Davoser Zeitung, 5.2.2016

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Wäärche & Läbä
Freitag, 5. Februar 2016
Davoser Zeitung
Barbara Gassler
Interview mit dem neuen Rektor
«Die SAMD ist eine Davoser Schule.»
Seit bald einem halben Jahr ist Severin Gerber Rektor der
Schweizerischen Alpinen Mittelschule Davos, an der er einst selbst die Maturität erlangte.
Mit der DZ spricht der Historiker und Lateinlehrer über Vergangenheit und Zukunft.
DZ: Severin Gerber, Sie waren selber Schüler an der SAMD. Würden Sie heute auch
noch gerne hier zur Schule gehen?
Severin Gerber: Ja, noch genau so gerne
wie damals. Natürlich kenne ich die heutige Schülersicht nicht. Doch was mir damals schon gefiel, war die überschaubare
dem Unterland mithalten kann.
Dennoch, das ist jetzt rund 30 Jahre her. Da
hat sich doch einiges verändert.
Natürlich. Die Schüler sind neben der
Schule wahnsinnig eingespannt. Einerseits ist da die enorme Ablenkung durch
nung nach auch nicht. Schon zu meiner
Zeit gab es die offenen Lernformen mit
Gruppen und Werkstatt genau so wie den
Frontalunterricht.
Nicht gross verändert haben sich die Schulräumlichkeiten.
Wir haben zwei Gebäude, unser Hauptgebäude und die Aula. Im Hauptgebäude
wurde kürzlich das gesamte Internat renoviert sowie die Pausen-, Aufenthalts
und Eingangsräumlichkeiten. Die Klassenzimmer werden stetig erneuert und
sind zu dreiviertel sehr gut im Schuss.
Von den restlichen wird pro Semester etwa ein Schulzimmer renoviert.
Ein anderes Thema ist die Aula mit Baujahr 1971, wo sich die naturwissenschaftlichen Unterrichtsräumlichkeiten befinden. Diese wurde zwar unterhalten,
befindet sich aber immer noch im Originalzustand. Da ist der Plan das ganze Gebäude 2017 zu sanieren, inklusive Fassadenisolation und der Schulzimmer. Es
werden keine Wände verschoben werden
aber die Räume erhalten neue Beleuchtung, Mobiliar und Böden.
Und der Saal?
Seit über vierzig Jahren wechseln die Schüler zwischen Hauptgebäude und Aula hin und her.
Grösse. Wir Schüler kannten uns untereinander und die Kleineren bewunderten
die Grossen. Und man kannte auch die
Lehrpersonen. So wusste man bereits, zu
wem man dann später kommen würde.
Umgekehrt war man als Schüler bekannt,
und wenn es jemanden mal nicht so gut
ging, wurde das rechtzeitig erkannt. Es
war wirklich eine sehr geborgene Atmosphäre und ich denke, das ist heute noch
so. Dazu kommt die Chance, zu Hause
wohnen zu können und eine solche Ausbildung zu geniessen. Eine Ausbildung,
die damals wie heute problemlos mit
Bild: bg.
die neuen sozialen Medien. Doch wir beobachten auch, dass praktisch jeder irgendwo arbeitet. Zu meiner Zeit war das
noch die Ausnahme, heute ist es die Regel. Die Schule ist nicht mehr der zentrale Faktor, wie sie es zu meiner Zeit noch
war.
Was hat sich vonseiten der Schule verändert?
Man arbeitet mit ganz anderen Medien,
doch rein von der Vermittlung her änderte nicht viel. Das braucht es meiner Mei-
Das Spannende in diesem Gebäude ist,
dass mitten hindurch eine Linie führt
und der Teil mit dem Saal und den Turnhallen der Gemeinde gehört. Das wurde
schon beim Bau so vereinbart und nun
müssen bei der Renovation beide miteinander funktionieren. Beim Saal wurden
die Fenster schon erneuert, was neu werden wird, ist die Beleuchtung und die
Akustik.
Die SAMD sei für Davos wichtig, wird immer wieder gesagt. Wie wichtig ist Davos
für die SAMD? Könnte die Schule auch mit
vorwiegend Internatsschülern überleben?
Unmöglich. Die SAMD ist die Schule der
Region Davos, Klosters und dem oberen
Albulatal. Aus dem Gemeindegebiet Davos stammen von rund 240 Schülern etwa 150. Das ist unser Stamm und unsere
Daseinsberechtigung. Weitere 20 stammen aus dem Prättigau/Klosters und etwa 10 aus dem Albulatal. Dazu kommen
Freitag, 5. Februar 2016
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rund 60 Internatsschüler. Das Internat ist
auch gleichzeitig eine grosse Herausforderung für uns, wegen der erschwerenden kantonalen Auflagen für ausserkantonale Schüler, die noch keine Aufnahme
in ein Gymnasium vorweisen können.
