Freizeitsport - Chip-ing

Freizeitsport
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Zwei Schweizer haben einen
Golfball mit eingebautem
GPS-Sender erfunden. Damit
lösen sie ein weitverbreitetes
Problem unter Hobbygolfern.
Von Stefan Oswalt
TOM DULAT / GETTY IMAGES
Das lästige Suchen
nach Golfbällen hat ein Ende
W
elcher Freizeitgolfer kennt die
Situation nicht: Ein misslunge­
ner, verzogener Ball ins dicke
Gras oder nur schon ins Semi­
rough, und die Sucherei geht los. Es drohen
zwei zusätzliche Schläge, eine minutenlange
Sucherei, nach der oft ein weiterer schlechter
Schlag folgt – und: Ein neuer Ball muss her.
Kurzum: Das Spiel wird verlangsamt, das
Score schlechter und das Budget wird belas­
tet. All das soll es ab nächstem Frühsommer
nicht mehr geben. Dann kommt ein Ball auf
den Markt, der mit einem eingebauten
Sender so gut wie immer gefunden werden
kann. Lanciert wird das Sportgerät von
einem kleinen Schweizer Team.
Thomas Sandel heisst der Hauptinitiator,
ein 49­jähriger Banker, der für sein Projekt
eine Auszeit vom erlernten Beruf nimmt. Vor
15 Jahren kam er in den USA erstmals mit
einem ähnlichen, damals aber noch realitäts­
fremden Projekt in Kontakt, vor zwei Jahren
erinnerte er sich wieder daran, und seit 2014
arbeitet er intensiv an der Neuheit. Als
Hobbygolfer habe er es sattgehabt, nach der
Runde als Verlierer meist den Drink für
die Kollegen bezahlen zu müssen, erzählt er
lachend. Also begann er zu forschen und
kam auf die Lösung, deren Realisierung nicht
mehr fern ist und mit der er jetzt an die
Öffentlichkeit geht, da die weltweiten
Patente angemeldet sind.
Der neue «Wunderball» funktioniert mit
einem eingebauten Sender, der als Chip nur
17 mm Durchmesser klein, 4 bis 5 mm dick
und ein paar Gramm leicht ist; hinzu kommt
eine ebenfalls winzige Batterie. Mit einem
Smartphone und einer speziellen App kann
der Ball auf der Basis von Bluetooth auf eine
Distanz von bis zu 150 m geortet werden –
nötig sind in der Realität höchstens 15 bis
20 m, denn so genau kann ein «entflogener»
Ball in der Regel ja verfolgt werden. Für die
Elektronik im Ball ist Alex Raimondi zustän­
dig, ein 39­jähriger Diplomingenieur. Er
prophezeit, dass dieses Innenleben mit den
Jahren sicher noch kleiner werden wird.
Chip­ing heisst die GmbH, in der das Unter­
nehmen organisiert ist – ein Name mit mehr­
facher Bedeutung: Ein Chip ist im Ball, Chip­
ping ist eine Technik für kurze Golfschläge
und das «­ing» am Schluss steht auch für
Ingenieur.
Ein misslungener
Schlag reicht,
und schon geht
die Sucherei los.
(Hindhead, 2009)
E
Sportberatung
Rubén Oliver
Mit Selftracking
zu einem
gesünderen
Leben
Eine Reihe von Versuchen hat gezeigt,
dass die Elektronik auch härteste Schläge auf
den Ball unbeschadet übersteht, und zumin­
dest auf den Greens haben Profis schon
bestätigt, was Messungen ergeben haben: Es
ist kein Unterschied zu einem herkömm­
lichen Ball festzustellen. «Wir wollen erst an
die Öffentlichkeit, wenn die Realisierbarkeit
hundertprozentig ist», betont Sandel. Die
Elektronik soll zumindest fürs Erste in der
Schweiz hergestellt werden, in die Bälle
«eingebaut» wird sie aber in Asien, weil das
Know­how zur Herstellung von Golfbällen
hierzulande fehlt. «Wir wollen ganz sicher
nicht die ganze Produktion in ein asiatisches
Billigland auslagern», sagt Raimondi, doch
wenn die Produktion die Grenze von
100 000 Stück überschreitet, könnte der
preiswertere Osten Europas eine Alternative
s gibt bereits viele Apps, mit
denen man per Smartphone,
intelligente Uhr oder andere
Sensoren die Kontrolle hat; wie
gut man geschlafen hat, wie
viele Schritte man zurückgelegt
hat und ob genügend Kalorien verbrannt
wurden. Doch wie genau sind sie? Können
sie unser Leben verändern? Die ersten kabel­
losen Geräte mit einer Körpermessfunktion
waren Herzfrequenzmessgeräte von Polar.
