Abschaffung der Heiratsstrafe und Zweiter Gotthard

Abschaffung der Heiratsstrafe und
Zweiter Gotthard-Tunnel starten mit
klarem Ja-Vorsprung
Mobilisierung beeinflusst Ergebnis zur Durchsetzungsinitiative stark
Kurzbericht zur 1. Welle der Befragungsreihe "SRG
Trend" zur Volksabstimmung vom 28. Februar 2016
Studie im Auftrag der SRG SSR, Januar 2016
Projektteam
Claude Longchamp Politikwissenschafter,
Lehrbeauftragter der Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen
Martina Mousson Politikwissenschafterin
Stephan Tschöpe Politikwissenschafter
Marcel Hagemann Sozialwissenschafter
Johanna Schwab Sekretariat und Administration
Sabrina Schüpbach Sozialwissenschafterin
Alexander Frind Politikwissenschafter
Wichtiges in Kürze
Wäre bereits am 12. Januar 2016 über die vier Vorlagen der eidgenössischen Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 entschieden worden, wären die Zweite Gotthard-Röhre und die Volksinitiativen "gegen Heiratsstrafe" angenommen worden. Knapp mehrheitlich ist die aktuelle Zustimmungsbereitschaft zur Durchsetzungsinitiative, knapp nicht der Fall
ist das bei der Spekulationsstopp-Initiative. Die Beteiligung hätte bei 48
Prozent gelegen. Ein Anwachsen der Teilnahme käme vor allem der
Durchsetzungsinitiative zu Gute.
Das sind die Hauptergebnisse der ersten von zwei Befragungen zur Volksabstimmung vom 28. Februar 2016. Realisiert wird die Serie vom Forschungsinstitut gfs.bern für die Medien der SRG SSR.
Tabelle 1
Übersicht gegenwärtige Stimmabsichten Teilnahmewillige
Abstimmung vom 28. Februar 2016
bestimmt /
eher dafür
bestimmt /
eher dagegen
weiss nicht/
keine Antwort
VI gegen Heiratsstrafe
67
21
12
Durchsetzungsinitiative
51
42
7
VI gegen Nahrungsmittelspekulation
48
39
13
Zweite Gotthardröhre
64
29
7
Bemerkung: Bei allen ausgewiesenen Zahlen ist bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit ein statistischer
Unsicherheitsbereich von rund 2.7 Prozentpunkten plus/minus mitzudenken.
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793)
Initiative gegen Heiratsstrafe
Stimmabsichten
Aktuell würden 67 Prozent der teilnahmewilligen Bürgerinnen und Bürger bestimmt oder eher für die Volksinitiative "Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe" stimmen. 21 Prozent wären bestimmt oder eher dagegen. 12 Prozent wären unentschieden. Die Ja-Seite startet demnach mit einem 46 Punktevorsprung in den Hauptabstimmungskampf.
Stand der Meinungsbildung
Über die Hälfte aller Beteiligungsbereiten verfügt über eine dezidierte Meinung
dagegen oder dafür. Die Meinungsbildung ist damit eher fortgeschritten.
Konfliktmuster
Familienpolitische Abstimmungen polarisieren im Normalfall zwischen gesellschaftsliberalen und gesellschaftskonservativen Werthaltungen. Bei liberalen
Reformen setzten sich die konservativen Bedenken bisher meist durch; konservative Volksinitiativen scheiterten bisher an einem Mix von Ablehnungsgründen.
Das aktuelle Konfliktmuster ist wenig ausgeprägt. Es ist von Betroffenheit,
Parteibindungen und regionalen Einflüssen geprägt.
Verheiratete Personen und solche in eingetragener Partnerschaft sind zu 72
