30.07. Vera Schellberg

Samstag, 30. Juli 2015
19:00 Uhr Ökumenischer Gottesdienst
Thema: Lass dich überraschen!
Predigt: Pfarrerin Vera Schellberg, Evang. Gemeinde zu Düren
Trau dem Kleinen! Im Kleinen groß! Lass Kleines groß werden! Wunder / Lass dich überraschen!
Sauerteig / Senfkorn“ – Predigt zu Mt 13,33
Ein anderes Gleichnis sagte Jesus ihnen:
Das Himmelreich gleicht einem Sauerteig,
den eine Frau nahm
und unter einen halben Zentner Mehl mengte,
bis es ganz durchsäuert war.
Liebe Gemeinde,
wie Sauerteig also, ist das Reich Gottes – sagt Jesus hier in diesem Gleichnis oder, wie Matthäus uns
das überliefert: Wie Sauerteig ist das Himmelreich. Das Himmelreich, diese Wirklichkeit, wie Gott sie
geschaffen hat und will. Diese Wirklichkeit, zu der Jesus uns aufruft uns mit hinein nehmen zu lassen,
uns mit darauf zu zu bewegen.
Wie Sauerteig also ist diese große etwas unfassbare Vision mit den genauso großen und manchmal
unfassbaren Worten und Ideen von Frieden und Gerechtigkeit, von Menschlichkeit und Würde, von
Freiheit und Selbstbestimmung von Liebe unter den Menschen und Achtung voreinander die wir uns
alle wünschen als Realität, als das, was wirklich ist und erfahrbar und greifbar für jedeN EinzelneN,
für alle.
Und dann lässt Jesus dieses Reich Gottes nicht in der Ferne, nicht unfassbar, sondern macht es
greifbar, indem er sagt: Nehmt es in die Hand, wie Sauerteig, den ihr mit Mehl verknetet. Diese
großen Worte, eure Wünsche und Sehnsüchte – nehmt sie in die Hand.
Und vielleicht müssen wir uns das versuchen, konkret vorzustellen:
Frieden, wie Sauerteig in die Hand nehmen und mit Mehl verkneten
Gerechtigkeit, wie Sauerteig in die Hand nehmen und mit Mehl verkneten
Menschlichkeit, wie Sauerteig in die Hand nehmen und mit Mehl verkneten
Hineinkneten in Orte und in Strukturen, in Institutionen und ihre Regelungen, in
das Miteinander – in alle Gegebenheiten, in denen es darauf ankommt, dass
Menschen gewürdigt werden, geachtet, dass Menschen Gutes erfahren und
erleben, dass sie zum Guten beitragen können.
Als ganz einfach, etwas ganz alltägliches, bringt Jesus uns mit diesem Gleichnis
das Reich Gottes nah, als etwas, das nicht ein ferner Traum, eine unrealistische
Sehnsucht ist, sondern als etwas, das wir in die Hand nehmen können, ganz klein beginnen und
erleben, wie es hineinwirkt und das Ganze durchsäuert.
Eine Frau, die an einem Ort, mit einer Hand voll Sauerteig beginnt und eine andere, die es an einem
anderen Ort tut und weitere wieder woanders. Im Kleinen, mit wenig in der Hand beginnt es und viel
größere Zusammenhänge werden davon berührt und nichts bleibt unverändert zurück, so ist die
Verheißung, die Jesus versucht vielen Menschen nah zu bringen, damit sie sich erfüllt.
Und wenn ich dann in unsere Zeit gucke, dann finden wir uns vor in Diskussionen, die aktuell die
Nachrichten unserer Wirklichkeit ausmachen: Über Flüchtlinge und ihr Schicksal, die Not, die sie
treibt und unser Bemühen um den Aufbau einer Willkommenskultur.
Aber, ob wir sie alle aufnehmen müssen – ob wir das können, oder ob nicht andere Länder mehr in
die Pflicht genommen werden sollten.
