Querdenken erlaubt - Interdisziplinarität beginnt in

Querdenken erlaubt
Interdisziplinarität beginnt in den Köpfen der
Lehrenden
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Aisha Boettcher, M.Sc.
Kristin Maria Käuper, M.Sc. ∙ Prof. Dr. Susanne Busch
Teilprojekt im Rahmen der BMBF – Initiative
Aufstieg durch Bildung – Offene Hochschule
Health Universities, Dreiländer- Tagung • 10. – 11.9.2015 • Winterthur, Schweiz
„Es ist eine merkwürdige Verengung des Geistes, wenn man nur
eine Kunst oder eine Wissenschaft liebt und die anderen
ausschließt.“
Gabrielle-Emilie de Breteuil Marquise du Chatelet 1746/47
HAW Hamburg • Aisha Meriel Boettcher• 10.9.2015
Agenda
 Interdisziplinarität & Co
 Status Quo Interdisziplinäres Lehren & Lernen
 Interdisziplinäre Ausbildung & Zusammenarbeit
 Studiengangkonzept
 Methode
 Ausgewählte Ergebnisse
 Limitation
 Diskussion
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Interdisziplinarität & Co
• Interdisziplinarität, interdisziplinäres Lehren & Lernen, interdisziplinäre Zusammenarbeit
& Gesundheitsversorgung
• Interdisziplinarität & Interprofessionalität
• Begriffliche Unschärfe mit herrschender Diskursdispersion
Terizakis / Gehring, 2014; Tannhauser, Russel-Mayhew, Scott, 2010; Klein, 2000
• Interdisziplinaritätsdiskurse befinden sich im Wandel
 vom forschungsorganisatorischen Postulat hin zur Entwicklung von praktischen /
praxisrelevanten Lösungsansätzen
Weber, 2010; Feichtinger, Mitterbauer, Scherke 2004
• Disziplinarität mit Erkenntnisgrenzen – Interdisziplinarität als „Reparaturphänomen“
und als Gegenpol zu Fachidiotentum / Spezialisierung
Mittelstraß, 1992, 96 - 98
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Interdisziplinarität & Co
• Interdisziplinäre Kompetenzen setzen disziplinäre Kompetenzen voraus
Mittelstraß, 1992, 99
• jedoch herrscht „zu wenig Klarheit über die Disziplinarität (z.B.) dieser jungen
Wissenschaft (Pflege)“ da Disziplingrenzen bis dato nicht deutlich gezogen werden
Remmers, 2014, 5ff
• Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige
Gesundheitsversorgung, gemeinsames Lernen als Voraussetzung für interdisziplinäre
Zusammenarbeit
Frenk et al. 2010, WHO, 2010
• Tätige in der Gesundheitsversorgung denken durch die Eingebundenheit mehrerer
Berufsgruppen bereits erfolgreich interdisziplinär zu arbeiten
WHO, 2010
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Status Quo
Interdisziplinäres Lehren und Lernen
Terizakis & Gehring (2014, 24):
„Ein genuines Interdisziplinaritätsverständnis für die Lehre (hat sich) noch
gar nicht herauskristallisiert.“
Frenk et al (2010, 8):
„Interprofessionelle Teamarbeit wird kaum erlernt“
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Interdisziplinäre Ausbildung 
interprofessionelle Zusammenarbeit WHO
Curriculum mechanisms
Educator mechanisms
Quelle: WHO 2010, S. 9
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Studiengangkonzept
Interdisziplinäre Gesundheitsversorgung &
Management, B.Sc.