Prozent dafür. Bei den übrigen Stimmberechtigten, die sich beteiligen wollen
beträgt die Zustimmung 59 Prozent.
Die höchste Unterstützung kennt die Vorlagen mit 80 Prozent Zustimmungsbereitschaft unter CVP-Wählenden, gefolgt von der SVP-Basis mit 73 Prozent
dafür.
Aber auch die anderen Wählerschaften sind in ihrer Mehrheit für die Initiative,
wenn auch weniger klar. Bei der GPS sind 53 Prozent dafür, bei der SP 55 Pro2
zent und bei der FDP 62 Prozent. Bei diesen drei Parteien ergibt sich wenigstens vorerst ein Widerspruch zwischen Parteiparolen und Stimmabsichten. Die
bisher feststellbare Polarisierung entlang der Parteibindung entspricht damit
eher dem Gegensatz von bürgerlich und rotgrün.
Die Vorlage findet schliesslich auch bei den parteipolitisch Ungebundenen mit
61 Prozent eine zustimmende Mehrheit.
Grafik 1
Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016 nach
Parteibindung: Initiative gegen Heiratsstrafe
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen die Heiratsstrafe abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür,
eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
14
23
8
9
3
16
11
9
6
7
16
bestimmt dagegen
11
eher dagegen
11
13
14
17
13
15
35
29
18
28
weiss nicht/keine
Antwort
23
32
eher dafür
45
44
43
34
32
21
GPS
bestimmt dafür
SP
CVP
FDP
SVP
Parteiungebundene
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793), sig.
Regional gesehen kennt die Vorlage in der italienischsprachigen Schweiz mit 76
Prozent die höchste Zustimmungsrate. Etwas geringer ist sie im deutschsprachigen Landesteil (68%) respektive im französischsprachigen (56%).
Argumente
Argumentativ entscheidend ist, dass die Doppelbesteuerung von 83 Prozent als
ungerecht empfunden wird. In der bisherigen Meinungsbildung hat dieses Argument auch am meisten gewirkt. Das wirksamste Nein-Argument, welches
von 49 Prozent unterstützt wird, ist die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Paare. Noch keine nachweisliche Rolle in der Meinungsbildung gespielt haben
dagegen Fragen der Steuerausfälle.
Die Stimmabsichten werden durch die geprüften Argumente nur unzureichend
bestimmt. Der Erklärungsgrad beträgt gerade mal 24 Prozent.
Das legt nahe, dass die inhaltliche Fundierung des Zustimmungswertes wenigstens bisher zurück geblieben ist. Insbesondere bei Parteiungebundenen
und im rotgrünen Lager ergibt sich argumentativ keine mehrheitliche Zustimmung zur Vorlage. Gerade hier ist mit Rückgängen zu rechnen.
Trend in der
Meinungsbildung
Die Initiative gegen die Heiratsstrafe ist eine potenziell mehrheitsfähige Initiative. Die Meinungsbildung ist eher ausgeprägt, lässt aber einiges an Spielraum
offen.
Im Normalfall nimmt die Ablehnungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf
zu und es sinkt die Zustimmungstendenz. Das ist auch hier zu erwarten, vor
allem wegen den noch geringen Einflüssen der Parteiparolen. Zudem wurde
bislang kaum über die finanziellen Auswirkungen gesprochen, die in der Regel
ein wirksames Nein-Argument darstellen.
3
Die Initianten haben einen Startvorteil; den Ausgang kann man noch kaum abschätzen.
Stichworte für die Berichterstattung

