Praktikumsbericht ohne Innenaufnahmen

Praktikumsbericht : 6 Wochen in Grenoble (Frankreich)
Den ersten Teil des obligatorischen Krankenpflegepraktikums habe ich im
Universitätsklinikum Grenoble absolviert. Dort war ich vom 5. Februar bis zum 19.
März (6 Wochen) in der Endokrinologie eingeteilt. Meine Entscheidung, für dieses
erste Praktikum meines Medizinstudiums ins Ausland zu gehen, stand schon recht früh
fest, da ich einen Teil meiner Schulzeit in Südfrankreich verbracht habe und sowohl
die bestehenden Kontakte als auch die Sprache gerne weiterhin pflegen möchte.
Überraschenderweise erwies sich die Umsetzung meiner Pläne doch etwas
komplizierter, als ich mir es vorgestellt hatte.
Als erstes musste ich natürlich ein
Krankenhaus finden, das mich als ausländische
Praktikantin aufnimmt. Zuvor hatte ich im Internet
nach Erfahrungsberichten gesucht und mich etwas
demotivieren lassen, als ich an einer Stelle las, dass
Praktikumsplätze meistens über Kontakte vermittelt
würden, und solche hatte ich nicht – zumindest nicht
im Krankenhaus. Ich wollte es aber trotzdem
versuchen und schickte Bewerbungen ab, und zwar
für ein „Stage d’aide-soignante/ infirmière“. Zu den
konkreten Inhalten dieses Praktikums komme ich an Die Endokrinologie, "Le pavillon les écrins"
anderer Stelle nochmals zurück. Zu meinem
von außen
Erstaunen bekam ich schon vom zweiten
Krankenhaus eine Zusage. Da ich 5 Jahre in Frankreich gelebt hatte, war die Sprache
weniger das Problem, als dass das Medizinstudium ganz anders strukturiert ist als in
Deutschland, so dass keiner wusste, in welche „Schublade“ er mich stecken sollte. Zur
Erklärung: Die französischen Medizinstudenten haben im 2. Jahr ein 3-wöchiges
Pflegepraktikum, in dem sie jedoch wenig machen dürfen, z. B. ist es ihnen untersagt,
Blut abzunehmen. Die zukünftigen Krankenschwestern hingegen machen mehrere und
längere Pflegepraktika, für die sie jedoch von ihrer Schule genaue Vorschriften bzw.
Ziele bekommen, die sie während des Praktikums erfüllen müssen. Als deutsche
Medizinstudentin, die eigentlich „alles“ machen darf, was man sie machen lässt, und
keine genauen Vorschriften hat (in der AÄppO steht folgendes: [Das Pflegepraktikum]
hat den Zweck, den Studienanwärter oder Studierenden in Betrieb und Organisation
eines Krankenhauses einzuführen und ihn mit den
üblichen Verrichtungen der Krankenpflege vertraut
zu machen.), befand ich mich demnach irgendwo im
Niemandsland zwischen Krankenschwester und
Medizinstudent. Das wusste ich nur leider nicht, und
es brauchte einige E-mails, bis ich verstand, warum
die französische Administration meine konkreten
Praktikumsziele wissen wollte und was dahinter
stand. Letztendlich schrieb ich ihnen einfach meine
persönlichen Erwartungen, und damit gaben sich die
französischen Ansprechpartner dann
Das "Hauptkrankenhaus" Michallon nebenan.
glücklicherweise zufrieden. Nun stand mir nichts mehr im Wege, 6 Wochen in der
Endokrinologie zu verbringen, wobei ich zu Beginn nicht einmal genau wusste, um
was es in dieser Station eigentlich ging.
