Europäische Kommission - Factsheet Statistik zur Sicherheit im Straßenverkehr 2015: Was verbirgt sich hinter den Zahlen? Brüssel, 31. März 2016 In den vergangenen Jahrzehnten wurden in der EU große Fortschritte bei der Verringerung der Todesfälle im Straßenverkehr erzielt. So ging die Zahl der Verkehrsunfälle mit Todesfolge zwischen 2001 und 2010 trotz größeren Verkehrsaufkommens um 43 % und seit 2010 um weitere 17 % zurück. Zudem zählt der Anteil der Verkehrstoten in dieser Region mit 51,5 Fällen je einer Million Einwohner verglichen mit 106 in den Vereinigten Staaten und 174 weltweit[1] - zu den niedrigsten überhaupt. Dieser Fortschritt hat sich in letzter Zeit jedoch deutlich verlangsamt: So ging die Verbesserung bei der Zahl der Verkehrstoten zwischen 2013 und 2014 auf fast Null zurück, und dieser Trend hat sich 2015 fortgesetzt. Angesichts dieser Verlangsamung müssen die Anstrengungen insbesondere auf nationaler Ebene verstärkt werden, wenn das strategische Ziel der Halbierung der Verkehrstotenzahlen bis 2020 erreicht werden soll. Schaubild 1: Todesfälle und Zielvorgaben in der EU (2001-2020) Wie lässt sich diese neue Verlangsamung erklären? Zur Verlangsamung der Fortschritte in den vergangenen drei Jahren haben sicher mehrere Faktoren beigetragen. Einige sind offensichtlich, wie aus den Statistiken hervorgeht[2]: Zunehmende Interaktion zwischen ungeschützten und motorisierten Verkehrsteilnehmern in den Städten und eine ständig wachsende Zahl älterer Personen im Straßenverkehr. Einige weitere Faktoren, auf die häufig hingewiesen wird, sind die Verstädterung mit einer wachsenden Zahl schwächerer Verkehrsteilnehmer, stärkeres Verkehrsaufkommen angesichts milderer Wintertemperaturen in Europa, weniger Mittel für die Instandhaltung von Verkehrswegen und Fahrzeugen aufgrund der Wirtschaftskrisen und nicht zuletzt auch das Aufkommen neuer Trends beim Verhalten von Verkehrsteilnehmern wie z. B. die Ablenkung durch Mobiltelefone. Was lässt sich den neuen Daten zu Schwerverletzten entnehmen? Auf jeden Verkehrstoten kommen zahlreiche weitere Personen mit schweren, oft lebensverändernden Verletzungen. Diese schweren Verletzungen treten nicht nur häufiger auf, sie verursachen auch aufgrund des langwierigeren Rehabilitations- und Krankenpflegebedarfs höhere Kosten für die Gesellschaft. Besonders betroffen sind hier schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Fahrradund Motorradfahrer oder ältere Personen. Seit 2015 melden die Mitgliedstaaten erstmals Daten zu schweren Verletzungen auf der Grundlage einer neuen, gemeinsam vereinbarten Definition nach medizinischen Standards[3]. Bislang sind bei Kommission Daten aus der Hälfte der Mitgliedstaaten eingegangen. In diesem Ländern leben rund 85 % der EU-Bevölkerung. Diesen Schätzungen zufolge wurden 135 000 Personen auf den europäischen Straßen schwer verletzt[4]. Bei der Mehrzahl dieser Schwerverletzten handelt es sich um schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Fahrrad- bzw. Kraftradfahrer. Noch höher war dieser Anteil in den Städten. Durch diesen Fortschritt bei der Datenerhebung wird die Kommission in die Lage versetzt, die diesbezüglichen Zahlen der Mitgliedstaaten zu überwachen, Richtwerte zu setzen und zu prüfen, wie sich weitere Fortschritte erzielen lassen. Außerdem geht aus den neuen Daten hervor, dass Unfälle mit Todesfolge oder mit Schwerverletzten unterschiedliche Merkmale aufweisen. Hierdurch lässt sich feststellen, wo weitere Anstrengungen – etwa bei der Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer oder in städtischen Gebieten - erforderlich sind. Welches sind die Erfolge der Mitgliedstaaten bei der Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten? Zwar hat sich die Verkehrssicherheit seit 2010 in allen EU-Mitgliedstaaten verbessert, zwischen den einzelnen Staaten bestehen aber weiterhin große Unterschiede. Schweden war im Jahr 2015 das Land mit den wenigsten Verkehrstoten je einer Million Einwohner (27); es folgen die Niederlande (28), das Vereinigte Königreich (29), Dänemark (30) und Malta (26). Die geringste Verkehrssicherheit findet sich dagegen in Rumänien (95 Verkehrstote), Bulgarien (95), Lettland (94), Litauen (82) und Kroatien (82), wobei in zwei Ländern – Lettland (-11 %) und Litauen (-10 %) zwischen 2014 und 2015 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war. Außerdem wurden 2015 in sieben EU-Ländern erstmals weniger als 40 Verkehrstote je einer Million Einwohner (EU-Durchschnitt: 51,5) gezählt. Zudem lag erstmals in keinem der Mitgliedstaaten die Zahl der Verkehrstoten über 100 je eine Million Einwohner. Schaubild 2: Anzahl der Verkehrsunfälle mit Todesfolge je einer Million Einwohner nach Mitgliedstaaten - 2014 und 2015 Welche Arten von Straßen und welche Verkehrsteilnehmer sind am stärksten betroffen? - Nur durchschnittlich 7 % aller Todesfälle ereignen sich auf Autobahnen. 38 % aller tödlichen Verkehrsunfälle treten innerhalb städtischer Gebiete auf. Die Mehrzahl (55 %) alle Unfälle mit Todesfolge werden in ländlichen Gebieten verzeichnet. Schaubild 3: Verkehrsunfälle insgesamt und Verkehrsunfälle mit Todesfolge nach Straßenarten - Die Hälfte aller Verkehrsopfer sind schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Rad- bzw. Motorradfahrer; in städtischen Gebieten ist dieser Anteil noch höher. Schaubild 4: Verkehrstote nach Altersgruppen in städtischen Gebieten Schaubild 5: Verkehrsunfälle mit Todesfolge in städtischen Gebieten, aufgeschlüsselt nach Verkehrsmitteln - 22 % aller Verkehrstoten sind Fußgänger, und diese Zahl ging langsamer zurück als die anderen Vekehrstotenzahlen (zwischen 2010 und 2014 um 11 % gegenüber 18 % bei der Gesamtzahl). Besonders hoch ist deren Anteil in Rumänien, Lettland, Estland, Polen und Litauen, wo Fußgänger mehr als ein Drittel aller Verkehrstoten ausmachen. - Auf die Radfahrer entfallen 8 % aller Verkehrstoten in der EU. Deren Zahl ging zwischen 2010 und 2014 nur um 4 % zurück – ein viel geringerer Rückgang als bei der Gesamtzahl der Verkehrstoten (18 %). Es gab erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Besonders hoch ist der Anteil der Radfahrer bei den Verkehrstoten in den Niederlanden (25 %) sowie in Dänemark und Ungarn (16 %). Die Unterschiede sind natürlich auch auf die Beliebtheit des Fahrrads in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückzuführen, andererseits jedoch auch auf die Sicherheit der Radwege, das Sicherheitsbewusstsein der Radfahrer selbst (z. B. durch Tragen eines Helms) und die Sensibilisierung der Kraftfahrer für die Sicherheit der Radfahrer auf den Straßen. - 15 % aller Verkehrstoten sind Motorradfahrer. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie im Falle eines Zusammenstoßes weniger geschützt sind. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten: Besonders hoch ist der Anteil der Motorradfahrer an den Verkehrstoten in Griechenland (31 %), Italien (21 %), Frankreich (19 %), Österreich (18 %), Spanien (17 %) und Deutschland (17 %). - Männer sind bei den Verkehrstoten überrepräsentiert: Sie machen 76 % aller Unfalltoten aus. Junge Menschen sind im Verkehr am stärksten gefährdet: Der Anteil der 15- bis 24jährigen an der Gesamtbevölkerung beträgt 11 %, bei den Verkehrstoten jedoch 16 %. Zwischen 2010 und 2014 ging die Verkehrstotenzahl bei diesem Personenkreis jedoch um 32 % zurück; dies ist mehr als in jeder anderen Altersgruppe. Dagegen verringerte sich der Anteil alter Menschen (9 %) in dieser Statistik nur um 3 %. EU-Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit auf den Straßen Die Mitgliedstaaten sind die Hauptakteure bei der Verringerung der Zahl der Verkehrstoten, weil die Straßenverkehrssicherheit größtenteils unter das Subsidiaritätsprinzip fällt. Zur Erreichung des strategischen Ziels, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 zu halbieren, müssen die Mitgliedstaaten ihre Maßnahmen verstärken, die Infrastrukturen und die Fahrzeugsicherheit verbessern, ihr Augenmerk verstärkt auf Sensibilisierung und Schulung richten und die Durchsetzung der Verkehrsvorschriften sicherstellen. Die EU hat einen allgemeinen Regelungsrahmen mit Rechtsvorschriften und Empfehlungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit geschaffen, so z. B. durch die Einführung von Mindestanforderungen zum Sicherheitsmanagement der transeuropäischen Netze und technische Vorschriften für die sichere Beförderung von Gefahrgütern. Aktuelle Initiativen sind u. a. die Richtlinie über die grenzüberschreitende Durchsetzung von Verkehrsvorschriften, die am 6. Mai 2015 in Kraft trat, um im Ausland begangene Verkehrsdelikte ahnden zu können, sowie im April 2014 erlassene neue Rechtsvorschriften zur Prüfung der Verkehrstauglichkeit, um die Zahl der Unfälle aufgrund technischer Fehler zu reduzieren. Im Jahr 2015 wurde mit der Vereinbarung der Einführung einer innovativen Technologie zur Rettung von Leben ein weiterer Meilenstein für die Verkehrssicherheit gesetzt. Ab März 2018 werden alle Neufahrzeuge mit dem eCall-System ausgestattet, das im Fall eines schweren Verkehrsunfalls automatisch den einheitlichen europäischen Notruf 112 anwählt und Rettungsdiensten den genauen Standort des Unfallfahrzeugs anzeigt. Durch eCall verkürzt sich die Wartezeit bis zum Eintreffen der Rettungsdienste in ländlichen Räumen um bis zu 50 % und in städtischen Gebieten um bis zu 40%. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der Todesfälle hierdurch um mindestens 4 % und die Zahl der schweren Verletzungen um 6 % verringern. Folgende Initiativen sind bereits in Gang oder laufen in Kürze an: - Überarbeitung und Überprüfung geltender Rechtsvorschriften: Zur Zeit ist eine Überprüfung der Richtlinie über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur in Gang, um festzustellen, welche weiteren Vorteile sich mit der Richtlinie erzielen lassen, etwa durch zusätzlichen Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer, technische Anforderungen zur leichteren Einführung von intelligenten Verkehrssystemlösungen oder die Festsetzung von Sicherheitsanforderungen. Die Anforderungen an die Ausbildung von Berufskraftfahrern werden ebenfalls überprüft, um Unstimmigkeiten zwischen der Richtlinie für Berufskraftfahrer und den EU-Vorschriften über den Führerschein zu beseitigen, die Anforderungen an die Sicherheit zu verbessern, die Richtlinie klarer zu fassen und ihre Auslegung zu erleichtern. Zur Zeit wird hierzu eine Folgenabschätzung durchgeführt. Die Anwendung der geltenden Rechtsvorschriften