Zielgruppe
Ausgebildete Fachkräfte
Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Hebammenkunde
Semesterstart
/ -anzahl
WS 2015/16
6 Semester
Anrechnung
Beruf
60 ECTS
Abschluss
Bachelor of Science / 210 ECTS
Besonderheit
Berufsbegleitend
Interdisziplinäres Lernsetting zu 100% = einmalig in BRD
ABER
Kein Erfahrungsschatz gemeinsames Lernen, interdisziplinäre Didaktik und Inhalte
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Methode
Methode
leitfadengestützte Fokusgruppendiskussion nach vorherigem Input in 3 getrennten
und statusgruppengemischten Realgruppen
(Fragestellungen:
Interdisziplinarität und Stellenwert interdisziplinären Lehrens und Zusammenarbeit)
Teilnehmende 7Professor_innen und 10 wissenschaftliche Mitarbeitende des
Department Pflege & Management
Dauer durchschnittlich 1,5h
Datenaufbereitung Transkription nach GAT-Kriterien
Analyse Inhaltsanalyse nach Mayring - zusammenfassende Kategorienbildung
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Ausgewählte Ergebnisse
Kategorie
Zitat
Begrifflichkeit
„Ich weiß nicht worüber wir reden jetzt. Also, reden wir über
Gesundheitsversorgung, reden wir über den Studiengang, über unsere
persönliche Vorstellung von Zusammenarbeit (…).“ (TN_rY5_38)
„Alles was es an Missverständnissen zwischen Disziplinen gibt, rührt
daher das Begriffe nicht klar sind.“ (TN_mDb8_16)
„(…) da haben wir einfach gemerkt, wie bedeutsam es ist wirklich an
Begriffen zu arbeiten. An Begriffen oder man muss sagen an
Verständnissen und sich da gegenseitig die Denkweise zu erläutern.“
(TN_mDb5_30)
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Ausgewählte Ergebnisse
Disziplinen / Disziplinarität
Kategorie
Zitat
„Ich glaube das erste wäre das die Berufsgruppen voneinander wissen. Das
sie sozusagen wissen, was sind eigentlich Leitbilder des Handelns, was ist
berufliches Selbstverständnis, Identität, also da würde ich mal sagen, ich
glaube nicht das das transparent ist.“ (TN_rU5_37)
„Dann fehlt sozusagen die Kernidentität, die notwendig ist um
interdisziplinär arbeiten zu können.“ (TN_rY13_47)
„(...) ich glaube Interdisziplinarität funktioniert nur wenn man gesundes
Selbstbewusstsein und ein eigenes Verständnis seiner eigenen Disziplin
entwickelt hat und mitbringt und damit mit wie selbstverständlich
umgeht.“ (TN_mM5_59)
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Ausgewählte Ergebnisse
Neuordnung
Kategorie
Zitat
„Das meinte ich mit der Hierarchie (…). Es fehlt eben eine ganz entscheidende
Gruppe und das sind die Mediziner (…) die sich immer als Leitdisziplin sehen
und selbst wenn sie es nicht tun, hätte ich das Gefühl die anderen würden sie
erstmal qua Historie so sehen.(…) Für mich wäre die Idealvorstellung, von
Interdisziplinarität das diese Gruppe gleichberechtigt zu den anderen wäre.“
(TN_mYC11_40)
„Ich wüsste nicht, wo man da die ganzen therapeutischen und pflegerischen
Berufe dann Platz haben. Also kann man in die Reihe von Medizin und Juristerei,
Pflege und Physiotherapie stellen oder muss das untergeordnet werden. (…)
müsste man eher sagen, wir haben Gesundheit als Überdisziplin und oh Gott da
kommt Medizin neben Physiotherapie in eine Schublade (…).“ (TN_wO13_56)
„Das hat auch mit Macht zu tun, also (..) Ärzte gegenüber Pflegenden. (…) da
wollen alle das gleiche im Hinblick auf die Klientenversorgung, aber die, die im
Moment auf der Verordnungsseite sitzen, wollen da auch sitzen bleiben und
nichts abgeben.“ (TN_rY20_08).
