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„Print ist ein Zukunftsmarkt!“
11.4.16 Die Koenig & Bauer (KBA) AG hat sich in den letzten Jahren neu
erfunden. Nach der erfolgreichen Neuausrichtung blickt der
Vorstandsvorsitzende Claus Bolza-Schünemann mit Zuversicht in die Zukunft.
Die Fokussierung auf wachsende Märkte und lukrative Nischen greift. Die neue
Holding-Struktur mit vier aus der AG ausgegliederten, eigenverantwortlichen
Geschäftseinheiten bewährt sich. KBA schreibt wieder schwarze Zahlen. Für
die drupa kündigt Bolza-Schünemann neue Lösungen rund um den analogen
und den digitalen Verpackungsdruck, den industriellen Druck sowie die digitale
Vernetzung und Prozessautomation in Richtung Print 4.0 an.
Herr Bolza-Schünemann, die drupa steht vor der Tür. Als drupa-Präsident
waren sie bei der World Tour dabei. Wie haben sie die Stimmung erlebt?
Bolza-Schünemann: Überraschend gut. Auch in Ländern, wo ich das nicht erwartet
hatte. Sei es Japan, Kasachstan oder Ägypten, wo uns teils über 100
Fachjournalisten gegenüber saßen. Ich gehe vor dem Hintergrund dieser Erfahrung
davon aus, dass die drupa ähnlich erfolgreich wird wie die letzte im Jahr 2012.
Ohnehin bessert sich die Stimmung in der Branche. Oder täuscht dieser
Eindruck?
Bolza-Schünemann: Ich nehme es genauso wahr. Die Phase der
Restrukturierungen ist den meisten Unternehmen abgeschlossen. Sie haben das
Heft des Handelns nun wieder in der Hand und nehmen die Herausforderungen des
digitalen Wandels an. Wir sehen alle, dass das Produkt Print in unserem Alltag
allgegenwärtig ist und bleiben wird. Denn unser Geschäft geht weit über den Druck
von Medien hinaus. Diese Botschaft ist in den Köpfen angekommen. Print ist ein
Zukunftsmarkt und keineswegs ein totes Geschäft!
Wie weit sind sie mit der Neuausrichtung von KBA?
Bolza-Schünemann: Wir haben die teils schmerzhafte Neustrukturierung erfolgreich
zu Ende gebracht. KBA ist heute ein völlig anderes Unternehmen, als vor zehn
Jahren. Der Umsatzanteil unserer Verpackungslösungen ist auf 70 % gestiegen,
während der Anteil unserer medienabhängigen Erlöse von 65 % auf 10 % gesunken
ist. Um konzentrierter auf die spezifische Märkte und Kunden eingehen zu können,
haben wir die Verantwortung neu auf drei weitgehend eigenständige
Geschäftseinheiten verteilt: „Sheetfed Solutions“, „Digital & Web Solutions“ und
„Special Solutions“. Hinzu kommt Industrial Solutions als interner und externer
Produktionsdienstleister. Sie agieren bilanziell eigenverantwortlich und haben
operativ vom Vertrieb bis zum Service die volle Verantwortung. Schmerzhaft aber
ohne Alternative war die Konsolidierung unserer Produktion. Wir hatten zuletzt an
mehreren Standorten gleiche Teile produziert. Wir haben die Fertigung nun an den
Standorten in Radebeul und Würzburg gebündelt und die anderen Werke
geschlossen oder verkauft. Mit der Transformation ging ein leider eklatanter
Personalabbau um 1.500 Stellen einher. Alle haben in dieser Phase am gleichen
Strang gezogen, Aufsichtsrat, Vorstand, unsere Führungskräfte, die Mitarbeiter und
Betriebsräte und auch die IG Metall. Alle haben die Notwendigkeit der
Neuausrichtung gesehen und die darin liegenden Chancen erkannt. Darauf führe ich
es zurück, dass wir unsere Kundengeschäfte in dieser Zeit störungsfrei fortsetzen
konnten.
KBA hat den Zeitungsdruck seit 200 Jahren wie kein zweites Unternehmen
geprägt. Nun macht er kaum noch 10 % Ihrer Umsätze aus. Läuft die Zeit dieses
Marktes ab?
