Nicht nur Henkel setzt auf die umtriebige Naturwissenschaftlerin

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F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G
MENSCHEN & WIRTSCHAFT
Nicht nur Henkel setzt auf die umtriebige Naturwissenschaftlerin
Simone Bagel-Trah wird
Familienunternehmerin
des Jahres. Sie ist nicht
nur Aufsichtsratsvorsitzende des Düsseldorfer
Henkel-Konzerns,
sondern pflegt auch ihr
eigenes Unternehmen.
enn Simone Bagel-Trah ihren Gast in der gläsernen
Henkel-Zentrale im „Löwenzimmer“ empfängt, dann
sind die wichtigsten Ahnen mit ihren Porträts dabei: Da blickt der Ururgroßvater
Fritz Henkel, der den Düsseldorfer
Waschmittel- und Klebstoffkonzern
einst gegründet hat, von der Wand herab.
Aber auch der 1999 verstorbene, bei den
Mitarbeitern enorm beliebte Konrad
Henkel ist mit seinem Konterfei präsent.
Er war das letzte Familienmitglied, das
operativ in der Unternehmensleitung tätig war und später gemäß seinem nach
wie vor aktuellen Leitspruch „Firma geht
vor Familie“ die Trennung von Besitz
und Management vollzogen hat. Und er
war es auch, der das traditionsreiche Familienunternehmen vor dreißig Jahren
an die Börse begleitet und damit wichtige Weichen für die Zukunft gestellt hat.
Fragt man die Aufsichtsratsvorsitzende
des noch immer familiengeprägten DaxKonzerns danach, was denn das Besondere der „Firma“ Henkel ausmache, so
spricht sie vom „Best of both“, vom Besten aus beiden Welten. Für den Part des
traditionsbewussten Familienunternehmens nennt sie Stichworte wie das Denken in langen Zeiträumen, Kultur, einen
bestimmten Wertekanon oder finanzielle
Solidität. Zu den Vorteilen eines börsennotierten Konzerns zählen für sie Punkte
wie striktes Performancedenken, Transparenz oder ein hoher Grad an Professionalität. Auch die Sechsundvierzigjährige verkörpert beide Welten: Als Vorsitzende des
mächtigen Gesellschafterausschusses ist
sie sozusagen Clan-Chefin und das Gesicht der Henkels nach außen. Als Vorsit-
W
zende des Aufsichtsrats wacht sie im Interesse aller Aktionäre gleichermaßen über
die Arbeit des Vorstands.
Als sich die Repräsentanten der drei
Familienstämme damals für sie als die
Nachfolgerin ihres Onkels Albrecht
Woeste an den Spitzen der beiden Gremien entschieden, hatte es zuvor ein
strenges Auswahlverfahren unter verschiedenen Kandidaten gegeben. Auch
Christoph Henkel, des Sohn von Konrad,
zählte damals sicherlich zum Kreis der
Anwärter. Die schlichte Eleganz und fast
mädchenhafte Natürlichkeit ausstrahlende promovierte Mikrobiologin setzte sich
damals durch. Bestens vorbereitet und
qualifiziert war die blitzgescheite Frau
für ihre neuen Ämter allemal.
Seit ihrem 18. Geburtstag – von diesem Alter an wird man bei Henkel zu den
regelmäßigen Gesellschaftertreffen geladen – ist sie gern den Einladungen zum
näheren Kennenlernen der Firma und
zum Netzwerken mit der Familie gefolgt.
All die Themen rund um das Chemieunternehmen fand sie hoch spannend.
Schon als Kind und Schülerin hat sie sich
für Naturwissenschaften begeistert, Wetterstationen gebastelt, Morseapparate gebaut und Biologie als Leistungskurs gewählt. Bereits im Alter von 30 Jahren
wurde sie in den Aufsichtsrat der damals
verselbständigten, später an BASF verkauften Chemietochtergesellschaft Cognis berufen. Und auch Aufsichtsrat und
Gesellschafterausschuss von Henkel gehörte sie bereits mehrere Jahre an, bevor
sie jeweils zur Vorsitzenden gekürt wurde. Parallel zur Henkel-Welt hat die Düsseldorferin überdies eine eigene Karriere
als Unternehmerin gemacht. So gründete
sie nach dem Biologiestudium und anschließender Promotion an der Universität Bonn im Jahr 2000 gemeinsam mit
Partnern das Biotech-Unternehmen Antiinfectives Intelligence. Dieses Dienstleistungsunternehmen, für das sie als Geschäftsführerin und Partnerin noch immer einige Projekte betreut, berät und
forscht im Bereich der Infektionskrankheiten.
