Schatten - Carolin Otzelberger

Schatten
Der Begriff Schatten beschreibt unser Unterbewusstsein mit all seinen unbewussten Denk‐ und Verhaltensweisen. Vielen Menschen macht es Angst, sich mit dem eigenen Schatten zu beschäftigen. Sie haben beispielsweise Angst, die Dose der Pandora zu öffnen und dadurch die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren (die zu haben natürlich an sich schon eine Illusion ist). Oder sie befürchten, dass ganz abscheuliche Charakterzüge ans Tageslicht kommen könnten (sie vergessen dabei, dass ihr Umfeld diese Eigenheiten schon längst kennt). Dabei hat es durchaus einen Wert, den eigenen Schatten kennenzulernen. Jeder von uns hat einen Schatten und daran ist nichts Schlechtes. Wir alle mussten im Lauf unseres Lebens mit bestimmten Lebensbedingungen zurechtkommen, die nicht unbedingt immer ideal waren. Beispielsweise haben wir oft nicht die (bedingungslose) Aufmerksamkeit bekommen, die wir uns gewünscht haben. Wir haben uns dann vielleicht nicht gesehen, nicht ernst genommen oder nicht wertvoll gefühlt. Weil wir aber auch mit diesen Gefühlen und Annahmen alleine waren und noch nicht die Kompetenz hatten, angemessen damit umzugehen, sind sie ins Unterbewusstsein gewandert. Außerdem haben wir verschiedenste Strategien entwickelt, um zum Beispiel möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Manche von uns haben gelernt, möglichst laut zu schreien. Andere haben die Erfahrung gemacht, dass sie als nettes Mädchen oder netter Junge besser ankommen. Oder wir haben die Erfahrung gemacht, dass kleine (Not‐) Lügen uns nutzen oder, dass wir unsere sexuelle Energie erfolgreich einsetzen können (Augen klimpern, Kopf verdrehen, Hüften schwenken etc.). So entstehen Schattenprinzipien wie Aggression, Manipulation, Lügen und Täuschen. Und ‐ Du ahnst es schon ‐ diese Strategien wenden wir nach wie vor an. Nur sind wir uns dessen meist nicht mehr bewusst. So sabotieren wir unsere Beziehungen, ohne es zu merken. Den eigenen Schattenprinzipien auf die Schliche zu kommen, hat viele Aha‐Erlebnisse zur Konsequenz. Plötzlich wird Dir klar, warum Du immer wieder an den gleichen Punkten mit Deinem Partner/Deiner Partnerin aneinander gerätst, warum Du manchmal mit dir selber unzufrieden bist, oder gar, warum die Männer bzw. Frauen von Dir weggelaufen sind, warum Du Deinen Traumjob nicht bekommen oder die letzte Anstellung verloren hast, oder auch warum sich Deine Freunde manchmal tage‐ oder wochenlang nicht bei Dir melden und so weiter. Die eigenen unbewussten Verhaltensweisen aufzudecken, ist ein lebenslanger Prozess. Denn wir sind sehr geschickt im Tarnen unserer Taktik ‐ wir wollen ja schließlich nicht auffliegen ‐ und so sind unsere Strategien zum Teil sehr subtil. Mögliche Schattenprinzipien sind:  Aggression  Arroganz  Opfer sein  Rache  Überheblichkeit  Rechthaberei  Gier  Hinterlist  Besserwisserei  Manipulation  Intriganz  Verrat  Konkurrenz  Respektlosigkeit  Habgier  Ablenkung  Vertuschung Vielleicht bist Du jetzt schockiert darüber, dass auch Du so ein "schlechter Mensch" sein sollst. An dieser Stelle lade ich Dich zu einer Gratwanderung ein: Werde Dir Deinen Schattenprinzipien bewusst. Beobachte, was Du tust und wie Du es tust. Erkenne, was die Konsequenzen sind und welchen Preis Du zahlst. Und übe Dich gleichzeitig in Mitgefühl und Verständnis für Dich selbst. All unsere Schattenmechanismen dienten einst unserem Überleben. Je gemeiner unsere Strategien sind, umso größer war die Not, in der wir sie entwickelt haben. Je mehr wir uns in die Enge gedrängt