Gymnasium Heißen Projektwoche (28.09. – 2.10.2015): Wissenschaftliches Arbeiten Materialien zur Gestaltung der indirekten Rede Dr. Puth 1 Die indirekte Rede Bei der Wiedergabe von Aussagen und Gedanken anderer Personen müssen Sie die indirekte Rede einsetzen, z. B.: Er habe ein Grollen gehört, rief Humboldt. Mit etwas Glück könne man auf einen Ausbruch des Vulkans hoffen. Folgende Grundsätze sind zu beachten: 1. Erkennbar ist die indirekte Rede an der Verwendung des Konjunktivs Präsens. Dieser wird mit -e- aus dem Infinitivstamm gebildet: ich gehe, du gehest, er gehe, wir gehen, ihr gehet, sie gehen; ich sei, du seiest1, er sei, wir seien, ihr seiet, sie seien; ich habe, du habest, er habe, wir haben, ihr habet, sie haben. Er sagte, er sei auf Wanderschaft und wolle nach Rom. 2. Pronomina in der indirekten Rede müssen an die Redeeinführung angepasst werden: Bonpland fragte: „Muss ich mir Sorgen machen?" Bonpland fragte, ob er sich Sorgen machen müsse. Person in der Deshalb kommen im Normalfall in der indirekten Rede nur die Formen der dritten Person Singular oder Plural zum Einsatz. Diese Regelung ermöglicht es Ihnen, Distanz aufzubauen und eindeutig zu kennzeichnen, dass Sie Gedanken, die ursprünglich nicht von Ihnen entwickelt worden sind, darstellen wollen. Dies führt dazu, dass Sie Ausführungen anderer Personen von eigenen Ideen und Überlegungen eindeutig abgrenzen. 3. Eine Frage wird in der indirekten Rede als Nebensatz wiedergegeben. Bei Fragen ohne Fragewort benutzt man die Konjunktion ob, bei Fragen mit Fragewort wird das Fragewort beibehalten, z.B.: Humboldt fragte, ob er das auch sehe. Jemand rüttelte an seiner Schulter und fragte, worauf er denn warte. 4. Wenn die Formen des Konjunktivs und des Indikativs Präsens gleich sind, werden Formen des Konjunktivs Präteritum oder Umschreibungen mit würde(n) + Infinitiv als Ersatzformen für den Konjunktiv Präteritum gebraucht, allerdings nie bei den Modalverben und bei gebräuchlichen starken Verben wie gehen, kommen, sehen usw. Z. B.: Diese Schlucht hier, sagte Humboldt, sei doch eine Schlucht, oder? Da kämen sie nie hinüber! Das würden sie nie bewältigen. (statt: Das bewältigten sie nie.) 5. Aus den letzten beiden Beispielen können Sie eine weitere Regel ableiten: Bei starken Verben wie gehen, helfen, kommen, sehen, springen oder werfen ist die Umschreibung mit würde(n) + Infinitiv als Ersatzform zu vermeiden. Dies ist im Singular, weil die Formen eindeutig als Konjunktiv zu erkennen sind und sich nicht mit einer entsprechenden Indikativ-Form überschneiden, leicht umzusetzen. Denn bei der dritten Person Singular Präteritum Konjunktiv ist wegen der Endung –e die Form eindeutig als Konjunktiv-Form zu erkennen. Hinsichtlich der Plural-Form kann es jedoch durch die ähnliche Aussprache der Formen gelegentlich heikel werden. 1 Auch möglich: du seist. Gymnasium Heißen Projektwoche (28.09. – 2.10.2015): Wissenschaftliches Arbeiten Materialien zur Gestaltung der indirekten Rede Dr. Puth 2 (Vgl. Tabelle 1.) Im Schriftlichen sollten Sie die Umschreibung mit würden + Infinitiv im Plural des Konjunktivs Präteritum nicht verwenden, obwohl sie in diesen Fällen in der Umgangssprache gebräuchlich ist. Tabelle 1 Infinitiv gehen helfen kommen sehen springen werfen 3. Person Singular Präteritum Konjunktiv er ginge sie hälfe, sie hülfe es käme er sähe sie spränge er