potenzielle Mehrheitsinitiative von rechts (bürgerlich-konservativ)

mittelstark fortgeschrittene Meinungsbildung

ungerechte Doppelbesteuerung populärstes und wirksamstes Argument
auf der Ja-Seite

Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare bisher wirksamstes NeinArgument, jedoch nicht gesichert mehrheitsfähig

Polarisierungsgrad bisher gering

erste Stimmabsichten vor allem bei Parteiungebundenen und im rotgrünen Lager argumentativ wenig abgestützt

Ja-Vorsprung erheblich, Hauptkampagnen folgen jedoch erst

Ausgang bisher schwer abschätzbar
Durchsetzungsinitiative
Stimmabsichten
Aktuell würden 51 Prozent der teilnahmewilligen Bürger und Bürgerinnen bestimmt oder eher für die Volksinitiative "Zur Durchsetzung der Ausschaffung
krimineller Ausländer" stimmen. 42 Prozent wären bestimmt oder eher dagegen. Die Ja-Seite startet mit einem 9 Punkte-Vorsprung in die Hauptphase des
Abstimmungskampfes.
Stand der Meinungsbildung
62 Prozent der Beteiligungsbereiten haben eine dezidierte Stimmabsicht dafür
oder dagegen. Keine Stimmabsichten äusserten nur 7 Prozent der voraussichtlich Teilnehmenden. Das spricht für eine fortgeschrittene Meinungsbildung.
Die Prädisponierung der Stimmabsichten ist durch die gefällten Entscheidungen zur Ausschaffungsinitiative erheblich. 80 Prozent der damaligen Befürworter respektive 81 Prozent der Gegner von damals würden wieder gleich stimmen. Bewegung findet sich vor allem im FDP-Umfeld.
Die Teilnahmewilligen rechnen selber mit einer knappen Annahme der Vorlage.
Im Mittel schätzen sie den Ja-Anteil auf 54 Prozent.
Mobilisierungseffekte
Eine steigende Stimmbeteiligung käme der Initiative zu Gute. Würden alle teilnehmen, die heute sagen, sich bestimmt oder eher beteiligen zu wollen, läge
die Zustimmungsbereitschaft bei 57 Prozent und die Ablehnungstendenz wäre
bei 36 Prozent. Der Vorsprung der Ja-Seite betrüge dann 19 Prozentpunkte.
Bei einer erhöhten Beteiligung würden vor allem zustimmungsbereite Personen
aus dem Mitte/links-Lager mobilisiert, die ein Behördenvertrauen kennen, in
dieser Sache aber anders denken als Bundesrat und Parlament. Aktuell wollen
viele von ihnen nicht stimmen gehen.
4
Konfliktmuster
Das Konfliktmuster bei Vorlagen wie der Durchsetzungsinitiative ist an sich
bekannt. Geprägt wird es durch einen Elite/Basis-Konflikt, wobei wirtschaftliche
Beweggründe dagegen und gesellschaftliche Motive dafür aufeinander treffen.
Neuerdings spielen auch rechtsstaatliche Argumente gegen Volksinitiativen aus
dem nationalkonservativen Lager eine Rolle.
Im aktuellen Fall zeichnet sich das entlang politischer, regionaler und sozial
bestimmt Gegensätze erneut ab. 89 Prozent der SVP-Wählenden sind für die
Durchsetzungsinitiative. Auch bei den Parteiungebundenen ist eine Mehrheit
dafür. Gespalten ist die Basis der FDP. Mehrheitlich im Nein sind die Wählerschaften von SP, GPS und CVP. Der Polarisierungsgrad ist hier ausserordentlich
hoch. Die Polarisierung auf der Links/rechts-Achse beträgt 72 Prozentpunkte
zwischen SVP und SP.
Grafik 2
Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016 nach
Parteibindung: Durchsetzungsinitiative
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Durchsetzungsinitiative abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür,
eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
4
3
4
28
14
62
14
10
weiss nicht/keine
Antwort
7
34
70
30
14
14
3
GPS
eher dagegen
8
12
12
12
21
19
45
59
bestimmt dagegen
eher dafür
25
7
8
9
13
16
SP
CVP
FDP
23
bestimmt dafür
SVP
Parteiungebundene
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793), sig.
Mehrheitlich im Ja sind auch regierungsmisstrauische Stimmberechtigte. Klar
überdurchschnittlich ist die Zustimmungsbereitschaft in der italienischsprachigen Schweiz. Das gilt ebenfalls für Personen mit unterem respektive mittlerem
Schulabschluss beziehungsweise der tiefsten Einkommensklassen. Schliesslich
ist die Zustimmung bei den jüngeren Bürgerinnen und Bürger über dem
Schnitt. Heute mehrheitlich im Nein sind dagegen Personen mit einer tertiären
Ausbildung respektive einem Haushalteinkommen von 9-11'000 CHF monatlich.
Argumente
Sachbezogen spricht einiges für die Positionen der Nein-Seite. Doch sie hat
eine offensichtliche Schwäche. Denn der Wunsch, kriminelle Ausländer auszuschaffen, findet bei zwei Drittel der teilnahmewilligen BürgerInnen Anklang.
Populär ist das Nein-Argument, das Parlament habe eine vernünftige Gesetzesvorlage zur angenommenen Ausschaffungsinitiativen ausgearbeitet, die nur bei
einem Nein in Kraft treten könne.
Die bedingungslose Ausschaffung polarisiert von allen getesteten Botschaften
am meisten. Ihre Bedeutung nimmt noch zu, wenn die Stimmbeteiligung
steigt. Die Nein-Seite kennt keine wirklich polarisierende Botschaft. Vielmehr
wirken die geprüften Argumente zielgruppenspezifisch.
5
Der Erklärungsgrad der Stimmabsichten durch die Argumente ist auffällig hoch.
64 Prozent der individuellen Entscheidungen können mit sechs Botschaften
korrekt nachvollzogen werden.
Trend in der
Meinungsbildung
Im Normalfall nimmt die Ablehnungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf
zu, es sinkt auch die Zustimmungstendenz. Automatisch ist diese Entwicklung
gerade bei rechten Volksinitiativen nicht. Im aktuellen Fall kommt jedoch hinzu,
dass Mobilisierungseffekte den Abstimmungsausgang mitbestimmen können.
Denn von einer Emotionalisierung der Kontroverse mit steigender Beteiligung
würde die Ja-Seite profitieren.
Entsprechend erscheint der Ausgang offen.
Stichworte für die Berichterstattung