Und ob die Flüchtlinge dann genau bei uns in der Nachbarschaft oder doch besser woanders
untergebracht werden sollten.
Und ob nicht sowieso die Notlagen-ausnutzenden-Schlepperbanden gestoppt werden und
Fluchtursachen bekämpft werden müssten, damit Menschen gar nicht in die Lage kommen, ihre
Heimatländer zu verlassen.
Und dann finden wir uns wieder in weiteren Diskussionen, was das dann heißt: Fluchtursachen zu
bekämpfen in Syrien, im Irak, für die Kurden in den verschiedenen Gebieten und die Menschen auf
dem afrikanischen Kontinent und anderen von Armut oder Krieg gezeichneten Ländern.
Und jetzt sind schon wieder unzählige auf dem Weg ihrer Flucht im Meer ertrunken.
Die Klärung wird unübersichtlich verzweigt zwischen der Logik der Rüstungsindustrie und Spiralen
der Gewalt, in denen Menschen sich in feindlichen Lagern gegenüberstehen, zwischen den Folgen
unserer Weise des Wirtschaftens und der damit einhergehenden zunehmenden Spaltung in Arme
und Reiche und der Suche nach alternativen Weisen Wirtschaft zu organisieren und der Frage, ob die
überhaupt realistisch sind – oder auch wieder fern jeder Realität.
Kompliziert ist zu durchschauen, welche Interessen wer mit hineinträgt in die verfolgten Strategien
und Bündnisse, die geschmiedet werden, mit denen, die alle jeweils in ihren Kontexten vor Ort für
Frieden und für Lebensmöglichkeiten, für Freiheit und für Menschenrechte arbeiten.
Weit entfernt scheint uns oft das Reich Gottes – diese Wirklichkeit, in der Frieden und Gerechtigkeit
wachsen und zunehmen können. Wir finden kein pack-an.
Verlieren uns in diesen Diskussionen, die sich immer weiter verzweigen und verlieren das aus dem
Sinn, was sinnvoll wäre zu tun.
Und was heißt das nun, wenn Jesus sagt: das Reich Gottes ist wie Sauerteig – Was heißt das mitten in
dieser Wirklichkeit, in der Menschen machtvoll Entwicklungen in Gang setzen, die der Wirklichkeit
Gottes entgegenstehen und auf der anderen Seite genauso Menschen sich aus ihrem Glauben heraus
oder aus humanitären Gründen heraus für ein gutes Leben für alle engagieren und in ganz
verschiedener Weise Prozesse anstoßen, die Menschen stärken oder kleine Überlebensinseln
schaffen, wie die Schiffer auf dem Meer mit diesen aufblasbaren Inseln, auf
denen sie Menschen vor dem Ertrinken retten, oder wie die, die hier Flüchtlinge
willkommen heißen, und ganz konkret denen zur Seite stehen, die Hilfe
brauchen.
Was heißt das, wenn in dieser Lage voller Zwiespalt und entgegen gesetzten
Kräften und Aktivitäten, Jesus das Reich Gottes vergleicht mit dem Sauerteig –
ja, nicht einfach nur so, wie er jetzt hier auf dem Altar steht in mit Ruhe und
Wärme selbsttätig wirkt, sondern vergleicht mit dem Sauerteig, den eine Frau nimmt und mit
Weizenmehl zusammen knetet und dann wirken lässt, bis der ganze Teig gut gelockert und
durchsäuert ist und ein gutes Brot gebacken werden kann.
Ich habe noch kein Brot mit Sauerteig und auch sonst noch nicht oft Brot gebacken, aber ich gehe
davon aus, dass diese Frau, von der Jesus spricht, nicht staunt und überrascht ist, dass mit dieser
kleinen Menge Sauerteig und mit ihrer Kraft eine große Menge Mehl durchsäuert wird. Das weiß sie,
das kennt sie.
