell
100%
Volksinitiativen
90%
linke Volksinitiativen
80%
70%
rechte Volksinitiativen
60%
Behördenvorlagen
50%
-19
-46
0
Anzahl Tage bis zur Abstimmung
Lesebeispiel: Die x-Achse enhält die Tage vor dem Abstimmungstag, die y-Achse den Populationsschätzer. Der erste Wert bezieht sich auf die
Ergebnisse der 1. Welle, der zweite auf jene der 2. Welle. Der dritte Wert ist der zur Extrapolation. Angeziegt wird die qualitative Übereinstimmung
mit dem Endergebnis (links) und die mittlere quantiative Abweichung (rechts). Die Kurven zeigen an, mit der Zeit oder dem Verfahren
Verbesserungen erzielt werden.
5
Vorschrift Verband VSMS: Publikation spätestens 10 Tage vor Abstimmung.
Wir halten hier ausdrücklich fest, dass sich diese Form der Evaluierung eindeutig von derjenigen
unterscheidet, welche der Datenblog des Tagesanzeigers ohne unser Wissen gemacht hat. Diese
Missachtung ist aus unserer Sicht gerade für einen Kommunikationswissenschafter unverzeihlich,
da die Meinungsbildung bei Volksabstimmung nicht invariant ist und ein Vergleich von Endergebnissen und Befragungswerten nur schon deshalb nicht identisch sein muss.
6
114
Grafik 93
Trend Durchschnittliche Abweichung 1. und 2. Welle im
Vergleich zum Modell mit der geringsten Abweichung
15
Volksinitiativen
13
11
linke Volksinitiativen
9
rechte Volksinitiativen
7
5
Behördenvorlagen
3
-46
-19
0
Anzahl Tage bis zur Abstimmung
Bei Initiativen mit linker Urheberschaft liegt die mittlere Abweichung bei der
zweiten Befragungswelle bei gerundeten 4 Prozentpunkten. Mittels der Extrapolation von Trends kommen wir auf eine Differenz von 3.3 Prozentpunkten.
Bei Initiativen aus dem rechten Lager liegen beide Werte höher, nämlich bei
rund 8 Prozentpunkten. Wir werden auf diesen Punkt anschliessend speziell
eingehen. Bei Behördenvorlagen kommt die zweite Befragungswelle bis auf
gerundete 9 Prozentpunkte an das Endergebnis heran. Mit der Extrapolation
ergibt sich eine Verbesserung auf 5 Prozent.
In qualitativer Hinsicht sind die Werte deutlich besser. Bei linken Initiativen
zeigen sich bei 100 Prozent der Vorlagen die richtigen Mehrheiten, und zwar
unabhängig davon, ob man auf die zweite Welle oder auf die Extrapolation abstellt. Bei rechten Initiativen kommen wir auf 88 Prozent (zweite Welle) respektive 94 Prozent (Extrapolation) Treffgenauigkeit. Bei Behördenvorlagen liegend
die Werte bei 64 Prozent (zweite Welle) respektive 96 Prozent (Extrapolation).
Mit anderen Worten: Dank einer Extrapolation der Trends aus beiden Befragungen kommen wir sehr wohl in den Bereich, der bei Stichprobenerhebungen
erwartet werden darf.
Wenn Ungenauigkeiten verbleiben, hat das nicht mit der oft behaupteten
Mess(un)genauigkeit von Befragungen tun, sondern in der Sache selbst – das
heisst in der Dynamik der Meinungsbildung, die nicht unabhängig vom Zeitpunkt und vom konkreten Verlauf ermittelt werden kann. Dabei spielt die Karenzfrist zur Publikation von abstimmungsbezogenen Umfragen, die sich der
Branchenverband auf Wunsch der Politik selbst auferlegt hat, eine wichtige
Rolle. Sie führt dazu, dass die letztmögliche Befragung am Abstimmungstag
meist zwischen zwei und drei Wochen alt ist. Im Vergleich zu Wahlen sind die
Effekte bei Abstimmungen deutlich höher, sodass vermehrte Vorsicht mit
Schlussfolgerungen angezeigt ist.
