6 Siegener Zeitung S Lokales Samstag, 11. Juli 2015 Bei einem Sprung aus 4000 Metern Höhe ist die Aussicht atemberaubend. Viel hören kann man allerdings nicht, denn der Wind ist ohrenbetäubend. � Fotos: Michael Wetter (2)/Skydive Westerwald (3) Hochflug kommt vor dem Fall LIPPE (Kurz) über den Wolken: Die SZ-Volontärin wagte einen Tandem-Fallschirmsprung „Partner“ Steve hat beruhigenderweise schon 2800 Sprünge absolviert. sos � „Das Gefühl, wenn wir in der offenen Tür der fliegenden Maschine sitzen, ist schlimm, das kann man nicht schönreden. Aber das habt ihr nach drei Sekunden vergessen.“ Und schon ging es los: Absprung aus 4000 Metern Höhe, 50 Sekunden freier Fall, mit 200 km/h in Richtung Erde. Rückblick. Mütter sind eben so. Als meine von dem bevorstehenden Sprung aus einem Flugzeug erfuhr, war sie mittelmäßig begeistert: „Und was kommt als nächstes, eine Fahrt ins Krisengebiet?“ Aber der Entschluss war längst gefasst. Angst hatte ich keine. Seltsamerweise beschäftigten mich nebensächliche Probleme wie die Kleiderfrage: ich musste feststellen, dass ich keine Ahnung hatte, was man zu einem solchen Anlass anzieht. Letztendlich entschied ich mich für eine Hose mit T-Shirt – keine bahnbrechende Entscheidung, aber durchaus praktikabel. Die Einweisung auf dem Flugplatz führte mein Tandempartner Steve Chlebusch von Skydive Westerwald durch. Die korrekte Kopfhaltung vor dem Sprung Im freien Fall rasten Tandemmaster Steve Chlebusch und ich mit 200 km/h auf die Erde zu. Dann öffnete sich der Schirm und wir segelten etwa fünf Minuten im Gleitflug. Die Landung verlief ohne Probleme. (nach oben schauen), die Körperhaltung während des Falls (auf dem Bauch liegend, die Beine hoch) – das kann ja so schwer nicht sein, dachte ich selbstbewusst. „Egal wie schlecht es euch geht: Wenn die Kamera auf euch gerichtet ist, lacht ihr und habt Spaß.“ Kein Problem. Meine einzige Sorge war, woher die Springer wissen, wann sie den Schirm öffnen müssen; eine – wie ich fand – wichtige Information. „Wir schätzen das ab; pi mal Daumen“, lachte Steve. Bitte? „Nein, jeder Springer hat natürlich einen Höhenmesser am Handgelenk.“ Das hörte sich schon besser an. Wir marschierten in Richtung Flugzeug und warteten, bis alle Springer Platz genommen hatten. Steve begann langsam, mich vor sich festzuschnallen, nach etwa einer Viertelstunde hatten wir die Ausstieghöhe erreicht. Es wurde ernst. Die ersten sprangen, ohne lange zu überlegen, aus der Maschine. Und dann waren wir an der Reihe. Zugegeben, inzwischen stellte sich eine gewisse Nervosität ein, denn die Situation erschien mir doch sehr surreal. Wann springt man schon mal aus einem Flugzeug und gibt jegliche Kontrolle an einen völlig Fremden ab? Aber Steve springt seit 15 Jahren, hat über 2800 Sprünge absolviert; er wird wissen, was er tut, dachte ich. Sebastian Lauber, der „Kameramann“ des Springteams, hing bereits ohne große Mühe an der Stange über der offenen Tür und filmte uns. Jetzt schon? Wir wollten doch springen? Wir robbten in seine Richtung und ich stellte fest, dass ich alle Hinweise vergessen hatte, die ich vorher heimlich belächelt hatte – weil: „kann ja so schwer nicht sein“. Sollte ich jetzt, in diesem kritischen Moment, wirklich für die Kamera lächeln? Und schon schob Steve mich aus dem Flugzeug und wir rasten auf die Erde zu. Die korrekte Körperhaltung war mir entfallen, aber man kann ja eigentlich nicht viel falsch machen, denn runter kommt man immer, heißt es. Ich war gänzlich überfordert, und dann sollte ich Sebastian auch noch zeigen, dass ich Spaß hatte! Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, mein Geschrei zu verstehen; könnte ja etwas Wichtiges sein. Aber dank der ohrenbetäubenden Lautstärke des Windes konnte nicht einmal ich selbst mich hören. Einen klaren Gedanken hätte ich eh nicht fassen können. Vergeblich versuchte ich, die Eindrücke einzuordnen, bis sich plötzlich der Schirm öffnete. Wir schwebten und der Lärm wich absoluter Stille. Ich fand meine Orientierung wieder. Während des etwa fünfminütigen Gleitfluges, bei dem wir große und kleine, schnelle und langsame Kurven flogen, gewöhnte ich mich an die Höhe. Die Erde wurde immer größer und Steve bereitete mich auf die Landung vor: „Beine hoch. Höher. Noch höher.“ Ich muss definitiv mehr Sport machen, dachte ich, höher geht nicht. Aber da saßen wir schon, zurück auf dem (Hosen-)Boden der Tatsachen. Ein wackeliger Stand und ein leichter Druck auf den Ohren waren die einzigen Nachwirkungen des Sprungs. Abgesehen natürlich von dem seligen Gefühl, gerade etwas Tolles erlebt zu haben. Was genau ich während des Fluges gedacht habe? Ich weiß es wirklich nicht mehr, wahrscheinlich habe ich schlicht den Adrenalinkick verarbeitet, die Aussicht genossen und mich gefreut. Wie auch immer, das Fazit steht fest: Tut mir Leid, Mutti, aber ich will nochmal! Sonja Schweisfurth
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