PREIS DEUTSCHLAND 4,70 € 101158_ANZ_10115800005367 [P].indd 1 DIEZEIT 15.01.16 09:12 WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT WISSEN UND KULTUR DIE ZEIT im Taschenformat. Jetzt für Ihr Smartphone! www.zeit.de/apps 7. APRIL 2016 No 16 15.01.16 09:11 101159_ANZ_10115900005368 [P].indd 1 Wie Paare unsere Welt verschönern Design und Liebe – ein ZEITmagazin mit 100 Seiten Flüchtlinge auf neuen Routen Die Retter vom Mittelmeer Ein deutscher Kapitän gibt seinen Job auf, um mit Profis Menschen zu bergen. Auf hoher See begegnen sie jeder Menge Widersprüche und Lügen IS Lebende Bomben oder nur Kämpfer? Was 3000 geheime Akten über die Krieger des Kalifats verraten Politik, Seite 5 DOSSIER UND POLITIK ZEIT GOLFEN Titelfotos: Lukas Wahl für DIE ZEIT (Porträts v.l.: Clément Turrel, Seemann; Céline Terzian, Krankenschwester; Klaus Vogel, Leiter des Rettungsteams und Gründer von SOS Mediterranee; Anne Kamel, Ärztin) VATIKAN PANAMA PAPERS Gier ohne Grenzen Menschenfreund Steueroasen und Briefkastenfirmen: Wie die Reichen die Solidarität mit 99 Prozent der Menschheit aufkündigen VON HEINRICH WEFING E Fassungslos fragt man sich: Warum braucht s ist nur ein einziges Datenleck. Nur eine einzelne Kanzlei, Mossack ein saudischer Prinz eine Steueroase, wo er doch Fonseca. Nur ein Land, das jetzt einen ganzen Wüstenstaat besitzt? Wieso muss in den Fokus geraten ist durch die ein Fußballstar wie Messi sein Geld verstecken? Noch ist nicht abzusehen, welche politi Panama Papers – und schon zeigt sich ein weltumspannendes Schat‑ schen und gesellschaftlichen Konsequenzen die tenreich aus Verschlagenheit, Zynismus und Gier. Panama Papers haben werden. Manche rechnen Die Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung zu‑ bereits mit einem Ende des globalisierten Turbo‑ sammen mit einem internationalen Medienkon‑ kapitalismus. Andere hoffen – nun endlich – auf sortium offenbaren einen Abgrund: 11,5 Millio‑ ein Durchgreifen der Staaten. Nicht auszuschlie‑ nen Dokumente über Briefkastenfirmen, Steuer‑ ßen ist freilich auch, dass das System am Ende so unberührt bleibt wie die NSA von den Snow‑ oasen, Geldwäsche und Korruption. Aber es gibt viele solche Kanzleien. Viele den-Enthüllungen: viel Empörung, große Re‑ Staaten mit Gesetzen, die nur der Förderung formversprechen, null Resultate. Aber bei der mieser Geschäfte dienen. Was wäre, wenn es NSA gab es, bei aller Übertreibung, noch einen überall Datenlecks gäbe? Wenn alles ans Licht echten politischen Zielkonflikt zwischen Freiheit und Sicherheit. Hier gibt es käme? lediglich Gier ohne Grenzen. Tag für Tag, zwei Wochen Sicher ist nur eines: Im Wes‑ lang werden wir jetzt mit Ent‑ ten werden die Panama Papers hüllungen aus den Panama Pa‑ wie ein Brandbeschleuniger wir‑ pers konfrontiert werden. Es Wie es in Russland ken in der massiven Vertrauens‑ gibt Sondersendungen, Talk‑ und mit den Steueroasen krise, die sich gegen weite Teile shows, selbst das Buch zum weitergeht: Politik, S. 9, der Eliten richtet. Politiker, Un‑ Scoop ist schon erschienen. und Wirtschaft, S. 23/24 ternehmer, Banker, Journalisten Noch ist es zu früh, den ganzen stehen in Misskredit wie noch journalistischen Ertrag dieses nie seit dem Zweiten Weltkrieg Unterfangens abzuschätzen. Dafür liegen zu viele Informationen vor, 2,6 – in Europa wie in den USA. Das Anti-Elitäre ist Terabyte geheime Dokumente, die ein Jahr lang die Stimmung der Stunde. Die Menschen spüren, und sei es instinktiv, ausgewertet wurden, unter teils hohem Risiko für die beteiligten Journalisten. Das kann kein dass etwas grundsätzlich schiefläuft. Dass vom Blogger am Küchentisch, kein Autorenkollektiv