Um die Sicherheit qualitativer Einschätzungen dennoch etwas zu erhöhen,
verwenden wir zusätzliche weitere Indikatoren der Meinungsbildung Zu den
gebräuchlichsten gehören das Abstimmungsergebnis im Parlament oder der
Parolenspiegel der Parteien. Bezogen auf Befragungen können nebst der
Stimmabsicht auch die indexierten argumentativen Haltungen oder der bevölkerungsseitig erwartete Abstimmungsausgang beigezogen werden. Schliesslich bieten die Modellierungen der Trendverläufe gemäss Dispositionsansatz
Anhaltspunkte, um qualitative Prognosen vorzunehmen.
115
5.2
Die SRG-Befragung
5.2.1 Fragebogen
Kernbestandteile jeder Befragung im genannten Forschungsprojekt sind:
1.
Klärung der Stimmberechtigung
2.
Klärung der Teilnahme- respektive Stimmabsichten (Sonntagsfragen)
3.
Klärung der Zustimmung/Ablehnung mit je zwei oder drei Kernargumenten der Pro- respktive Contra-Seite
4.
Klärung der Personen- und Ortsmerkmale (Geschlecht, Alter, Schulabschluss, Haushaltseinkommen, Siedlungsart [Stadt/Land], Sprachregion).
Es werden die vom Verband VSMS respektive von uns entwickelten und standardisierten Fragen verwendet. Dies gilt insbesondere für den obigen Punkt
zwei. So wird die Vergleichbarkeit erhöht, was wiederum die Interpretationssicherheit – wie sie bei Wahlen besteht, bei Abstimmungen aber erst in Entwicklung begriffen ist – steigert.
5.2.2 Stichprobenbildung
Gesichert wird die Repräsentativität durch ein doppeltes At-random-Verfahren,
das auf dem Telefonverzeichnis für Festnetzanschlüsse der Swisscom aufbaut.
Dieses gilt unverändert als bestes allgemein zugängliches Verzeichnis für Telefonumfragen. Doppelt ist das systematische Zufallsverfahren deswegen, weil
zuerst die Telefonhaushalte gezogen und erst dann in diesen die zu befragende
Person mit der Geburtstagsmethode At-random bestimmt wird. Gesichert wird
die Datenqualität durch siebenfache Kontaktversuche zu verschiedenen Tageszeiten zwischen 8 Uhr und 20 Uhr. Um der Problematik Rechnung zu tragen,
dass das Swisscom-Verzeichnis seit 2009 nicht mehr alle Telefonnummer enthält, ergänzen wir dieses durch Nummernblöcke privater Anschlüsse, die wir
aus der Erfahrung erarbeitet haben.
Befragt werden Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Auslandschweizer und
Auslandschweizerinnen werden nicht berücksichtigt, da ihre Erreichbarkeit
aufgrund spezifischer Datenschutzbestimmungen des Bundes mit CATIBefragungen nicht sichergestellt werden kann. Zur Grundgesamtheit zählen
Personen, die der deutschen, französischen oder italienischen Sprache mächtig
sind. Spricht die Person Schweizerdeutsch, wird diese auf Schweizerdeutsch
befragt. Da die Erreichbarkeit von Personen in Mehrpersonenhaushalten beispielsweise nach Geschlecht und Alter nicht ganz identisch ist, wird dies mit
Vorgaben zu Maximalquoten für Befragte mit entsprechenden Merkmalen kontrolliert.
Repräsentativ sind diese, weil sie sich an der At-random-Theorie für die Stichprobenbildung orientierten. Nach dieser ist eine Befragung repräsentativ, wenn
alle Personen der Grundgesamtheit die gleiche Chance haben, befragt zu werden. Das ist bei Telefonbefragungen nicht ganz, aber weitgehend der Fall. Gewisse Einschränkungen ergeben sich aus dem Kreis der Personen, die über gar
keine registrierte Privatadresse mehr telefonisch erreichbar sind. Tests hierzu
zeigen, dass dies aber die Befragungsergebnisse nicht wesentlich beeinflusst,
solange der diesbezügliche Anteil nicht wesentlich über 10 Prozent liegt.
