Handelsblatt - Die Onleihe

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MITTWOCH, 06. APRIL 2016
DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFTS- UND FINANZZEITUNG
2
THEMEN DES TAGES
Der EU droht Chaos bei
der Mehrwertsteuer
Legal, illegal . . .
Im aktuellen EU-Mehrwertsteuersystem gibt es immerhin ein paar
Grundregeln wie etwa den Mindestsatz von 15 Prozent – Ausnahmen bedürfen der Genehmigung.
Doch jetzt schlägt Brüssel vor, die
Festlegung der Sätze wieder den
nationalen Regierungen zu überlassen. Das Bundesfinanzministerium ist entsetzt. Seite 8
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Holger Alich, Dietmar Neuerer,
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M
it der schärfsten
Forderung preschte
SPD-Chef Sigmar
Gabriel vor: Der
Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler sprach
sich gleich für ein weltweites Verbot
von Briefkastenfirmen aus.
Kurz zuvor hatte das Recherchenetzwerk ICIJ in den sogenannten
Panama Papers enthüllt, in welch
gigantischem Umfang eine Kanzlei
in Panama Diktatoren, Waffenschieber, Drogenhändler, aber auch Politiker und Unternehmer mit dubiosen Firmenkonstrukten versorgt
hatte. Insgesamt 214 000 Briefkastenfirmen wurden aufgelistet.
Islands Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson zog als
erster Politiker Konsequenzen und
trat nach Massendemonstrationen
zurück. US-Präsident Barack Oba-
ma äußerte sich am Dienstag erstmals zu den Veröffentlichungen
und nannte Steuerflucht ein „gewaltiges globales Problem“.
Weltweit sind Ermittlungen angelaufen. Bankenaufseher schwärmen aus. Die deutsche Bafin hat bei
einigen Instituten bereits Informationen über deren Offshoregeschäfte eingefordert.
Briefkastenfirmen sind zum Synonym für Steuerhinterziehung und
Geldwäsche geworden. Doch dient
wirklich jede illegalen Zwecken? Die
Kritiker hätten von globalen Finanzgeschäften keine Ahnung, schimpfte
214 000
Briefkastenfirmen
wurden in den Panama
Papers erfasst.
Quelle: Panama Papers
„Es ist nicht an der Zeit,
Grenzzäune abzureißen“
Henning Schacht
Belgien 3,50 € Frankreich 3,90 € Großbritannien 3,40 GBP
Luxemburg 3,50 € Niederlande 3,50 € Österreich 3,50 €
Polen 21,50 PLN Schweiz 5,50 CHF Tschechien 130,00 CZK
Ungarn 1200,00 FT
Die Panama Papers enthüllen
einmal mehr die Tricks globaler
Finanzprofis. Doch welche
Briefkastenfirmen sind wirklich
böse? Über die Grenzen zur
Kriminalität streiten
Ökonomen, aber auch
SPD und Union.
die attackierte Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama. Man rechne nicht
damit, dass die Veröffentlichungen
auch nur ein rechtliches Verfahren
auslösen würde. Die „Süddeutsche
Zeitung“ berichtet derweil, dass die
Kölner Staatsanwaltschaft bereits
seit über einem Jahr gegen Jürgen
Mossack und Ramon Fonseca, die
beiden Betreiber der Kanzlei, ermittele. Allerdings soll es sich um einen
deutlich kleineren Fall handeln.
Ökonomen und Juristen reagieren zumindest zögerlich auf die
Panama Papers. Der neue Ifo-Chef
Clemens Fuest warnt: „Offshorefirmen generell zu verbieten halte ich
für kontraproduktiv. Es gibt gute
wirtschaftliche Gründe, solche Firmen zu nutzen, zum Beispiel die
Vermeidung von Doppelbesteuerung“, so Fuest zum Handelsblatt.
Selbst staatliche Förderbanken
nutzten Offshorefirmen im Rahmen
ihrer Investitionsprojekte. „Die wollen keine Steuern hinterziehen.“
Auch Investoren aus rechtlich si-
Finanzminister Schäuble:
Hoffen auf stärkeren
Informationsaustausch.
cheren Ländern wie denen Europas
können durchaus legale Motive für
die Einrichtung von Briefkastenfirmen haben: „Etwa, wenn es um einen ersten kostengünstigen Marktzugang in einem Schwellenland geht“,
sagt Björn Demuth von der Kanzlei
CMS Hasche Sigle.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mag deshalb Gabriels Verbotsforderung bislang nicht folgen.
