Im Osten auf Wanderschaft - Berlin

Neue Studie „Im Osten auf Wanderschaft“: Wie Umzüge die demografische Landkarte zwischen
Rügen und Erzgebirge verändern
Berlin, 26. Januar 2016
Die jahrzehntelange Abwanderung aus den neuen Bundesländern hat ein Ende gefunden. Seit
2012 können die fünf Flächenländer im Osten mehr Menschen aus dem Westen oder dem Ausland
anziehen, als sie umgekehrt verlieren. Von dieser Trendwende profitiert allerdings nur eine
Minderheit der Gemeinden. Lediglich 15 Prozent von ihnen verzeichneten zwischen 2008 und
2013 mehr Zu- als Fortzüge – 85 Prozent der ostdeutschen Gemeinden erlebten weiterhin eine
Nettoabwanderung. Das Gefälle zwischen den Wachstums- und Schrumpfregionen wird damit
immer größer.
Insbesondere die ostdeutschen „Leuchttürme“ Leipzig, Dresden, Jena, Erfurt und Potsdam sind zu
neuen Magneten geworden, vor allem für junge Menschen, die einen Ausbildungs- oder Studienplatz
suchen. Weil sich in den Städten der Arbeitsmarkt verbessert hat, verbleiben viele von ihnen dort auch
nach der Ausbildung. Selbst eine Familiengründung treibt die jungen Menschen nicht mehr unbedingt
in die Randgebiete der Ballungsräume. Damit verfügen die ostdeutschen Flächenländer endlich wieder
über national und international wettbewerbsfähige Städte. „Gerade die neuen Bundesländer brauchen
diese Zentren, die sich wirtschaftlich wie demografisch dynamisch entwickeln“, so Reiner Klingholz,
Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. „Sie können als wichtige
Wachstumsmotoren bei ansonsten rückläufigen Einwohnerzahlen wirken und sollten weiter gestärkt
werden.“
Die Kehrseite dieser Entwicklung ist, dass die Großstädte vor allem junge Einwohner aus den
ländlichen Regionen abziehen. Zwar können einige entlegene und kleine Gemeinden im Saldo Familien
anziehen, dieser Zuzug wiegt jedoch die Verluste bei den übrigen Altersgruppen nicht auf. In der
demografischen Gesamtbilanz bleiben diese ländlichen Gemeinden auf Schrumpfkurs. „Damit sie nicht
weiter in die Abwärtsspirale aus Bevölkerungsrückgang und schwindender Infrastruktur geraten, sind
neue, am Bedarf vor Ort orientierte Versorgungsformen notwendig“, sagt Institutsleiter Klingholz.
Einige mittelgroße Städte können sich jedoch in einem schrumpfenden Umfeld stabilisieren. „Dies
birgt Vorteile“, erklärt Manuel Slupina, der Hauptautor der Studie: „Als lokale Versorgungszentren
bieten sie kurze Wege zu Ärzten, Apotheken, Geschäften, Restaurants oder kulturellen Einrichtungen.“
Ihre Leistungsfähigkeit ist für die Lebensqualität der gesamten Region wichtig. Für die steigende Zahl
der Ruheständler aus dem Umland dürften diese Städte weiter an Anziehungskraft gewinnen. „Die
Städte sollten sich dabei nicht scheuen, ihr altersfreundliches Umfeld nach außen zu vermarkten“, rät
Slupina. „Die Befürchtung, dies könnte potenzielle jüngere Zuwanderer vergraulen, ist fehl am Platz.“
Ein Zuzug von Älteren bedeutet auch eine verstärkte Nachfrage nach Dienstleistungen und damit neue
Arbeitsplätze für jüngere Menschen etwa für Friseure, Kulturschaffende, im Handel und in der Pflege.
Die große Zahl an Flüchtlingen, die derzeit – und voraussichtlich auch weiterhin – nach Deutschland
kommt, wird über das gesamte Land verteilt. Auch in kleineren Orten oder entlegenen Regionen sind so
Menschen aus Syrien, Irak oder Afghanistan angelangt. „Für die ländlichen Gemeinden eröffnet sich
damit die Chance, neue Bewohner zu gewinnen“, sagt Reiner Klingholz. „Wo sich Flüchtlinge dauerhaft
niederlassen, könnten Schulen vor der Schließung bewahrt werden, neue Geschäfte oder kleine
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Unternehmen entstehen und Leerstand würde zu Wohnraum.“ Zwar verfügen ländliche Kommunen,
anders als die Städte, kaum über Migrantennetzwerke, die Neuankömmlinge anziehen. Sie bieten
jedoch andere Vorteile: Wo die Gemeinschaft in Vereinen oder über die Freiwillige Feuerwehr
organisiert ist, wo man sich gegenseitig kennt und unterstützt, ist eine Integration prinzipiell leichter
möglich als im anonymen städtischen Umfeld. „Gemeinden, die sich gezielt um neue Mitbürger aus der
großen Zahl der Flüchtlinge bemühen, sollten dabei Unterstützung der Länder erhalten“, fordert Reiner
Klingholz.
Die Studie erhalten Sie als PDF kostenlos unter:
http://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/Im_Osten_auf_Wanderschaft
Bei Rückfragen helfen wir Ihnen gerne weiter:
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
Schillerstr. 59
10627 Berlin
Ansprechpartner: Manuel Slupina ([email protected], Tel.: 030 – 31 10 26 98)
Ansprechpartner: Dr. Reiner Klingholz ([email protected], Tel.: 030 – 31 01 75 60)
Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit
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Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik einzubringen und
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