Unternehmen SE IT E 24 · F R E I TAG , 1 3 . N OV E M B E R 2 0 1 5 · N R . 2 6 4 F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G MENSCHEN & WIRTSCHAFT Nicht nur Henkel setzt auf die umtriebige Naturwissenschaftlerin Simone Bagel-Trah wird Familienunternehmerin des Jahres. Sie ist nicht nur Aufsichtsratsvorsitzende des Düsseldorfer Henkel-Konzerns, sondern pflegt auch ihr eigenes Unternehmen. enn Simone Bagel-Trah ihren Gast in der gläsernen Henkel-Zentrale im „Löwenzimmer“ empfängt, dann sind die wichtigsten Ahnen mit ihren Porträts dabei: Da blickt der Ururgroßvater Fritz Henkel, der den Düsseldorfer Waschmittel- und Klebstoffkonzern einst gegründet hat, von der Wand herab. Aber auch der 1999 verstorbene, bei den Mitarbeitern enorm beliebte Konrad Henkel ist mit seinem Konterfei präsent. Er war das letzte Familienmitglied, das operativ in der Unternehmensleitung tätig war und später gemäß seinem nach wie vor aktuellen Leitspruch „Firma geht vor Familie“ die Trennung von Besitz und Management vollzogen hat. Und er war es auch, der das traditionsreiche Familienunternehmen vor dreißig Jahren an die Börse begleitet und damit wichtige Weichen für die Zukunft gestellt hat. Fragt man die Aufsichtsratsvorsitzende des noch immer familiengeprägten DaxKonzerns danach, was denn das Besondere der „Firma“ Henkel ausmache, so spricht sie vom „Best of both“, vom Besten aus beiden Welten. Für den Part des traditionsbewussten Familienunternehmens nennt sie Stichworte wie das Denken in langen Zeiträumen, Kultur, einen bestimmten Wertekanon oder finanzielle Solidität. Zu den Vorteilen eines börsennotierten Konzerns zählen für sie Punkte wie striktes Performancedenken, Transparenz oder ein hoher Grad an Professionalität. Auch die Sechsundvierzigjährige verkörpert beide Welten: Als Vorsitzende des mächtigen Gesellschafterausschusses ist sie sozusagen Clan-Chefin und das Gesicht der Henkels nach außen. Als Vorsit- W zende des Aufsichtsrats wacht sie im Interesse aller Aktionäre gleichermaßen über die Arbeit des Vorstands. Als sich die Repräsentanten der drei Familienstämme damals für sie als die Nachfolgerin ihres Onkels Albrecht Woeste an den Spitzen der beiden Gremien entschieden, hatte es zuvor ein strenges Auswahlverfahren unter verschiedenen Kandidaten gegeben. Auch Christoph Henkel, des Sohn von Konrad, zählte damals sicherlich zum Kreis der Anwärter. Die schlichte Eleganz und fast mädchenhafte Natürlichkeit ausstrahlende promovierte Mikrobiologin setzte sich damals durch. Bestens vorbereitet und qualifiziert war die blitzgescheite Frau für ihre neuen Ämter allemal. Seit ihrem 18. Geburtstag – von diesem Alter an wird man bei Henkel zu den regelmäßigen Gesellschaftertreffen geladen – ist sie gern den Einladungen zum näheren Kennenlernen der Firma und zum Netzwerken mit der Familie gefolgt. All die Themen rund um das Chemieunternehmen fand sie hoch spannend. Schon als Kind und Schülerin hat sie sich für Naturwissenschaften begeistert, Wetterstationen gebastelt, Morseapparate gebaut und Biologie als Leistungskurs gewählt. Bereits im Alter von 30 Jahren wurde sie in den Aufsichtsrat der damals verselbständigten, später an BASF verkauften Chemietochtergesellschaft Cognis berufen. Und auch Aufsichtsrat und Gesellschafterausschuss von Henkel gehörte sie bereits mehrere Jahre an, bevor sie jeweils zur Vorsitzenden gekürt wurde. Parallel zur Henkel-Welt hat die Düsseldorferin überdies eine eigene Karriere als Unternehmerin gemacht. So gründete sie nach dem Biologiestudium und anschließender Promotion an der Universität Bonn im Jahr 2000 gemeinsam mit Partnern das Biotech-Unternehmen Antiinfectives Intelligence. Dieses Dienstleistungsunternehmen, für das sie als Geschäftsführerin und Partnerin