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Ausgewählte Ergebnisse
Verständnis von Lehre und Lernen Querdenken
Kategorie
Zitat
„Mir ist aber so das Ziel noch gar nicht ganz klar merke ich ja
eigentlich, Interdisziplinarität ok, was soll denn da jetzt eigentlich
konkret gefördert werden“ (TN_eT25_58)
„(...) Vielleicht komme ich einfach nicht mit, aber ein erstes
grundständiges Denken und dann zu gucken, wie baut man den
Studiengang und dann zu gucken, wie ist da die Didaktik, also eins
nach dem anderen, aber was die Leitfragen sein sollen. Also, ich finde
es geht so durcheinander.“ (TN_oOT33_17)
„Aber fertige (Lehr-) Konzepte (…), auch Ausgestaltung der einzelnen
Gegenstandsbereiche und des Bereichs (…) hab ich noch nicht. Und
das weiß ich auch, dass ich das (…) mir nicht erarbeiten kann. (…) Das
muss man gemeinsam, genau! Und da werde ich noch ein bisschen
sozusagen in meinem Methodenkoffer gucken.“ (TN_wI25_39)
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Limitation der Ergebnisse
• 4 unterschiedlich ausgebildete Moderator_innen
• 1 Moderatorenteam
• Mögliche Beeinflussung der Äußerungen durch soziale Erwünschtheit in der
Realgruppe
 Bietet das Thema eine Gruppennorm? Misoch, 2015
 Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Statusgruppen
 Positionierung im professoralen Team
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Diskussion
• Klare Begriffsklärung und Zuordnung des Terminus ‚Interdisziplinarität‘ Terizakis /
Gehring, 2014
• Interdisziplinär gedachte Module bzw. Curriculum und Schulung samt
interdisziplinärer Austausch der Dozierenden WHO, 2010; Cameron, 2009
• Interdisziplinarität und Disziplinarität gemeinsam denken, disziplinäre Sozialisation
und Berufsidentiät unter den Studierenden fördern Terizakis / Gehring, 2014; Frenk et al.
2010; Mittelstraß 1992
Voraussetzung interdisziplinären Lehrens und Lernens
• Berufsspezifisches Bewusstsein und Neuordnung der Disziplinen Sottas et al. 2013
• Interdependenz Gesundheits- und Bildungssystem Sottas et al. 2013; Robert Bosch
Stiftung, 2013; Frenk et al., 2010
 Voraussetzung für interprofessionelle Kooperation und
Gesundheitsversorgung
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Danke für Ihre
Aufmerksamkeit!
„Interdisziplinarität muss im eigenen Kopf anfangen:
als Querdenken, fragen, wohin noch niemand gefragt hat, lernen
was die eigene Disziplin nicht weiß. Wer hier allein auf großartige
wissenschaftsorganisatorische Maßnahmen setzt, hat die
eigentliche wissenschaftsfördernde und –orientierende Idee schon
verspielt.“
Mittelstraß, 1992, 102
Teilprojekt im Rahmen der BMBF – Initiative
Aufstieg durch Bildung – Offene Hochschule
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Literatur
 Cameron, A. et al. 2009. An Interprofessional Education Session for First-Year
Health Sciences Students. American Journal of Pharmaceutical Education 73(4): 1 –
7.
 Feichtinger, J.; Mitterbauer, H; Scherke, K. 2004. Interdisziplinarität –
Transdisziplinarität. Zu Theorie und Praxis in den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Newsletter Moderne 7 (2): 11 – 16.
 Frenk, J., et al. 2010. Health professionals for a new century: transforming
education to strengthen health systems in an interdependent world. The Lancet
376(9756): 1923 – 1958.
 Misoch, S. 2015. Qualitative Interviews. Berlin: De Gruyter.
 Mittelstrass, J. 1992. Leonardo-Welt. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
 Remmers, J. 2014. Pflegewissenschaft – Disziplinarität und Transdisziplinarität.
Pflege & Gesellschaft 19: 5 – 17.
 Robert Bosch Stiftung (Hg.). 2013. Gesundheitsberufe neu denken,
Gesundheitsberufe neu regeln. Grundsätze und Perspektiven. Stuttgart: Robert
Bosch Stiftung.
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Literatur
 Sottas, B., et al. 2014. Umrisse einer neuen Gesundheitsbildungspolitik. Zürich:
Careum Verlag. – Careum working paper 7.
 Wissenschaftsrat (Hg.). 2012. Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für
das Gesundheitswesen. Köln: Wissenschaftsrat.
 Tannhauser, J.; Russel-Mayhew, A.; Scott, C. 2010. Measures of interprofessional
education and collaboration. Journal of Interprofessional Care 24(4): 336 – 349.
 Terizakis , G.; Gehring, P. 2014. Das Programm Interdisziplinarität. Überlegungen zu
einem wissenschaftspolitischen Großbergriff. Pflege & Gesellschaft 19: 18 – 29.
 Weber, J. 2010. Interdisziplinarität und Interdisziplinierung. Eine Einleitung. In:
Weber, J. (Hg.) Interdisziplinierung? Zum Wissenstransfer zwischen den Geistes-,
Sozial- und Technowissenschaften. Bielefeld: Transcript Verlag.
 WHO. 2010. Framework for Action on Interprofessional Education & Collaborative
Practice. Schweiz.
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