Rede Solätte 2015 (Peter Balzli) Liebe Schülerinnen und

Rede Solätte 2015 (Peter Balzli)
Liebe Schülerinnen und Schüler
Liebe Burgdorferinnen und Burgdorfer
Liebe Gäste
Wahrscheinlich wurde ich angefragt, diese Rede zu halten, weil einige mich oder meine Reportagen im Fernsehen gesehen haben, etwa aus
Frankreich oder England oder Brasilien. Oder weil sie meine Artikel in der Zeitung gelesen haben. Das ist nicht wichtig für Euch Jüngere.
Aber das es ist wichtig, wenn ich über die Solätte reden will. Warum? Weil ich erst durch Zeitungsartikel das wahre Wesen der Solätte
verstanden habe.
Meine ersten Artikel schrieb ich noch während der Gymer-Zeit für die Emmental-Redaktion der Berner Zeitung. Damals gab es keinen
richtigen Burgdorfer auf der Redaktion. Und so schreib fast jedes Jahr ein auswärtiger Redaktor über die Solätte einen sehr korrekten aber
meistens stinklangweiligen Artikel.
Es war offensichtlich: Die Schreiber verstanden nicht, was die Solätte für uns Burgdorfer einmalig macht.
Ich habe ihnen dann zunächst versucht zu erklären, warum mir die Solätte schon als kleiner Bub so gut gefallen hat. Ich ging ja damals noch
in Bütikofen zur Schule und wenn wir an die Solätte kamen konnten wir den ganzen Tag machen, was wir wollten. Keine Verpflichtungen,
keine Reigen, keinen Umzug, nichts. Dafür Glace, Zuckerwatte, Magenbrot bis genug und noch mehr. Wasserpistolen, Chäpsli-Pistolen und
Plastic-Schwerter, mit denen wir dann das ganze Jahr spielten.
Aber noch viel besser wurde es in der neunten Klasse: Mittlerweile ging ich in den Gymer. Nach dem Nachmittags-Umzug fragte mich ein
Mädchen aus meiner Klasse ob ich mit ihr gehen wolle. Und dann – ich schwöre es ist wahr! - hat sie mir ein Müntschi gegeben. Hier gleich
neben der Kirche auf der Treppe neben dem Bracher-Haus. Stellt Euch vor: Ich musste gar nichts machen. Es war wunderbar. Sie hat zwar
ein Bisschen nach Käsekuchen geschmeckt. Aber das dünkte mich damals wahnsinnig gut.
Wie auch immer. Von so etwas Schönem haben die Journalisten in ihren Artikeln über die Solätte nie geschrieben. Und wenn ich sie auf die
Solätte ansprach, sagten sie immer: Bitte nimm es mir nicht übel. Ich finde diese Solätte ein fürchterlich langweiliges Fest. Natürlich wusste
ich genau, was sie meinten.
Für Nicht-Burgdorfer kann die Solätte ein ziemlich langweiliges Fest sein. Weil der Witz der Solätte für die Erwachsenen ist, dass man alte
Bekannte wiedertrifft und alte Erinnerungen wieder aufleben lässt. Dass man sich freut, alte Freunde wiederzusehen.
Ich kann es kaum erwarten, heute herauszufinden, ob Michu Jost dieses Jahr da ist. Er wohnt mittlerweile in Brasilien. Aber er kommt fast
jedes Jahr. Oder Tinu Stämpfli. Er ist schon lange Forscher in Kanada. Oder Bimbe, mit bürgerlichem Namen Marcel Rindisbacher. Er ist
jetzt Professor in Boston.
Ihr seht schon, was ich meine:
Die Solätte ist ein Fest der Freundschaft. Wer an der Solätte keinen Freund trifft, keine Freundin; wer keine Freundschaft findet oder erfährt,
für den ist dieses Fest ziemlich sinnlos.
Die Freundschaft und die Erinnerung ist das, was bleibt, wenn man nach der Schule auseinandergeht – wie die Neuntklässler hier jetzt bald.
Das klingt nach wenig, aber glaubt mir:
Es ist das Grösste überhaupt.
Ihr werdet es gleich erleben, liebe Neuntklässler, wo jetzt in alle Himmelsrichtungen verstreut werdet. Schon in ein paar Jahren werdet Ihr
verstehen, was ich meine.
Deshalb: Tragt Sorge zu Euren Freundinnen und Freunden. Bleibt in Kontakt mit ihnen. Früher war das ziemlich mühsam. Man musste
mühsam Briefe schreiben oder teure Telefonanrufe machen. Heute ist das alles zum Glück viel einfacher. Dank Skype, Facebook, Twitter
oder Instagram. Voll easy Mann!
Nutzt diesen Vorteil! Bleibt in Kontakt. Sagt Euren Freunden, dass Ihr sie schätzt. Dass Ihr sie vermisst. Dass Ihr sie wieder treffen wollt.
Schreibt es Ihnen!
Oder wie es mir ein Freund vor ein paar Jahren zum Geburtstag geschrieben hat:
Unsere Freundschaft, die soll wurzeln, bis wir in die Grube purzeln!
Ein bisschen makaber. Aber:
Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat in der letzten Rede vor seinem Tod gesagt:
„Am Ende hat alles wenig Bedeutung – mit Ausnahme der Freundschaft!“
Ich weiss, liebe Neuntklässler, ihr habt jetzt Ratschläge von Erwachsenen satt. Aber wenn vier Wörter mitnehmt heute von diesem Fest:
Dann nehmt doch diese vier Wörter mit: Mit Ausnahme der Freundschaft!
Und wer heute keinen Freund dabei hat, der soll einfach versuchen, einen kennen zu lernen.
Wie man das macht: Ganz einfach! Seid nett zu den andern und interessiert Euch für sie. Stellt ihnen Fragen und hört zu. Das ist schon alles.
Es ist übrigens auch das, was gute Journalisten machen. Probiert es aus. Es funktioniert fast immer.
Und noch etwas: Wenn Ihr ein Mädchen seid in der neunten Klasse oder so und schon lange ein Auge auf einen Jungen geworfen habt. Gebt
ihm doch heute ein Müntschi. Wahrscheinlich wird er dann diesen Tag niemals vergessen! Und er wird vielleicht von Euch schwärmen,
wenn er 35 Jahre später hier in der Kirche eine Rede hält.
So liebe Freunde. Ich will nicht länger werden. Der Käsekuchen wartet. Und Eure Freundinnen und Freunde!
Ich wünsche allen eine unvergessliche Solätte!!!