In Frankreich ist der Beruf Krankenschwester
zweigeteilt: die reine Pflege übernehmen die
„Aides-soignantes“ (Krankenpflegerinnen), den
medizinischen Teil die „Infirmières“
(Krankenschwestern). Offiziell war ich die
erste Woche eine „Aide-soignante“ und des
Rest der Zeit eine „Infirmière“, wobei sich die
Aufgabenbereiche etwas überschneiden, und
man sich auch gegenseitig aushilft, wenn es
viel zu tun gibt. Ich erhoffte mir, von diesem
Praktikum den Umgang mit den Patienten zu
Blick auf Grenoble von der Bastille
lernen, deren Krankheiten zu verstehen und so
deren Behandlung nachvollziehen können. Insgeheim hoffte ich auch, Blut abnehmen
zu dürfen, Spritzen zu geben und vielleicht auch zu lernen, wie man einen Zugang
legt. Diese Erwartungen wurden größtenteils erfüllt oder sogar übertroffen. Nur
nachvollziehen kann ich die Behandlungen bis heute nicht, da der Hormonhaushalt des
Menschen doch etwas komplex ist, und mir dazu die Grundlagen fehlen – ich hatte
gerade einmal ein Semester Medizin hinter mir. In den ersten Tagen verstand ich
nahezu kein Wort von dem, was die Krankenschwestern bei der Übergabe erzählt
haben. Zum Glück ist die Fachsprache der Medizin in allen Ländern gleich, so dass ich
zumindest mit den anatomischen Begriffen etwas anfangen konnte. So fragte ich den
geduldigen Krankenschwestern Löcher in den Bauch, recherchierte viel und nach und
nach verstand ich immer mehr. Nachdem ich einen groben Überblick hatte, machte das
Praktikum auch viel mehr Spaß und ich konnte mich richtig dafür begeistern. Die
Endokrinologie ist eine eher ruhige Station, daher konnten sich die Krankenschwestern
meistens die Zeit nehmen, mir alles genau zu zeigen und zu erklären. Sie erklärten mir
die verschiedenen Tests, die man in der Endokrinologie nahezu täglich macht, zeigten
mir, wie man Blut abnimmt, Spritzen gibt, Wunden verbindet, und sogar wie man
einen venösen Zugang legt. Manchmal durfte ich die Ärzte begleiten, oder an kleinen
Fortbildungen teilnehmen. In der letzten Woche fand ein 4-tägiges Seminar für Typ 1
Diabetiker statt, dem ich ebenfalls beiwohnen durfte und bei dem ich auch wieder sehr
viel gelernt habe, sowohl über die Krankheit, als auch über Ernährung, bzw. die Menge
an Kohlenhydraten und Fetten in verschiedenen Nahrungsmitteln.
Die Krankenschwestern waren immer äußerst nett und hilfsbereit und haben sich
bemüht mir so viel wie möglich mit auf den Weg zu geben: Sie haben mich nicht nur
mit niederen Aufgaben betraut sondern mich auch an anspruchsvollere Sachen
herangeführt. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ich habe von Kommilitonen gehört,
dass dies nicht immer der Fall ist. Auch zu anderen Praktikanten und den Patienten
war das Verhältnis sehr gut, mit einer Teilnehmerin des Diabetiker-Seminars habe ich
immer noch Kontakt.
Auch außerhalb der Arbeit fand ich schnell Anschluss, bzw. hatte ich schon
Anschluss, bevor ich nach Grenoble kam. Viele Pfadfinder, die ich noch aus der Zeit
kannte, als ich in Frankreich gelebt habe, darunter auch einige sehr gute Freunde,
studieren in Grenoble. Über diese stellte sich auch der Kontakt zu einer WG ein, in der
noch ein Zimmer frei war, in welches ich einzog. Mit den anderen 3 Mädchen
freundete ich mich ebenfalls schnell an, auch zu ihnen habe ich noch Kontakt.
Natürlich lernte ich auch neue Leute kennen, etwa über Freunde, in der christlichen
Gemeinde (Eglise chrétienne évangelique), oder bei einem christlichen
Studententreffen, welches jeden Mittwochabend stattfand (FEU, Foyer évangélique
universitaire).
Grenoble an sich ist auch eine tolle Stadt. Sie liegt mitten in den Alpen, in weniger als
30 Minuten ist man am Skilift oder eben in den Bergen zum Wandern. Mit dem
Fahrrad erreicht man alles, allerdings werden Fahrräder dort auch gerne gestohlen. Die
öffentlichen Verkehrsmittel sind bezahlbar und bringen einen überall hin, entlang der
Isère kann wunderbar joggen gehen.
La place Victor Hugo im Zentrum von
Grenoble
Es ist sicher überflüssig zu sagen, dass mir
sowohl das Praktikum, als auch das Leben in
Grenoble äußerst gut gefallen hat. Es hat mir
nicht nur einen realistischen Eindruck in den
Beruf der Krankenpfleger und –schwestern
verschafft, sondern hat mich in meiner
Studienwahl bestätigt. Ich würde ein
Pflegepraktikum im Ausland sofort jedem raten,
da es einerseits zusätzliche Erfahrungen bringt
und andererseits man mehr Freiheiten bietet, da
man nicht der Tausendste Medizinstudent ist, der
sein Pflichtpraktikum abarbeitet. Der einzige
Nachteil ist der administrative Aufwand, aber
dieser lohnt sich auf jeden Fall!