DONNERSTAG, 7. MAI 2015 LENZBURGER WOCHE «Hier berührt dich nur das Wasser beim Duschen» Im Hochsicherheitstrakt in der JVA Lenzburg sind Menschen gefangen, die für das Personal und die anderen Gefangenen eine Gefahr darstellen. Wer hier einsitzt, bekommt nie einen Mitgefangenen zu Gesicht. Jennifer Degen R oger Knecht arbeitet seit zwei Jahren im Hochsicherheitstrakt, SITRAK I, in der JVA Lenzburg. Er hat sich im Rahmen seiner Ausbildung zum Fachmann für Justizvollzug selbst in die Rolle des Gefangenen begeben und sich für eine Woche einsperren lassen. Als Roger Knecht im August 2014 in den SITRAK I eintritt, werden ihm sogleich Hand- und Fussfesseln angelegt. Begleitet von drei Vollzugsangestellten, ein vierter überwacht die Situation im Kommandoraum via Kamera, wird er nach einer Leibesvisitation auf seine Zelle geführt. Das Bett ist aus Beton gegossen, darauf liegt eine Matratze, auch Stuhl und Tisch sind aus Beton und unverrückbar befestigt. Persönliche Gegenstände gibt es fast keine, nicht einmal seine elektrische Zahnbürste, die er extra mitgebracht hat, darf er benutzen. Er könnte daraus eine Waffe basteln. Wenn er aus seiner Zelle austritt, warten immer drei Angestellte vor der Türe, um ihn in die Arbeitszelle, zum Spazieren oder zum Duschen zu führen. Obwohl Roger Knecht weiss, was ihn erwartet, macht ihm das Prozedere zu schaffen. «Die Hand- und Fussfesseln haben mich total überrumpelt>, sagt er, «ich war froh, als sie mir auf der Zelle wieder abgenommen wurden. Ich fühlte mich schwach und hilflos.» Auch das Gefühl, nicht mehr selbst entscheiden zu kön nen, ist für ihn beklemmend. Als er zum Selbstversuch: Roger Knecht hat sich im Zuge seiner Ausbildung selber als Gefangener in den Hochsicherheitstrakt begeben. Foto: zvg Beispiel nach einer Salbe für seine juckenden Füsse fragt, dauert es eine Weile, bis der Vollzugsangestellte ihm diese durch die Klappe reichen kann. «Die Abhängigkeit und das Warten gaben mir ein schlechtes Gefühl.» Der Besuch rührt die Freundin zu Tränen Als er Besuch bekommt von seiner Freundin, sitzen sie sich durch eine Glasscheibe getrennt gegenüber. «Meine Freundin hatte Tränen in den Augen, so sehr hat sie diese Situation bewegt>, sagt er. Immerhin kann er hier ein wenig reden, denn im SITRAK I gibt es nur wenig Gelegenheit für Gespräche. «Ich konnte mit den Angestellten durch die Klappe an der Zellentür ein wenig reden, aber sonst war ich alleine.» Auch Berührungen gibt es keine, ein direkter Kontakt wäre zu gefährlich. «Hier berührt dich nur der Wasserstrahl beim Duschen.» Im SITRAK I hat es Platz für acht Gefangene, sie bleiben während sechs Monaten hier und danach wird neu über ihre Situation entschieden. Es gibt Gefangene, die so gewalttätig und fluchtgefährdet sind, dass sie ihr Leben lang in einem Hochsicherheitstrakt bleiben müssen. Roger Knecht ist erleichtert, als er nach einer Woche wieder in die Freiheit entlassen wird. Was er mitnimmt, ist das Bewusstsein, wie wichtig sein Verhalten als Angestellter gegenüber den Gefangenen ist. «Sie sind voll und ganz von uns abhängig.» HINWEIS Im Zuge der Ausstellung des Museums Burghalde zum 150-Jahr-Jubiläum Justizvollzugsanstalt werden im Lenzburger Bezirks-Anzeiger jeden ersten Donnerstag im Monat Themen und Geschichten über das Leben hinter den Gefängnismauern publiziert. Nächstes Thema am 4. Juni: Renitenz in der JVA.
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