Ruediger Safranski, „Das Böse oder Das Drama der menschlichen Freiheit“, 330 Seiten, HanserVerlag, ISBN 3-446-18767-7 In diesem Buch kommen viele Denker der Menschheitsgeschichte zu Wort. Deren Gedanken verschmelzen zu einer transzendenten Diskussion unter Einbezug der relevanten Themenkreise „Politik“, „Wirtschaft“ und „Religion“. Die unergründlichen Tiefen des Bösen werden anhand der Geschichten des Marquis de Sade, dessen Phantasien in die Abgründe des Bösen hinabgestiegen sind. Das Böse schlechthin, welches ausschliesslich auf Zerstörung aus ist. Im ersten Moment noch egozentrisch motiviert steigert es sich in ein unmotiviertes Böses, das „Böse um des Bösen willen“. Eine Gefahr, die in der Freiheit des Menschen begründet ist. (Mit den ersten fünf Kapiteln konnte ich nicht viel anfangen und hab diese lediglich überflogen.) Thomas Hobbes formulierte die Aussage: "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf". Warum ist dem so? Die Analyse führt zurück auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel. Das erlangen von Bewusstsein und Erkenntnis, das Erkennen der Zeit und der Geschichtlichkeit. Der Mensch verlässt das reine Sein in der Gegenwart und Geborgenheit im „Hier und Jetzt“. Er wird sich seiner unsicheren Zukunft bewusst, was in ihm das Verlangen nach Macht auslöst. In der Macht sieht er die einzige Möglichkeit, seine Zukunft zu sichern. „Es liegt aber in der Natur der Macht, dass sie nur in der Steigerung, in der Akkumulation ihren Bestand hat, da sie mit ihrem entstehen sofort Konkurrenz(-macht) auslöst.“ Diese individuelle, "private" Macht muss somit zwangsläufig zum totalen Chaos, zur totalen Zerstörung führen. "Die einzigen Möglichkeit, eine Gewalt zu schaffen, die in der Lage ist, die Menschen ohne Furcht ... für ihren Unterhalt sorgen zu lassen, liegt darin, dass alle Macht einem einzigen übertragen wird ... Wenn sich Menschen so zu einer Person vereinigen bilden sie einen Staat.“ Das Staat muss aber zwangsläufig alle Mitglieder als Gleiche behandeln 1. Dies Gleichmachende schützt zwar das Individuum, zwingt es aber gleichzeitig zur Aufgabe eines Teils seiner Individualität. Staat ist also die Gratwanderung zwischen Individualität und Kollektivismus. Das Selbstbewusstsein des Menschen kann sich nur in der Unterscheidung zum Andern bilden. Der heutzutage vielseitig angestrebte Individualismus in Wirtschaft und Freizeit und die gleichzeitigen Bestrebungen den Staat abzubauen sind also ein gefährliches Spiel. Es ist ein absägen des Astes, auf 1 „Gerechtigkeit ist der Versuch, ungleiches gleich zu behandeln“ (Quelle unbekannt) dem wir sitzen. Weit verbreitet in unserer Gesellschaft sind Angst vor Bindungen wie z.B. Ehe und Familie. Konkurrenz ist wichtig. Gezähmt gibt sie einer Gesellschaft lebenswichtige Dynamik. Entfesselt aber und Konkurrenz strebt immer danach - löst sie letztendlich Gewalt und Anarchie aus. Der Einfluss der Religion auf unser Konkurrenzverhalten wird anhand einer Episode des Alten Testament verdeutlicht. Kain, der Ackerbauer, opfert seinen Gott von den Früchten des Feldes. Abel, der Hirte, brachte Tieropfer dar. Nach der Darstellung des Erzählers wies Gott das Opfer Kain's zurück freute sich aber über das Tieropfer Abel's. Die Folge: Neid, Eifersucht, Hass, Mord. Kann Gott Mitverursacher von Zwist und Neid sein? Er (oder Sie) sollte doch unser menschliches Wesen am besten kennen. Später, nachdem Gott die Menschheit durch die Sintflut von der Ungerechtigkeit befreit hatte, indem der lediglich Noah, den Gerechten, mit seiner Familie überleben lies, ging es nicht lange, bis die Saat der Gewalt wieder in die Welt kam. Ham, ein Sohn Noahs, beobachtet seinen Vater in unehrenhafter Situation. Darauf hin verfluchte Noah Ham und macht ihn und seine Nachkommen (die Kanaaniter) zu Sklaven, zur Unterschicht. Später wurden sie von den Juden auf gleicher Ebene wie die Haustiere behandelt. Die Konkurrenz zwischen Gott und den Menschen ist beim Turmbau zu Babel illustriert. Menschen streben zum Göttlichen, Gott will dies nicht zulassen und greift erfolgreich ein. Dann gibt es noch die Konkurrenz zwischen den Göttern. Der Gott der Juden verbündet sich mit dem Volk und hilft ihm sich gegen die Völker fremder Götter zu behaupten. Eine Instrumentalisierung der Völker im Kampf der Götter?? -Wachstum ist - in Anlehnung an Plato - der Ursprung des Krieges. „Wenn das Gemeinwesen gut wirtschaftet, und gut verwaltet wird, tritt eine Gewöhnung an den sicheren Genuss ein und die Bedürfnisse steigen.“ Anscheinend ist der Mensch nur in der Lage Veränderungen wahr zu nehmen. Glücksempfinden scheint die Wahrnehmung von positiven Veränderung, nicht von positiven Zuständen zu sein. Die sich steigernden Bedürfnisse können bald nicht mehr mit den eigenen Bedürfnissen befriedigt werden. Also wird man "von den Nachbarn Land abschneiden müssen". Was ja sich auch in der Kolonialisierung manifestiert hatte, unter deren Folgen wir noch lange leiden werden. Warum können wir nicht mit dem zufrieden sein, was wir haben, solange wir genug zum (Über-)Leben haben?
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