Klausurenkurs Lösung Klausur Nr. 1654

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Lösung Klausur Nr. 1654
verweigert, begründet er ausdrücklich gerade nicht
mit Mängelrechten, sondern mit einem möglichen
Schuldübergang auf den E.
A. Anspruch G gegen K:
K könnte dem V gegenüber erfolgreich den Kaufpreis nach § 441 gemindert haben.
G könnte aufgrund der Abtretung des V (§ 398) einen Kaufpreisanspruch gegen K gemäß § 433 II haben.1
Dies hätte die Kaufpreisforderung des V gegen K, da
die Minderung eine teilweise rechtsvernichtende
Einwendung ist, in Höhe des Minderungsbetrages
zum Erlöschen gebracht.
I. Dies setzt zunächst die Wirksamkeit des zwischen
K und V geschlossenen Kaufvertrages voraus.
Diese ist gegeben: Eine Einigung zwischen K und V
(§§ 145 ff) über Kaufpreis und Kaufgegenstand,
liegt vor. Auch die Form des § 311b I 1 ist vollständig gewahrt, sodass keine Unwirksamkeit gemäß
§ 125 gegeben ist.2
Fraglich ist, ob die mangelnde Ertragsfähigkeit des
Grundstücks die Minderung zulässt. Dies ist dann
der Fall, wenn die Voraussetzungen der §§ 434 ff
vorliegen. Hat der Käufer den Kaufpreis – wie hier –
noch nicht in voller Höhe bezahlt, so kann er bei Inanspruchnahme durch den Gläubiger einwenden,
dass der Anspruch i.H.d. Minderungsbetrages nicht
mehr besteht.
Allerdings ist die Forderung in Höhe von 1,3 Millionen € schon erfüllt gemäß § 362 I, besteht also zu
dieser Zeit nur noch in Höhe von 700.000 €.
Dann müssten die Voraussetzungen der §§ 434 ff
vorliegen.
II. Aufgrund der zu geringen Ertragsfähigkeit des
Grundstücks könnte diese Forderung aber ganz oder
teilweise erloschen sein.
Insoweit kommt hier die ausdrücklich erklärte Minderung gemäß § 441 BGB in Betracht, evtl. auch der
„kleine“ Schadensersatz gemäß §§ 311a II, 437
Nr. 3 BGB (dazu nochmals unten).
Rücktritt nach §§ 323, 437 Nr. 2 BGB und „großer“
Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 437 Nr. 3 BGB
oder §§ 311a II, 437 Nr. 3 BGB sowie Anfechtung
nach §§ 119 II, 123 BGB3 sind schon deswegen
nicht zu prüfen, weil er – gewiss aufgrund der Weiterveräußerung an den E – nur eine Reduzierung des
Preises verlangt. Dass er die Zahlung insgesamt
1
2
3
§§ ohne nähere Bezeichnung sind solche des BGB.
Häufiges Zusatzproblem sind die mündlichen Ertragszusicherungen. Eine Formnichtigkeit des Vertrages ergibt sich
dann, wenn auch verbindliche Zusicherungen zum Gesamtgeschäft gehören. Dies ist dann der Fall, wenn sie in
innerem Zusammenhang mit dem übrigen Vertrag, insbesondere der Preisabrede stehen. Ein solcher Zusammenhang wird zwischen der Ertragszusicherung und der Kaufpreisvereinbarung wohl meist zu sehen sein. Aus der
Nichtigkeit der Zusicherung kann sich dann gemäß § 139
die Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrages ergeben, wenn
die Parteien das Geschäft ohne den formlosen Teil nicht
abgeschlossen hätten. Meist wird aber eine Heilung durch
Auflassung und Eintragung in das Grundbuch gemäß
§ 311b I 2 vorliegen. Auswirkung kann dann aber die bloße ex-nunc-Wirkung der Heilung haben; dies etwa, wenn
es um eine Vormerkung geht.
Insoweit würde nach h.M. infolge des Gefahrübergangs
ohnehin der Grundsatz der Subsidiarität von § 119 II gegenüber den §§ 434 ff. gelten (u.a. wg. Gefahr der Umgehung von § 438 I Nr. 3, II).
Es liegt ein Kaufvertrag über eine Sache gemäß § 90
vor, da hier ein Grundstück veräußert wurde und
nicht auch ein Unternehmen als solches.4
1. Fraglich ist, ob ein Sachmangel im Sinne des
§ 434 I vorliegt.
Nach § 434 I 1 läge ein Sachmangel vor, wenn der
Kaufsache eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit fehlt.
a. Problematisch ist, was als Beschaffenheit i.S.d.
§ 434 I 1 BGB vereinbart werden kann. Nicht zuletzt
die Gleichstellungen in den §§ 434 II, III und die
Entstehungsgeschichte – Aufgabe des früheren, sehr
engen Begriffs des Fehlers – zeigen, dass der Gesetzgeber hier nicht den Willen zu einer extrem engen Auslegung mit der Folge des Ausklammerns
vieler Leistungsstörungen aus dem Sachmängelrecht
hatte.
Richtigerweise beinhaltet die Beschaffenheit i.S.v.