Die Genauigkeit der Aussagen hängt zunächst von der Repräsentativität ab,
dann aber auch von der Anzahl der Befragten. Für die erste Welle werden 1200
Personen befragt, für die zweite 1400. Dies geschieht, um die Aussagegenauigkeit der letzten Befragungswelle insbesondere in den Sprachregionen etwas
zu erhöhen. Dies wird zudem unterstützt, indem jede Welle letztlich aus drei
Befragungen besteht: je einer in der deutsch-, französisch- und italienischspra116
chigen Schweiz. Dabei ist die Zahl der Befragten in den Sprachminderheiten
bewusst zu hoch, denn das verringert die Unsicherheiten, die bei einer geringeren Stichprobengrösse vorhanden sind. Für gesamtschweizerische Aussagen
wird diese mit einer Designgewichtung rückgängig gemacht, das heisst die
Ergebnisse in den Sprachregionen fliessen in der korrekten Proportion in das
gesamtschweizerische Resultat mit ein.
Die Aussagegenauigkeit wird üblicherweise mit dem Stichprobenfehler bestimmt. Dieser besagt, in welchem Masse effektiv eine Abweichung von einem gemessenen Wert der Fall ist. Die Unsicherheit hängt zuerst von der
Stichprobengrösse ab, dann von der Wahrscheinlichkeit, mit der man eine Aussage machen will.
Beispielhaft gilt: Bei einer Stichprobengrösse von 1200 Befragten und einer
Irrtumswahrscheinlichkeit von maximal 5 Prozent (sprich in einem von 20 Fällen), beträgt der Stichprobenfehler ±2.9 Prozent. Konkret heisst dies, dass ein
ausgewiesener Wert von 50 Prozent maximal zwischen 47.1 und 52.9 Prozent
variieren kann. Darüber hinaus gilt: Je kleiner die Zahl der Befragten ist, desto
grösser ist der Stichprobenfehler. Dies gilt auch, wenn die verlangte Sicherheit
erhöht wird.
5.2.3 Befragungsarbeit
Die Befragung wird vom gfs-Befragungsdienst durchgeführt. Dieser ist eine
gemeinsame Tochtergesellschaft von gfs.bern und gfs-zürich. Die Interviewer
und Interviewerinnen arbeiten nach einer zentralen Schulung dabei wahlweise
von einem Heimarbeitsplatz oder vom zentralen Telefonlabor in Zürich aus.
Nach der erfolgten Schulung werden die neu instruierten Personen intensiv
überprüft und unmittelbar kontrolliert.
Tabelle 25
Technischer Kurzbericht SRG-Trend
Volksabstimmung vom 28. Februar 2016
Auftraggeber
CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit
Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz
Herkunft der Adressen
Telefonverzeichnis der Swisscom (gepoolt)
Datenerhebung
telefonisch, computergestützt (CATI)
Art der Stichprobenziehung
geschichtet nach
at random/Geburtstagsmethode im Haushalt
Sprachregionen
Befragungszeitraum
5.– 13. Februar 2016
mittlerer Befragungstag 9. Februar 2016
Stichprobengrösse
minimal 1400, effektiv 1411
n DCH: 704, n WCH: 404, n ICH: 303
Stichprobenfehler
+/- 2.7%
Quotenmerkmale
Geschlecht/Alter interlocked
Gewichtung nach
Sprache, Teilnahme, Parteiaffinität
Befragungsdauer
Mittel
Standardabweichung
15.7 Minuten
4.8 Minuten
Publikation
17. Februar 2016, 17h
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Befragt wird von Montag bis Samstag, wobei auch der Sonntag – nur auf
Wunsch der Probanden – für vorterminierte Interviews genutzt wird. Während
der ganzen Befragungsdauer werden rund 50 Interviewer und Interviewerinnen
aus dem Pool des gfs-Befragungsdienstes eingesetzt. Wir garantieren, dass
jeder und jede an den Interviews Beteiligte höchstens 5 Prozent der Interviews
durchführt.