Die mit dem Düsseldorfer Personalberater Christoph Trah verheiratete Mutter
von zwei Kindern, die vor allem am Wochenende so viel Zeit wie eben möglich
für die Familie frei hält, ist nahezu jeden
Tag im Unternehmen. Ihre Präsenz geht
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.
Simone Bagel-Trah
über die eines üblichen Aufsichtsratsvorsitzenden weit hinaus. Aus ihrer Sicht ist
das charakteristisch für ein familiengeprägtes Unternehmen. Sie liebt es, durch
das weit verzweigte Werksgelände am
Stammsitz Holthausen zu gehen, mittags
in der Kantine zu essen, das Ohr eng an
der Firma zu haben. Sie pflegt einen niederschwelligen Austausch mit dem Vorstand und der Ebene darunter. Zwischen
Foto Claudia Kempf
ihrem Büro und dem des Vorstandsvorsitzenden Kasper Rorsted herrschen im
wahrsten Sinne des Wortes kurze Wege,
nämlich eine Distanz von gerade einmal
30 Metern. Und wenn dieser wie so häufig für Henkel in der ganzen Welt unterwegs ist, läuft der Austausch unkompliziert per SMS oder Mail.
Bagel-Trah unterstützt auch das Ziel
Rorsteds, für mehr Vielfalt in Führungs-
gremien zu sorgen. Dazu gehört die Förderung von Frauen in Leitungsfunktionen. Eine starre Quote lehnt sie allerdings ab; sie hält sie für überflüssig. Im
Fall Henkel kann sie da ohnehin entspannt sein: Waren im Jahr 2008 rund 26
Prozent der Führungspositionen mit
Frauen besetzt, so ist es heute rund ein
Drittel. Dass zur Vereinbarung von Familie und Karriere bestimmte Strukturen ge-
schaffen werden müssen, ist für sie selbstverständlich. Beispiele dazu sind die Einrichtung von Kindertagesstätten nahe
des Firmengeländes ebenso wie die Förderung von internationalen Karriereschritten im jungen Managerinnenalter,
flexiblere Arbeitszeiten oder die Abkehr
von der Präsenzkultur. Mindestens ebenso wichtig sind für Bagel-Trah aber Themen wie die Förderung von Forschung,
Entwicklung und Innovation. Mit der
von ihr unterstützten Bildungsinitiative
„Forscherwelt“ will sie schon bei Kindern den Entdeckergeist und die Neugier
für naturwissenschaftliche Fächer wecken, indem diese beispielsweise in kindgerecht eingerichteten Laboren zu Themen wie Kleben, Waschen, Reinigen
oder Nachhaltigkeit experimentieren dürfen.
Die hochgewachsene Aufsichtsratschefin mit dem langen glatten Haar engagiert sich in verschiedenen Kuratorien
und Stiftungen, auch dem Hochschulrat
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gehört sie an. Viel Zeit für ausgeprägte Hobbys bleibt da nicht, abgesehen
von etwas Tennis, Joggen oder gelegentlichen Besuchen von Kunstausstellungen,
bei denen sie besonders gut entspannen
kann. Aufsichtsratsmandate hat sie bei
Bayer und der Heraeus-Holding. Daneben sitzt sie im Beirat der Commerzbank
und im Verwaltungsrat des Düsseldorfer
Bankhauses HSBC Trinkaus. Mehr Mandate kommen für sie nicht in Betracht.
Schließlich könnten die an sie herangetragenen Aufgaben dann nicht mehr seriös
und verantwortungsvoll erfüllt werden,
ist sie überzeugt.
Am Donnerstagabend ist die mächtigste Dax-Aufseherin mit dem Preis „Familienunternehmerin des Jahres“ der Familienforschungsstiftung Intes ausgezeichnet worden. Der Preis ehrt sie. Er gebühre aber allen Mitgesellschaftern, meint
sie. Dass die einschließlich der Kinder
und Ehepartner mehr als 100 Mitglieder
zählende Familie geschlossen hinter dem
Unternehmen steht, hat nicht zuletzt die
im vergangenen Jahr erfolgte vorzeitige
Verlängerung des Aktienbindungsvertrages bewiesen. Mindestens noch bis 2033
läuft das gemeinsame Bekenntnis des
rund 60 Prozent aller Stammaktien haltenden Clans zu seiner Firma.
BRIGITTE KOCH