§ 434 I 1 daher nicht nur die körperlichen Merkmale
einer Sache, sondern auch die tatsächlichen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen der Sache
zur Umwelt, unabhängig davon, ob diese ihr unmittelbar innewohnen oder anhaften.5
4
5
Im Falle des Unternehmenskaufs wäre § 453 BGB zu beachten.
Vgl. etwa Pal./Weidenkaff § 434, RN 9 ff.; Huber/Faust
Kap. 12, RN 23
© RA Ingo Gold / August 2015
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- 1654 / Lösung Seite 2 Somit handelt es sich bei den Erträgen des verkauften Grundstücks zumindest dann um ein Beschaffenheitsmerkmal desselben nach § 434 I 1, wenn diese
– wie hier – von der Lage als Teil der Beschaffenheit des Grundstücks selbst abhängen.6
Anmerkung: Darauf, ob die zum Inhalt des Kaufvertrags bestimmten Angaben durch die Einbeziehung des Katalogauszugs in den Kaufvertrag von der
Bekl. zugesichert (= garantiert) waren7, kommt es
hier nicht an, weil das Recht des Käufers auf Kaufpreisminderung nach § 441 BGB eine Garantie des
Verkäufers nicht voraussetzt, ein Gewährleistungsausschluss gar nicht erst vereinbart wurde (vgl.
§ 444 BGB) und keine Schadensersatzansprüche
geltend gemacht werden, bei denen ein Vertretenmüssen – ggf. auch ohne „echtes“ Verschulden (vgl.
§ 276 I BGB) – erforderlich wäre.
b. Weiterhin müssten K und V die Erträge des verkauften Grundstücks als Beschaffenheitsmerkmal vertraglich vereinbart haben. Dies ist dann der Fall,
wenn die Parteien in übereinstimmenden Willenserklärungen die Grundstückserträge zum Gegenstand
des Vertrages gemacht haben.8 Bei der hier gegebnen Erklärung, es sei „verbindlich“, dass das Gebäude auch künftig einen jährlichen Mietertrag von
mindestens 150.000 € ergeben werde, liegt ein solcher Rechtsbindungswille vor. Insbesondere wurde
nicht nur eine reine Wissenserklärung über die gegenwärtigen Mieteinnahmen bei Vertragsschluss
abgegeben.
notariellen Kaufvertrag mit aufgenommen, sodass
das Formerfordernis gewahrt ist.
Insofern ist eine vertragliche Vereinbarung dieser
Sollbeschaffenheit i.S.v. § 434 I 1 zu bejahen.
Diese Sollbeschaffenheit – ein jährlicher Ertrag des
Grundstücks i.H.v. mindestens 150.000 € – ist laut
Gutachten keinesfalls, auch unter den günstigsten
Umständen nicht gegeben, womit ein Sachmangel
i.S.v. § 434 I 1 vorliegt.
2. Dieser Mangel hat auch schon zum Zeitpunkt des
Gefahrenübergangs (vgl. § 446 S.1) vorgelegen, weil
das Grundstück bereits bei Übergabe an den K nicht
geeignet war, Erträge in der vereinbarten Höhe abzuwerfen.
3. Fraglich ist, ob die Wirksamkeit der Minderung am
Erfordernis einer angemessenen Nachfrist scheitert
(Grundsatz des Vorrangs der Nacherfüllung). Grds.
muss der Käufer gemäß § 441 I i.V.m. § 323 I 1 eine
angemessene Nachfrist gesetzt haben. Hier hatte K
laut Sachverhalt nichts dergleichen getan.
Allerdings hat laut Sachverhalt ein Gutachter festgestellt, dass das Grundstück bereits aufgrund seiner
Lage die zugesagten Erträge nicht hätte abwerfen
können. Da die Lage der Immobilie ebenso wenig
verändert werden kann wie ihr bauliches und gesellschaftliches Umfeld, konnte V also das Grundstück
zu keinem Zeitpunkt mit der vereinbarten Beschaffenheit verschaffen. Die Tatsache, dass aufgrund besonderer Umstände vorübergehend Erträge in der
versprochenen Höhe erwirtschaftet worden waren,
steht dem nicht entgegen, da es bezüglich der konkreten Beschaffenheitsabrede nicht um eine Momentaufnahme, sondern um die dauerhafte Zukunftsperspektive geht.10
Für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung
kann hingegen offen bleiben, ob V hinsichtlich der
Erträge Garantiewillen hatte, d.h. für ihr Vorliegen
verschuldensunabhängig einstehen wollte.
Wegen der Formbedürftigkeit des Grundstückskaufvertrags § 311b I 1 bedürfen auch wesentliche Ergänzungen und Nebenabreden zu diesem Vertrag
derselben Form.9 Laut Sachverhalt hatten die Parteien die Vereinbarung zum Grundstücksertrag in den
6
7
8
9
Vgl. BGH NJW 2011, 1217 [1218] = Life & Law 2011,
152; BaRo/Faust § 434, RN 22; Pal./Weidenkaff § 434,
RN 65. Nicht als „Fehler“ (§ 459 I a.F.), wohl aber als zusicherungsfähige Eigenschaft i.S.d. § 459 II a.F. war der
vorliegende Fall der Mieterträge eines Grundstücks auch
vor der Schuldrechtsreform von der Rechtsprechung anerkannt (BGH NJW 1990, 902; NJW 1992, 2564).
