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DIEZEIT
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7. APRIL 2016 No 16
15.01.16 09:11
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Wie Paare unsere
Welt verschönern
Design und Liebe –
ein ZEITmagazin
mit 100 Seiten
Flüchtlinge auf neuen Routen
Die Retter vom Mittelmeer
Ein deutscher Kapitän gibt seinen Job auf, um mit Profis Menschen
zu bergen. Auf hoher See begegnen sie jeder Menge Widersprüche und Lügen
IS
Lebende Bomben
oder nur Kämpfer?
Was 3000 geheime
Akten über die
Krieger des Kalifats
verraten Politik, Seite 5
DOSSIER UND POLITIK
ZEIT GOLFEN
Titelfotos: Lukas Wahl für DIE ZEIT (Porträts v.l.: Clément Turrel, Seemann; Céline Terzian, Krankenschwester; Klaus Vogel, Leiter des Rettungsteams und Gründer von SOS Mediterranee; Anne Kamel, Ärztin)
VATIKAN
PANAMA PAPERS
Gier ohne Grenzen Menschenfreund
Steueroasen und Briefkastenfirmen: Wie die Reichen die Solidarität
mit 99 Prozent der Menschheit aufkündigen VON HEINRICH WEFING
E
Fassungslos fragt man sich: Warum braucht
s ist nur ein einziges Datenleck.
Nur eine einzelne Kanzlei, Mossack ein saudischer Prinz eine Steueroase, wo er doch
Fonseca. Nur ein Land, das jetzt einen ganzen Wüstenstaat besitzt? Wieso muss
in den Fokus geraten ist durch die ein Fußballstar wie Messi sein Geld verstecken?
Noch ist nicht abzusehen, welche politi­
Panama Papers – und schon zeigt
sich ein weltumspannendes Schat‑ schen und gesellschaftlichen Konsequenzen die
tenreich aus Verschlagenheit, Zynismus und Gier. Panama Papers haben werden. Manche rechnen
Die Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung zu‑ bereits mit einem Ende des globalisierten Turbo‑
sammen mit einem internationalen Medienkon‑ kapitalismus. Andere hoffen – nun endlich – auf
sortium offenbaren einen Abgrund: 11,5 Millio‑ ein Durchgreifen der Staaten. Nicht auszuschlie‑
nen Dokumente über Briefkastenfirmen, Steuer‑ ßen ist freilich auch, dass das System am Ende so
unberührt bleibt wie die NSA von den Snow‑
oasen, Geldwäsche und Korruption.
Aber es gibt viele solche Kanzleien. Viele den-Enthüllungen: viel Empörung, große Re‑
Staaten mit Gesetzen, die nur der Förderung formversprechen, null Resultate. Aber bei der
mieser Geschäfte dienen. Was wäre, wenn es NSA gab es, bei aller Übertreibung, noch einen
überall Datenlecks gäbe? Wenn alles ans Licht echten politischen Zielkonflikt zwischen Freiheit
und Sicherheit. Hier gibt es­
käme?
lediglich Gier ohne Grenzen.
Tag für Tag, zwei Wochen
Sicher ist nur eines: Im Wes‑
lang werden wir jetzt mit Ent‑
ten werden die Panama Papers
hüllungen aus den Panama Pa‑
wie ein Brandbeschleuniger wir‑
pers konfrontiert werden. Es
Wie es in Russland
ken in der massiven Vertrauens‑
gibt Sondersendungen, Talk‑
und mit den Steueroasen
krise, die sich gegen weite Teile
shows, selbst das Buch zum
weitergeht: Politik, S. 9,
der Eliten richtet. Politiker, Un‑
Scoop ist schon erschienen.
und Wirtschaft, S. 23/24
ternehmer, Banker, Journalisten
Noch ist es zu früh, den ganzen
stehen in Misskredit wie noch
journalistischen Ertrag dieses
nie seit dem Zweiten Weltkrieg
Unterfangens abzuschätzen.
Dafür liegen zu viele Informationen vor, 2,6­ – in Europa wie in den USA. Das Anti-Elitäre ist
Terabyte geheime Dokumente, die ein Jahr lang die Stimmung der Stunde.
