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Türkische Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs
Flüchtlinge und Lohnerhöhungen heizen Inlandskonjunktur an / Einfuhren von Investitionsgütern im 1. Quartal
2016 gestiegen / Von Necip C. Bagoglu
Istanbul (gtai) - Die türkische Wirtschaft wuchs 2015 real um 4,0%. Für den Anstieg war hauptsächlich der private
Verbrauch verantwortlich, der nicht zuletzt von den Ausgaben der knapp 3 Mio. Flüchtlinge profitierte. Die
Investitionen haben ebenfalls zum Wachstum beigetragen, wenn auch weniger stark. Für das laufende Jahr strebt
die türkische Regierung eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes um 4,5% an. Die Chancen für die Realisierung
dieses Zieles stehen gut.
Mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 4,0% im Jahr 2015 wurde die zuletzt nach oben revidierte
Prognose der türkischen Regierung auf den Punkt erfüllt. Ursprünglich waren sie und internationale
Finanzinstitute von circa 3,0% ausgegangen. Offensichtlich durchlief die Konjunktur am Bosporus im 4. Quartal
mit einem realen Plus von 5,7% einen regelrechten Aufschwung. Die Wirtschaft profitierte vom Ende der der
innenpolitischen Unsicherheiten, die im Zuge der beiden Parlamentswahlen im Juni und November des
vergangenen Jahres aufgetreten waren.
Der private Verbrauch erhöhte sich 2015 um 4,5%. Zu der spürbaren Belebung der Inlandsnachfrage haben auch
die Ausgaben der knapp 3 Mio. Flüchtlinge aus Syrien und Irak beigetragen. Insgesamt hat der private Konsum
75% zum Konjunkturanstieg beigesteuert.
Die Inlandsnachfrage wird voraussichtlich auch im Jahr 2016 hauptsächlich die Wirtschaft ankurbeln. Dafür
sprechen die Anhebung des Mindestlohns um 30%, die rückläufige Inflation sowie Zinssenkungstendenzen. Die
Exporte werden dagegen kaum zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Der Anstieg der
Investitionsgüterimporte im 1. Quartal 2016 um 7% gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutet auf eine Belebung
der Investitionskonjunktur hin.
Reales BIP-Wachstum
Jahr
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
2013
4,2
2014
3,0
2015
4,0
2016 *)
4,5
2017 *)
5,0
2018 *)
5,0
*) Prognosen der türkischen Regierung
Quelle: Türkisches Statistikamt - Türkiye Istatistik Kurumu - TÜIK (http://www.tuik.gov.tr)
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Türkische Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs
Pro-Kopf-Einkommen auf US$-Basis gesunken
Das BIP erreichte nach Angaben des Statistikamtes TÜIK 2015 rund 1.954 Mrd. Türkische Lira (TL). Das entspricht
720 Mrd. US$. Das BIP pro Einwohner erhöhte sich gegenüber 2014 von 22.732 auf 25.130 TL. In US-Dollar sank der
Wert jedoch wegen der Abwertung der Landeswährung von 10.395 auf 9.261 $.
Langfristige Wirtschaftsziele revisionsbedürftig
Ein Wirtschaftswachstum von 4% erscheint im internationalen Vergleich als ein gutes Ergebnis. Für die Türkei
reicht es jedoch nicht aus, um eine Arbeitslosenquote von 10,3% zu reduzieren und die langfristigen
Entwicklungsziele der Regierung zu realisieren. Nach den bisher nicht korrigierten Projektionen der
Wirtschaftsplaner in Ankara will das Land bis zum hundertjährigen Republikjubiläum 2023 ein BIP von 2.000 Mrd.
$ erwirtschaften, was einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 25.000 $ entsprechen würde. Die Exporte sollen
von 144 Mrd. $ im Jahr 2015 auf 500 Mrd. $ steigen. Ziel ist es, die Türkei bis 2023 zu den 10 größten
Volkswirtschaften der Welt zu entwickeln.
Doch selbst bei einem jährlichen Wachstum von 7% ab 2016 dürfte die Türkei im Jahr 2023 nur ein BIP von 1.425
Mrd. $ und einen Exportwert von 260 Mrd. $ erreichen, hat Wirtschaftsexperte Osman Arolat von der Zeitung
"Dünya" berechnet. Angesichts dieser Zahlen und der fortbestehenden strukturellen Wachstumshemmnisse
werden von Seiten der Wirtschaft die Forderungen an die Regierung immer lauter, die Ziele für 2023 zu
korrigieren und auf eine realistischere Basis zu stellen.