potenzielle Mehrheitsinitiative von rechts (nationalkonservativ)

fortgeschrittene Meinungsbildung

hohe Prädisponierung durch Stimmverhalten bei Ausschaffungsinitiative

Ausschaffung krimineller Ausländer populärstes und wirksamstes JaArgument

Gesetzgebung zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative bisher wirksamestes Nein-Argument, wirtschaftliche und rechtliche Bedenken ansatzweise auch wirksam

weitere Entwicklung hängt vom Kampagnenverlauf respektive der Mobilisierung ab

Ausgang offen
Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
Stimmabsichten
Aktuell würden 48 Prozent der teilnahmewilligen Bürger und Bürgerinnen bestimmt oder eher für die Volksinitiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln"
stimmen. 39 Prozent wären bestimmt oder eher dagegen.
Die Ja-Seite startet mit einem 9 Punktevorsprung in den Hauptabstimmungskampf, ohne aber eine gesicherte Zustimmungsmehrheit zu haben.
Stand der Meinungsbildung
47 Prozent der Beteiligungsbereiten haben eine bestimmte Stimmabsicht dafür
oder dagegen. Gar keine Stimmabsichten äusserten 13 Prozent der Teilnahmewilligen. Die Meinungsbildung ist damit wenig fortgeschritten. Veränderungen durch den Abstimmungskampf sind sehr gut möglich.
Konfliktmuster
Angesichts der Neuartigkeit des Themas kennt man hier kein allgemeines Konfliktmuster. Im übergeordneten Sinne ist mit einer Links/rechts-Polarisierung zu
rechnen, allenfalls mit beschränkt konservativer Unterstützung der linken Minderheit.
Das zentrale Konfliktmuster, wie es sich bis jetzt abzeichnet, ist parteipolitischer Natur. Befürwortend ist das rotgrüne Lager, ablehnend das bürgerliche.
Die Polarisierung ist mittelstark (46 Prozentpunkte), weil namentlich rechtskonservative Wählerinnen und Wähler beschränkt für die Vorlage sind.
Zudem ergeben sich Unterschiede zwischen den Sprachregionen, denn Ablehnung und Unschlüssigkeit variieren zwischen der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz stark. Schliesslich zeigen Frauen, Jüngere und tiefere Bildungsschichten mehrheitlich Sympathien für das Anliegen.
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Grafik 3
Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016 nach
Parteibindung: Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation abgestimmt würde, wären Sie dann
bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
4
7
17
14
18
20
27
bestimmt dagegen
28
2
14
eher dagegen
24
19
30
18
29
26
14
19
13
18
58
24
14
13
17
CVP
FDP
12
weiss nicht/keine
Antwort
13
eher dafür
39
GPS
SP
22
27
bestimmt dafür
SVP
Parteiungebundene
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793), sig.
Argumente
Argumentativ am populärsten ist, dass das weltweite Hungerproblem nicht
durch Spekulationen verursacht wird – ein gegnerisches Argument. Die Initianten können dem aber eine fast ebenso beliebte Anklage gegenüber stellen; mit
Nahrungsmittelspekulation bereichern sich wenige Reiche.
Am meisten polarisierte bisher die Hunger-Thematik. Der Erklärungsgrad der
Stimmabsichten durch die Argumente ist jedoch mit 45 Prozent bei sechs geprüften Botschaften mittel.
Trend in der
Meinungsbildung
Erwartet wird, dass die gegnerische Argumentation ihre Wirkung auf die
Stimmabsichten erst noch entfaltet und die Ablehnung steigt, respektive die
Zustimmung sinkt. Das ist der Normalfall bei einer Volksinitiative. Eine Ablehnung in der Volksabstimmung ist wahrscheinlich.
Stichworte für die Berichterstattung