So die st. Rspr. zu den Erklärungen des Verkäufers über
erzielte Mieten: BGH NJW 1980, 1456 [1457]; NJW
1981, 45 [46]; NJW 1990, 902 [903]; NJW 1993, 1385;
NJW 2002, 208 [209].
Vgl. Pal./Weidenkaff § 434, RN 15.
Vgl. dazu Pal./Grüneberg § 311b, RN 25.
Dem Verkäufer war es also unmöglich i.S.v. § 275 I,
das Grundstück, wie von § 433 I 2 gefordert, mangelfrei zu übergeben und zu übereignen. Daher handelt sich vorliegend um einen unbehebbaren Mangel,
so dass das Erfordernis einer angemessenen Nach10
Rein theoretisch könnte dem Verkäufer eine Frist gesetzt
werden, durch eigene Zuschüsse Mieter gewissermaßen
„einzukaufen“ und einen entsprechend hohen Ertrag zu erzielen. Ein solch manipulativ erhöhter Ertrag mag einer
verbreiteten Praxis weiter Teile der deutschen Immobilienund Bankenbranche entsprechen (zeitlich befristete „Mietgarantien“, die der Immobilienkäufer durch die Hintertür
selbst wieder bezahlt und die ihm den Blick auf die andernfalls oft evidente Unrentabilität seiner Kaufsache vernebelt). Zumindest im vorliegenden Fall wäre aber auch
dies nicht der vertraglich geschuldete Zustand. Dieser besteht darin, dass die Immobilie unter gewöhnlichen Umständen den versprochenen Ertrag abwirft!
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- 1654 / Lösung Seite 3 frist sinnlos und daher nach § 326 V 2. Hs. entbehrlich ist; wegen der Verweisung des § 441 I BGB auf
die Rücktrittsvoraussetzungen gilt dies auch für die
Minderung.
4. Für die Wirksamkeit der Minderung ist die Frage der
Erheblichkeit des Mangels nach § 441 I 2 ohne
Bedeutung.
5. Der Umfang der Minderung bestimmt sich nach
§ 441 III 1: Danach ist der Kaufpreis in einem Verhältnis herabzusetzen, in welchem der Wert der
mangelfreien Sache zum wirklichen Wert gestanden
haben würde.11
Dies bedeutet hier, dass der wirkliche Wert des
Grundstücks (1,5 Mio. €) ins Verhältnis zum Wert
der mangelfreien Sache (1,8 Mio. €) zu setzen ist.
Daraus ergibt sich ein Verhältnis von 5/6. Bei einem
vereinbarten Kaufpreis für die mangelfreie Sache
i.H.v. 2,0 Mio. € ergäbe sich daraus ein geminderter
Kaufpreis von 2,0 Mio. € x 5/6, also ca. 1,67 Mio. €.
Dies wiederum entspricht einer Minderung von ca.
330.000 €.12
bei die im Ergebnis unerhebliche Frage, ob es sich
um einen Zugang unter Anwesenden oder unter Abwesenden (§ 130 I) handelt, nach Sachverhalt nicht
entschieden werden kann. Da es sich bei der Minderung um ein einseitiges Gestaltungsrecht handelt, ist
diese Erklärung formell ausreichend.
b. Erforderlich ist weiterhin, dass die Erklärung des
Käufers klar und unzweideutig ergibt, dass es sich
um eine Minderung handeln soll. Eine solche Eindeutigkeit ist im konkreten Fall insoweit gegeben, da
die Erklärung erkennen lässt, dass der Käufer nur
den Kaufpreis reduzieren, die Sache selbst aber trotz
des Sachmangels behalten, die Rechtsfolge des
Rücktritts also gerade nicht will. Zumindest aufgrund der anwaltlichen Vertretung des Erklärenden
kommt hier auch eine Auslegung der Erklärung als
Forderung von „kleinem“ Schadensersatz gemäß
§§ 311a II, 437 Nr. 3 BGB nicht in Betracht.
Exkurs: Der „kleine“ Schadensersatz wäre vorliegend ohnehin ungünstiger: Seine Höhe ergibt sich
nämlich aus der Differenz zwischen dem hypothetischen objektiven Wert der Kaufsache ohne Mangel
(hier 1,8 Mio. €) und dem objektiven Wert mit Mangel (hier 1,5 Mio. €)14 und beläuft sich daher im vorliegenden Fall „nur“ auf 300.000 €.15
Damit wäre der Kaufpreis bei Wirksamkeit der Minderung infolge deren Gestaltungswirkung nicht um
500.000 €, sondern nur um ca. 330.000 € reduziert.
Durch einen Rücktritt hätte der Käufer aber das
schlechte Geschäft wieder vollständig rückgängig
machen können (vgl. §§ 346 I, 323 I, 326 V, 437
Nr. 2 BGB).
