Entscheidung Verwaltungsgericht Hamburg

7 E 6767/15
Verwaltungsgericht Hamburg
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
- Antragsteller Prozessbevollmächtigte zu 1-3:
gegen
Freie und Hansestadt Hamburg,
vertreten durch das Bezirksamt Hamburg-Nord,
-Rechtsamt-,
Kümmellstraße 7,
20249 Hamburg,
- Antragsgegnerin Prozessbevollmächtigte:
beigeladen:
f & w - fördern und wohnen AöR,
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vertreten durch den Geschäftsführer Dr. Rembert Vaerst,
Grüner Deich 17,
20097 Hamburg,
Prozessbevollmächtigte:
hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 7, am 7. Januar 2016 durch
beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 15.12.2015 wird vorläufig, bis zu einer abschließenden Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Eilverfahren, angeordnet; ausgenommen von dieser aufschiebenden Wirkung sind Tiefbauarbeiten
in der Form von Erdarbeiten zur Herrichtung und Erschließung des Baugrundstücks, des
Aushubs von Gräben für Ver- und Entsorgungsinstallationen, des Einbaus von Ver- und
Entsorgungsleitungen und des Baus von Fundamenten.
Eine Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe:
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, wonach demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen
Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen steht, verpflichtet die Gerichte – wie auch
sonstige staatliche Stellen – auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Für den
Fall, dass ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren als solches zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht ausreicht, da eine sachgerecht geprüfte Entscheidung über
das Rechtsschutzbegehr nicht rechtzeitig vor Eintritt der (etwaigen) Rechtsbeeinträchtigung möglich ist, kann das Gericht eine geeignete Zwischenregelung treffen. Eine solche
Zwischenregelung kann angezeigt sein, wenn einerseits der gestellte Eilantrag zwar noch
nicht entscheidungsreif, aber auch nicht offensichtlich aussichtslos ist, es andererseits
aber zu befürchten steht, dass bis zu einer Sachentscheidung des Gerichts vollendete
Tatsachen geschaffen werden und wegen des insofern unmittelbar drohenden Eintritts
von Nachteilen auf andere Weise den Antragstellern effektiver Rechtsschutz nicht gewährt werden kann (OVG Hamburg, Beschluss vom 8.1.2015, 4 Bs 239/14; vgl. auch
VGH Kassel, Beschluss vom 7.10.2014, 8 B 1686/14, juris, Rn. 18; OVG Saarlouis, Beschluss vom 18.1.2013, 2 B 7/13, juris, Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
10.3.2010, 11 S 11/10, juris, Rn. 9 f.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014,
§ 123, Rn. 120; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 2014, § 123, Rn. 164a;
Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80, Rn. 170). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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Der von den Antragstellern eingereichte Eilantrag nach § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80a VwGO ist
nicht offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg, da die Errichtung der verfahrensgegenständlichen Einrichtung auf dem durch den Bebauungsplan Ohlsdorf 12 als Fläche für den besonderen Nutzungszweck „Anzuchtgarten“ festgesetztem Baugrundstück, auf welchem
nur gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen sowie Stellplätze zulässig sind, nicht
mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar sein dürfte und diese Festsetzung
voraussichtlich drittschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller entfaltet (vgl. VG
Hamburg, Beschluss vom 28.10.2015, 7 E 5333/15). Gleichwohl kann zum derzeitigen
Zeitpunkt noch keine abschließende erstinstanzliche Entscheidung über den Antrag ergehen, da im Rahmen der Entscheidung komplexe rechtliche Fragen zu klären sein werden,
insbesondere – auch vor dem Hintergrund der Bezugnahme der Antragsgegnerin im
Schriftsatz vom 6.1.2016 auf ihren Vortrag im Verfahren 2 Bs 226/15 – nochmals die Frage nach der drittschützenden Wirkung der besagten Festsetzung des Bebauungsplans
sowie die Frage, inwieweit aufgrund der erteilten Baugenehmigung unter Anwendung des
§ 246 Abs. 14 BauGB die verfahrensgegenständliche Einrichtung trotz der entgegenstehenden Festsetzungen des Bebauungsplans ohne Verstoß gegen Nachbarrechte zulässig
sein kann, ob bzw. wie besagte Norm mit höherrangigem Recht vereinbar ist und ob die
Voraussetzungen der Anwendung dieser Norm – auch vor dem Hintergrund nachbarlicher
Belange – erfüllt sind. Angesichts des von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen
mitgeteilten Zeitplanes, wonach auf dem Vorhabengrundstück am 13.1.2016, möglicherweise auch schon am 11.1.2016, Baufreiheit eintreten werde und unmittelbar daran anschließend mit der Errichtung von Unterbringungscontainern begonnen werden solle, wird
eine Entscheidung hierüber nicht bis zur Aufnahme von Errichtungsarbeiten, die über den
mit der Zwischenverfügung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 3.12.2015
in der Sache 2 Bs 226/15 (7 E 5333/15) beschriebenen Umfang an Vorbereitungsarbeiten
hinausgehen, möglich sein und damit nicht bis zum Eintritt einer nicht offensichtlich auszuschließenden Rechtsverletzung auf Seiten der Antragsteller und der damit verbundenen
Schaffung vollendeter Tatsachen.
Hierbei erstreckt sich das geschützte Sicherungsinteresse auch auf die weitere, hochbauliche Errichtung der Einrichtung (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 3.12.2015,
2 Bs 226/15). Würde die Containeranlage zunächst aufgestellt, so wären damit erhebliche, derzeit noch anderweitig nutzbare Unterbringungsressourcen der Antragsgegnerin
gebunden. Zumal die Antragsgegnerin an ihrer Rechtsansicht festzuhalten scheint (vgl.
u.a. Verfahren 2 Bs 271/15 bei dem OVG Hamburg), dass Errichtung und Belegung von
Unterkünften auch auf der Grundlage von Polizeirecht zulässig ist, ist insbesondere auch
damit zu rechnen, dass eine gerichtliche Zwischenverfügung im vorliegenden Verfahren,
die auf die baurechtliche Legalität der Nutzung beschränkt wäre, in der Sache durch eine
unangekündigte, wirksamen gerichtlichen Rechtschutz ausschließende, polizeirechtlich
begründete Nutzungsaufnahme wirkungslos würde (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom
23.12.2015, 2 Bs 263/15). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang weiter, dass die
Antragsgegnerin auf entsprechende Anfrage des Gerichts eine Erklärung, bis zu einer
erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung in der Sache auf eine weitere Errichtung
oder Innutzungnahme der streitbefangenen Einrichtung zu verzichten, ausdrücklich abgelehnt und außerdem ausdrücklich erklärt hat, dass sie – abweichend von dem von der
zuständigen Senatorin über die Tagespresse verbreiteten Hinweis, es mangele an gerichtlichen Vergleichsinitiativen – zu keiner vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreits
bereit sei.
Die durch die Zwischenverfügung eintretende zeitliche Verzögerung der Errichtung ist vor
diesem Hintergrund unvermeidbar, führt jedoch nicht zu dauerhaften Nachteilen. Seitens
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des Gerichts wird die erstinstanzliche Entscheidung in dieser Sache mit hoher Priorität
behandelt werden, so dass die Wirkung der Zwischenverfügung auf die Position der Antragsgegnerin zeitlich begrenzt bleiben wird.