Minderheitsinitiative von links

Meinungsbildung bisher nicht stark ausgeprägt

mittelstarke Polarisierung auf der Links/rechts-Achse

Polarisierung bisher vor allem durch Ursache des Welthungers mit Vorteilen für die Gegnerschaft

Ablehnung dürfte steigen, Zustimmung sinken

Ablehnung wahrscheinlich
7
Zweite Gotthardröhre
Gegenwärtige
Stimmabsichten
Aktuell würden 64 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten bestimmt
oder eher für die Zweite Gotthardröhre stimmen. 29 Prozent wären dagegen.
Der Ja-Vorsprung in der Ausgangslage beträgt damit 34 Prozentpunkte.
Stand der Meinungsbildung
56 Prozent haben eine feste Intention; sie sind entweder bestimmt dafür oder
bestimmt dagegen. Nur 7 Prozent äussern zwar Beteiligungs-, nicht aber
Stimmabsichten. Die Meinungsbildung ist damit eher fortgeschritten.
Die Teilnahmewilligen gehen von einer knappen Annahme der Vorlage am Abstimmungstag aus. Ihre mittlere Schätzung für den Ja-Anteil beträgt 53 Prozent.
Konfliktmuster
Das Konfliktmuster bei Vergleichsabstimmungen ist einerseits durch eine Polarisierung zwischen rechtem und linkem Lager bestimmt, anderseits wirken sich
regionale und persönliche Betroffenheiten aus.
Das findet sich auch im aktuellen Fall, denn das Konfliktmuster, wie es sich in
der Umfrage zeigt, wird durch politische Bindungen, regionale Interessen und
den Fahrzeugbesitz bestimmt.
Parteipolitisch sind klare Mehrheiten von SVP, FDP und CVP dafür, von GPS
und SP dagegen. Parteipolitisch Ungebundene wollen ähnlich wie die CVP
stimmen. Der Polarisierungsgrad, hier durch SVP und GPS bestimmt, beträgt
erhebliche 52,5 Prozent.
Die höchste Zustimmung überhaupt findet sich in der italienischsprachigen
Schweiz, die geringste in der Romandie. Sie ist aber überall mehrheitlich. Wer
ein oder zwei (und mehr) Fahrzeuge im Haushalt hat, ist zu 64 respektive 71
Prozent dafür. Wer kein Auto besitzt, ist in der relativen Mehrheit gegen den
Bau.
Grafik 4
Filter Persönliche Stimmabsicht vom 28. Februar 2016 nach
Parteibindung: Zweite Gotthardröhre
"Ganz unabhängig davon, wie sicher Sie sind, dass Sie an dieser Volksabstimmung teilnehmen würden: Wenn
morgen schon über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet,
abgestimmt würde, wären Sie dann bestimmt dafür, eher dafür, eher dagegen oder bestimmt dagegen?"
in % Stimmberechtigter, die bestimmt teilnehmen wollen
15
32
15
55
10
10
9
8
7
3
16
20
8
8
2
32
2
32
11
60
18
18
eher dagegen
27
21
15
bestimmt dagegen
eher dafür
47
36
weiss nicht/keine
Antwort
35
18
10
GPS
bestimmt dafür
SP
CVP
FDP
SVP
Parteiungebundene
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (n = 793), sig.
Argumente
Beide Seiten verfügen über gut eingeführte und mehrere mehrheitsfähige Botschaften. Populärstes Argument überhaupt ist, dass der zweite Tunnel den
8
Verkehr sicherer mache. Die grösste Zustimmung auf der Nein-Seite kennt die
Aussage, mit der zweiten Röhre werde der Druck im In- und Ausland steigen.