wird im Dialog mit den Mitgliedstaaten insbesondere im Rahmen von Sachverständigengruppen und Ausschüssen durch geeignete Folgemaßnahmen wie Prüfung der Umsetzung, Bewertungen, Durchführungsberichte ständig überwacht. - Die Verkehrssicherheit wird in die Beratungen über innovative Technologien mit hohem Verkehrssicherheitspotenzial einbezogen. Zur Schaffung der Voraussetzungen für kooperative intelligente Verkehrssysteme (ITS) plant die Kommission im zweiten Halbjahr 2016 die Erarbeitung eines Masterplans für die Einführung kooperativer ITS – einer interaktiven Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur. Ein solches System ermöglicht es den Fahrzeugen, direkt durch andere Fahrzeuge (etwa bei einer Vollbremsung) oder über die Infrastruktur (z. B. bei anstehenden Straßenbauarbeiten) auf Verkehrsrisiken hingewiesen zu werden. Dies steht auch in Zusammenhang mit den laufenden Arbeiten zum automatischen Fahren, etwa innerhalb der Initiative der Kommission GEAR 2030, die auch stark auf den Verkehrssicherheitsaspekt abstellt. - Studien und Vorhaben zur weiteren Verbesserung der Kenntnisse über schwere Verletzungen: Bei einer im Oktober 2015 angelaufenen Studie werden die Unfälle mit Schwerverletzen untersucht, um einige der häufigsten Unfallszenarien zu ermitteln, die schwere Verletzungen zur Folge haben. Die Ergebnisse dürften im November 2016 vorliegen. Das im Rahmen von Horizont 2020 finanzierte Forschungsprojekt SafetyCube hat zum Ziel, die Auswahl und Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zu fördern, die Unfälle in Europa und weltweit reduzieren. Das Projekt beinhaltet eine umfassende Analyse von Unfallrisiken und wird Leitlinien für die Registrierung und Weiterverfolgung schwerer Verkehrsunfälle bereitstellen. Die Kommission fördert und unterstützt die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen um die Verbesserung der Verkehrssicherheit durch verschiedene Plattformen zum Informationsaustausch und durch Maßnahmen wie die Hochrangige Gruppe für die Straßenverkehrssicherheit, Länderbesuche, gegenseitige Begutachtung oder europäische Tage der Verkehrssicherheit. Bei diesen Anlässen werden politische Entscheidungsträger, Sachverständige, NRO und Unternehmen zusammengebracht. Außerdem hat die Kommission die Europäische Charta für Straßenverkehrssicherheit erstellt, die sie auch betreut, eine große Plattform mit derzeit mehr als 2800 Mitgliedern, die öffentliche und private Einrichtungen sowie die Zivilgesellschaft in allen 28 EU-Mitgliedstaaten für das freiwillige Engagement zur Verbesserung der Verkehrssicherheit mobilisiert. Weitere Informationen: Siehe IP/16/863 Alle von der Kommission veranlassten Studien und Projekte sowie umfangreiche Informationen, Statistiken und bewährte Verfahren/Leitlinien finden sich auf der Website der Kommission. [1] Quelle: Globaler Zustandsbericht der WHO zur Straßenverkehrssicherheit 2015. [2]http://ec.europa.eu/transport/road_safety/specialist/statistics/index_en.htm [3] Zur Definition schwerer Verkehrsunfälle verwendet die EU seit 2014 den internationalen maximalen AIS-Wert (AIS-Abbreviated Injury Scale (vereinfachte Verletzungsskala)). Ab dem Wert 3 (MAIS3+) handelt es sich um schwere Verletzungen. [4] Daten von 2014. MEMO/16/864 Kontakt für die Medien: Alexis PERIER (+32 2 296 91 43) Jakub ADAMOWICZ (+32 2 29 50595) Kontakt für die Öffentlichkeit: Europe Direct – telefonisch unter 00 800 67 89 10 11 oder per E-Mail
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