globalisierten Kapitalismus nur sehr wenige (In‑ mit Crowdsourcing. Nur professionell a rbeitende dividuen und Großkonzerne) unfasslich stark Qualitätsmedien haben die Ressourcen, um ein profitieren. Dass die Politik eher die Banken solches Projekt zu stemmen. Hier zeigen sie ein‑ raushaut, als sie wirksam zu regulieren. Dass für mal, wofür sie vor allem da sind: die Wahrheit die Reichen offenbar doch andere Regeln gelten ans Licht zu bringen. Und es ist schon jetzt mehr als für alle anderen. Dieses Wissen erzeugt Wut, als genug Wahrheit, um sie all jenen, die von und von dieser Wut profitieren linke und rechte Populisten, die AfD in Deutschland, der Front »Lügenpresse« reden, um die Ohren zu hauen. Sicher, nicht jede Briefkastenfirma ist illegal, National in Frankreich, Donald Trump und nicht in jeder steckt Schwarzgeld. Aber jeder Bernie Sanders im US-Vorwahlkampf. »Die da Steuerbetrüger, jeder Schwarzgeldwäscher liebt oben« sind weltweit in Verschiss – und die Briefkastenfirmen. Und die Kanzlei Mossack Panama Papers liefern 11,5 Millionen zusätzli‑ Fonseca hat offenbar mit fast allen großen deut‑ che Erklärungen, warum das so ist. Was wir nun brauchen, sind bessere interna‑ schen und internationalen Banken zusammen‑ gearbeitet, um ihren Klienten dabei zu helfen, tionale Regeln. Und einen Kulturwandel der Geld in Offshore-Oasen zu verstecken: chine Eliten. In Island hat er schon begonnen. Dort sischen Parteiführern, westlichen Wirtschafts trat der Ministerpräsident aufgrund der Enthül‑ bossen, Drogenbaronen, Putin-Vertrauten. Es ist lungen am Dienstag zurück. So schnell war Jour‑ eine Internationale der Illoyalität, die ihre Soli‑ nalismus noch selten wirkmächtig. darität mit den restlichen 99 Prozent der Menschheit aufgekündigt hat. www.zeit.de/audio Zum Thema Hauptsache, spielen! Boris Becker im neuen Golf-Magazin Papst Franziskus geht wieder auf Konfrontationskurs mit den Konservativen: Die Liebe zählt, nicht die Lehre VON EVELYN FINGER W die Antikapitalismus-Polemik Evangelii Gaudium. Jetzt spitzt er seine Barmherzigkeitstheologie aufs Wesentliche zu, die Liebe. Sie ist, daran erinnert der Papst die Kirche, nicht in erster Linie ein Pro‑ blem, sondern eine Freude. Sie ist der Kern des Evangeliums. Und übrigens: Jeder interessiert sich dafür. Für die reale und die ideale Liebe. Für ihr Gelingen und für ihr Scheitern. Wenn die Kirche dazu nicht mehr beizutragen hat als die Verteidi‑ gung von Dogmen, wird sie irrelevant. Amoris Laetitia ist der Höhepunkt eines zwei Jahre währenden innerkatholischen Streites über die »Familienfragen«. Nach einer weltweiten Umfrage unter Katholiken und zwei Bischofs synoden muss der Papst zeigen: Welche Kompe‑ tenz hat Rom noch für das Leben in den freien Gesellschaften? Denn es ist doch so: In der Liebe fragen die Christen erst mal nicht nach der Kir‑ che. Sie lieben, wen sie wollen und wie es ihnen passt. Aber wenn es ernst wird in Beziehungsfra‑ gen, also bei den Kasualien Hochzeit, Taufe, Tod, sind die Kirchen weiterhin gefragt. Was Franziskus im Detail schreibt, war bei Redaktionsschluss der ZEIT noch nicht bekannt. Sein härtester interner Widersacher, der ameri‑ kanische Kardinal Raymond Burke, hat die Lehre auf die übliche Art der Reaktionäre ver‑ teidigt, indem er die moderne Kultur als »zutiefst verwirrt und im Irrtum« beschimpfte. Vor einer prominenten Versammlung von Klerikern sprach er eine Stunde lang über die »fundamen‑ Der Papst wird erst recht zu jenen tale Wahrheit der Ehe«, ohne das Wort Liebe stehen, die an der Ehe scheitern auch nur einmal zu verwenden. Der Papst sei‑ Leider halten sich die meisten Kirchenmitglieder nerseits wird die Ehe zwar hochhalten, aber erst längst nicht mehr an diese Verbote, ja empfinden recht zu jenen stehen, die an ihr scheitern. Er sie als Zumutung. Neu ist nun, dass der Papst, findet, das Christentum sei nicht für die Sieger, statt darüber zu lamentieren, immer wieder for‑ sondern für die »Sünder« da. Kürzlich hat er be‑ dert: Darauf müssen wir reagieren, aber nicht kannt, sein Lieblingsvers in der Bibel laute: »Wer dogmatisch, sondern lebensklug. Die Kirche ist von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!