Die Menschen spüren, und sei es instinktiv,
ausgewertet wurden, unter teils hohem Risiko
für die beteiligten Journalisten. Das kann kein dass etwas grundsätzlich schiefläuft. Dass vom
Blogger am Küchentisch, kein Autorenkollektiv globalisierten Kapitalismus nur sehr wenige (In‑
mit Crowdsourcing. Nur professionell a­ rbeitende dividuen und Großkonzerne) unfasslich stark
Qualitätsmedien haben die Ressourcen, um ein profitieren. Dass die Politik eher die Banken
solches Projekt zu stemmen. Hier zeigen sie ein‑ raushaut, als sie wirksam zu regulieren. Dass für
mal, wofür sie vor allem da sind: die Wahrheit die Reichen offenbar doch andere Regeln gelten
ans Licht zu bringen. Und es ist schon jetzt mehr als für alle anderen. Dieses Wissen erzeugt Wut,
als genug Wahrheit, um sie all jenen, die von und von dieser Wut profitieren linke und rechte
Populisten, die AfD in Deutschland, der Front
»Lügenpresse« reden, um die Ohren zu hauen.
Sicher, nicht jede Briefkastenfirma ist illegal, National in Frankreich, Donald Trump und­
nicht in jeder steckt Schwarzgeld. Aber jeder Bernie Sanders im US-Vorwahlkampf. »Die da
Steuerbetrüger, jeder Schwarzgeldwäscher liebt oben« sind weltweit in Verschiss – und die
Briefkastenfirmen. Und die Kanzlei Mossack Panama Papers liefern 11,5 Millionen zusätzli‑
Fonseca hat offenbar mit fast allen großen deut‑ che Erklärungen, warum das so ist.
Was wir nun brauchen, sind bessere interna‑
schen und internationalen Banken zusammen‑
gearbeitet, um ihren Klienten dabei zu helfen, tionale Regeln. Und einen Kulturwandel der
Geld in Offshore-Oasen zu verstecken: chine­ Eliten. In Island hat er schon begonnen. Dort
sischen Parteiführern, westlichen Wirtschafts­ trat der Ministerpräsident aufgrund der Enthül‑
bossen, Drogenbaronen, Putin-Vertrauten. Es ist lungen am Dienstag zurück. So schnell war Jour‑
eine Internationale der Illoyalität, die ihre Soli‑ nalismus noch selten wirkmächtig.
darität mit den restlichen 99 Prozent der
Menschheit aufgekündigt hat.
www.zeit.de/audio
Zum Thema
Hauptsache, spielen!
Boris Becker im
neuen Golf-Magazin
Papst Franziskus geht wieder auf Konfrontationskurs mit den
Konservativen: Die Liebe zählt, nicht die Lehre VON EVELYN FINGER
W
die Antikapitalismus-Polemik Evangelii Gaudium.
Jetzt spitzt er seine Barmherzigkeitstheologie aufs
Wesentliche zu, die Liebe. Sie ist, daran erinnert
der Papst die Kirche, nicht in erster Linie ein Pro‑
blem, sondern eine Freude. Sie ist der Kern des
Evangeliums. Und übrigens: Jeder interessiert sich
dafür. Für die reale und die ideale Liebe. Für ihr
Gelingen und für ihr Scheitern. Wenn die Kirche
dazu nicht mehr beizutragen hat als die Verteidi‑
gung von Dogmen, wird sie irrelevant.
Amoris Laetitia ist der Höhepunkt eines zwei
Jahre währenden innerkatholischen Streites über
die »Familienfragen«. Nach einer weltweiten
Umfrage unter Katholiken und zwei Bischofs­
synoden muss der Papst zeigen: Welche Kompe‑
tenz hat Rom noch für das Leben in den freien
Gesellschaften? Denn es ist doch so: In der Liebe
fragen die Christen erst mal nicht nach der Kir‑
che. Sie lieben, wen sie wollen und wie es ihnen
passt. Aber wenn es ernst wird in Beziehungsfra‑
gen, also bei den Kasualien Hochzeit, Taufe,
Tod, sind die Kirchen weiterhin gefragt.
Was Franziskus im Detail schreibt, war bei
Redaktionsschluss der ZEIT noch nicht bekannt.