gefühlt haben, je verzweifelter wir waren, umso radikaler wurden unsere Überlebensstrategien und umso hinterlistiger mussten wir agieren. Ein Schattenverhalten aufzudecken, kann der Schlüssel zu einer tief sitzenden Verletzung sein, die noch auf Heilung wartet. So bringst Du doppelt Licht ins Unbewusste: Du entlarvst Verhaltensweisen, die Dich selbst und Deine Beziehungen sabotieren und Du heilst alte Verletzungen. Der Teil, der Deine Schattenprinzipien ausführt, nennt sichn"Gremlin". Dein Gremlin ist der Hüter Deiner Box. Das heißt, er benutzt seine Werkzeuge (=Schattenprinzipien), um Deine Weltsicht, Deine Annahmen und Deine Erwartungen zu legitimieren. Wann auch immer Deine Box sich bedroht fühlt, tritt Dein Gremlin auf den Plan. Seine Handlungen können sowohl gegen Dich (Selbstsabotage) als auch gegen Andere gerichtet sein. Mache es Dir zur Aufgabe, zu beobachten, was Dein Gremlin tut. Lass Dir Feedback von Personen in Deinem Umfeld geben, um Dir Deiner Mechanismen bewusst zu werden. Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung. Im Weiteren kannst Du diese Erkenntnisse nutzen, um zu heilen, was es zu heilen gibt. Die Allzweckwaffe des Gremlins ist die Projektion. Was wir ins Unterbewusstsein verdängt haben, sind genau die Aspekte, die uns an anderen Menschen stören. Das Außen dient uns als gigantischer und extrem zuverlässiger Spiegel unsere unbewussten Anteile. Sich das einzugestehen heißt, radikale Verantwortung zu übernehmen für alles, was uns im Außen begegnet und unsere "Knöpfe" drückt. Das bedeutet, dass jedes Mal, wenn irgendein Mensch oder eine Situation Dich aufregt, nervt, abstößt oder verletzt, spiegelt Dir das einen Teil Deines Unbewusstseins. Die Menschen, die unsere Knöpfe drücken, nennt Robert Betz "Arschengel". Sie werden sozusagen vom Arsch zum Engel, in dem Moment, in dem wir das Geschenk annehmen, das sie uns bieten. Dieser Schritt ist zweifelsohne nicht immer leicht und unsere Box ist sehr gut darin, alle möglichen Gründe zu finden, warum in diesem speziellen Fall definitiv (nur) der andere Bockmist gebaut hat. Mit etwas Erfahrung steigt aber die Bereitschaft bei sich selbst zu schauen exponentiell an. Es ist nämlich die einzige Möglichkeit, etwas verändern zu können. Beispiel: Du hast das Gefühl, Dein Partner hört Dir nie richtig zu. Das könnte folgendes bedeuten:  Du hörst Dir selber, also Deiner inneren Stimme, nicht wirklich zu  Du hörst Deinem Gegenüber oft selbst nicht richtig zu, sondern bist mit deiner Aufmerksamkeit eigentlich woanders  Du bittest nicht, um das, was Du brauchst  Du erwartest, dass Dein Gegenüber Gedanken lesen kann, anstatt konkret zu formulieren, was Du von ihm möchtest. So hast du eine Situation geschaffen, sauer auf ihn sein zu können (Schattenprinzip Groll)  Du landest Deine Botschaft nicht wirkungsvoll bei Deinem Partner Wichtig: Schattenprinzipien sind nicht per se schlecht! Es kann beispielsweise durchaus legitim sein, Manipulation zu benutzen, um zu bekommen, was Du möchtest. Es ist eine enorme Kompetenz, zu lügen und zu täuschen, die Dir mitunter sehr hilfreich sein kann. Wichtig ist, dass Du Dir bewusst bist, was Du tust und warum Du es tust. Wenn Deine Beziehungen nicht funktionieren, könnte es hilfreich sein, Dir bewusst zu machen, welche Schattenprinzipien am Werk sind. Dann kannst Du sie einsetzen, so wie es Dir dienlich ist und kannst es lassen, wenn es Deinen Beziehungen schadet. Außerdem gibt es Dir auch mehr Gewahrsein über den Schatten anderer Menschen und Du kannst ihr Verhalten entsprechend einordnen.