« Wenn seine Kirche Glück hat, macht Franzis‑ nicht für die Lehre, sondern für die Leute da. Sie soll nicht strafen, sondern helfen. Das heißt auch kus sie mit seinem Papier ein Stück glaubwürdi‑ bei Scheidung, Verhütung und sogar Abtrei‑ ger. In die hitzigen Kirchenkämpfe hinein, wie sie derzeit etwa in Polen zwischen Abtreibungs‑ bung: Wer bin ich, andere zu verurteilen? Diesen Satz verwendet Franziskus mit Vor gegnern und -befürwortern toben, könnte er mit liebe, und diese Haltung empfiehlt er seinen unerbittlicher Freundlichkeit sagen: Liebe Pries‑ Bischöfen und Priestern. Für alle, die das noch ter, die Lehre ist nicht unser Kerngeschäft. Des‑ immer verwirrend finden, erscheint am Freitag halb geht es mir nicht darum, die Lehre zu än‑ eine Apostolische Exhortation mit dem Titel dern. Wir wollen nicht überwachen und strafen. Amoris Laetitia – »Die Freude der Liebe«. Es ist Wir brauchen keine neuen Vorschriften, sondern das dritte wegweisende Papst-Papier des Jorge »Freude der Liebe«. Den Rest entscheidet selbst. Mario Bergoglio und dürfte genauso viel Rumor machen wie die grüne Enzyklika Laudato si’ und www.zeit.de/audio as weiß ein Papst schon von der Liebe? Nicht nur von der idealen Liebe zu Gott und der gebotenen zum Nächs‑ ten, sondern auch von der realen in der Familie und der romantischen zwischen Verliebten? Der amtieren‑ de Papst weiß immerhin dies: dass sich die Liebe nicht nach dem kirchlichen Lehramt richtet und dass es der Kirche schadet, so zu tun, als läge das nur an der Verstocktheit der Menschen. Deshalb hat er am Anfang seines Pontifikats eine Katholi‑ kin in Argentinien angerufen, die von ihrem Ge‑ meindepriester nicht zum Abendmahl zugelassen wurde, weil sie einen geschiedenen Mann gehei‑ ratet hatte. Franziskus gab ihr den praktischen Rat, diesen Priester zu ignorieren und sich eine andere, menschenfreundlichere Gemeinde zu suchen. Das war ziemlich unorthodox für ein Kir‑ chenoberhaupt, das nach katholischem Ver‑ ständnis selbst das Lehramt verkörpert. Man könnte auch sagen, und das tun die konservati‑ ven Kritiker dieses Papstes permanent: Da hat er wieder Verwirrung gestiftet! Hat er? Tatsächlich gilt für Katholiken die kirchenoffizielle Regel, wonach Geschiedene von der Kommunion aus‑ geschlossen sind. Ebenso gelten Pillenverbot, Abtreibungsverbot, und schwuler Sex ist schwere Sünde (um nur die Reizthemen aufzuzählen). PROMINENT IGNORIERT Gnade vor Recht Die 46-jährige Thüringerin, die wegen ihrer Weigerung, Rund‑ funkgebühren zu zahlen, zu einer Beugehaft verurteilt worden war und in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz einsaß, ist jetzt auf Be‑ treiben des MDR, der offenbar um seinen Ruf fürchtete, freigelassen worden. Der Fall könnte zum Vor‑ bild werden. Die öffentlich-recht‑ lichen Anstalten haben derzeit rund zwei Millionen Zwangsvoll‑ streckungen beantragt. GRN. Kleine Bilder (v. o.): 1972 Tison/Taylor, Copyright renewal © 2003 Annette Tison, all rights re ceived. Oliver Mark für Die ZEIT; Arno Burgi/dpa Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. 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