- 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

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SektionSoziologischeTheorie
Ethnos, Demos, Populus –
In was sollen oder können Migranten „integriert“ werden?
(Organisatoren: J. Renn / R. Schützeichel / T. Kron)
Die Sektionsveranstaltung widmet sich der theoretischen Frage nach den abgrenzenden,
identifizierenden Kriterien, Faktoren bzw. nach den institutionellen, systemischen und symbolischen Ressourcen, die für die vermeintliche Einheit eines politischen Gemeinwesens
konstitutiv sind. Den empirischen Anlass und Spezifikationspunkt liefert die aktuelle Diskussion über die von vielen Seiten angemahnte und zugleich als problematisch und überfordernd empfundene „Integration“ von Flüchtlingen und Arbeitsmigranten in die Europäische
Union bzw. in ihre Mitgliedsstaaten.
Ein zentraler theoretischer Bezugspunkt besteht im Problem der Bestimmung der Grundgesamtheit politischer Gemeinwesen. Dieses lässt sich nach dem Ende der Exklusivzuständigkeit des Nationalstaats und vor allem in Europa durch den forcierten Übergang in ein politisches Mehr-Ebenen-System nicht mehr umstandslos als institutionelle Vergegenständlichung
einer vorpolitischen Gemeinschaft (Ethnos) durch die verrechtlichte Selbsteinwirkungsinstanz des Staates (demos) mit Effekten für die Integration der Gesamtheit privater Staatsbürger (Populus) verstehen.
Indiz für diese konzeptuelle Kontingenz ist die Akzentverschiebung, bei der die nicht nur
systemtheoretisch vorgetragene Formel, ein politisches System (plus anhängender Gemeinschaft) definiere sich durch die „kollektiv bindende Entscheidung“, Rückfragen nach der
Beschaffenheit und Konstitution des hierbei gebundenen „Kollektivs“ provoziert. Bindet
oder konstituiert eine politische Entscheidung ein Kollektiv? Entspricht diesem durch Bindung konstituierten Kollektiv eine praktisch-reale Gruppenbildung oder ist dies eine notwendige symbolische Fiktion? Welche Rolle spielen symbolisch dichte „Identitäten“ bzw.
„Praktiken“ für die Integration (sprich Abschließung) politischer „Gemeinwesen“ in Zeiten
post-nationalstaatlicher Weltvergesellschaftung, globaler Wirtschaft, de-territorialisierter
kultureller Milieubildung und transnationaler Rechtsschöpfung?
Was oder wer und wie ist, was oder wer bildet wie, was oder wer reproduziert wie also die
Grenzen der vermeintlichen Einheit (kultureller, ökonomischer, rechtlicher, womöglich religiös-kultischer Übereinstimmung) des „politischen Gemeinwesens“, in das Flüchtlinge bzw.
Migranten „hinein“ integriert werden könnten? Muss man dabei eine asymmetrische Verteilung von Gestaltungsbefugnissen zu Gunsten der so genannten „Aufnahme-Gesellschaft“
unterstellen? Lassen sich die Effekte der durch Migration und Inklusion, aber auch durch
Xenophobie und soziale Schließung erzeugten Heterogenisierung der Grundgesamtheit politischer Gemeinwesen z.B. praxeologisch im Sinne eines „doing politics“ und „doing identy“
analysieren? Oder liefert die Theorie der „funktionalen Differenzierung“ sachlichsystematische Gründe für Entwarnungen, sofern sie die psychisch aufreizende und politisch
motivierte Unterstellung der Dringlichkeit einer Debatte um „Leitkulturen“ als symboli-
schen Nebel über den ruhigen Wassern politischer Integration in der „Sachdimension“ entzaubern kann? Bietet demgegenüber die normative Theorie der Demokratie im Verbund mit
soziologischen Analysen demokratischer Institutionen und Prozesse Schlüssel zur Einschätzung der Kriterien „gelungener Integration“?
Es würden Beiträge eingeladen, die sich der theoretischen Debatte „politischer“ Integration
aus denkbar unterschiedlichen Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der
mehrdimensionalen Schließungsprozesse im Zusammenhang mit der Flüchtlings- und Migrationsthematik annehmen.
Die mindestens 5-Seitigen Einreichungen sind bitte per Email (im pdf-Format) bis zum
08.04.2016 zu richten an [email protected].