6. Außerdem müsste die Minderung als Gestaltungsrecht wirksam ausgeübt worden sein.
a. Eine Willenserklärung des K dahingehend, dass er
den Kaufpreis um 500.000 € „mindern“ wolle, ist
dem richtigen Adressaten, nämlich seinem Vertragspartner V13, am 24. Oktober 2013 zugegangen, wo11
12
13
Details zur Berechnung des Minderungsumfangs siehe
Pal./Weidenkaff § 441, RN 12 ff.
Hintergrund dieser Berechnung ist folgender: bei der Minderung wird der Kaufvertrag dem Grunde nach aufrechterhalten; auf diese Weise soll der Käufer weiter an den
Vor- (bzw. Nachteilen) eines Kaufs unter (bzw. über)
Wert festgehalten werden.
Dies wäre erheblich problematischer, wenn die Abtretung
vor der Minderungserklärung erfolgt wäre: Wenn die Forderung wirksam an den G abgetreten worden war, könnte
man u.U. auf die Idee kommen, dass die Minderung dem
G gegenüber hätte erklärt werden müssen. Dies könnte
sich möglicherweise aus § 404 ergeben, wonach der
Schuldner dem neuen Gläubiger Einwendungen entgegenhalten kann, die ihm schon gegen den bisherigen Gläubiger zustanden. Dagegen spricht die Relativität der Rechtsverhältnisse, aufgrund derer der Schuldner auch nach der
Abtretung noch die Gestaltungsrechte hinsichtlich des
Vertrages mit dem Zedenten durch Erklärung gegenüber
diesem ausüben kann (und muss). Dies deshalb, weil der
Zessionar zwar die Forderung erwirbt, also Gläubiger
wird, der Zedent aber Vertragspartner des Schuldners
bleibt. Auch Rücktritt, Anfechtung, oder Widerruf hätte K
c. Dass K hier die Minderung i.H.v. 500.000 € statt in
dem ihm objektiv tatsächlich zustehenden Umfang
geltend gemacht hat, schadet deren Wirksamkeit
nicht. Die Angabe des korrekten Betrages gehört
nicht zum notwendigen Inhalt der Minderungserklärung. Gestaltungswirkung entfaltet die Minderung
jedoch nur in Höhe der objektiv gerechtfertigten
Preisreduzierung von 330.000 €.16
7. Die Minderungserklärung des K wäre gemäß § 438 I
Nr. 3, V, 218 I 1 unwirksam, wenn ein – hier nur
14
15
16
daher dem V gegenüber erklären müssen (vgl. Pal./Grüneberg 404, RN 4; RGZ 86, 310). Nach § 404 kann der
Schuldner die Einwendung erheben, dem bisherigen Gläubiger gegenüber das Minderungsrecht ausgeübt zu haben.
Vgl. BGH NJW 1993, 2103; NJW 2011, 1217 [1219] =
Life & Law 2011, 152.
Dies ist die Folge eines zu hohen Kaufpreises, wenn kein
Weiterverkaufsgewinn des Käufers als zusätzlicher Schaden hinzukommt. Bei einem günstigen Kauf (Preis unter
Wert) hat – genau umgekehrt – der Schadensersatzanspruch für ihn die besseren Rechtsfolgen.
Vgl. Pal./Weidenkaff § 441, RN 19.
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- 1654 / Lösung Seite 4 fiktiver (s.o.) – Nacherfüllungsanspruch verjährt
wäre.
tung am 30. April 2014 bestand die Forderung infolge der vorherigen Minderung vom 24. Oktober 2013
objektiv noch in Höhe von 370.000 €. Insoweit ist
ein abtretungsweiser Forderungserwerb jedenfalls
möglich gewesen.
Bei Immobilien gilt eine Frist von zwei Jahren seit
Übergabe des Grundstücks (hier Anfang Januar
2013). Da es insoweit auf den Zugang der Minderungserklärung gemäß § 130 BGB ankommt17, nicht
auf eine etwaige Klageerhebung, die Minderung vorliegend aber bereits am 24. Oktober 2013 erklärt
wurde, scheidet Verjährung hier aus.
Fraglich erscheint dies bzgl. der durch die Minderung erloschenen Kaufpreisanspruchs. Zu beachten
ist hier, dass ein gutgläubiger Erwerb einer objektiv
nicht bestehenden bzw. dem Zedenten nicht zustehenden Forderung grds. nicht möglich ist.
Zwischenergebnis: Der Kaufpreisanspruch besteht
infolge erfolgreicher anspruchsvernichtender Minderung nur mehr in Höhe von 370.000 €.
Nach § 404 kann er nun dem G gegenüber einwenden, dass infolge der Minderung die Kaufpreisforderung insoweit erloschen ist, und damit i.d.H. nicht
nach § 398 S. 2 wirksam erworben wurde; es genügt
grds., dass die Einwendung ihrem Rechtsgrund nach
bereits zur Zeit der Abtretung gegeben war.19
III. Wirksame Abtretung:
1. Diesen Anspruch müsste V wirksam an G übertragen haben. Forderungen können grds. formlos gemäß §§ 398 ff abgetreten werden. Eine Ausnahme
gilt nur für hypothekarisch gesicherte Forderungen,
bei denen sich die Übertragung auch der Forderung
nach §§ 398, 1154 vollzieht, da Hypothek und Forderung untrennbar verbunden sind (vgl. § 1153).