Bolza-Schünemann: Wir kommen aus der Zeitungswelt. Doch wir können die Augen
vor den Veränderungen nicht verschließen: Das Rollen-Neumaschinengeschäft ist
um 80 % zurückgegangen – von 2,0 Mrd. € im Jahr 2006 auf heute etwa 400 Mio. €,
je zu Hälfte in den Bereichen Zeitung und Akzidenz. Der Markt stagniert auf diesem
Niveau und wird nach unserer Einschätzung auch dort bleiben. Unser
Geschäftsbereich „Digital & Web Solutions“ bedient ihn weiter – allerdings mit
angepasster Kapazität. Wir werden aber auch künftig gerne Zeitungsmaschinen
bauen und liefern. Der Namen Digital & Web verrät, dass wir hier digitale Technik
integrieren und sie mit unserem Rollendruck-Knowhow fusionieren. Handhabung
breiter Papierbahnen ist der Kern des Prozesses – ganz gleich ob sie dann im Offsetoder Flexodruck-Verfahren oder per Inkjet bedruckt werden. Mit unserem Partner HP
haben wir die weltgrößte Inkjet-Anlage mit 2,8 m Bahnbreite für hochwertige Drucke
auf Wellpappen-Verpackungen realisiert, die wir auf der drupa vorstellen werden. Der
Schnittstelle zwischen dem Inkjet-Druckwerk und unserer Technik ist der fliegende
Tintentropfen. Wir haben parallel unsere eigene RotaJET-Familie ausgebaut, die wir
nun von 76 cm bis 2,25 m Breite anbieten. Sie stößt für uns überraschend vor allem
in Nischen auf Nachfrage. Etwa im Dekordruck, um Laminate zu produzieren. Für
häufige Motivwechsel und Individualisierung ist sie einfach besser geeignet, als
Tiefdruckmaschinen. Es ist interessant, wie sich der Markt entwickelt. So bieten
Anbieter von selbstklebenden Dekofolien jährlich hunderte neue Motive an, die sie
zunächst in kleiner Auflage drucken. Was beim Kunden ankommt, drucken sie dann
in höheren Volumen nach.
Wo sehen Sie Entwicklungsaufgaben im Inkjet-Bereich?
Bolza-Schünemann: Unter anderem bei den Tinten. UV-trocknende Tinten haben
wir noch nicht im Portfolio, auch weil die im Lebensmittelbereich schwierig sind. Doch
mit den wasserlöslichen Farben gibt es auf vielen Folien und glänzenden
Oberflächen noch Probleme. Da sind die Chemiker gefragt. Wir brauchen
lösungsmittelfreie Tinten, die gut haften. Die Suche danach kann sich durchaus
lohnen: Denn der Tintenkonsum wächst derzeit um 15 % jährlich. Ohnehin macht
Inkjet im Digitaldruck das Rennen. Das ist ein phantastisches Verfahren, das
Technikerherzen höher schlagen lässt. Unsere RotaJET verfeuert 5,4 Mrd.
Farbtropfen pro Sekunde, und die Größe jedes einzelnen Tropfen wird dabei exakt
moduliert. Auch die neueste RotaJet zeigen wir auf der drupa.
Welche Schwerpunkte wird KBA auf der drupa setzen? Und gibt es überhaupt
einen gemeinsamen Stand der eigenverantwortlichen Geschäftseinheiten?
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Bolza-Schünemann: Natürlich gibt es einen KBA-Gemeinschaftsstand. Wieder um
3.000 m² groß. Wie immer in Halle 16. Unser Motto lautet „Add more KBA to your
day“. Denn da wir in vielen Printbereichen von der Banknote bis zur Zeitung tätig sind
und nun auch im Verpackungsbereich sehr breit aufgestellt sind, begegnen Ihnen
ständig Produkte, die mit KBA-Technik bedruckt sind. Von der Zahnpasta-Tube bei
der Morgentoilette bis zum edlen Weinetikett am Abend. Wir werden in Düsseldorf
ein einzigartig breites Portfolio zeigen, mit Bogen- und Rollenanlagen, mal digital,
mal Offset-, mal Flexodruck. Wir präsentieren Lösungen für den Verpackungsmarkt,
den industriellen Druck und Lösungen der „Special Solutions“ wie den Direktdruck
auf Glas, Metall und flexible Verpackungen sowie auch den Wertpapier- und
Währungsdruck. Bei Alledem spielt KBA 4.0, also die digitale Vernetzung und
Automation im Drucksaal und darüber hinaus eine zentrale Rolle.
Welche Bedeutung hat Print 4.0 für Ihre neue Strategie?
Bolza-Schünemann: Die Druckindustrie ist seit Jahren ein Vorreiter der Industrie
4.0. Die Produktion ist weitestgehend vernetzt, Workflows sind digital – auch im
analogen Druck. Das Beispiel des Fotobuchs, dessen Inhalte der Kunde digital hoch
lädt, ehe es in einer voll automatisierten Prozesskette gedruckt, gebunden und
verschickt wird, zeigt, wie weit wir sind. Auch der Zeitungs- und Akzidenzdruck ist
stark vernetzt und automatisiert. Und Fernwartung, Fehleranalysen, Upgrades,
automatisierte, parallele Plattenwechsel, Inline-Prozesskontrollen sind bei uns Stand
der Technik. Unsere Kunden können anonymisierte Benchmark-Vergleiche mit
anderen Betreibern von KBA-Maschinen vornehmen und uns zu Rate ziehen, wenn
sie ihre Performance verbessern wollen. Mit Maschinenoptimierung, Schulungen,
Consulting und proaktivem Service helfen wir Druckereien, im schwierigen
Marktumfeld zu bestehen. Für die Zukunft von KBA ist das von höchster Bedeutung.
Als mittelfristiges EBIT-Ziel geben Sie 4 bis 6 % aus. Auf welchen Lösungen
und Märkte gründet dieses Ziel?