Sein härtester interner Widersacher, der ameri‑
kanische Kardinal Raymond Burke, hat die­
Lehre auf die übliche Art der Reaktionäre ver‑
teidigt, indem er die moderne Kultur als »zutiefst
verwirrt und im Irrtum« beschimpfte. Vor einer
prominenten Versammlung von Klerikern
sprach er eine Stunde lang über die »fundamen‑
Der Papst wird erst recht zu jenen
tale Wahrheit der Ehe«, ohne das Wort Liebe
stehen, die an der Ehe scheitern
auch nur einmal zu verwenden. Der Papst sei‑
Leider halten sich die meisten Kirchenmitglieder nerseits wird die Ehe zwar hochhalten, aber erst
längst nicht mehr an diese Verbote, ja empfinden recht zu jenen stehen, die an ihr scheitern. Er
sie als Zumutung. Neu ist nun, dass der Papst, findet, das Christentum sei nicht für die Sieger,
statt darüber zu lamentieren, immer wieder for‑ sondern für die »Sünder« da. Kürzlich hat er be‑
dert: Darauf müssen wir reagieren, aber nicht kannt, sein Lieblingsvers in der Bibel laute: »Wer
dogmatisch, sondern lebensklug. Die Kirche ist von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!«
Wenn seine Kirche Glück hat, macht Franzis‑
nicht für die Lehre, sondern für die Leute da. Sie
soll nicht strafen, sondern helfen. Das heißt auch kus sie mit seinem Papier ein Stück glaubwürdi‑
bei Scheidung, Verhütung und sogar Abtrei‑ ger. In die hitzigen Kirchenkämpfe hinein, wie
sie derzeit etwa in Polen zwischen Abtreibungs‑
bung: Wer bin ich, andere zu verurteilen?
Diesen Satz verwendet Franziskus mit Vor­ gegnern und -befürwortern toben, könnte er mit
liebe, und diese Haltung empfiehlt er seinen­ unerbittlicher Freundlichkeit sagen: Liebe Pries‑
Bischöfen und Priestern. Für alle, die das noch ter, die Lehre ist nicht unser Kerngeschäft. Des‑
immer verwirrend finden, erscheint am Freitag halb geht es mir nicht darum, die Lehre zu än‑
eine Apostolische Exhortation mit dem Titel dern. Wir wollen nicht überwachen und strafen.
Amoris Laetitia – »Die Freude der Liebe«. Es ist Wir brauchen keine neuen Vorschriften, sondern
das dritte wegweisende Papst-Papier des Jorge »Freude der Liebe«. Den Rest entscheidet selbst.
Mario Bergoglio und dürfte genauso viel Rumor
machen wie die grüne Enzyklika Laudato si’ und
www.zeit.de/audio
as weiß ein Papst schon von
der Liebe? Nicht nur von der
idealen Liebe zu Gott und
der gebotenen zum Nächs‑
ten, sondern auch von der
realen in der Familie und der
romantischen zwischen Verliebten? Der amtieren‑
de Papst weiß immerhin dies: dass sich die Liebe
nicht nach dem kirchlichen Lehramt richtet und
dass es der Kirche schadet, so zu tun, als läge das
nur an der Verstocktheit der Menschen. Deshalb
hat er am Anfang seines Pontifikats eine Katholi‑
kin in Argentinien angerufen, die von ihrem Ge‑
meindepriester nicht zum Abendmahl zugelassen
wurde, weil sie einen geschiedenen Mann gehei‑
ratet hatte. Franziskus gab ihr den praktischen Rat,
diesen Priester zu ignorieren und sich eine andere,
menschenfreundlichere Gemeinde zu suchen.
Das war ziemlich unorthodox für ein Kir‑
chenoberhaupt, das nach katholischem Ver‑
ständnis selbst das Lehramt verkörpert. Man
könnte auch sagen, und das tun die konservati‑
ven Kritiker dieses Papstes permanent: Da hat er
wieder Verwirrung gestiftet! Hat er? Tatsächlich
gilt für Katholiken die kirchenoffizielle Regel,
wonach Geschiedene von der Kommunion aus‑
geschlossen sind. Ebenso gelten Pillenverbot,
Abtreibungsverbot, und schwuler Sex ist schwere
Sünde (um nur die Reizthemen aufzuzählen).
PROMINENT IGNORIERT
Gnade vor Recht
Die 46-jährige Thüringerin, die
wegen ihrer Weigerung, Rund‑
funkgebühren zu zahlen, zu einer
Beugehaft verurteilt worden war
und in der Justizvollzugsanstalt
Chemnitz einsaß, ist jetzt auf Be‑
treiben des MDR, der offenbar um
seinen Ruf fürchtete, freigelassen
worden. Der Fall könnte zum Vor‑
bild werden. Die öffentlich-recht‑
lichen Anstalten haben derzeit
rund zwei Millionen Zwangsvoll‑
streckungen beantragt.
GRN.
Kleine Bilder (v. o.): 1972 Tison/Taylor, Copyright
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