Antrag - Landtag Baden Württemberg

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7576
15. Wahlperiode
Eingang: 14.10.2015
Antrag
der Abg. Dr. Reinhard Löffler u. a. CDU
Besoldung von Richtern und Staatsanwälten nach Erfahrung
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1.
wie hoch die jährlichen Einsparungen für den Landeshaushalt aufgrund der Absenkung der Eingangsbesoldung von Richtern und Staatsanwälten in Höhe von acht Prozent gemäß § 23 Landesbesoldungsgesetz sind;
2.
welche jährlichen Zusatzkosten für den Landeshaushalt entstünden, wenn alle Richter und Staatsanwälte aus der jeweiligen Endgrundgehaltsstufe der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 (ohne Absenkung
gemäß § 23 Landesbesoldungsgesetz) besoldet würden;
3.
welche Erkenntnisse sie im Gesetzgebungsverfahren der Dienstrechtsreform 2011 über Vorteile jedweder Art hatte (etwa bei der Quantität oder Qualität von Gerichtsentscheidungen), die das Land jeweils aus einer stetig um zwei Jahre anwachsenden Berufserfahrung eines Richters in seinen ersten 20
Dienstjahren zieht;
4.
warum sie – falls sie entsprechende Vorteile sieht (vgl. Ziffer 3) – keine Initiative ergriffen hat, bei
der Fortschreibung der Personalbedarfsberechnung (Pebbsy) im Jahr 2014 die tatsächliche Diensterfahrung der Richter als Produktkriterium zu erheben;
5.
mit welcher konkreten sachlichen Rechtfertigung das Landesbesoldungsgesetz anordnet, dass Richter
derselben Besoldungsgruppe entsprechend ihrer Diensterfahrung unterschiedlich hoch besoldet werden, wenngleich sie dasselbe einheitliche Amt bekleiden, dasselbe Recht gegenüber dem rechtsuchenden Bürger anwenden und vergleichbare – insbesondere aber von ihrer richterlichen Erfahrung völlig
unabhängige – Fallpensen bewältigen, da die Gerichtspräsidien, die Justizverwaltung und die Öffentlichkeit alle Richter als gleichwertig ansehen und demzufolge die Personalausstattung der Gerichte erfahrungsunabhängig erfolgt;
6.
welche Vor- oder Nachteile es vor dem Hintergrund dieser Rechtfertigung (vgl. Ziffer 5) für den
rechtsuchenden Bürger hat, wenn seine Rechtsangelegenheit von einem erfahrenen Richter statt von
einem weniger erfahrenen Richter entschieden wird;
7.
welche konkreten verfassungsrechtlichen Änderungen sich zwischen 1975 und der Dienstrechtsreform
2011 ergeben haben, die die Wiedereinführung einer Bezahlung von Richtern nach Dienstzeiten (§ 36
Landesbesoldungsgesetz) ermöglichten, nachdem der Bundesgesetzgeber aus verfassungsrechtlichen
Gründen die ursprünglich am Dienstalter ausgerichtete Richterbesoldung mit der Besoldung nach dem
Lebensalter abgelöst hat (vgl. Bundestags-Drucksache 7/1906, Seite 87);
8.
welche jährlichen Zusatzkosten für den Landeshaushalt entstünden, wenn alle Richter und Staatsanwälte, die bis zum 31. Dezember 2010 ernannt wurden und noch nicht in der Endstufe sind, abweichend von § 100 Absatz 4 Landesbesoldungsgesetz entsprechend ihrer tatsächlichen Diensterfahrung
nach Maßgabe von § 36 Landesbesoldungsgesetz besoldet werden würden, sofern diese Bezahlung für
sie günstiger wäre;
9.
mit welchen Verwaltungskosten bei einer effizienten Vorgehensweise zu rechnen wäre, um die Richter und Staatsanwälte des Landes, die bis zum 31. Dezember 2010 ernannt wurden und noch nicht in
der Endstufe sind, entsprechend ihrer tatsächlichen Diensterfahrung nach Maßgabe des § 36 Landesbesoldungsgesetz in die Erfahrungsstufen der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 einzugruppieren;
10. wie viele Richter und Staatsanwälte im Geschäftsbereich des Justizministeriums zu Regierungsdirektoren (A 15) ernannt wurden und seit dem 1. Januar 2011 bei ihrer Rückkehr in ein Amt der Besoldungsgruppen R 1 oder R 2, weil dies für sie günstiger war, entsprechend ihrer tatsächlichen Diensterfahrung gemäß § 36 Landesbesoldungsgesetz eingruppiert wurden.