Die polarisierendste Wirkung hat das staatspolitische Argument, wonach man
das Tessin nicht von der Schweiz abkapseln dürfe. Es wirkt eindeutig zugunsten der Vorlage. Auf der Nein-Seite polarisiert die Ansicht, die Vorlage widerspreche dem Alpenschutz. Diese Botschaft wirkt sich zugunsten der Gegnerschaft aus.
Die Wirkung der Argumente ist allerdings nicht in allen Sprachregionen gleich.
Der Gesamteindruck wird durch die deutschsprachige Schweiz geprägt, während in der italienisch- und französischsprachigen Schweiz die Frage des aufkommenden Verkehrsaufkommens am meisten polarisiert.
Die acht geprüften Argumente erklären 57 Prozent der individuellen Stimmabsichten. Das ist ein eher hoher Wert und spricht für ein weitgehend rationales
Stimmverhalten in Bezug auf die Meinungsbildung.
Trend in der
Meinungsbildung
Die bisherige Meinungsbildung entspricht dem Typ einer positiv vorbestimmten
Behördenvorlage. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, auch wenn das
Gegenteil noch nicht ganz ausgeschlossen werden kann.
Stichworte für die Berichterstattung

positiv vorbestimmte Entscheidung zu einer Behördenvorlage

Meinungsbildung eher fortgeschritten

auf beiden Seiten mehrheitsfähige Argumente, Sicherheitsfragen populär

Polarisierung vor allem durch staatspolitische Fragen, sprich Abkapselung
des Tessins und Verstoss gegen Alpenschutz

Konfliktmuster mit parteipolitischer Polarisierung und regionalen respektive persönlicher Betroffenheit

im Normalfall wachsen Zunahme- und Ablehnungsbereitschaft, im Ausnahmefall nimmt nur letzteres zu, beide Szenarien an sich möglich, Annahme aber wahrscheinlicher
9
Vorläufige Teilnahmeabsichten
Teilnahmeabsichten
Am 12. Januar 2016 hätten sich 48 Prozent der Stimmberechtigten bestimmt
an den Entscheidungen zu den vier Vorlagen beteiligt, über die am 28. Februar
2016 entscheiden wird. Das ist für den Zeitpunkt vor dem Urnengang ein Wert
leicht über dem Mittel.
Profil
Über dem Mittel mobilisiert gewesen wären die Wählenden von CVP, FDP und
SP, während sich jene von SVP und GPS noch etwas weniger teilnahmebereit
zeigten. Am geringsten teilnahmebereit waren parteiungebundene Bürgerinnen
und Bürger. Regierungsmisstrauische sind bereits heute in allen Parteien gut
mobilisiert.
Auswirkungen auf die Ja/Nein-Anteile bei einer steigenden Beteiligung ist vor
allem bei der Durchsetzungsinitiative möglich. Profitieren würde die Ja-Seite.
Grafik 5
Teilnahmeabsicht an Abstimmung vom 28. Februar 2016
nach Parteibindung
"Würden Sie selber an dieser Abstimmung bestimmt teilnehmen, eher teilnehmen, eher nicht teilnehmen oder
bestimmt nicht teilnehmen?"
in % Stimmberechtigter
9
2
7
5
13
3
4
1
2 1
9
9
bestimmt nicht
teilnehmen
12
28
31
27
9
eher nicht teilnehmen
33
weiss nicht/keine
Antwort
42
52
67
62
59
eher teilnehmen
46
39
37
bestimmt teilnehmen
GPS
SP
CVP
FDP
SVP
Parteiungebundene
© SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016 (N = 1213), sig.
Stichworte für die Berichterstattung

