Gute Planung ist die halbe Miete

Gute Planung ist die halbe Miete
von Falk Schmidt, 14. Oktober 2015
Gerade wurde ich auf ein Interview mit Klaus Grewe aus dem Mai diesen Jahres aufmerksam. Titel:
„Die Macht der kleinen Zahlen“. In diesem Interview steckte unglaublich viel Wahrheit über so viele
gescheiterte Projekte. Grewe trug unter anderem Verantwortung für die Koordination der
Infrastrukturprojekte der Olympischen Spiele 2012 in London, lieferte hierbei 4 Monate vor Termin
und gab statt der geplanten 9 Mrd EUR nur 8 aus. Er erläutert im Interview, dass seine erfolgreichen
Projekte eines gemeinsam haben: einen sehr hohen Planungsanteil und innerhalb dieser Planung
einen extremen Detaillierungsgrad.
Woran scheitern viele Projekte in der Realität?
Ich habe hierin viele mir durchaus bekannte Projektsituationen wiedererkannt. Seit knapp 20
Jahren leite ich Projekte, vorrangig an der Schnittstelle von Geschäftsprozessen und IT. Seit etwa
15 Jahren sind dies in vielen Fällen vergleichsweise große Projekte mit langen Laufzeiten und relativ
hohen Investitionsvolumina. Einige dieser Projekte wurden – obwohl sie per se als erfolgreich
einzustufen waren – im Nachhinein als gescheitert bewertet. Mal gab der Business Case einfach
nicht das her, was man vorab (schön-)gerechnet hatte. Mal trafen die Projektergebnisse
letztendlich einfach nicht die genaue Problemstellung, die der Fachbereich sich vorgestellt hatte
und machten das an sich gute Projektergebnis unbrauchbar. Und so weiter. Wenn wir jetzt einmal
die konkret angewendete Projektmethodik komplett beiseite lassen, bleibt ein klassisches
Grundproblem:
Failing to plan is planning to fail.
Womit wir wieder beim oben erwähnten Interview wären.
In der Praxis von Turnaround-Projekten ist mir in vielen Fällen in etwa folgender Ablauf des
ursprünglichen Projektvorhabens begegnet:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Projektidee
Budgetierung
Terminierung
Definition des Projekt-Scope
Beauftragung des Projektleiters, Beginn der Projektplanung
Business-Analyse
usw.
Es folgt eine Reihe von Eskalationen, um die mit der Business-Analyse unrealistische gewordene
Termin- und Budgetplanung zu korrigieren und enttäuschte Kunden „wieder einzufangen“. Dieses
Vorgehen ist ein sichererer Garant, ein Team über die Maßen auszupowern und im Projekt
insgesamt ein maximales Stresslevel zu erreichen. Der Projektleiter hat von Beginn an wenige
Chancen, das bereits schlingernde Schiff auf Erfolgskurs zu bringen und wird im Projektverlauf oft
mit Schadensbegrenzung beschäftigt sein. Erstaunlicher Weise bleiben Eskalationen oft bis zuletzt
aus, da die Probleme im Projekt dem Auftraggeber lange Zeit nicht transparent gemacht werden.
Aus dem Kommunikationsmittel Statusampel (GRÜN = alles OK
/ GELB = Wir haben gewisse Herausforderungen, können sie
aber innerhalb der Projektorganisation lösen / ROT = Eskalation,
wir benötigen Unterstützung) wird schnell die berühmte
Melonenampel (von außen betrachtet schön grün; doch je tiefer
man bohrt, desto roter wird es).
Simple Regeln verhelfen Projekten zum Erfolg
Jedes erfolgreiche Projekt – egal, nach welcher Methodik es
durchgeführt werden soll – beginnt mit einer Planungsphase.
Immer.
Erst am Ende der Planung kann über Ressourcen, Termine und Qualitätskriterien entschieden
werden. Zumindest in meiner Praxis waren immer die Projekte erfolgreicher, bei denen zu Beginn
eine sinnvolle Planungsphase eingeräumt wurde und diese Planung im Einklang mit den
Kundenanforderungen iteriert wurde.