Hier handelt es sich um eine mit einer Grundschuld
gesicherten Forderung, deren Abtretung jedoch gemäß §§ 398 ff formlos möglich ist, da Forderung
und Grundschuld gemäß § 1192 nicht fest verbunden
sind und die §§ 1153, 401 insoweit nicht gelten. Die
Forderung kann also auch alleine wirksam abgetreten werden.
Da hier die Minderung am 24. Oktober 2013, also
noch vor der Abtretung am 30. April 2014 erklärt
worden war, steht dem K die Einwendung des § 404
hier unproblematisch zu und G konnte die Forderung
deshalb auch nicht gutgläubig einredefrei erwerben.
Der Kaufpreisanspruch steht dem G insoweit nur in
Höhe von 370.000 € zu.
IV. Schuldübernahme durch E:
K könnte jedoch von der gegen ihn gerichteten
Kaufpreisforderung des G befreit worden sein, wenn
E wirksam die Schuld des K gemäß §§ 414 ff übernommen hat.
§ 1192 Ia (zu diesem s.u.) hat die Sicherungsgrundschuld nicht zu einem akzessorischen Recht umgestaltet, sondern nur im Rahmen der Durchsetzbarkeit
eine Art begrenzte „mittelbare Akzessorietät“ eingeführt.18
hemmer-Methode: Zwar wurde die Schuldübernahme schon am 27. Januar 2014 zwischen K und E
vereinbart; außerdem hätte auch eine nach der Abtretung wirksam erteilte Genehmigung der privativen Schuldübernahme durch den Gläubiger ex tuncWirkung, d.h. sie würde auf den Zeitpunkt der
Schuldübernahme zurückwirken.20 Damit wäre die
Schuldbefreiung schon vor Abtretung vom 30. April
2014 eingetreten. Trotzdem war es hier aus praktischen Gründen angezeigt, die Schuldübernahme
nach der Abtretung zu prüfen, da letztere während
der Genehmigungsfrist vorgenommen wurde und
ansonsten die Abtretung inzident hätte geprüft werden müssen.
Hier ist sie zwar - wie üblich - zusammen mit der
Grundschuld übertragen worden; für die Wirksamkeit der Abtretung der Forderung muss dennoch das
Vorliegen der Formvoraussetzungen der §§ 1154,
1192 I nicht geprüft werden, da diese nicht auf die
Forderung anzuwenden sind.
2. Fraglich ist, in welcher Höhe G die Forderung durch
Abtretung erworben hat. Zum Zeitpunkt der Abtre17
18
Vgl. BGH NJW 2006, 2839; Pal./Weidenkaff § 438,
RN 18. Der mit dem Zugang des Gestaltungserklärung
entstandene Anspruch auf Rückzahlung fällt nun nach zutreffender h.M. nicht mehr unter § 438 BGB, sondern verjährt nach §§ 195, 199 BGB (vgl. Pal./Weidenkaff § 438,
RN 20).
Vgl. Weller JuS 2009, 969 [974]. Fraglich ist m.E. aber,
ob man einer nur mittelbaren Wirkung überhaupt von Akzessorietät sprechen kann.
1. Ein Schuldübernahmevertrag gemäß § 414
kommt nicht in Betracht, da ein Vertrag nicht zwischen E und G zustande gekommen ist.
19
20
Vgl. BGH NJW 1992, 2222; Pal./Grüneberg § 404, RN 4.
Vgl. Pal./Grüneberg § 416, RN 2; RGZ 134, 187.
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- 1654 / Lösung Seite 5 2. Daher kommt nur eine Übernahme nach § 415 in
Frage. K hat mit E im Veräußerungsvertrag vereinbart, dass E seine Restkaufpreisverbindlichkeit
übernehme, und er teilte dies auch dem G mit
(§ 415 I 2).
a. Da G weder ausdrücklich noch stillschweigend eine
Genehmigung erklärt hat, könnte allenfalls sein
Schweigen auf die Mitteilung des K vom 5. August
2014 Genehmigungswirkung haben.
Die Möglichkeit, durch Schweigen auf die Mitteilung des Schuldübernahmevertrages zwischen
Schuldner und Übernehmer die Genehmigungswirkung herbeizuführen, findet sich in § 416 I 2, wonach die Genehmigung eines Gläubigers einer durch
Hypothek gesicherten Forderung als erteilt gilt, wenn
der Gläubiger sie nicht binnen sechs Monaten nach
der Mitteilung des Altschuldners von der Schuldübernahme verweigert. Fraglich ist, ob diese Norm
auch auf eine durch Grundschuld gesicherte Forderung anwendbar ist.
Gegen eine entspr. Anwendung des § 416 auf durch
Grundschuld gesicherte Verbindlichkeiten könnte
man anführen, dass der Zusammenhang von Grundpfandrecht und persönlicher Schuld (Akzessorietät)
bei begrifflicher Betrachtung bei der Grundschuld
von vornherein nicht besteht.
Richtigerweise kann § 416 dennoch mit der wohl
h.M.21 auch auf eine durch eine Grundschuld gesicherte Forderung entspr. angewendet werden.