117
5.3
Instrumentenvergleich
Insgesamt liegen bisher neben jener von gfs.bern zwei weitere Umfragen zu
den Vorlagen vom 28. Februar 2016 vor. Sie basieren auf unterschiedlichen
Vorgehensweisen.
Die SRG-Trendumfragen basieren auf einer At-random-Stichprobe und werden
telefonisch durchgeführt. Die Stichprobenbildung funktioniert damit nach den
wissenschaftlichen Regeln des Zufallverfahrens. Zufall meint dabei, dass ein
systematisches Auswahlverfahren auf eine vordefinierte Grundgesamtheit angewendet wird. Die Grundgesamtheit sind für die vorliegende Studie Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz, die einen verzeichneten Telefonanschluss haben, egal ob das ein Festnetz- oder ein Handyanschluss ist.
Die Umfragen von "20 Minuten" basieren auf einer nicht randomisierten Stichprobe, die online befragt und mittels Gewichtung nachträglich korrigiert wird.
Das heisst, es ist offen, wer an der Mitmach-Umfrage teilnimmt. Beeinflusst
wird dies dadurch, dass man einen Internet-Anschluss hat und sich auf die
Plattform von "20 Minuten" begibt. Die entstehende Stichprobe wird nach Vorgaben poststratifiziert, sodass die Struktur der Stimmberechtigten stimmt.
118
Tabelle 26
Instrumentenvergleich
Institut / Medium
gfs.bern / SRG SSR
20 Minuten
Sonntagszeitung
Befragung
telefonische
Repräsentativbefragung
Online-Mitmachbefragung,
gewichtet
Online-Mitmachbefragung
(Panel)
Auswertung
Momentaufnahme
Momentaufnahme
Momentaufnahme
Zeitvergleich
beabsichtigt
beabsichtigt
--
Raum
DCH/FCH/ICH
DCH/FCH/ICH
k. A.
Grundgesamtheit
Stimmberechtigte
Stimmberechtigte
Stimmberechtigte
Befragungszahl 1. Welle
1213
32'654
k. A.
Befragungszahl 2. Welle
1411
31'253
34'389
Befragungszahl 3. Welle
Zeitraum 1. Welle
11.–15. Januar 2016
5.–7. Januar 2016
Zeitraum 2. Welle
5.–13. Februar 2016
25.–27. Januar 2016
15.–16. Februar 2016
Zeitraum 3. Welle
Fehlerbereich
(Dezember 2015)
+/- 2.7%
+/- 1.2%
k. A.
45:24 (31)
Ergebnis VI gegen Heiratsstrafe
1. Welle
61:21 (12)
63:24 (13)
2. Welle
53:38 (9)
61:28 (11)
3. Welle
49:45 (6)
Ergebnis Durchsetzungsinitiative
1. Welle
51:42 (7)
61:36 (3)
2. Welle
46:49 (5)
51:48 (1)
3. Welle
55:25 (20)
43:56 (1)
Ergebnis VI gegen Nahrungsmittelspekulation
1. Welle
48:39 (13)
41:30 (29)
2. Welle
31:54 (15)
40:35 (25)
3. Welle
k. A.
39:46 (15)
Ergebnis zweite Gotthardröhre
1. Welle
64:29 (7)
58:31 (11)
2. Welle
56:39 (5)
56:35 (9)
3. Welle
63:16 (21)
54:42 (4)
Beteiligung
1. Welle
48%
k. A.
k. A.
2. Welle
55%
k. A.
k. A.