Das Gesetz ist seit August in Kraft und
alle Bündner Internatsschulen kämpfen
bereits mit den Folgen.
Severin Gerber ist von der Zukunft der SAMD überzeugt.
Kann unter diesen Voraussetzungen das
auch auf Internatsschüler ausgerichtete
Programm SAMD Plus weiter geführt werden?
SAMD Plus richtet sich an Schüler, die
bereits von einem Gymnasium kommen,
und ist umso wichtiger. Es nehmen im
Schnitt ein bis zwei Schüler pro Jahrgang
aus der Region teil, dazu kommen vielleicht zwei Internatsschüler, total sind
das vielleicht zehn Schüler. Natürlich
sind das nicht viele, doch ein Gymnasium, das kein solches Programm anbietet, ist nicht mehr à jour. Genau so, wie
man Stützunterricht für Schüler anbietet, die Mühe haben, muss man zwingend
etwas bieten für Schüler, die mehr wissen
wollen. Wir können es uns nicht leisten,
ihnen ein Buch zum Lesen zu Hause in
die Hand zu drücken. Heutzutage gehört
es sich solche Schüler zu fördern, wenn
es sie denn gibt.
Welche Neuerungen sind in der SAMD zu
erwarten? Welche Herausforderungen gilt
es anzupacken?
Es werden keine massiven Neuerungen
zu erwarten sein. Ich konnte das Gesicht
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der SAMD in den letzten Jahren bereits
mit prägen. Die Herausforderung sind die
kommenden geburtenschwachen Jahrgänge. Das heisst, wir müssen im Wettstreit mit den anderen Bündner Schulen
schauen, dass in den Grenzgebieten die
Schüler eher zu uns kommen. Für uns ist
jeder Schüler wichtig.
Die zweite Herausforderung ist, dass wir
unser Internat beibehalten wollen. Und
Bild: bg.
zwar als starkes Internat. Wir haben etwa
70 Plätze und sind im Moment mit 62
Schülern fast voll. Dieses Ziel zu erreichen wird in Zukunft schwieriger. Doch
was wir zurzeit stark ausbauen, ist unser
Programm «Matura ohne Allergene». Davon erhoffen wir uns natürlich zuerst in
der Schweiz und später im gesamten
deutschsprachigen Raum Schüler anzusprechen, die hier ihre Schulzeit einigermassen beschwerdefrei absolvieren können. Wir arbeiten eng mit der Hochgebirgsklinik Wolfgang und CK-CARE zusammen und hoffen möglichst bald das
Gütesiegel der schweizerischen Allergiestiftung zu erhalten. Kein anderer Mittelschulstandort kann das bieten. Ein Fernziel wäre, dass irgendwann einmal eine
Krankenkasse etwas daran zahlt oder
eine Wohnortsgemeinde.
Ein Gedankenspiel: Wie sähe die SAMD
aus, wenn wir 2030 wieder hier zusammensitzen würden?
Bei den Schülerzahlen gehen wir davon
aus, dass wir wieder dort sind, wo wir
jetzt sind. Ganz klar ist, dass es uns als
sehr gute Mittelschule mit Internat noch
geben wird. Ein Ziel ist, dass wir in der
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Schweiz noch bekannter sind, dass wir
mehr nachgefragt werden.
Ein persönliches Ziel meinerseits ist,
dass das Team auch weiterhin so gut
funktioniert wie jetzt. Denn die Qualität
einer Schule hängt direkt von den Lehrern ab. Schöne Zimmer mögen gut sein,
der Unterricht macht den Unterschied
aus. Wir hatten in letzter Zeit viel Wechsel und sehr viel Glück mit jungen, engagierten Lehrpersonen. Darauf sind wir
angewiesen. Wir brauchen Identifikation
mit der Schule, mit dem Ort und wählen
auch aufgrund solcher Kriterien aus.
Im Moment haben wir einen sehr
guten Mix, das spüren
auch
die Schüler. Auch sie
sol
len stolz sein auf ihre
Schule. Wir wollen, dass
sie zufrieden sind mit
der Schule und den
Lehrern, dass es ihnen wohl ist. So gibt
es das Betriebswirtschaftliche
aber
auch das
Pädagogische, wobei das
bei einer
Schule
eigentlich im
Vordergrund
stehen
sollte.
Bis etwa
2030
könnten
wir auch Jubiläen feiern.
Entweder 150
Jahre gymnasiale
Bildung
am
Guggerbach im Jahre
2028. Denn die Vorgängerinstitution der 1946 gegründeten SAMD wurde
1878 als des deutschen
Schulsanatoriums
Fridericianum ins Leben gerufen. Oder aber wir feiern
bereits in fünf Jahren 75 Jahre SAMD.