Schwach im Abschluss - Berlin-Institut für Bevölkerung und

Neue Studie „Schwach im Abschluss: Warum Jungen in der Bildung hinter Mädchen zurückfallen – und
was dagegen zu tun wäre“
29. Juni 2015
Bildungserfolg ist in Deutschland überwiegend Frauensache. Dieses Ungleichgewicht hat Folgen für die
persönlichen Karrieremöglichkeiten und führt zu volkswirtschaftlichen Einbußen. Wer etwas dagegen
unternehmen will, sollte auf den Unterricht schauen.
In den 1960er Jahren galt die katholische Arbeitertochter vom Land als Inbegriff für im Bildungssystem
benachteiligte Personen. Heute trifft dies eher auf den Sohn dieser Familie zu. Denn mehr als die
Hälfte der Mädchen jedes Geburtsjahrgangs erreichen inzwischen die Hochschulreife – aber nur etwa
41 Prozent der Jungen. Am anderen Ende der Leistungsskala verlassen 21 Prozent der Jungen die Schule
mit höchstens dem Hauptschulabschluss, aber nur 14 Prozent der Mädchen. Mädchen sind jedoch nicht
in allem besser als Jungen. So haben 15-jährige Mädchen im Lesen einen Leistungsvorsprung von mehr
als einem Schuljahr, während die Mathematik eine Jungendomäne bleibt.
Nicht alle dieser Unterschiede sind neu. Schon vor mehreren Jahrzehnten erhielten Mädchen im Schnitt
bessere Noten. Lange konnten sie diese allerdings nicht in entsprechende Abschlüsse umsetzen. Erst
Anfang der 1990er Jahre überholten Mädchen die Jungen auch bei den Zertifikaten – obwohl auch die
Jungen heute bessere Abschlüsse erreichen als früher. „Trotzdem sind die Geschlechterunterschiede
relevant,“ erklärt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
„Denn sie führen zu ungleichen Lebenschancen – etwa weil Jungen seltener studieren können und
Mädchen weniger häufig lukrative Karrieren im Mint-Bereich einschlagen.“
Die gute Nachricht ist, dass ungleiche Bildungserfolge von Jungen und Mädchen nicht zwangsläufig
auftreten müssen. Denn es gibt zwar biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die
Auswirkungen auf den Schulerfolg haben. Diese können aber vom sozialen Umfeld ausgeglichen
werden. Hauptgrund für das Gefälle sind ohnehin weniger Intelligenz-Unterschiede als
unterschiedliche Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen in und außerhalb der Schule: Mädchen
stören seltener den Unterricht, machen mehr Hausaufgaben und lesen mehr in ihrer Freizeit.
Bei der Frage, wie den Geschlechterunterschieden beizukommen wäre, ist die öffentliche Diskussion
häufig von Missverständnissen geprägt. „Erstaunlicherweise hört man immer wieder, dass Jungen mehr
männliche Lehrer benötigen und von nach Geschlechtern getrenntem Unterricht profitieren würden“,
stellt Stephan Sievert, Autor der Studie, fest. „Dabei zeigen alle verfügbaren Studien, dass gerade diese
beiden Maßnahmen kaum praktische Verbesserungen nach sich ziehen“.
Viel wichtiger ist es, das tatsächliche Unterrichtsgeschehen ins Augenmerk zu nehmen. Steffen
Kröhnert, Mitautor der Studie, verweist darauf, dass „die Lehrer und ihr Unterricht der wichtigste
Grund von Leistungsunterschieden unter Kindern sind“. In Zukunft sollte daher verstärkt darauf
geachtet werden, den Unterricht so zu gestalten, dass sowohl Jungen als auch Mädchen motiviert sind,
erfolgreich zu lernen. Gerade für Jungen scheint es besonders wichtig, engagierte Lehrer zu finden, die
im Unterricht klare Ziele formulieren und deren Erreichen einfordern. Darüber hinaus sollte noch mehr
Gewicht auf Leseförderung und das Hinterfragen von Geschlechterstereotypen gelegt werden. Letzteres
könnte auch Mädchen in Mint-Fächern helfen, in denen sie auch deswegen weniger erfolgreich sind,
weil ihnen das Selbstvertrauen fehlt. „Ein praktischer Ansatzpunkt wäre, mehr weibliche Physik- oder
Mathelehrkräfte einzustellen“, schlägt Stephan Sievert vor.
Die Studie erhalten Sie als PDF kostenlos unter:
http://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/schwach-im-abschluss.html
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