aktuell leicht überdurchschnittliche Beteiligungsabsichten

Wählende von CVP, FDP und SP leicht überdurchschnittlich teilnahmebereit

behördenmisstrauische Bürgerinnen und Bürger bereits heute über dem
Mittel mobilisiert

bei steigender Beteiligung ist vor allem bei der Durchsetzungsinitiative
mit Folgen zu rechnen, profitieren würde Ja-Seite
10
Generelles
Trend Umfragen
Momentaufnahme
Projektionen
Prognosen
Mindestens zweimalige Messung von Stimmabsichten, um Entwicklung der
Meinungsbildung zu sehen.
Einmalige Messung von Stimmabsichten.
Momentaufnahmen, bei denen die Unentschiedenen verteilt werden.
Projektionen, welche die kommende Meinungsbildung bis zum Abstimmungstag mitberücksichtigen und die erwarteten Ja/Nein-Anteil bestimmen.
Wie üblich handelt es sich bei der ersten Befragung um eine Momentaufnahme, ohne direkte prognostische Absicht, denn die Meinungsbildung hat eben
erst eingesetzt und sie kann bei Volksabstimmungen nachweislich das Ja-/
Nein-Verhältnis beeinflussen. Hinzu kommen Effekte aus der noch unbekannten Mobilisierung, sprich Auswirkungen der Beteiligung beider Lager.
Statt einer Prognose erstellen wir aber Szenarien der Meinungsbildung und der
Beteiligungsentwicklung. Dabei gehen wir bei Volksinitiativen grundsätzlich
davon aus, dass sich die Ablehnungsbereitschaft erst mit dem Abstimmungskampf aufbaut und die Zustimmungsbereitschaft vor allem bei linken Initiativen
in dieser Phase sinkt.
Keine Aussagen machen können wir über das Ständemehr, das bei Volksinitiativen ebenfalls entscheidet. Denn die Fallzahl lässt gesicherte Rückschlüsse auf
die Kantone nicht zu.
Erinnert sei, dass der 12. Januar 2016 der mittlere Befragungstag war und die
letzten Entscheidungen am 28. Februar gefällt werden müssen. Das sind 47
Tage oder fast 7 Wochen Differenz, während ein wesentlicher Teil des Abstimmungskampfes und damit der Formierung des Volkswillens erst stattfindet.
11
Datengrundlage
Die vorliegende Befragung wurde vom gfs-Befragungsdienst realisiert, die Berichterstattung nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor. Befragt wurden 1213
repräsentativ ausgewählte Stimmberechtigte in der ganzen Schweiz. Um
sprachregionale Aussagen machen zu können, haben wir die Sprachminderheiten überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um nationale Aussagen
machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht.
Tabelle 2
Technischer Kurzbericht SRG-Trend
Volksabstimmung vom 28. Februar 2016
Auftraggeber
CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit
Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz
Herkunft der Adressen
Telefonverzeichnis der Swisscom (gepoolt)
Datenerhebung
telefonisch, computergestützt (CATI)
Art der Stichprobenziehung
geschichtet nach
at random/Geburtstagsmethode im Haushalt
Sprachregionen
Befragungszeitraum
11.– 15. Januar 2016
mittlerer Befragungstag 12. Januar 2016
Stichprobengrösse
minimal 1200, effektiv 1213
n DCH: 710, n WCH: 303, n ICH: 200
Stichprobenfehler
+/- 2.9%
Quotenmerkmale
Geschlecht/Alter interlocked
Gewichtung nach