Eine Anwendbarkeit lässt sich nicht aufgrund des
§ 1192 verneinen, da § 416 nicht auf der Akzessorietät von Hypothek und Forderung beruht; § 416 bezweckt vielmehr, wegen der regelmäßigen wirtschaftlichen Verbindung von Grundstück und durch
Hypothek gesicherter Schuld, die Übernahme dieser
Verbindlichkeit durch den Grundstückserwerber zu
erleichtern. Insoweit aber besteht kein entscheidender Unterschied zwischen Hypothek und Grundschuld. Vielmehr kann im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck der Vorschrift trotz fehlender Akzessorietät die Gleichheit der Interessenlage auch bei
einer nur schuldrechtlichen Verknüpfung (Sicherungsabrede) bejaht werden.22
b. Jedoch setzt eine wirksame Schuldübernahme durch
Schweigen gemäß § 416 II 2 zusätzlich zu der Mitteilung des Altschuldners über die Schuldübernahme
21
22
Die ablehnende Auffassung wird heute kaum noch vertreten (vgl. Pal./Grüneberg § 416, RN 3; BaRo/Rohe § 416,
RN 3).
A.A. natürlich vertretbar!
den Hinweis voraus, dass der Übernehmer an die
Stelle des Schuldners tritt, wenn nicht binnen sechs
Monaten die Verweigerung erklärt wird. Der Gesetzgeber will also eine solche extrem weitreichende
Wirkung des Schweigens nur dann eingreifen lassen,
wenn dem Schweigenden diese Rechtsfolge zuvor
klar vor Augen geführt worden ist.
Nach Sachverhalt, in dem nur von der Bitte um Zustimmung zur Schuldübernahme die Rede ist, ohne
dass auf Fristen hingewiesen worden sei, ist nichts
dafür ersichtlich, dass eine solche zusätzliche
Rechtsfolgenbelehrung gegeben wurde.
Eine Schuldübernahme durch Schweigen des G
scheidet damit aus.
c. Die Geltendmachung der Forderung gegen K durch
G kann aus Sicht des verständigen Empfängers so
ausgelegt werden (§§ 133, 157), dass damit der Vereinbarung zwischen K und E die Zustimmung endgültig versagt wird. Daher wurde hierdurch der bis
dahin bestehende Schwebezustand beendet und endgültige Unwirksamkeit herbeigeführt.
Zwischenergebnis: K ist daher noch Schuldner des
G hinsichtlich einer Forderung über 370.000 €.
V. Einreden aus der Sicherungsabrede:
K hat dem V zur Sicherung der Restkaufpreisforderung eine Briefgrundschuld bestellt. Aus dieser Sicherungsabrede könnten weitere Einreden hergeleitet werden, die K gemäß § 404 auch der Forderung
des G entgegenhalten könnte. Eine solche Einwendung des K könnte sich daraus ergeben, dass V sich
evtl. in erster Linie aus der Grundschuld befriedigen
muss.
Dies ist dann anzunehmen, wenn mit Fälligkeit der
Forderung die Grundschuld als erfüllungshalber
hingegeben gilt. Denn nimmt der Gläubiger eine
Leistung erfüllungshalber an, so muss er das ihm erfüllungshalber überlassene Objekt erst auf Rechnung
des Schuldners mit verkehrsüblicher Sorgfalt verwerten, bevor er wegen des Ausfalls auf die alte
Forderung zurückgreifen darf. Ob eine solche Leistung erfüllungshalber vorliegt, ist durch Auslegung
zu ermitteln.
Eine solche vorgehende Verwertung entspricht jedoch i.d.R. nicht dem Parteiwillen, schon wegen der
Komplikationen, die mit einer Zwangsvollstreckung
verbunden sind. Aus der Auslegung des Sicherungsvertrages ergibt sich daher nicht die Einrede der
vorgängigen Verwertungspflicht aus der Grundschuld.
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- 1654 / Lösung Seite 6 Anmerkung: Eine den §§ 414 ff (s.o.) entsprechende Problematik existiert beim Grundpfandrecht
selbst also gar nicht. Vielmehr führt hier die Übereignung, die nur vom Willen von Veräußerer und
Erwerber abhängig ist (nicht auch vom Gläubiger
des Grundpfandrechtes) zum automatischen Wechsel der Passivlegitimation. Dies wird von § 416 I 2
gerade vorausgesetzt. Grund dafür: Das Grundpfandrecht ist keine persönliche Schuld, sondern eigentlich gegen das Grundstück gerichtet, sodass der
jeweilige Eigentümer zur Duldung der Vollstreckung
verpflichtet ist. Er kann nicht unmittelbar auf Zahlung von Geld verurteilt werden; er kann dies nur
„freiwillig“, um die Vollstreckung abzuwenden
(§§ 1142, 1143).
Ergebnis: G hat gegen K einen durchsetzbaren Anspruch in Höhe von 370.000 € nach §§ 433 II, 398
S. 2; in Höhe der darüber hinausgehenden 330.000 €
ist der Anspruch schon vor Abtretung durch Minderung erloschen.