Eine fehlende Planungsphase stellt ein enormes Projektrisiko
(für Termine, Kosten und Qualität) dar und bewirkt, dass die
Projektampel immer mindestens auf Gelb steht.
Zunächst ist die Auftragsklärung ein MUSS. Obwohl es offensichtlich erscheint, wird sie in vielen
Projekten recht stiefmütterlich behandelt. Was will der Auftraggeber erreichen? Welchen Anteil zur
Zielerreichung des Auftraggebers soll das Projekt leisten? Welche Rahmenbedingungen sind
gegeben? Sofern ein Lastenheft nicht vorhanden ist, wird dessen Erstellung zwingend zum
Projektbestandteil bzw. muss in einer Vorphase erarbeitet werden. Je präziser die Anforderungen
beschrieben sind, desto detailliertere Planung ist möglich. Aus dem Lastenheft wird das
Pflichtenheft entwickelt. Thema: Wie will der Auftragnehmer die Anforderungen des
Auftraggebers umsetzen? Die Qualität des Lastenheftes wirkt sich linear auf die mögliche Qualität
des Pflichtenheftes aus.
Obwohl die Übergänge in der Praxis natürlich meist fließend sind, geht es erst auf Basis dieser
Grundlagen – technisch gesehen – an die eigentliche Projektplanung:
1. Präzise Planung der Lieferobjekte auf Basis des Pflichtenheftes inklusive des eventuell
erforderlichen Change Managements.
2. Stakeholder-Analyse – Wer übt (potenziell) welchen Einfluss auf das Projekt aus?
3. Umfeldanalyse
–
Welche
Stimmung
herrscht
im
Projektumfeld,
Welche
Rahmenbedingungen sind zu beachten, …
4. Welche Kompetenzen und Qualifikationen sind erforderlich? – Teamplanung
5. Welche Ressourcen werden benötigt? – Geld, Material, Vorprodukte, Tools, …
6. Welcher konkrete Nutzen wird angestrebt? Was sind die daraus resultierenden
Qualitätskriterien?
7. Welche Schäden sind zu erwarten? – Analyse, Bewertung, Gegenmaßnahmen
8. Risikoanalyse – Welche Projektrisiken sind zu erwarten, wie wird damit umgegangen?
Neben den Standard-Planungstools (bei uns vorzugsweise Merlin Project, darüber hinaus i.d.R.
die vom Kunden bevorzugten und dort eingeführten Tools) arbeite ich persönlich unterstützend
sehr gern mit verschiedenen Canvas-Tools, da es in der Zusammenarbeit meist hilfreich ist,
Zusammenhänge zu visualisieren. Insbesondere beim Projekt Setup, in der Entwicklung von
Lasten- und Pflichtenheft und bei der Analyse des Projektstatus setze ich gern den einen oder
anderen Canvas ein. Zudem sind in meinen Projekten Kanban Boards i.d.R. ein grundlegendes
Arbeitsmittel.
Der Autor
Falk Schmidt realisiert als Projektberater und Coach agiler Teams seit fast 20 Jahren
Digitalisierungs- und andere Innovationsprojekte im Auftrag von Großkonzernen und
mittelständischen Unternehmen. Neben der operativen Projektarbeit unterstützt er Projektleiter
in herausfordernden Vorhaben als Coach und hilft in der Rolle des Turnaround-Beraters, Projekte
in kritischen Situationen wieder in sicheres Fahrwasser zu bringen. Seine fachliche Leidenschaft
gilt der Entwicklung digitalen Geschäftsmodelle und -prozesse sowie deren Umsetzung in
benutzerzentrierten IT-Lösungen. Als Veranstalter interaktiver Fachkonferenzen und Coautor
mehrerer Fachbücher trägt er aktiv dazu bei, Wissen zu verbreiten und zu vermehren. Weitere
Informationen unter http://aviceo.com und http://falkschmidt.com.