HELFT UNS HELFEN Beim Freiwilligenzentrum soll Kultur noch

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Helft uns helfen 2015
"Ich fühl mich wie im Himmel"
HELFT UNS HELFEN Beim Freiwilligenzentrum soll Kultur noch mehr im Fokus stehen
WETZLAR Ein Ungar trifft auf eine Dänin, eine syrische Frau auf eine Polin, ein Deutscher
auf eine Rumänin - beim Internationalen Café in der Phantastischen Bibliothek gibt es jede
Woche einen regen Austausch verschiedener Länder, Kulturen und Sprachen.
Kaffee trinken und ganz nebenbei deutsche
Sprache und Kultur kennenlernen, das geht immer
montags beim Internationalen Café in Wetzlar.
Menschen aus den verschiedensten Ländern
kommen hier regelmäßig zusammen. (Foto:
Mohamad Osman)
Zsolt Veres lebt seit fünf Jahren in Deutschland, 2010 ist er aufgrund seines damaligen Jobs
nach Deutschland gekommen. Ursprünglich kommt er aus Ungarn, doch in Deutschland sieht
er seine neue Heimat. Das spornt ihn an, seine Deutschkenntnisse zu verbessern: "Ich kann
noch nicht perfekt Deutsch," sagt er, "aber je mehr ich mit Menschen in Kontakt bin, desto
besser kann ich die Sprache lernen."
2013 ist das Integrationslotsen-Projekt in Wetzlar
gestartet. Inzwischen sind knapp 50 Ehrenamtliche als
"Brückenbauer" zuständig und unterstützen
Menschen, die neu in Deutschland ankommen, auf
ihrem Weg in die Gesellschaft. (Foto: JanssenMignon)
Dabei hilft Zsolt vor allem das Internationale Café des Freiwilligenzentrums Mittelhessen,
dass er regelmäßig montags zwischen 16.30 und 18 Uhr besucht. Zu lernen gibt es für ihn
aber noch mehr als die Sprache: "Ich gehe sehr gerne hierher, hier erfahre ich etwas über die
deutsche und andere Kulturen. Wenn du Ausländer bist, weißt du noch nicht wirklich, wie
sich die Leute hier verhalten."
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Das Kennenlernen anderer Kulturen und Sitten ist auch ein Anliegen von Karin Buchner. Sie
ist Mitarbeiterin des Freiwilligenzentrums und ebenfalls jeden Montag in der Phantastischen
Bibliothek zugegen. Sie sagt: "Ich habe mir immer gewünscht, dass das Kulturelle noch
etwas mehr in den Vordergrund rückt." Denn Buchner weiß, wie leicht Menschen aufgrund
ihrer unterschiedlichen Herkunft aneinander vorbeireden können. Sie erzählt: "Stellen Sie
sich vor, sie sprechen mit einem arbeitssuchenden Iraner, der ihnen erzählt, er fühle sich wie
im Himmel. Das hat bei mir große Verwunderung hervorgerufen, bis ich erfuhr, dass diese
Redewendung im Iran so viel bedeutet wie: ,Ich habe keinen Boden unter den Füßen.‘"
Menschen sensibilisieren, ihnen vermitteln, dass es um mehr geht als die Sprachkompetenz
allein - das ist eine der künftigen Herausforderungen, die sich das Internationale Café gesetzt
hat. Doch bereits seit Beginn des regelmäßigen Treffens vor rund einem Jahr hat sich gezeigt,
wie gut die Integration und das Miteinander verschiedener Kulturen funktionieren können.
Durchschnittlich 15 Menschen kommen hierher, "die einen regelmäßig, die anderen schauen
einfach mal vorbei", sagt Buchner.
Die Türen des Internationalen Cafés stehen für jeden offen, zum Austausch und natürlich zum
gemeinsamen Kaffeetrinken. Kuchen dafür werden gespendet, denn dass es nichts bringt,
nach guter deutscher Manier einen Dienstplan dafür zu erstellen, hat Karin Buchner längst
erkannt.
Internationales Café wurde von den Integrationslotsen ins Leben gerufen
Auch ein Ordner mit zahlreichen Informationen wurde inzwischen angelegt und: "Wenn die
Menschen Hilfe brauchen, ist hier der richtige Ort, einen weiteren separaten Termin
auszumachen, um Hilfestellung zu geben", sagt Buchner.
Die Idee, das Café ins Leben zu rufen, ging allerdings von den Integrationslotsen der Stadt
Wetzlar aus: "Nachdem die Ausbildung der Lotsen abgeschlossen war, wollten wir irgendwie
weiter unseren gemeinsamen Weg gehen. Und wir haben einen Ort gesucht, wo wir uns auch
in Zukunft begegnen und deutsch lernen können."
Auch Zsolt ist einer der Integrationslotsen, die dazu ausgebildet wurden, Migranten in
verschiedenen Bereichen des Zurechtkommens in Deutschland zu unterstützen: "Hier leben
nur wenige Menschen aus Ungarn, trotzdem möchte ich denjenigen helfen, die meine Sprache
sprechen. Ich kann sie zu den Behörden und zum Arzt begleiten oder ihnen bei der
Wohnungssuche helfen."
Julia Bürding ist ebenfalls als Integrationslotsin tätig, sie hat am ersten von bislang drei
Kursen teilgenommen, inzwischen ist sie sogar als Mitreferentin in das Projekt involviert.
Und sie ist als Integrationslotsin sehr gefragt: "Die Leute kommen über Mund-zu-MundPropaganda zu mir, ich habe sogar schon im Bus meinen Namen gehört und darauf
aufmerksam gemacht, dass die Frau, die sie suchen, gerade neben ihnen steht." Wichtig sei es
ihr vor allem, bei der Bearbeitung unverständlicher Papiere weiterzuhelfen und aufzuklären,
was hinter verschiedenen Dingen des deutschen Alltags steckt.
Doch auch für die Verbesserung sprachlicher Kenntnisse ihrer Landsfrauen setzt sich die
gebürtige Rumänin ein: "Ich habe keine Angst davor, deutsch zu sprechen, viele andere
Frauen schon. Sie leben seit 20 Jahren in Deutschland und können kein Wort deutsch. Das
will ich ändern", sagt Julia. Deshalb bietet sie einen eigenen Deutschkurs für Frauen im
Nachbarschaftszentrum in Dalheim an.
Neben Julia und Zsolt gibt es in Wetzlar bislang 45 weitere Integrationslotsen, sie kommen
aus rund 25 Nationen weltweit und haben sich allein im Jahr 2015 über 800 Stunden
ehrenamtliche engagiert. Auch 2016 wird es eine Ausbildung zum "Brückenbauer" geben.
Das hilft zum einen den Menschen, die hierherkommen: "Wir Deutschen maßen uns immer
an, zu wissen, was für Flüchtlinge und Migranten das Beste ist. Dabei wissen Leute wie Zsolt
viel besser, wo Hürden und Schwierigkeiten sind", sagt Buchner. Aber auch die
Integrationslotsen versprechen sich davon etwas Positives: "Sie bekommen dadurch zum
Beispiel einfacher einen Praktikumsplatz und der vereinfacht wiederum den Einstieg ins
Berufsleben."