re c h t & steuer n : China ASIA B R I DGE 9: 2014 Kontrolle nicht schleifen lassen Immer wieder kommt es im chinesischen Geschäftsleben zu Überraschungen für deutsche Unternehmen. Zum einen weil staatliche Rechtsstandards nicht durchgesetzt werden. Zum anderen bieten deutsche Firmen aus Gutgläubigkeit zu viel Angriffsfläche. Eine sicherheitsbewusste Vorbereitung sollte daher am Anfang der Kooperation stehen. VON Nils Seibert und Manuel Schütt ::: Obwohl deutsche Unternehmen bereits seit Jahren Erfahrung mit China haben, unterschätzen sie die Risiken der bilateralen Geschäftsbeziehungen nach wie vor. Denn einiges, was in Deutschland beziehungsweise unter den westlichen Industrienationen an rechtlichen Standards selbstverständlich ist, existiert in der Volksrepublik nur auf dem nach westlichem Vorbild geschriebenen Papier. Hinzu kommt, dass unseriöse chinesische Anbieter selbst bei strafrechtlich relevanten Sachverhalten häufig keine rechtlichen Konsequenzen fürchten müssen und wissen, wie sie sich und ihre Gewinne geschickt den ausländischen Geschäftspartnern entziehen. Deshalb sollten am Anfang einer Geschäftsbeziehung in China immer ein Handelsregisterauszug und weitere Informationen zum chinesischen Geschäftspartner eingeholt werden. Wenn die aus Europa bekannten rechtlichen Mechanismen und anerkannten Handelsbräuche nicht greifen, gewinnen andere Praktiken an Bedeutung. So spielen faktische Kontrollmöglichkeiten, kaufmännische Sorgfalt, finanzielle Sicherheiten sowie der Aufbau und Unterhalt eines belast- baren Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien eine entscheidende Rolle für den Erfolg der geschäftlichen Aktivitäten in China. Sehr wichtig ist aber auch eine gute Kenntnis des chinesischen Steuer- und Zollrechts. Da dessen praktische Anwendung häufig nicht vorhersehbar ist, sollten die gängigen Risiken abgesichert werden, beispielsweise durch Übertragung auf den chinesischen Partner. Dieser hat schon allein durch seine geografische Position vor Ort die Möglichkeit, besser mit Zoll und Behörden zu sprechen und die Situation im eigenen Interesse zu beeinflussen. Genaue Formulierung der Akkreditiv-Vorlage Nicht immer eine verlässliche Sicherheit bieten die im internationalen Handel anerkannten Akkreditive oder Bankgarantien. So kommt es beispielsweise zu typischen Missbrauchsfällen, in denen bei einer Akkreditiv-Zahlung gefälschte Produktzertifikate namhafter Anbieter vorgelegt werden. Oder es kommt zwar zur echten Lieferung, der Inhalt wurde jedoch ausgetauscht – beispielsweise Metall gegen wertlose Steine. Nur durch die fachmännische Bild: blightylad1, Flickr 38 rech t & st eu ern : China ASIA BR I D G E 9 :2 0 1 4 Auch in China gibt es unseriös agierende Parteien. Rechtliche Konsequenzen müssen sie im eigenen Land allerdings selten fürchten. Formulierung der Akkreditiv-Vorlagen sowie eine – nicht selten teure – lückenlose Überprüfung aller Schritte, beginnend bei der Produktion über die Auslieferung bis hin zur Verschiffung, können diese Risiken minimiert werden. Auch von chinesischen Banken ausgestellte Bankgarantien sind mit Vorsicht zu genießen. So kann es vorkommen, dass chinesische Banken im Sicherungsfall die Zahlung grundlos verweigern. Ihre Verlässlichkeit sollte deshalb vorab genau geprüft werden. Dazu kann man sich beispielsweise an die deutsche Hausbank wenden, die eine Filiale in China hat und sich daher mit den Geldhäusern der Volksrepublik auskennt. Weitreichend ist auch die Möglichkeit der chinesischen Partei, die Zahlung der Bank im Sicherungsfall durch die Herbeiführung einer einstweiligen Anordnung wegen angeblichen Betrugs durch die ausländische Partei zu verhindern. Die einstweilige Anordnung kann beim örtlich zuständigen Volksgericht meist ohne Vorlage von Beweisen beantragt werden. Die ausländische Partei ist dann trotz einer gegebenenfalls existierenden Schiedsklausel auf den Ausgang des Verfahrens vor dem Volksgericht angewiesen. Die mit einem Volksgerichtsverfahren verbundene Rechtsunsicherheit und sehr hohe Kosten einer erfolgreichen Verteidigung halten nicht wenige ausländische Parteien von einer gerichtlichen Verfolgung in China ab. Dies gilt umso mehr, da einem positiven Volksgerichtsurteil häufig noch das Zwangsvollstreckungsverfahren durch