Sprache, Teilnahme, Parteiaffinität
Befragungsdauer
Mittel
Standardabweichung
16.3 Minuten
4.6 Minuten
Publikation
22. Januar 2016, 17h
 SRG-Trend/gfs.bern, Abstimmung vom 28. Februar 2016 im Trend, 1. Welle, 11.–15. Januar 2016
Die Sperrfrist für den aktuellen Bericht ist Freitag, der 22. Januar 2016, um
17.00 Uhr. Danach sind die Ergebnisse und der Bericht unter Quellenangaben
frei.
Zitierweise
1. Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 28.
Februar 2016, vom Forschungsinstitut gfs.bern zwischen dem 11. und dem 15.
Januar 2016 bei 1213 repräsentativ ausgewählten Stimmberechtigten durchgeführt.
12
gfs.bern-Team
CLAUDE LONGCHAMP
Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung gfs.bern, Verwaltungsrat gfs-bd, Politikwissenschaftler und Historiker, Lehrbeauftragter der
Universitäten Bern, Zürich und St. Gallen, Dozent an der Zürcher Hochschule
Winterthur, am MAZ Luzern und am VMI der Universität Fribourg und am KPM
der Universität Bern.
Schwerpunkte:
Abstimmungen, Wahlen, Parteien, politische Kultur, politische Kommunikation,
Lobbying, öffentliche Meinung, Rassismus, Gesundheits- und Finanzpolitik
Zahlreiche Publikationen in Buchform, in Sammelbänden, wissenschaftlichen
Zeitschriften
MARTINA MOUSSON
Projektleiterin, Politikwissenschaftlerin
Schwerpunkte:
Analyse politischer Themen und Issues, nationale Abstimmungen und Wahlen
(SRG-Trend, VOX-Analysen, Wahlbarometer), Image- und Reputationsanalysen,
Integrierte Kommunikationsanalysen, Medieninhaltsanalysen, Qualitative Methoden, Gesellschaftsthemen (Jugendforschung, Rassismus, Familien, Mittelschicht)
STEPHAN TSCHÖPE
Leiter Analyse und Dienste, Politikwissenschaftler
Schwerpunkte:
Koordination Dienstleistungen, komplexe statistische Datenanalytik, EDV- und
Befragungs-Programmierungen, Hochrechnungen, Parteien- und Strukturanalysen mit Aggregatdaten, Integrierte Kommunikationsanalysen, Visualisierung
MARCEL HAGEMANN
Datenanalytiker, Sozialwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenanalyse und Datenbanken, Programmierungen, Integrierte Kommunikationsanalysen, Medienanalysen, Recherchen, Visualisierungen, Hochrechnungen
13
JOHANNA LEA SCHWAB
Sekretariat und Administration, Kauffrau EFZ
Schwerpunkte:
Desktop-Publishing, Visualisierungen, Projektadministration, Vortragsadministration
SABRINA SCHÜPBACH
Praktikantin, Sozialwissenschafterin
Schwerpunkte:
Datenanalyse, Programmierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Medienanalysen, Visualisierungen
ALEXANDER FRIND
Praktikant, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenanalyse, Programmierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Medienanalysen, Visualisierungen
14
gfs.bern ag
Hirschengraben 5
Postfach
CH – 3001 Bern
Telefon +41 31 311 08 06
Telefax +41 31 311 08 19
[email protected]
www.gfsbern.ch
Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied des Verbands
Schweizer Markt- und Sozialforschung und garantiert, dass
keine Interviews mit offenen oder verdeckten Werbe-, Verkaufsoder Bestellabsichten durchgeführt werden.
Mehr Infos unter www.schweizermarktforschung.ch