Wenn Jesus also das Reich Gottes vergleicht mit der Wirkung von Sauerteig, dann greift er auf
alltäglich erfahrbare Prozesse zurück, um davon zu erzählen und uns davon zu überzeigen, oder uns
in Erinnerung zu rufen, dass Gottes schöpferische Kraft sich entfaltet – vorausgesetzt: Wir nutzen
auch unsere schöpferischen Möglichkeiten und lassen den Sauerteig nicht ungenutzt verkommen,
sondern nehmen ihn in unsere Hände und kneten ihn. Dann, so wirbt Jesus um unser Vertrauen und
unsere Zuversicht entfaltet sich das Reich Gottes verborgen und vermengt in unserer Welt, so wie sie
ist, mit allem Zwiespalt und entgegen gesetzten Aktivitäten.
Aber nicht einfach so, nicht naiv, blauäugig vertritt Jesus diese Hoffnung, sondern warnt auch mit
demselben Bild des Sauerteiges, vor dem Sauerteig der Pharisäer und des Herodes, dem Sauerteig
derer, die entgegengesetzt zum Reich Gottes Realität gestalten und in die Wirklichkeit auch ihrerseits
prägend hinein wirken.
Hütet euch, so warnt Jesus, hütet euch, dass ihr nicht mit dem Sauerteig derer euren Teig bereitet,
die mit Machtinteresse und Heuchelei auch angeblich schmackhaftes Brot backen.
Hütet euch, dass ihr nicht mit dem Sauerteig derer euren Teig bereitet, die mit vielleicht nicht sofort
offensichtlicher Ungerechtigkeit und Gewalt auch angeblich dem Frieden dienen. Der Sauerteig, den
Jesus ansetzt, ist offensichtlich anders als der der Pharisäer und der des Herodes. Das zu
unterscheiden ist wesentlich.
In dieser Linie ist unsere Aufgabe auch, uns zu distanzieren und Kritik zu üben und die Macht der
Wirksamkeit von Ordnungen, die einteilen und ausgrenzen, die Macht der Wirksamkeit von
diffamierenden Zuschreibungen, von struktureller Gewalt und gut begründetem Nichts-Tun nicht zu
unterschätzen.
Wenn ihr, so höre ich diese Botschaft Jesu, eure großen Träume nicht in der Ferne ausschmücken
oder resigniert in eine bessere Zeit vertagen wollt, dann könnt ihr mit daran wirken, dass sie sich im
Alltag entfalten.
Das, was ihr braucht ist da, so greifbar, wie Sauerteig. Und das, was es von euch braucht könnt ihr,
jedeR Einzelne, so einfach wie Sauerteig in Mehl rein kneten.
Den Sauerteig der Botschaft vom Reich Gottes, in dem Liebe das tiefste und das höchste Prinzip ist in
das Mehl des Lebens hinein zu kneten – Das klingt nach ganz naheliegenden Dingen. Das klingt nach
dem, was auf der Hand liegt, was um uns herum zu tun ist und es geht (nur) darum, das auch zu tun,
sich in Menschlichkeit zu üben und für Menschlichkeit Partei zu ergreifen und dann wie die Frau in
dem Gleichnis gar nicht mehr überrascht zu sein über die Wirkung. Vielleicht
eher noch überrascht zu sein, dass nicht jedeR mit dabei ist und Brot backt.
Die Frau in dem Gleichnis backt Brot von 25 kg Mehl. Ein kleiner Zug in dem
Gleichnis, der das Bild öffnet für die Idee: Von Vielen, die kommen und
eingeladen sind und gemeinsam teilen und essen und schmecken, wie gut Gott
es mit uns meinst und alle werden satt.
In der Wirklichkeit Gottes backt nicht jedeR für sich kleine Brötchen, sondern Brot für alle. Dazu sind
wir gleich eingeladen Brot miteinander zu teilen als Vorgeschmack des Reiches Gottes, als Stärkung
für das, was wir an unseren Orten tun und wo wir uns neu anstiften lassen, uns zu engagieren.
Amen