Leserbrief in der Aargauerzeitung 22.1.2016 Dem Kriminaltouristen ist die Ausschaffung egal Die schweizerische Demokratie beruht auf der Idee der Menschenund Bürgerrechte, wie sie die Französische Revolution 1789 formuliert hat: Freiheit, Recht auf Eigentum, Sicherheit und Widerstandsrecht gegen Unterdrückung. Aus diesen Grundideen haben sich das allgemeine Stimm- und Wahlrecht entwickelt, aber auch zum Beispiel das Recht auf ein faires, nicht willkürliches Gerichtsverfahren. Zu letzterem gehört, dass ein Strafgericht bei der Urteilsfindung nicht nur die Schwere des Deliktes, sondern auch die Auswirkungen der Strafe auf die persönliche Situation des oder der Angeklagten berücksichtigen muss (Verhältnismässigkeitsprinzip). Die Strafe der Landesverweisung, wie sie die 2010 angenommene Ausschaffungsinitiative für Ausländer bei vielen Delikten vorsieht, kann eine ganz unterschiedlich schwere Strafe sein. Für einen Kriminaltouristen spielt sie praktisch keine Rolle. Für einen in der Schweiz aufgewachsenen Ausländer, der hier eine Familie hat, ist die Landesverweisung nicht nur für ihn selber eine Katastrophe, sondern für alle seine Angehörigen. Das Parlament hat deshalb im Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative eine Härtefallklausel eingefügt, die das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren garantiert, das die Situation des Angeklagten berücksichtigt. Die Durchsetzungsinitiative der SVP verlangt hingegen, dass die Landesverweisung ohne Prüfung des Einzelfalles ausgesprochen werden muss. Damit würde das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren für alle ausländischen Staatsangehörigen in der Schweiz aufgehoben und wir hätten Einwohner zweierlei Rechts. In einem Land, das zu Recht stolz ist auf seine Demokratie und seine Rechtsprechung, ist eine solches Vorgehen inakzeptabel. Mit einem deutlichen Nein muss eine solche Entwicklung verhindert werden. STÉPHANIE MÖRIKOFER-ZWEZ, KAISERAUGST
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