Österreich setzt Grenzen

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AUSGABE 27 � FEBRUAR 2016
Die Flüchtlingsmärsche nach Österreich sind nicht zu Ende
Österreich setzt Grenzen
Die Regierung will nur mehr 37.500 Flüchtlinge aufnehmen
N
eunzigtausend
Menschen
sind im vergangenen Jahr
nach Österreich geflohen
und haben hier um Asyl angesucht. 90.000 Menschen, das sind
ungefähr so viele, wie die Stadt Klagenfurt an Einwohnern hat. Um Asyl
anzusuchen bedeutet: Sie wollen in
Österreich bleiben.
Geflohen sind sie aus den verschiedensten Gründen: vor dem Bürgerkrieg
in Syrien, vor der Bedrohung durch die
Terroristen des sogenannten „IS“ in Syrien und im Irak, vor den Angriffen der
Taliban in Afghanistan. In all diesen
Ländern sind die Menschen beständig
vom Tod durch die Kämpfe bedroht.
Aber es gibt auch andere Gründe dafür,
alles – die Heimat und alle Freunde –
hinter sich zu lassen, um sich auf ge-
fährliche Bootsfahrten übers Mittelmeer und beschwerliche Märsche nach
Österreich aufzumachen. Im afrikanischen Eritrea zum Beispiel ist es die
große Not und der endlose Militärdienst. Und in zahllosen Ländern sind
es ganz einfach das Elend, die Arbeitslosigkeit, die Chancenlosigkeit – vor allem
der jungen Menschen. All das hoffen
die Fliehenden hinter sich zu lassen.
WER BEKOMMT ASYL?
Anerkennung als Flüchtling findet
allerdings nur, wem in seiner Heimat
Verfolgung aufgrund seiner Religion,
seiner Rasse, seiner politischen Ansichten, seiner Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Menschengruppe droht.
Not und Elend reichen für die Anerkennung als Flüchtling nicht aus. Eigent-
lich auch die Bedrohung durch Krieg
nicht, aber in den meisten zivilisierten
Ländern hat man sich darauf geeinigt,
jemanden, der vor einem Krieg flüchtet, sehr wohl als Flüchtling anzuerkennen und Asyl zu gewähren. Theoretisch könnte es also sein, dass von den
90.000, die im Vorjahr gekommen sind,
tatsächlich 90.000 Asyl erhalten, also
in Österreich bleiben. In Wirklichkeit
werden es zweifellos viel weniger sein.
Dennoch ist die Herausforderung für
den österreichischen Staat enorm.
GRENZEN DER BELASTUNG
Diese große Menge an Menschen
muss in Österreich Essen und Unterkunft erhalten. Denn vorerst und wahrscheinlich noch auf Jahre hinaus werden die Asylanten keine Arbeit finden
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und ihr Leben daher nicht
Die österreichische Regieselbst bezahlen können.
rung hofft, dass sie ihre
Wenn sie krank sind, müsGrenzen ebenfalls dichter
sen sie in unseren Spitälern
machen werden, obwohl
versorgt werden. Kinder
das zum Meer hin sehr,
müssen in unseren Schulsehr schwer sein wird. Es
klassen Platz finden. Das alsei denn, man akzeptiert,
les kostet daher vorerst sehr
dass sehr viel mehr Menviel Geld. Man rechnet mit
schen ertrinken.
rund einer Milliarde Euro
FRIEDEN IST FERN
im Jahr. Österreich ist ein
Es gibt daher nach wie
sehr reiches Land und kann
vor Versuche, vor allem
diese Milliarde aufbringen.
den Krieg in Syrien zu beAber erst dann, wenn die
In
Griechenland
landen
weiterhin
Boote
voller
Flüchtlinge
enden. Die Chancen dameisten Asylanten Arbeit
rauf sind leider sehr gegefunden haben, werden
sie das Geld, das sie in den nächsten daher darauf geeinigt, dass Österreich ring. Denn in diesem Krieg sind auch
Jahren kosten, zurückzahlen können: 2016 nur noch weitere 37.500 Flücht- zahlreiche andere Mächte verwickelt:
Dann bezahlen sie an den Staat mehr linge aufnimmt. ÖVP-Chef Reinhold Russland und der Iran, die Syriens
Mitterlehner nennt das eine „Obergrenze“. SPÖ-Chef Werner Faymann
nennt es einen „Richtwert“, den einzuhalten man versuchen wird. Eine Obergrenze, so sagt er und so meinen auch
die meisten Rechtsgelehrten, könne es nämlich aus völkerrechtlichen
Gründen nicht geben. Denn Österreich hat die „Genfer Konvention“ unterschrieben und sich damit verpflichtet,
Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn also der 37.501. Flüchtling kommt und
Reinhold Mitterlehner spricht
Werner Faymann spricht
um
Asyl ansucht, kann man ihn nicht
von einer „Obergrenze“
von einem „Richtwert“
ablehnen. Auch Reinhold Mitterlehner hat durchblicken lassen, dass man
an Steuern, als jetzt Geld für sie aus- ihn wohl nicht ablehnen könnte. Man Diktator Baschar al-Assad in seinem
gegeben wird. (Das ist der Grund, wes- kann nur versuchen zu vermeiden, Kampf gegen die sunnitischen Aufständischen unterstützen; die USA, die
halb Staaten wie die USA, deren Bevöl- dass er kommt.
Türkei und Saudi-Arabien, die die sunkerung fast nur aus Zuwanderern und
DER DOMINOEFFEKT
nitischen Aufständischen unterstütFlüchtlingen besteht, letztlich denDass Österreich nicht mehr Men- zen. Gemeinsam ist all diesen Staaten
noch sehr wohlhabend sind.)
schen über seine Grenzen lassen will, nur, dass sie den Vormarsch der TerroHÄLT DIE OBERGRENZE?
hat bereits dazu geführt, dass auch risten des „Islamischen Staates“ in SyAber es kommt eben auf das Aus- Slowenien und Kroatien nicht mehr rien und im Irak stoppen wollen. Damaß der Zuwanderung an und auf den Menschen über ihre Grenzen lassen, bei haben sie zuletzt gewisse Erfolge
Zeitraum, innerhalb dessen sie stattfin- als Österreich aufzunehmen bereit ist. errungen – nur sind die IS-Kämpfer
det. Noch nie zuvor musste Österreich Denn diese viel ärmeren Länder wol- gleichzeitig in große Teile Libyens voreine so gewaltige Zuwanderung inner- len schon gar keine Flüchtlingsmassen gedrungen. Es sieht also ganz und gar
halb so kurzer Zeit bewältigen. Alle po- beherbergen.
nicht nach einem Ende der Flüchtlitischen Parteien sind sich darin einig,
Das Problem dieser allgemeinen lingsflut aus. Auch Österreich wird sich
dass es unmöglich ist, in diesem Jahr Grenzschließungen: In Griechenland wohl trotz „Obergrenze“ oder „Richtneuerlich 90.000 Menschen aufzuneh- und in Italien kommen weiterhin Tau- wert“ weiter mit ihr auseinandersetmen. Bei einem „Asylgipfel“ haben sich sende Flüchtlinge an. Wie sollen die- zen müssen.
Peter M. Lingens | [email protected]
die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP se beiden Länder damit fertig werden?
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