14.10.2015
Dr. Löffler, Dr. Lasotta, Hitzler, Hauk, Herrmann CDU
Begründung
Die Rechtmäßigkeit der Richterbesoldung wird von mehreren Seiten angegriffen. Dabei wird unter anderem die Zulässigkeit der Leistungsbesoldung in Form der Erfahrungsstufen in Frage gestellt (vgl. Lobmüller/Wahle, Deutsche Richterzeitung 2015, 60). Das Land argumentiert in diesem Zusammenhang allerdings
widersprüchlich: Während die nach Diensterfahrung ansteigende Bezahlung mit der pauschalen (d. h. nicht
näher begründeten) Behauptung gerechtfertigt wird, dass erfahrene Richter leistungsfähiger seien, werden
Strafverteidiger, die mit dieser Wertung des Landesbesoldungsgesetzes die Besetzung der Gerichte angreifen, darauf verwiesen, dass alle Richter gleichwertig sind.
Diese verschiedenen Haltungen sind nicht miteinander vereinbar. Wenn Richter tatsächlich im Hinblick auf
die Besoldung je nach Erfahrungsstand unterschiedlich leistungsfähig wären, müsste dies auch bei der gerichtsinternen Geschäftsverteilung berücksichtigt werden (etwa dadurch, dass junge Richter weniger oder
leichtere Fälle bearbeiten). Umgekehrt kann aber den Richtern in Besoldungsfragen nicht entgegengehalten
werden, dass sie unterschiedlich leistungsfähig seien, wenn nach allgemeiner Auffassung das Richteramt
als gleichwertig zu gelten hat. Es wird zu erwägen sein, ob Richter derselben Besoldungsgruppe wegen der
Einheitlichkeit des Richteramts aus dem Endgrundgehalt zu besolden sind.
Zu einer greifbaren Ungleichbehandlung führt es jedenfalls, wenn die vor der Dienstrechtsreform ernannten
Richter und Staatsanwälte nicht – wie die anschließend ernannten – entsprechend ihrer tatsächlichen
Diensterfahrung bezahlt werden, soweit sie hierdurch günstiger gestellt werden. Eine Benachteiligung liegt
auch im Verhältnis zu Richtern und Staatsanwälten vor, die im Rahmen einer Sonderverwendung vorübergehend als Regierungsdirektoren Verwaltungsaufgaben erledigen. Hier stellt sich ferner die Frage, ob die
Landesjustizverwaltung durch die Ernennung von Richtern zu Regierungsdirektoren eine verfassungsrechtlich unzulässige Einflussmöglichkeit auf die Höhe der späteren Richterbesoldung hat, weil die Regierungsdirektoren bei ihrem Wechsel zurück ins Richteramt entsprechend ihrer tatsächlichen Dienstzeit eingruppiert werden und hierdurch gezielt bessergestellt werden können (vgl. Bundesverfassungsgericht
(BVerfGE) 12, 81, BVerfGE 26, 79).
Zusätzlich wird die Frage der Amtsangemessenheit der Richterbesoldung lebhaft erörtert, insbesondere
auch der Absenkungsbetrag der Eingangsbesoldung um 8 Prozent gemäß § 23 Landesbesoldungsgesetz
(LBesG) in den ersten drei Dienstjahren. Zeitungsberichten zufolge ist die Justizverwaltung unter anderem
aus diesem Grund nicht mehr in der Lage, freiwerdende Richterstellen zeitnah mit Bewerbern zu besetzen
(vgl. Stuttgarter Zeitung vom 15. September 2015: „Keine Lust auf die Karriere als Richter“).