„Wir wollen ja, dass in schwächeren
Ländern investiert werden kann.
Aber wir sehen auch immer wieder,
dass solche Konstellationen für andere Zwecke genutzt werden.“
Schäuble setzt auf mehr Transparenz: Ab nächstem Jahr soll der automatische Informationsaustausch
beginnen.
Ungarns umstrittener Premier
Viktor Orbán trifft am 19. April
Altkanzler Helmut Kohl. Das bestätigte die ungarische Botschaft am
Dienstag. Im Handelsblatt-Interview erläutert Außenminister Péter
Szijjártó die Haltung in der Flüchtlingskrise und verteidigt die Asylpolitik seines Landes. Seite 9
Warten auf
den großen Wurf
Eigentlich hatten Union und SPD
schon für diese Legislatur eine Reform der betrieblichen Altersvorsorge vereinbart, um die Gefahr
der Altersarmut zu verringern.
Doch der Prozess ist ins Stocken
geraten, die Regierung verschanzt
sich hinter Gutachten. Seite 10
Strafanzeigen im
Europäischen Patentamt
Eine der wichtigsten Anlaufstellen
für den Schutz von Erfindungen
wird seit Monaten von einem Streit
des Präsidenten mit Teilen der Belegschaft erschüttert. Der jüngst
propagierte Frieden scheint mehr
als brüchig. Denn bei der Staatsanwaltschaft München liegen zahlreiche Strafanzeigen vor, erfuhr das
Handelsblatt. Seite 17
Panama Papers Seiten 4 bis 7
Die Blackbox
der Versicherer
Renitente Verschwiegenheit
Deutsche Firmen zahlten über 81 Millionen Euro wegen verletzter Publizitätspflichten.
A. Müller, B. Fröndhoff, C. Schlautmann
D
ie Zahl der Unternehmen, die ihre Bilanzen bewusst nicht im „Bundesanzeiger“
veröffentlichen, bleibt im achten Jahr seit
Einführung der Verpflichtung unverändert
hoch: Rund 1,1 Millionen Unternehmen sind in
Deutschland verpflichtet, nach Paragraf 335
Handelsgesetzbuch (HGB) ihre Zahlen zu publizieren. Doch 190 000 von ihnen musste das zuständige Bundesamt für Justiz im vergangenen
Jahr ein Ordnungsgeldverfahren androhen, wie
das Handelsblatt exklusiv erfuhr. Selten war die
renitente Verschwiegenheit deutscher Mittelständler derart groß.
Rund zwei Drittel der Unternehmen haben
im vergangenen Jahr die sechswöchige sanktionslose Frist genutzt, ihre Daten am Ende aber
doch publiziert. Was bleibt, ist eine Gruppe von
Totalverweigerern, gegen die das Amt 2015 in
55 000 Fällen Ordnungsgelder festgesetzt hat.
Zu ihnen zählen auch prominente Firmen wie
der Portal-Riese Unister und die Unternehmensberatung Roland Berger. Während Unister die
Veröffentlichungen auf Anfrage immer wieder
ankündigt, will Roland Berger offiziell nicht Stel-
lung nehmen. In Unternehmenskreisen heißt
es, man komme der Publizitätspflicht derzeit
nicht nach, weil man sonst Nachteile gegenüber
den US-amerikanischen Wettbewerbern befürchtet – die schon seit Jahren keine Umsatzzahlen mehr für Deutschland ausweisen.
Auch der Warenhauskonzern Karstadt hat in
der Vergangenheit seine Bilanzen nicht rechtzeitig offengelegt – und wurde bereits zur Kasse gebeten. Ihre Intransparenz ist vielen deutschen
Firmen lieb – und teuer: 81,1 Millionen Euro Ordnungsgeld zahlten sie allein 2015, seit 2008 war
es über eine halbe Milliarde.
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Mit einer obskuren Datenbank, in
der Informationen über rund 1,5
Millionen Menschen schlummern,
wollen sich Assekuranzen vor Betrügern schützen. Doch dabei halten sie sich nicht immer an den
Datenschutz, wie ein aktueller Fall
zeigt. Seite 28
Allianz-Tochter wehrt
sich gegen Bill Gross
Nachdem Ex-Pimco-Chef Bill Gross
die Allianz-Tochter nach seinem
Abgang auf 200 Millionen Dollar
verklagt hat, holt der Anleihehändler nun zum Gegenschlag aus. Dokumente sollen belegen, dass Gross
aus freien Stücken ging. Seite 30