BNK Offener Brief Weltherztag Herzerkrankungen bei Frauen Rauchen in der Schule Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Minister, Zigarettenrauchen ist der wichtigste Einzelfaktor für vorzeitigen Tod und frühzeitige Arbeitsunfähigkeit in den westlichen Industriestaaten. Diese Erkenntnis hat bereits – nicht nur in Deutschland – zu Rauchverboten in öffentlichen Gebäuden, in Flugzeugen und sogar auf Bahnhöfen geführt. In den Schulen hingegen erfolgt die Umsetzung des Nichtrauchergebotes nur sehr zögerlich. Teilweise bleiben Raucher-Ecken oder -Zimmer bestehen, oder das Rauchen ist in vielen Lehrerzimmern weiterhin gestattet. Weil gerade junge Mädchen früher und häufiger mit dem Zigarettenrauchen beginnen, zeigen junge Frauen bereits eine zunehmende Häufigkeit an Herz- und Krebserkrankungen. Die Umsetzung des Nichtrauchergebotes in der Schule erscheint deshalb, aber auch aus vielen anderen Gründen besonders wichtig: 1. Ein rauchfreies Schulgelände ist ein Schlüsselelement, um den Einstieg in den Tabakkonsum zu verhindern und den Tabakkonsum bei Jugendlichen zu reduzieren. Dagegen sind begrenzte Rauchverbote, die älteren Schülern sowie Lehrern das Rauchen in ausgewiesenen Bereichen gestatten, unwirksam. Rauchverbote auf dem Schulgelände sollten gleichermaßen für Schüler, Lehrer, das gesamte Schulpersonal und für Besucher gelten, ebenfalls bei schulischen Veranstaltungen außerhalb des Schulgeländes. 2. Neuere medizinische Erkenntnisse unterstreichen diese Notwendigkeit: Es ist bekannt, dass jeder zweite chronische Raucher an den Folgen des Nikotinkonsums stirbt. Die heutigen Zigaretten sind jedoch noch schädlicher als die Produkte, mit denen diese Erkenntnisse gewonnen wurden: sie sind zu malignen Designerdrogen umfunktioniert worden; um nur zwei Aspekte zu nennen: • Durch den Zusatz von Ammoniak zum Rohtabak wird die Bioverfügbarkeit von Nikotin erhöht, sodass das Abhängigkeitspotential von Zigaretten verstärkt wird • Durch den Zusatz von Zucker und Kakao (!!) zum Rohtabak wird erreicht, dass die natürliche reflektorische Verengung der Bronchien bei Rauchinhalation so vermindert wird, dass die über fünfzig (!) im Rauch enthaltenen krebserregenden Stoffe ungehindert tief in die Lunge vordringen können. Dies hat zur Folge, dass Bronchialkarzinome bereits in jüngeren Jahren auftreten, als dies bisher der Fall war. Es ist sicher, dass diese heimlich vorgenommene und lange Zeit von der Tabakindustrie geleugnete Veränderung des Zigarettendesigns bei uns noch nicht genügend Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden hat. Als Ärzte und Wissenschaftler in der Kardiologie und Onkologie erleben wir tagtäglich die Folgen des Zigarettenrauchens. Es ist für uns erschütternd zu erleben, dass bei uns in Deutschland das Einstiegsalter für den Zigarettenkonsum bereits bei 13,6 Jahren liegt. Bis zum 18. Lebensjahr raucht fast die Hälfte unserer Jugendlichen. Dagegen zeigen Tabakkontrollprogramme in Kanada, USA und Australien ihre Wirkung; so rauchen in Kalifornien nur 8% aller Jugendlichen. Wir können nicht länger zusehen, wie sich die Hälfte unserer jungen Generation in die Tabakabhängigkeit begibt und damit ihr vorzeitiges Ableben riskiert. Deshalb bitten wir Sie, ein konsequentes Rauchverbot in den Schulen anzuordnen. Die Unterzeichnenden sind überzeugt, dass die schulische Tabakprävention als ein bedeutsames Signal dazu beiträgt, nicht nur jetzt das Rauchverhalten der Kinder und Jugendlichen zu beeinflussen, sondern mittelfristig auch das Gesundheitssystem zu entlasten und das Gesundheitsbewusstsein der gesamten heranwachsenden Generation zu verbessern. 556 Herz 28 · 2003 · Nr. 6 © Urban & Vogel BNK Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat ein Gesamtkonzept entwickelt, das in der beigefügten Publikation von „Handlungsempfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik in Deutschland“ zusammengefasst wurde. In der Hoffnung auf eine positive Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. med. Helmut Gohlke Vorsitzender Projektgruppe Prävention Deutsche Gesellschaft für Kardiologie Prof. Dr. med. Thomas Meinertz Präsident Deutsche Gesellschaft für Kardiologie Prof. Dr. med. Martin G. Gottwik Past-Präsident Deutsche Gesellschaft für Kardiologie Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Becker Vorsitzender Deutsche Herzstiftung Dr. med. Martina Pötschke-Langer Deutsches Krebsforschungszentrum Dr. med. Fokko de Haan Vorsitzender Bund Niedergelassener Kardiologen Prof. Dr. med. Marthin Karoff Vorsitzender Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation Prof. Dr. H. Netz Präsident Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie Anlage: Handlungsempfehlungen siehe unter: http://www.dkfz-heidelberg.de/rauchfrei2002/handlungsempfehlungen.pdf Herz 28 · 2003 · Nr. 6 © Urban & Vogel 557
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