Buch des Monats Nr. 245 Wüest, Yvo, Reduziert gewinnt! Didaktische Reduktion für Trainer, Ausbildende und Lehrpersonen. – Hrsg. aeb Schweiz. – Bern : hep, 2015 – 164 S. (ISBN 30355-0229-9, PHZH-Signatur DN 1000 W959) Reduzieren ist zusammen mit Ordnen und Fokussieren der Kern der Didaktik. Schön, dass hier für einmal unter den didaktisch Arbeitenden die in der Weiterbildung Tätigen an erster Stelle genannt werden. Weiterbildung ist denn auch die Haupttätigkeit des Autors, u.a. in Kuba als Leiter von Bildungsreisen, was er im Buch in vielen Beispielen einfliessen lässt. Seine interessant gestalteten Ausführungen sind gesättigt von Praxiserfahrung. Allerdings hätte er bei Reiseschilderungen und landeskundlichen Exkursen auch noch reduzieren können. – Dies ist das letzte in dieser Form erscheindende Abstract in einer 2001 begonnenen Reihe. Auch das ist immer wieder Reduktion gewesen... Das Vorwort von Ph. Metzger, Kollege des Autors in einem AdA-Projekt in Kuba, erzählt von den schwierigen Bedingungen dort, die ganz handgreiflich zu Reduktion und Improvisation zwangen. Das Buch sei das Ergebnis von 18 Jahren Erwachenenbildungsarbeit in der Schweiz und im Ausland. Die Einleitung des Autors bringt das Dilemma der Ausbildenden auf den Punkt: komplexer Stoff und Wunsch nach kompetenz- und teilnehmerorientiertem Untericht – aber wenig Zeit. Dazu kommen neue Rahmenbedingungen wie Modularisierung, Outcome-Orientierung, Wettbewerbsdruck und zunehmender Stoff. – Die weiteren Unterkapitel (UK) gehen ein auf die Reduktionsaufgaben lehrender Fachleute und auf das, was in diesem Buch weggelassen ist (Lerntheorie, Umgang mit Störungen). Kap. 1 legt die Grundlagen. Eingebaut in eine Rahmenhandlung auf Kuba erscheinen die Themen 'Wege aus der Vollständigkeitsfalle' (Beiträge von Comenius, Klafki, Siebert u.a., Gedanken weiterer Experten zum Stoffmengenproblem, 14 Stichworte zur didaktischen Reduktion); Nichtwissen in der Wissensgesellschaft (Grundlagenwissen, Metakompetenz); ein Exkurs über Mandelbrots Naturtheorie "Ungleichheit und Rauhheit" (ein Beispiel für die übermässige Vereinfachung, vor der Einstein warnt); der Einfluss verschiedener Bildungsstufen und Situationen, z.B. interkulturelle Begegnungen); die 3-Z-Formel (Zeit, Zielgruppe, Ziel des Lernens). Kap. 2 "Den Stoff reduzieren" beginnt mit dem Portrait zweier unterschiedlicher Vertreter eines kubanischen Zentrums für Umweltbildung. Daran anschliessend wird unter dem Titel "Wie gelingt uns die quantitative Reduktion?" die Wagenscheinsche Gegenüberstellung von Vollständigkeit (Quantität) und Gründlichkeit (Qualität) erklärt, kombiniert mit weiteren Ueberlegungen zum Setzen von Prioritäten und zur übergrossen Zahl von Themen in Lehr-gängen. Das UK "Friedhof der didaktischen Irrtümer" zeigt das Stoffmengenproblem auch auf der Ebene der Lernziele und erläutert die Lösungen (Minima definieren, das Wesent-liche herausstellen usw.) – Am Schluss präsentiert der Autor das selbst entwickelte Modell 'Grundlandschaft mit Tiefenbohrungen', der Metapher entsprechend dargestellt an einem Beispiel aus der Meeresgeografie. Kap. 3 "Komplexität reduzieren" referiert zunächst die Postulate von Klafki, dem Pionier auf diesem Gebiet, und erläutert dann dessen Modell zur Reflexion von Bildungsinhalten. Zur Illustration folgen Episoden aus der Kuba-Bildungsreise. Ein kritischer Exkurs gilt der "Reduktion im Zeitalter der