Bolza-Schünemann: Es gibt in allen drei Segmenten margenträchtige Bereiche,
unser Auftragsbestand ist gut, wir fokussieren wachsende Märkte wie Verpackungen
und sehr interessante Nischen wie den Metalldruck, den Direktdruck auf Glas oder
Wertpapiere und Banknoten. Unser Servicegeschäft, das schon fast ein Viertel
unseres Umsatzes ausmacht, trägt ebenfalls dazu bei, dass wir wieder profitabel
arbeiten. Auch die Konsolidierung zahlt sich aus. Wir werden unseren Umsatz halten
– bei stark reduzierten Kosten.
Wird KBA perspektivisch auch wieder in personelles Wachstum zurückkehren?
Bolza-Schünemann: Davon gehe ich fest aus. Wir bilden Nachwuchskräfte aus und
wo nötig bauen wir – sehr vorsichtig – wieder Personal auf. So haben wir uns auf die
gute Auslastung unserer Montage eingestellt. Der Auftragseingang war zuletzt sehr
erfreulich.
Sie kündigen den Ausbau ihres Vertriebsnetzes in Asien, Afrika und
Lateinamerika an. Gibt es Anzeichen, dass die Geschäfte dort ins Rollen
kommen?
Bolza-Schünemann: In Mittelamerika trägt die Verstärkung bereits Früchte. Mexiko
und die umliegenden Länder sind im Verpackungsdruck stark, weil dort viele
Lebensmittel produziert werden. Brasilien ist schwierig, aber wir bleiben wie auch in
anderen derzeit schwierigen Märkten präsent, um den Marktzugang nicht zu
verlieren. In Afrika haben wir einen guten Bestand, obwohl die Geschäfte in
Südafrika vor allem wegen der Abwertung des Rand schwierig sind. Geduld ist
gefragt. Weiterhin guter Service. Das Interesse ist da, das haben auch unsere
Veranstaltungen auf der drupa World Tour gezeigt. In Asien sind wir sehr gut
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aufgestellt. Allein in China haben wir eine Vertriebsorganisation mit rund 230
Mitarbeitern. Etwa ein Viertel unserer Produktion exportieren wir nach China.
China kühlt ab. Wie sehen Sie die Lage dort?
Bolza-Schünemann: Uns kommt zugute, dass die Löhne und Gehälter dort stark
steigen. Die Druckereien schauen neuerdings auf die Personalkosten und werden
offen für unsere Automatisierungslösungen. Das ist eine ganz neue Entwicklung, die
uns natürlich in die Karten spielt. Die chinesischen Wettbewerber tun sich mit den
neuen Anforderungen eher schwer. Optimistisch stimmt mich auch, dass die
steigenden Löhne den Konsum in China ankurbeln. Damit wird der Bedarf an
Verpackungen und an industriellen Druckprodukten steigen. Die
Zukunftsperspektiven sind trotz der aktuellen Abkühlung gut. Wir haben in den
letzten 200 Jahren Marktschwankungen en masse erlebt. Es geht darum, schnell und
flexibel darauf zu reagieren – und da zu sein, wenn der Markt wieder anspringt.
Finanzbranche und Politik denken ernsthaft über die Abschaffung oder eine
starke Einschränkung des Bargeldverkehrs nach. Belastet sie diese
Diskussion?
Bolza-Schünemann: Das sehe ich entspannt. Über 80 % der Weltbevölkerung
besitzt kein Bankkonto. Wenn einzelne Länder diesen Schritt gehen wollen, wird das
unsere Geschäft nicht spürbar belasten. Und auch die diskutierte Abschaffung des
500-€-Scheins macht mir keine Sorgen, denn wenn er wegfällt, müssen umso mehr
kleinere Scheine gedruckt werde. Allerdings ist es absurd, dass Bargeld mit Lug und
Trug in Verbindung gebracht wird, wo doch elektronische Zahlsysteme extrem
anfällig sind und Betrüger Geldströme aus dunklen Kanälen mit zahlreichen
internationalen Online-Transaktionen verschleiern. Die Politik sollte sich eher
Gedanken darüber machen, wie sie profitable Internetkonzerne zur Abführung von
Steuern verpflichten kann.
Eine letzte Frage: Der Branchenfokus von KBA hat sich im letzten Jahrzehnt
stärker verändert, als in den 200 Jahren davor. Wie wird Ihr Unternehmen im
Jahr 2030 aussehen?
Bolza-Schünemann: Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin dicht an den Märkten
sind, die Fühler nach Trends ausstrecken und Lösungen dafür entwickeln. Genauso
sind wir zum Glas- und zum Metalldruck gekommen, der sich vom Sorgenkind zu
einer kerngesunden Tochter entwickelt hat. Der Bedarf an Verpackungen wird stark
steigen, um Lebensmittel haltbarer zu machen und so die Versorgung der
wachsenden Weltbevölkerung zu sichern. Wo immer sich Wohlstand einstellt, folgen
Regularien für Lebensmittelhygiene und für die Verpackungen auf dem Fuße. Täglich
verderben einige Mio. t Lebensmittel, bevor sie beim Verbraucher ankommen. KBA
wird einen Beitrag dazu leisten, dass dieser Missstand behoben wird.
http://dup.vdma.org
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