B. Anspruch des G gegen E aus §§ 1147, 1192 I:
G könnte einen Anspruch aus § 1147 i.V.m. § 1192 I
auf Befriedigung aus dem Grundstück des E, d.h. auf
Duldung der Zwangsvollstreckung, haben.
I. Dann müsste G Grundschuldinhaber sein.
1. Nach Sachverhalt wurde dem V von K die Grundschuld wirksam als Briefgrundschuld gemäß
§§ 1116, 1117, 1192 I, 873 bestellt.
Erforderlich hierzu waren eine entsprechende dingliche Einigung (§§ 873 I, 1191 I), eine Grundbucheintragung der Grundschuld (§ 873 I), die Berechtigung
des K, die sich hier aus dessen Eigentümerstellung
ergab, und die Erteilung und Übergabe eines Grundschuldbriefes (§§ 1116, I, 1117, 1192 I).
III. E könnte jedoch Einreden bzw. Einwendungen gegen die Geltendmachung der Rechte des G aus der
Grundschuld haben.
1. Entstehung von Einreden im ursprünglichen Vertragsverhältnis K gegen V:
Fraglich ist zunächst, ob K als ursprünglicher
Grundschuldschuldner dem V als ursprünglichen
Grundschuldgläubiger gegenüber Einwendungen
bzw. Einreden hatte.
2. Diese Briefgrundschuld müsste V an G wirksam
übertragen haben.
a. Ein solcher derivativer Briefgrundschulderwerb erfolgt gemäß §§ 1192 I, 1154, 398, 413 durch Einigung, schriftlicher Übertragungserklärung und
Übergabe des Grundschuldbriefes. Nach Sachverhalt
ist dies hier so erfolgt.
Die Grundschuld setzt zwar nicht das Bestehen einer
Forderung voraus, dennoch ist § 1154 über § 1192 I
entsprechend anwendbar, da diese Norm nach ihrem
Wortlaut, nicht aber ihrem Gehalt nach, auf der Akzessorietät zwischen Forderung und Sicherungsrecht
beruht. Der Wortlaut des § 1154 muss dann allerdings angepasst werden. Statt „Forderung“ liest man
„Grundschuld“.
b. Auf § 1155 kommt es vorliegend nicht an. Diese
Ausnahme von der einfachen Schriftform des § 1154
hat nur die Funktion, den gutgläubigen Erwerb zu
ermöglichen: An die Stelle der Legitimationswirkung des Grundbuchs tritt der durch diese öffentlich
beglaubigte Erklärung bewirkte Rechtsschein. Wenn
aber - wie hier - ein Berechtigter die Grundschuld
überträgt, dann reicht die einfache Form des § 1154
aus, und § 1155 ist ohne Bedeutung.
II. Dem E wurde das Grundstück gemäß §§ 873, 925
wirksam übertragen, er ist daher passivlegitimiert.
a. Aus dem Sicherungsvertrag könnte sich - ähnlich
dem § 771 - die Einrede der Vorausklage ergeben.
Dies würde heißen, dass V erst aus der Forderung
vorgehen muss und sich dann erst aus der Grundschuld befriedigen darf. Dies ist ohne besondere
Anhaltspunkt aber abzulehnen, weil es im Regelfall
nicht dem Parteiwillen bei Vertragsschluss entspricht. Der Gläubiger hat vielmehr die Wahl, ob er
die persönliche Forderung, die Grundschuld oder
beide gleichzeitig geltend macht.23
b. Fraglich ist, ob die oben bejahte Minderung, die die
Forderung teilweise erlöschen ließ, auch Auswirkungen auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs aus
§§ 1147, 1192 I hat.
aa. Zu prüfen ist, ob sich derartiges aus § 1137 i.V.m.
§ 1192 I ergibt. Diese Regelung lässt im Hypothekenrecht eine Einrede gegen die Forderung auch gegen das Grundpfandrecht durchschlagen.
§ 1137 ist aber nicht auf die Grundschuld anwendbar
sein, weil § 1137 auf dem Akzessorietätsprinzip des
Hypothekenrechts beruht (vgl. § 1192 I), indem er
Forderung und dingliches Recht automatisch und
untrennbar miteinander verknüpft.24 Für die Siche23
24
Vgl. Pal./Bassenge § 1191, RN 31.
Pal./Bassenge § 1191, RN 23 f.
© RA Ingo Gold / August 2015
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- 1654 / Lösung Seite 7 rungsgrundschuld gilt nichts anderes, da sie ihrem
Wesen nach ebenso ein nicht-akzessorisches Recht
ist wie die isolierte Grundschuld. Gegen die Anwendung von § 1137 spricht nun auch § 1192 Ia, dessen
2. Hs. im Widerspruch zu § 1138 steht.
Daher stand dem K aufgrund seiner Minderung insoweit auch eine Einwendung gegen die Grundschuld zu.
2. Wirkung der Einreden auch gegen G:
bb. Allerdings könnte es sich um eine Einwendung gemäß § 1157 bzw. § 1192 Ia handeln (pfandrechtsbezogene oder eigentümerbezogene Einwendung).