Oekonimisierung", wobei gegenüber dem blossen Kompetenztraining für den Vorrang der Inhalte (d.h. der Fächer und ihren zentralen Gedanken und Methoden) plädiert wird. Das UK "Mit der Extremreduktion einschränken und veranschaulichen" handelt von der Wirkung von Witzen in verschiedenen Fachgebieten. Eine wichtige Ergänzung hiezu ist das UK "Mit dem Substanzcheck die Güte der inhaltlichen Reduktion prüfen" (ausgehend von einem Beispiel werden die Arbeitsschritte erläutert und betont, dass ein grundlegender Wissensbestand wichtig bleibe). Einen andern Aspekt der Reduktion behandelt das UK "Muster erkennen", bei dem es um mehrstufige Reflexion und Metareflexion geht. Das UK über die 'Blumenstausstechnik' der Reduktion, anknüpfend bei ostasiatischen Traditionen, hat sich in der interkulturellen Arbeit des Autors mit Chinesen bewährt. Kap 4 "Strukturdenken" beginnt mit der Devise "Strukturiert lernt es sich besser" (zwei Wege, Vorgehen bei längeren Exposés). Das zweite UK erläutert Strukturschemas (Raumaufteilung, Abläufe, Mindmaps). – Die magische Zahl drei, bekannt in der rhetorischen Tradition, wird als nützliche Hilfe in Erinnerung gerufen. – Eine häufige Aufgabe von Präsentationen ist sodann "den Nutzen verankern". Hilfreich ist dabei, und andernorts, der Fünfsatz als Argumentionshilfe (mit grafischer Verdeutlichung). – Zu unterscheiden sind deduktives und induktives Vorgehen (mit schwerer wiegenden Vorteilen des letzteren). – Schliesslich Tipps für eine verdichtete Sprache (kurze Sätze, Pausen, durchdachter Schluss usw.) Kap. 5 "Reduktion als Lernhandlung" bringt zunächst einen Exkurs in den kubanischen Götterhimmel. Die weiteren UK behandeln: 1. zwei grundsätzliche Arten des Lernens (oberflächen- und tiefenorientiert) mit je zwei Strategien; 2. Techniken, um Inhalte von den Lernenden reduzieren zu lassen (Aufträge für die Einzel- oder Gruppenarbeit); 3. Transfer in den Unterricht (mittels Techniken, die Raum oder Zeit einschränken: Spickzettel, Merksätze usw.); 4. die spezielle Technik der Formulierung von Fragen; 5. Lesestrategien zur Reduktion von Kompexität (Schritte der PQ4R-Technik, besonderer Nutzen des Fragens und des Rückblicks). Alle fünf Kapitel enden, unter dem Titel "Reduce to the max" mit sechs bis neun wichtigen Punkten, die mehrheitlich direkte Aufforderungen an die Leser/innnen als Lehrpersonen sind, im Sinn einer Anregung zum Transfer. – Zur Aktivierung und zur Reflexion der eigenen Praxis sind 22 "Denksportaufgaben" in die Kapitel eingestreut. Im Nachwort plädiert der Autor, im Anschluss an den Philosophen Peter Bieri, für den Vorrang von Bildung gegenüber Ausbildung und verweist auf die Konsequenzen, die sich daraus für die Organisation von Lernprozessen ergeben. Als Anhänge erhalten wir zunächst drei 'Boni': 1. Beispiele aus der Praxis von Lehrenden (vier Methoden der Reduktion), 2. Instrumente der didaktischen Reduktion (drei Logiken, je mit detaillierten methodischen Tipps); 3. Tipps und Tricks für die Präsentation. – Es folgen fünf Buchempfehlungen (zum Thema im weitesten Sinn); ein ausgiebiges Stichwort- und Personenverzeichnis (3 S.); eine nach Kapiteln gegliederte Liste der verwendeten Literatur (es fehlt der in den Fussnoten am häufigsten angeführte Klafki); und schliesslich eine Liste von nützlichen Links zu einschlägigen Institutionen. 2.12.15 Carl Rohrer
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