noch immer einige Projekte betreut, berät und forscht im Bereich der Infektionskrankheiten. Die mit dem Düsseldorfer Personalberater Christoph Trah verheiratete Mutter von zwei Kindern, die vor allem am Wochenende so viel Zeit wie eben möglich für die Familie frei hält, ist nahezu jeden Tag im Unternehmen. Ihre Präsenz geht © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Simone Bagel-Trah über die eines üblichen Aufsichtsratsvorsitzenden weit hinaus. Aus ihrer Sicht ist das charakteristisch für ein familiengeprägtes Unternehmen. Sie liebt es, durch das weit verzweigte Werksgelände am Stammsitz Holthausen zu gehen, mittags in der Kantine zu essen, das Ohr eng an der Firma zu haben. Sie pflegt einen niederschwelligen Austausch mit dem Vorstand und der Ebene darunter. Zwischen Foto Claudia Kempf ihrem Büro und dem des Vorstandsvorsitzenden Kasper Rorsted herrschen im wahrsten Sinne des Wortes kurze Wege, nämlich eine Distanz von gerade einmal 30 Metern. Und wenn dieser wie so häufig für Henkel in der ganzen Welt unterwegs ist, läuft der Austausch unkompliziert per SMS oder Mail. Bagel-Trah unterstützt auch das Ziel Rorsteds, für mehr Vielfalt in Führungs- gremien zu sorgen. Dazu gehört die Förderung von Frauen in Leitungsfunktionen. Eine starre Quote lehnt sie allerdings ab; sie hält sie für überflüssig. Im Fall Henkel kann sie da ohnehin entspannt sein: Waren im Jahr 2008 rund 26 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt, so ist es heute rund ein Drittel. Dass zur Vereinbarung von Familie und Karriere bestimmte Strukturen ge- schaffen werden müssen, ist für sie selbstverständlich. Beispiele dazu sind die Einrichtung von Kindertagesstätten nahe des Firmengeländes ebenso wie die Förderung von internationalen Karriereschritten im jungen Managerinnenalter, flexiblere Arbeitszeiten oder die Abkehr von der Präsenzkultur. Mindestens ebenso wichtig sind für Bagel-Trah aber Themen wie die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation. Mit der von ihr unterstützten Bildungsinitiative „Forscherwelt“ will sie schon bei Kindern den Entdeckergeist und die Neugier für naturwissenschaftliche Fächer wecken, indem diese beispielsweise in kindgerecht eingerichteten Laboren zu Themen wie Kleben, Waschen, Reinigen oder Nachhaltigkeit experimentieren dürfen. Die hochgewachsene Aufsichtsratschefin mit dem langen glatten Haar engagiert sich in verschiedenen Kuratorien und Stiftungen, auch dem Hochschulrat der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gehört sie an. Viel Zeit für ausgeprägte Hobbys bleibt da nicht, abgesehen von etwas Tennis, Joggen oder gelegentlichen Besuchen von Kunstausstellungen, bei denen sie besonders gut entspannen kann. Aufsichtsratsmandate hat sie bei Bayer und der Heraeus-Holding. Daneben sitzt sie im Beirat der Commerzbank und im Verwaltungsrat des Düsseldorfer Bankhauses HSBC Trinkaus. Mehr Mandate kommen für sie nicht in Betracht. Schließlich könnten die an sie herangetragenen Aufgaben dann nicht mehr seriös und verantwortungsvoll erfüllt werden, ist sie überzeugt. Am Donnerstagabend ist die mächtigste Dax-Aufseherin mit dem Preis „Familienunternehmerin des Jahres“ der Familienforschungsstiftung Intes ausgezeichnet worden. Der Preis ehrt sie. Er gebühre aber allen Mitgesellschaftern, meint sie. Dass die einschließlich der Kinder und Ehepartner mehr als 100 Mitglieder zählende Familie geschlossen hinter dem Unternehmen steht, hat nicht zuletzt die im vergangenen Jahr erfolgte vorzeitige Verlängerung des Aktienbindungsvertrages bewiesen. Mindestens noch bis 2033 läuft das gemeinsame Bekenntnis des rund 60 Prozent aller Stammaktien haltenden Clans zu seiner Firma. BRIGITTE KOCH
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