3. Welle
k. A.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 2. Welle, 5.–13. Februar 2016
Der Vorteil der Umfragen für "20 Minuten" besteht in der Stichprobengrösse,
die deutlich höher ausfällt als bei der SRG-SSR-Umfrage. Der Nachteil ist, dass
das Auswahlverfahren keine individuelle Repräsentativität garantiert.
Die Vorgehensweise von Marketagent ist in der Publikation der Sonntagszeitung nicht beschrieben. Bekannt ist lediglich, dass die Interviews online auf
Panelbasis realisiert werden.
Wie aufgezeigt, beruhen die Vorumfragen der SRG und von 20 Minuten auf
unterschiedlichen Verfahren der Datenbeschaffung und -gewichtung. Untenstehende Auswertung zeigt die idealisierte Linie der Unterschiede zwischen
den Ergebnissen der zweiten Welle und dem Endresultat für beide Serien. Sie
legt nahe, dass bei knappen Entscheidungen die SRG-Umfragen mittels repräsentativen Stichproben im Schnitt genauer sind, während bei einseitigen Ergebnissen im Ja oder Nein die 20 Minuten-Erhebung besser abschneidet.
119
In der Regel finden sich bei den Umfragen von 20 Minuten wesentlich weniger
Unentschiedene als bei den SRG-Trendumfragen, was nicht den Entscheidrhythmen gemäss VOX-Analysen oder statistischen Ämtern entspricht. Entsprechend sind die Abweichungen der 20-Minuten-Umfragen gerade bei unbestrittenen Vorlagen geringer.
Grafik 94
120
5.4
gfs.bern-Team
CLAUDE LONGCHAMP
Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung gfs.bern, Verwaltungsrat gfs-bd, Politikwissenschafter und Historiker, Lehrbeauftragter der
Universitäten Bern und Zürich, Dozent am VMI der Universität Fribourg und am
KPM der Universität Bern.
Schwerpunkte:
Abstimmungen, Wahlen, Parteien, politische Kultur, politische Kommunikation,
Lobbying, öffentliche Meinung, Rassismus, Gesundheits- und Finanzpolitik
Zahlreiche Publikationen in Buchform, in Sammelbänden, wissenschaftlichen
Zeitschriften
MARTINA MOUSSON
Projektleiterin, Politikwissenschafterin
Schwerpunkte:
Analyse politischer Themen und Issues, nationale Abstimmungen und Wahlen
(SRG-Trend, VOX-Analysen, Wahlbarometer), Image- und Reputationsanalysen,
Integrierte Kommunikationsanalysen, Medieninhaltsanalysen, Qualitative Methoden, Gesellschaftsthemen (Jugendforschung, Rassismus, Familien, Mittelschicht)
STEPHAN TSCHÖPE
Leiter Analyse und Dienste, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Koordination Dienstleistungen, komplexe statistische Datenanalytik, EDV- und
Befragungs-Programmierungen, Hochrechnungen, Parteien- und Strukturanalysen mit Aggregatdaten, Integrierte Kommunikationsanalysen, Visualisierung
MARCEL HAGEMANN
Datenanalytiker, Sozialwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenanalyse und Datenbanken, Programmierungen, Integrierte Kommunikationsanalysen, Medienanalysen, Recherchen, Visualisierungen, Hochrechnungen
121
JOHANNA LEA SCHWAB
Sekretariat und Administration, Kauffrau EFZ
Schwerpunkte:
Desktop-Publishing, Visualisierungen, Projektadministration, Vortragsadministration
ALEXANDER FRIND
Praktikant, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenanalyse, Programmierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Medienanalysen, Visualisierungen
122
gfs.bern ag
Hirschengraben 5
Postfach
CH – 3001 Bern
Telefon +41 31 311 08 06
Telefax +41 31 311 08 19
[email protected]
www.gfsbern.ch
Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied des Verbands
Schweizer Markt- und Sozialforschung und garantiert, dass
keine Interviews mit offenen oder verdeckten Werbe-, Verkaufsoder Bestellabsichten durchgeführt werden.
Mehr Infos unter www.schweizermarktforschung.ch