würfe 3. Person Plural Präteritum Konjunktiv sie gingen sie hälfen, sie hülfen sie kämen sie sähen sie sprängen sie würfen notwendige Umschreibung mit würden + Infinitiv sie würden gehen fakultative Umschreibung mit würden + Infinitiv sie würden helfen sie würden sehen 6. Der Konjunktiv Präteritum wird im Gegensatz zum Konjunktiv Präsens aus den Formen des Präteritums gebildet, wobei die Formen des Konjunktivs und des Indikativs Präteritum bei schwachen Verben identisch sind und daher im Rahmen der indirekten Rede durch würde(n) + Infinitiv als Ersatzform ersetzt werden müssen: ich ginge, du gingest, er ginge, wir gingen, ihr ginget, sie gingen; ich wäre, du wärest, er wäre, wir wären, ihr wäret, sie wären; ich hätte, du hättest, er hätte, wir hätten, ihr hättet, sie hätten; ich arbeitete, du arbeitetest, er arbeitete; wir arbeiteten, ihr arbeitetet, sie arbeiteten. Formen des Konjunktivs Präteritum können auch verwendet werden, wenn man sich von einer wiedergegebenen Aussage distanziert oder deren Wahrheitsgehalt bezweifelt, z.B.: Man könnte, sagte Bonpland, auch einfach behaupten, man wäre oben gewesen. 7. Wenn der Konjunktiv Präteritum keine indirekte Rede kennzeichnet, dient er üblicherweise zur Kennzeichnung irrealer Sachverhalte, z. B.: Sie sagte, selbst wenn es noch Karten gäbe, wären sie ihr zu teuer. Fast hätte ich deinen Geburtstag vergessen! Außerdem werden Wünsche, Vorschläge und höfliche Bitten im Konjunktiv Präteritum ausgedrückt: Ich würde so gerne eine Expedition an den Nordpol machen! Könntest du mich mitnehmen? Wie wär's mit ...? 8. Daraus ergibt sich eine weitere Regel für die Gestaltung der indirekten Rede: Da es in der indirekten Rede oft notwendig ist, eine Vorzeitigkeit auszudrücken, verwendet man nicht die Konjunktiv-Präteritum-Form, sondern die Konjunktiv-Form des Perfekts, um die Darstellung eines vergangenen Ereignisses von Wünschen, Vorschlägen und höflichen Bitten unterscheiden zu können, z. B.: Paula fragt: „War Peter gestern mit meiner Mutter im Schwimmbad?“ Paula fragt, ob Peter am Vortag mit ihrer Mutter im Schwimmbad gewesen sei. 9. Zu unterscheiden sind drei Zeitstufen der indirekten Rede, die unabhängig Gymnasium Heißen Projektwoche (28.09. – 2.10.2015): Wissenschaftliches Arbeiten Materialien zur Gestaltung der indirekten Rede Dr. Puth 3 vom Tempus der Redeeinführung sind. Welche Zeitstufe verwendet wird, richtet sich danach, ob das Berichtete a) bereits geschehen ist: Er sagt/sagte/wird sagen/..., die Wissenschaft habe es verlangt, ... (Vergangenheit: gebildet mit der Perfekt-Form); b) gerade geschieht: Er sagt/sagte/wird sagen/ ..., nun wisse man mehr über das Jagdverhalten der Krokodile. (Gegenwart: gebildet mit der Präsens-Form); c) in der Zukunft geschehen wird: Er sagt/sagte/wird sagen/ ..., nach ihrer Rückkehr werde er ein paar Dinge schreiben. (Zukunft: gebildet mit der Form des Futurs I). 10. Zur Kennzeichnung von Befehlen wird die Umschreibung mit solle (Singular) bzw. sollten (Plural) + Infinitiv verwendet, z. B.: Peter spornte seine Mannschaftskameraden an: „Auf die Gegner mit Gebrüll!“ Peter spornte seine Mannschaftskameraden an, sie sollten sich mit Gebrüll auf ihre Gegner stürzen. Die Lehrerin erinnert Paula: „Denke an den Rand!“ Die Lehrerin erinnert Paula daran, dass sie an den Rand denken solle.
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