das örtlich zuständige Volksgericht folgt, was eine genauso hohe Hürde darstellt. Die Beweispflicht im Verfahren vor dem Volksgericht liegt bei der ausländischen Partei. Die Sicherheit, die sie durch eine Bankgarantie versucht hat zu erhalten, ist damit hinfällig. Somit kann die chinesische Partei ihren ausländischen Partner mit einem einfachen Trick in eine Situation bringen, in der dessen finanzielle Absicherung keinen Wert mehr hat. Geschickte Kontoänderung per Mail Kaufmännische Sorgfalt sollte nicht nur bei der Auswahl von Geschäftspartnern, sondern auch im weiteren Verlauf der Geschäfte angewandt werden. So passiert es beispielsweise immer häufiger, dass der chinesische Geschäftspartner per E-Mail die Zahlung auf ein neues Konto veranlasst – und sich der ausländische Unternehmer leichtgläubig danach richtet. Nachträglich behauptet der Geschäftspartner dann, das Konto gehöre nicht ihm, sein Mail-Account sei gehackt worden, und er verlangt eine erneute Zahlung. Unabhängig davon, ob es sich in diesem Fall um einen Insidejob oder einen Hackerangriff handelt, ist eine ständige systematische Kontrolle aller wesentlichen Geschäftsvorgänge erforderlich, da dies auch bei jahrelangen Geschäftsbeziehungen vorgekommen ist. Wichtig ist auch der Markenschutz, der länderbezogen erfolgt. Eine internationale Anmeldung kann das Verfahren vereinfachen – beispielsweise aufgrund der durch das NizzaAbkommen eingeführten einheitlichen Klassifikationen. Dennoch ist dringend zu empfehlen, eigene Marken bereits vor dem Markteintritt auch in China anzumelden. Eine verbreitete Praxis darauf spezialisierter chinesischer Personen, aber auch von chinesischen Geschäftspartnern ist nämlich, die ausländische Marke im eigenen Namen zu registrieren. Möchte der ausländische Geschäftspartner seine Marke dann selbst in China nutzen, bleibt meist nur die kostspielige Einigung mit dem chinesischen „Markeninhaber“. Der Rechtsweg wird oft erfolglos beschritten. Betroffen sind nicht nur Firmen wie jüngst der Elektroautomobilhersteller Tesla, sondern auch kleine und mittelständische deutsche Familien unternehmen, die unter Umständen auf die Nutzung jahrzehntealter Marken in China verzichten müssen. Vertriebspartner kennt meist seinen Wert Bei der Anmeldung anderer gewerblicher Schutzrechte, insbesondere von Patenten, ist aber Vorsicht geboten. Hier sollten die Risiken einer Patentregistrierung vor einer chinesischen Behörde mit dem damit verbundenen Nutzen mithilfe kundiger Berater abgewogen werden. Nicht immer lohnt sich der kostenintensive Prozess. Beim Vertrieb in China arbeitet das deutsche Unternehmen zumeist mit einem chinesischen Distributor zusammen. Ihm kommt im China-Geschäft eine Schlüsselposition zu, da der deutsche Partner meist nur rudimentäre Kenntnisse über den chinesischen Markt und die kulturellen Gepflogenheiten besitzt. Der Distributor weiß um seine Bedeutung und ist entsprechend fordernd. Bei den ersten Vertragsverhandlungen sollte die deutsche Seite daher viele Details beachten. Ein wichtiges Thema ist hierbei die Exklusivität. Der chinesische Geschäftspartner drängt oftmals darauf, alleiniger Vertriebspartner für die Volksrepublik zu sein. Überraschenderweise stimmen diesem Wunsch viele deutsche Unternehmer zu. Die Konsequenzen einer solchen Exklusivitätsvereinbarung werden erst im Nachhinein bedacht, spätestens wenn man sich vom Vertriebspartner wieder trennen möchte. In Einzelfällen wurden neue chinesische Geschäftspartner nach Abschluss des exklusiven Distributionsvertrags überhaupt nicht tätig. Das führt dann zu Verhandlungen, in denen das deutsche Unternehmen keine gute Verhandlungsposition mehr hat. In der Regel kommt es im deutsch-chinesischen Geschäftskontakt nicht zum schlimmsten. Entspannter und produktiver agiert aber derjenige, der sich gegen alle Eventualitäten abgesichert hat und sich im chinesischen Markt nicht nur von blindem Vertrauen leiten lässt. ::: Dr. Nils Seibert ist Leiter der Rechtsabteilung der German Industry and Commerce (GIC) Greater China in Beijing. Manuel Schütt ist Rechts referendar am Landgericht Würzburg und derzeit in der Rechtsabteilung der GIC tätig. Kontakt: [email protected], Tel.: +86-10-65396621, china.ahk.de 39
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