Informelles Lernen: Stand. Ort. Bestimmung Informal learning: State

Informelles Lernen: Stand. Ort. Bestimmung
Informal learning: State of play
Internationale Tagung Universität Siegen, Artur-Woll-Haus
5./6. Oktober 2015
Veranstalterinnen: Nina Kahnwald & Vicki Täubig
Call for Papers
Das informelle Lernen, die Zauberformel für die Bildung des 21. Jahrhunderts, ist mit diesem in die
Jahre gekommen. In Anbetracht seiner Bestimmung, etwa dem „humanistische[n] Anliegen einer
friedvollen, kreativen und inklusiven Weltgesellschaft“ (Künzel 2010, S. 95), ist es herausfordernd,
den Stand des Diskurses und seiner Empirie zu bilanzieren. Die Tagung nimmt die für das Kindes-,
Jugend- und Erwachsenenalter als Orte des Informellen ausgemachten in den Blick. Sie zielt auf einen
interdisziplinären und internationalen Austausch.
Im internationalen Vergleich ist in Deutschland die Forschung zu informellem Lernen im Kindes- und
Jugendalter stark ausgeprägt; läuft jedoch eher getrennt von Diskursen der Erwachsenenbildung. Die
die Lebensalter umfassende Klammer des lebenslangen Lernens wird häufig mit dem Konzept des
informellen Lernens in einem Atemzug genannt. Hierbei werden jedoch die lebensaltergebundenen
Besonderheiten verwischt. Diesen sowie folgenden lebensalterübergreifenden Schwerpunkten und
Leerstellen soll im Rahmen der Tagung im inter- und intradisziplinären Austausch nachgegangen
werden.
Der Begriff „Informelles Lernen“ zeigt sich international bildungs- und fachpolitisch etabliert. In der
empirischen Forschung wird er nach wie vor sehr breit konturiert und auch ersetzt durch Begriffe wie
bspw. „Selbstlernen“ oder „Extended Learning“. Im Kontext der theoretisch-konzeptionellen Grundlagen ist auch nach dem Menschenbild des informellen Lernens zu fragen, das Bildungstheorien und
Konzepten des Lernens üblicherweise immanent ist. Die Maßgabe der Partizipation und Freiwilligkeit
wird in den letzten Jahren diskursanalytisch unter anderem als „unternehmerisches Selbst“ im
Anschluss an Bröcklin eingeholt (z.B. Forneck/Wrana 2005).
Der Diskurs um das informelle Lernen ist mittlerweile so gefestigt, dass seine Institutionalisierungen
beschrieben werden können. Bezogen auf das Kindes- und Jugendalter fällt zunächst auf, dass die
vermeintlich „andere Seite der Bildung“ (Otto/Rauschenbach 2008) zuallererst in der Kinder- und
Jugendhilfe gesucht wird. Auf Kooperation von Schule und Kinder- und Jugendhilfe angelegte Organisationsformen, wie die Ganztagsschule oder Bildungslandschaften, sind als konkrete Ausformungen
des Diskurses um informelles Lernen zu erkennen. Sowohl in der außerschulischen Kinder- und
Jugendbildung als auch in der Erwachsenenbildung, etwa beim Lernen am Arbeitsplatz, zeigt sich
eine Institutionalisierung des Diskurses anhand der zunehmenden Zertifizierung „freiwillig“ erworbener „Kompetenzen“ mit dem Ziel der Nutzbarmachung für die (zukünftige) Erwerbsarbeit. Für alle
Altersgruppen ist des Weiteren die Berücksichtigung informellen Lernens in der Bildungsberichterstattung (z.B. Berichtssystem Weiterbildung, Adult Education Survey, Continuing Vocational Training
Survey, Nationaler Bildungsbericht) zu verzeichnen.
Mit der Bildungsberichterstattung und einigen weiteren empirischen Befunden ist gewiss geworden,
dass informelles Lernen die soziale Ungleichheit im formalen Bereich der Bildung eher reproduziert
als minimiert und somit denen zugutekommt, die bereits über die formale Bildung gesellschaftliche
Integration erreichen (Düx/Rauschenbach 2010; Schiersmann 2006). Anhand der Ungleichheitsfrage
wird zudem deutlich, dass lebensweltliche Lern- und Bildungsprozesse der sogenannten „bildungsfernen“ Milieus unter dem Stichwort „informelles Lernen“ kaum noch in ihrer Eigenständigkeit
und -sinnigkeit (Grundmann et al. 2010) untersucht werden, sondern die Anschlussfähigkeit an
formale Bildung oder Erwerbsarbeit forschungsleitend ist.
Einhergehend mit der zunehmenden Mediatisierung der Gesellschaft scheinen Medien DIE Orte des
Informellen zu sein. Es ergeben sich hybride (Lern-)Welten, in denen die Übergänge zwischen analog
und digital, online und offline zunehmend fließend werden (Grell/Marotzki/Schelhowe 2010). Eine
Informalisierung von Weiterbildung sowie eine ›Informalisierung von E-Learning‹ lassen sich nachzeichnen. Die Forschung zu mobilem Lernen rückt den individuellen Lernkontext bzw. die Lernumgebung in den Mittelpunkt (Pachler/Bachmair/Cook 2010). Im Fokus stehen von den Lernenden selbst
ad hoc generierte, auf aktuelle Lernziele hin ausgerichtete Kontexte (Brown 2010). Im Gegensatz
dazu wird für das Kindes- und Jugendalter das (digitale) Medienhandeln immer auch mit Fragen des
Jugendschutzes in Verbindung gebracht.
Als Keynotespeaker fungieren Karin Aronsson (Stockholm University, SWE), Petra Grell (Technische
Universität Darmstadt), Victoria J. Marsick (Columbia University in the City of New York, US) und
Ludwig Stecher (Justus-Liebig-Universität Gießen).
Wir bitten um Vortragsvorschläge, die die aufgeführten Punkte aufnehmen. Es sind gleichermaßen
empirische und theoretische Beiträge willkommen. Die Vorträge werden in Sessions gebündelt. Die
Publikation der Beiträge in einem Sammelband ist vorgesehen.
Ihren Vortragsvorschlag (max. 2000 Zeichen) senden Sie bitte bis zum 1. Juli 2015 unter Angabe Ihrer
ggf. institutionellen Zugehörigkeit an [email protected]. Tagungssprachen sind englisch und deutsch; formulieren Sie Ihren Vorschlag bitte in der vorgesehen Vortragssprache.
Homepage zur Tagung: http://www.uni-siegen.de/zlb/bildungsforschung/forschungsschwerpunkt3/tagung-informelles-lernen/