Strukturdefizite verhindern höheres Wachstumstempo
Das Strukturdefizit der Türkei besteht weiterhin in der hohen Abhängigkeit von importierten Rohstoffen,
Energieträgern und Halbwaren. Da für die Herstellung von Exportgütern zahlreiche Vorprodukte aus dem Ausland
eingeführt werden müssen, führen steigende Ausfuhren automatisch zu steigenden Einfuhren. Die Handelsbilanz
wird nicht entlastet. Weitere Probleme sind die unzureichenden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen,
eine ineffiziente berufliche Ausbildung sowie die niedrige inländische Sparquote von rund 16%. Die
Technologiedefizite verhindern die Produktion von Waren mit hoher Wertschöpfung. Laut TÜIK betrug 2015 der
Anteil von Hochtechnologieprodukten am gesamten Exportwert nur 3,7%.
Trotz der 2015 stark gefallenen Erdölpreise entsprach das Leistungsbilanzdefizit mit 32,1 Mrd. $ immer noch 4,5%
des BIP (2014: 5,7%).
Investitionen zum Abbau der Importabhängigkeit notwendig
Um die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren, treibt die türkische Regierung die Stromgewinnung aus
erneuerbaren Energien und aus der lokal reichlich verfügbaren Braunkohle voran. So werden zurzeit viele
Windkraftanlagen gebaut. Die Errichtung von Solarkraftwerken wird gefördert. Geplant ist zudem der Bau von
drei Kernkraftwerken. Darüber hinaus ergreift die Regierung Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, um
den Energieverbrauch in der Industrie und den privaten Haushalten zu senken.
Angesichts der bestehenden Strukturschwächen und der niedrigen Sparquote bleibt die Türkei zur Finanzierung
ihrer Entwicklungsprogramme weiterhin in hohem Maße auf Kapitalimporte angewiesen. Für mehr
Direktinvestitionen bedarf es politischer Stabilität und verlässlicher sowie transparenter Rahmenbedingungen.
Die starken innenpolitischen Spannungen, die fortschreitende gesellschaftliche Polarisierung und die
zunehmenden Sicherheitsprobleme in der jüngsten Vergangenheit gefährden jedoch das Geschäfts- und
Investitionsklima.
Die gesamten ausländischen Direktinvestitionen erhöhten sich nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 2015
gegenüber dem Vorjahr um 32,4% auf 16,6 Mrd. $, darunter ausländische Immobilieninvestitionen von knapp 4,2
Mrd. $. Ohne Berücksichtigung des Immobiliensektors kamen 58% der Zuflüsse aus den EU-Ländern mit den
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Niederlanden an der Spitze, gefolgt vom Vereinigten Königreich und Deutschland. Knapp 35% flossen in die
verarbeitende Industrie und 30% in den Finanzsektor.
Reales Wachstum nach Verwendungskategorien (in %)
2012
2013
2014 *)
2015
Privater Verbrauch
-0,5
5,1
1,4
4,5
Staatsverbrauch
5,7
6,5
4,7
6,7
Investitionen
-2,7
4,4
-1,3
3,6
.Staatssektor
8,9
24,1
-8,2
7,6
..Maschinen und Anlagen
42,4
5,2
1,3
4,8
..Baumaßnahmen
2,8
30,2
-10,7
8,4
.Privatsektor
-4,9
0,6
0,3
2,7
..Maschinen und Anlagen
-7,0
1,1
-3,9
4,8
..Baumaßnahmen
-0,1
-0,7
9,4
-1,2
Export von Waren und Dienstleistungen
16,3
-0,2
7,4
-0,8
Import von Waren und Dienstleistungen
-0,4
9,0
-0,3
0,3
*) revidierte Zahlen
Quelle: TÜIK
Reales Wachstum nach Sektoren (in %)
2012
2013
2014*
2015
BIP
2,1
4,2
3,0
4,0
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
3,1
3,5
-2,1
7,6
Bergbau
0,8
-3,4
5,6
-2,3
Verarbeitende Industrie
1,7
3,7
3,7
3,8
Produktion und Vertrieb von Strom, Gas, Dampf und Klimatisierung
3,4
1,3
4,1
2,4
Bauwirtschaft
0,6
7,4
2,2
1,7
Groß- und Einzelhandel
0,0
5,1
1,9
2,1
Hotels und Restaurants
3,0
9,2
2,8
4,6
Information und Kommunikation
8,5
2,8
3,3
3,3
Finanzdienstleistungen
3,2
9,8
7,3
10,0
Immobilienwirtschaft
1,9
1,7
2,8
2,6
Öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung und Verteidigung
3,5
4,3
2,4
2,2
Bildung und Erziehung
4,3
4,5
6,5
5,4
Soziale Dienste und Gesundheit
5,3
5,3
5,6
3,1
*) revidierte Zahlen
Quelle: TÜIK
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