Fraglich wäre noch, ob ein gutgläubig lastenfreier
Erwerb durch G vorliegt, wie er gemäß § 1157 S. 2
i.V.m. § 892 möglich ist. Diese Regelung wird aber
aufgrund des im vorliegenden Fall – wie gezeigt tatsächlich anwendbaren § 1192 Ia 2. Hs. ausdrücklich für unanwendbar erklärt. Daher kommt es auf
die Frage, welche Anforderungen an die Gutgläubigkeit zu stellen wären, nicht mehr an.
§ 1157 ist über § 1192 I auf die Grundschuld grds.
anwendbar. Sie wird für Erwerbstatbestände, die –
wie im vorliegenden Fall – nach dem Inkrafttreten
des sog. Risikobegrenzungsgesetzes am 19. August
2008 wirksam geworden sind (vgl. dazu Art. 229
§ 18 II EGBGB) aber von § 1192 Ia „überlagert“.25
Aufgrund dieser Regelung ist nun gesetzlich klargestellt, dass Einreden aus dem Sicherungsvertrag sog.
pfandrechtsbezogene Einreden darstellen.26
Exkurs zu dieser Streitfrage (immer noch maßgeblich für Sicherungsgrundschulden, die der Erwerber
vor dem 19. August 2008 erlangt hatte):
Nach dem RG war der Erwerber bösgläubig, wenn
er Kenntnis vom Sicherungscharakter der Grundschuld hatte. Dann müsse er mit Einwendungen bzw.
Einreden aus dem Sicherungsvertrag rechnen und sie
deshalb auch gegen sich gelten lassen. Dagegen wird
von der h.M. eingewendet, dass der Erwerber einer
Sicherungsgrundschuld regelmäßig weiß, dass es
sich um eine solche handelt. Gutgläubiger Erwerb
wäre damit so gut wie ausgeschlossen. Die Sicherungsgrundschuld wäre damit weniger verkehrsfähig
als die Hypothek, obwohl doch das Gesetz gerade
vom Gegenteil ausgeht. Deswegen ist zur Bösgläubigkeit positive Kenntnis der Unrichtigkeit des
Grundbuchs aufgrund der einredebegründenden Tatsache erforderlich. Damit ist Kenntnis von der konkreten Einwendung bzw. Einrede zu fordern.29 Da
eine solche Kenntnis seitens des G hier nicht ersichtlich ist, wäre der Fall bei Nichtanwendbarkeit von
§ 1192 Ia also anders ausgegangen (Erwerb der
Grundschuld ohne diese Einwendung).
Zu prüfen ist daher, ob aufgrund von Einwendungen,
die wie die hier wirksam ausgeübte Minderung eigentlich primär gegen die schuldrechtliche Forderung gerichtet sind, als Einwendungen „aufgrund des
Sicherungsvertrags“ (1. Alt.) anzusehen sind bzw. –
was dem gesetzlich gleichsteht – „sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben“ (2. Alt.). Zur Anwendung
dieser zweiten Alternative ist nicht erforderlich, dass
der gesamte Einredetatbestand bereits bei der Übertragung der Grundschuld vorlag, sondern es genügt,
wenn die Rechtsgrundlage beim Erwerb schon „angelegt“ war.27
Die hier bereits vor der Grundschuldübertragung erklärte Minderung begründet tatsächlich eine Einwendung „aufgrund des Sicherungsvertrags“ i.S.d.
§ 1192 Ia 1. Hs. 1. Alt.:
Die Sicherungsabrede war zwar auf die Bestellung
einer Sicherheit für die Restforderung in Höhe von
700.000 € gerichtet, jedoch ergibt sich bei Auslegung nach Treu und Glauben nach §§ 133, 157, dass
K als Sicherungsgeber einen Rückgewähranspruch
gegen V hat, falls die gesicherte Forderung – z.B. infolge der Zahlung auf die Forderung oder durch
Ausübung von Gewährleistungsrechten – erlischt.
Im Falle des teilweisen Erlöschens ergibt sich aus
der Sicherungsabrede die Pflicht des Grundschuldinhabers, nur insoweit zu vollstrecken, als es seinem
Recht aus der Forderung entspricht.28
25
26
27
28
Vgl. Tyroller Life & Law 2008, 768 ff; Weller JuS 2009,
969 [973 f].
Früher war dies im Rahmen der Anwendung des § 1157
h.M., aber insbesondere im Umfang nie ganz unstreitig.
Vgl. Pal./Bassenge § 1192, RN 3.
Vgl. etwa Pal./Bassenge § 1191, RN 24; § 1192, RN 3.
3. Wirkung zugunsten des Grundstückserwerbers:
Diese ergibt sich zumindest hier über § 398, da der
Veräußerer dem Erwerber seine vertraglichen Rechte, also diejenigen aus dem Sicherungsvertrag, abgetreten hat.30
Ergebnis: G hat gegen E einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach §§ 1147, 1192 I
in Höhe von „nur“ noch 370.000 €
_________________
29
30
Vgl. BGH Z 103, 72; Pal./Bassenge § 1191, RN 24.
Ohne diese Abrede wäre das problematisch (vgl. etwa
Pal./Bassenge § 1191, RN 25).
© RA Ingo Gold / August 2015