Ich habe Dich je und je geliebt Predigt über Jeremia 31, 3 Für den 17. Sonntag nach Trinitatis, 27. September 2015 Und nun, Ihr Lieben, die Predigt von der Kanzel Es ist ein Aufstieg Es ist ein Aufstieg des Herzens und der Seele und der Gedanken Und es ist ein Aufstieg um des Wortes Gottes willen. Erheben sollen wir uns aus Glauben aus Glauben allein erheben über das, was gerade ist. Uns herausnehmen lassen aus uns aus jedem Ich, so wie die Dichterin Ilse Aichinger einmal gesagt hat: „Man muss immer ‚out’ bleiben, draußen bleiben“. Sich nicht verschlingen lassen vom Alltag und seiner Gemeinheit und der Angst, die ist und die geschürt wird sehr gekonnt Sich die Seele nicht rauben lassen als ein junger Mensch als ein Mensch in den besten Jahren als älter Werdender, Werdende Nicht Opfer sein von Irgendwem… Und keine Opfer machen Und das Dunkel nicht glauben „Man muss immer ‚out’ bleiben, draußen bleiben“. Können wir ja nicht, aber wir dürfen in diesen schönen Ort in unser Kirchlein kommen heraus gehen aus uns in dieses bergende schöne hohe Draußen, aus dem Gott zu uns spricht ein Trostwort nach dem anderen ein Freudenwort nach dem anderen ein Werdewort über allem… Und darum auch stehen wir auf, wenn wir den Predigttext verlesen – wieder das Sich Erheben… 1 um dieses schönes Gotteswortes willen, das ich gewählt habe für den Feiertag des Lebens heute: Der Prophet Jeremia sagt: Der HERR ist mir erschienen von ferne: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Wohlan, ich will dich wiederum bauen, dass du gebaut sein sollst, du Jungfrau Israel; du sollst dich wieder schmücken, Pauken schlagen und herausgehen zum Tanz. Du sollst wiederum Weinberge pflanzen an den Bergen Samarias; pflanzen wird man sie und ihre Früchte genießen. Denn es wird die Zeit kommen, dass die Wächter auf dem Gebirge Ephraim rufen: Wohlauf, lasst uns hinaufziehen nach Zion zum HERRN, unserm Gott! Ja, Worte des Jubelns sollen unsere Seele schmücken Und alles, was wir mitgebracht haben an Leben. Und das war zu der Zeit, da Israel, seinen Gott verlassen hatte, sich auf die falschen Versprechen eingelassen hatte, Täuschungen nachhing und dem Betrug, Liebhaber hatte, aber den großen Liebenden, Gott hatte es verlassen und war dann verlassen… In die Zeit der Schuld hinein spricht Gott diese Wunderworte der Verwandlung, dass nämlich jenseits dessen, was jetzt ist, dass – inmitten der Verlorenheit des Exil und alles selbst Verschuldeten – Gott über allem liebt. So viele Menschen hat dieses Wort vom Propheten Jeremia gezogen. Es ist von einer solchen Sprachmacht, dass es wohl für sich alleine stehen könnte. Mag sein, das ist der Grund, warum keine Kommission bis heute auf den Gedanken gekommen ist, es in die Predigttexte einzureihen. Was gibt es denn noch zu sagen, wenn einer über allem, was Menschen sein und erleben können, sagt, so wie einmal Israel und heute so vielen, die im Irrtum wohnen oder die um ihre Leben fliehen, Was gibt es Größeres oder Wahreres zu sagen uns, die wir, weil wir Menschen sind 2 Fehler machen und gemacht haben Weil wir Menschen sind Zum Glück fähig und am Glück versagend. In unser aller Leben In das Leben der heute Getauften Und der Jubelkonfirmandinnen und Konfirmanden hinein ruft der Prophet das eine Gesetz aus, das ewig gilt und in dem ich ewig gültig bin. Und davon weiß Jeremia ewig. Rilke: „Siehe, ich wusste es sind solche, die nie den gemeinsamen Gang lernten zwischen den Menschen; sondern der Aufgang in plötzlich entatmete Himmel war ihr Erstes. Der Flug durch der Liebe Jahrtausende ihr Nächstes, Unendliches. Eh sie noch lächelten weinten sie schon vor Freude; eh sie noch weinten war die Freude schon ewig. Frage mich nicht wie lange sie fühlten; wie lange sah man sie noch? Denn unsichtbare sind unsägliche Himmel über der inneren Landschaft. Eines ist Schicksal. Da werden die Menschen sichtbarer. Stehn wie Türme. Verfalln. Aber die Liebenden gehn über der eignen Zerstörung ewig hervor; denn aus dem Ewigen ist kein Ausweg. Wer widerruft Jubel?“ Ja, wir gehen über der eigenen Zerstörung ewig hervor. Dieses Wissen trägt der Prophet in seinem Herzen. Und sagt es hinein in das Schöne und das Schwere, das geschieht, in die in Sorge durchwachten und geweinten Nächte, in die Sucht, die einen Menschen im Griff hat in die Verlorenheit, in die einer kommen kann weil er nicht nur durch Krieg aus sich heraus getrieben wird, sondern auch an den Kriegsschauplätzen des Alltags aus sich herausgetrieben wird. Vertriebene mitten im Alltag… 3 Ich habe eine Mutter mit Burnout erlebt, sie kam in dieses Burnout all der Nachrichten wegen, die sie nicht verarbeiten konnte. Nicht genug Kraft war mehr, „draußen“ zu bleiben, außerhalb des Geschehens… Und eine andere Mutter, die Angst hat, ihren Sohn nicht genug zu lieben, dabei leidet sie tief in Wirklichkeit an ihrer Ehe. Es ist ein weiter Weg… Und wir auf unseren Wegen, mit Konflikten, die an uns nagen und die uns hineinziehen wollen wie einst Israel in falsche Machenschaften. Und immer ist der Kampf auf dieser Erde und in mir der zwischen Gut und Böse Und wem ich gehöre… Karl Barth „Der Mensch als Mensch schreit nach Gott, nicht nach einer Wahrheit, sondern nach der Wahrheit, nicht nach etwas Gutem, sondern nach dem Guten, nicht nach Antworten, sondern nach der Antwort, die unmittelbar eins ist mit seiner Frage. Denn er selbst, der Mensch, ist ja die Frage, so muss die Antwort die Frage sein, sie muss er selbst sein aber nun als Antwort, als beantwortete Frage. Nicht nach Lösungen schreit er, sondern nach Erlösung. Nicht wiederum nach etwas Menschlichem, sondern nach Gott, aber nach Gott als dem Erlöser seiner Menschlichkeit…“ Darum ruft Gott. Ich habe Dich immer geliebt Und ich liebe Dich immer. Und in die Welt habe ich Dich gezogen und in die Neue Welt ziehe ich alles Und Du kommst nicht abhanden nie – ich ziehe Dich. Ich halte Dich in meiner Hand. Also habe ich die Welt geliebt und alles, was Dich betrifft in meinem lieben Sohn. Ich habe Dich je und je geliebt. Darum habe ich Dich zu mir gezogen aus lauter Güte. + Amen. 4
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