Diese Pulsuhren messen mittels an einem
Brustgurt befestigter Elektroden die Herz­
frequenz und ermöglichen so eine Steuerung
des Ausdauertrainings. Neuere Modelle
bestimmen zusätzlich die Herzfrequenz­
variabilität, woraus sich Hinweise zum
Ermüdungszustand eines Sportlers oder zum
Risiko für einen plötzlichen Herztod ableiten
lassen. Die neueren Pulsuhren haben den
Brustgurt abgeschafft und benutzen zur Mes­
sung einen optischen Herzfrequenzsensor
am Handgelenk. Ein GPS misst Standort und
Geschwindigkeit und somit die zurückgeleg­
ten Kilometer. Andere wählen das Fitbit One
als Einstiegsmodell. Der kleine schwarze
Sensor, der sich an die Hosentasche klem­
men lässt oder inzwischen meist am Hand­
gelenk getragen wird, zählt Schritte, Anzahl
zurückgelegte Kilometer und die Stock­
werke, die man pro Tag hochsteigt – Verglei­
che im Sportverein oder in der Firma moti­
vieren zu mehr Aktivität und mehr Training.
Mittels sogenannter Wearables, der Mini­
sensoren, die an der Kleidung oder am
Menschen mit
Schrittzähler
bewegen sich
mehr, sie
benutzen eher
die Treppe,
auch wenn ein
Aufzug da ist.
Crowdfunding lanciert
Weil die Erfinder des Golfballs bis jetzt nicht
nur viel Zeit, sondern auch Geld investiert
haben, lancieren sie via ihre Website (www.
chip-ing.com) neuerdings ein Crowdfunding. Damit können sich Leute still am
Projekt beteiligen, die auf den Erfolg des
Produktes vertrauen, und es gleichzeitig
schon im Voraus bestellen.
sein. Denn die Neuheit muss sich der Durch­
schnittsgolfer ja noch leisten wollen, zumal
sich die Elektronik nur in teurere Konstruk­
tionen, sogenannte 3-Piece­Bälle, einbauen
lässt. Sandel träumt vorerst von 1 Million
Bällen pro Jahr, was angesichts des riesigen
Körper angebracht werden, lassen sich
weitere Körperfunktionen messen und an
die Uhr oder das Mobiltelefon übertragen.
Damit können beispielsweise Gewohnhei­
ten, Bewegungsmuster und Schlafrhyth­
men aufgezeichnet werden. Hinter diesem
Trend steht der Wunsch, gesund zu leben,
fit zu sein und die eigene Leistungsfähig­
keit zu verbessern. Die Daten können auch
an Online­Auswertungsplattformen weiter­
geleitet werden. Mittels Ernährungs­Apps
kann sogar eine Mahlzeit fotografiert und
hochgeladen werden, und nach wenigen
Sekunden erhält man eine Kalorienschät­
zung. Diese liegt aber auch einmal deutlich
daneben. Ob diese Leute bewusster essen
und die Kalorienaufnahme einst selber
einschätzen können, ist fraglich.
Oft weichen die Selbsteinschätzung der
Aktivität und die Realität stark voneinan­
der ab. Ein Fitnesstracker kann Verände­
rung bringen. Studien haben gezeigt, dass
sich Menschen mit Schrittzähler mehr
bewegen, sie benutzen eher die Treppe,
auch wenn ein Aufzug da ist – selbst wenn
sie den Tracker nicht bei sich haben. Somit
führt das Aufzeichnen und Auswerten von
Aktivität tatsächlich zu einem gesünderen
Leben. Alles andere bleibt Spielerei, kann
aber im Training unterstützen oder den
Benutzer in die Realität zurückholen.
Rubén Oliver ist Sportarzt in Zürich und
Winterthur, Lauftrainer beim TV Oerlikon
und passionierter Läufer.
Marktes eher bescheiden ist: Für die
geschätzten 80 Millionen Golfer weltweit
werden jährlich 1 Milliarde Bälle hergestellt
– 500 Millionen gebrauchte Bälle finden
zudem einen zweiten Besitzer. Ein Dreier­
Pack soll nach den momentanen Vorstellun­
gen 35 Dollar kosten, was fast das doppelt
so viel ist, wie Golfbälle des oberen Preis­
segments heute kosten. Aber wenn man
bedenkt, dass ein mässig aktiver Golfer auf
jährlich 50 Runden über 200 Bälle «spart»,
ist das neue Wunderding den Preis allemal
wert. Wobei einer der drei Bälle ohne einge­
bauten Sender kommt; einzusetzen, wenn
vor einem Wasserhindernis das «Platsch»
nach einem zu kurz geratenen Schlag droht.
Denn wenn er mitten in einem Teich landet,
ist der Ball verloren – auch wenn er mit
einem Sender ausgestattet ist.
Gadget
Langlaufen ohne
Schnee
Fischer Skiroller RC7 Skate NIS
Der Skiroller kostet 299 Franken und
besteht aus Aluminium.
Während Skifahrer im
Sommer auf den Gletscher
ausweichen können, ist es
für Langläufer schwierig,
in der schneefreien Zeit
ihrem Sport zu frönen.
Ausser sie besitzen ein
Paar Rollski. Der Skihersteller Fischer nutzt
die Erfahrung aus dem
Wintersport und hat nun
drei Modelle entwickelt –
eines auch für
Freizeitläufer. (abb.)