Steuerreform: Erfolge und offene Fragen

Ihre Gesprächspartner:
Dr. Johann Kalliauer
Präsident der AK Oberösterreich
Dr. Josef Moser, MBA
Direktor der AK Oberösterreich
Steuerreform: Erfolge und offene Fragen
Pressekonferenz
am Mittwoch, 18. März 2015, um 10 Uhr,
in der AK Linz
Lohnsteuersenkung ist ein großer Erfolg Forderung nach Millionärssteuer bleibt aufrecht
Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat die Steuerreformpläne der Regierung
einer kritischen Analyse unterzogen. Volle Zustimmung findet die Tarifreform
bei der Lohnsteuer – ein großer Erfolg von AK und ÖGB, die diese Reform gefordert und durchgesetzt haben. Die Lohnsteuerreform kommt angesichts der (noch)
schwachen Wirtschaftsentwicklung genau zur richtigen Zeit. Die durch die Steuerentlastung erhöhte Kaufkraft nutzt den Arbeitnehmern/-innen und stimuliert
über den Mehr-Konsum zugleich die Wirtschaft. Bei der Gegenfinanzierung gibt
es aber einige offene Fragen und auch die Forderung nach höheren Steuerbeiträgen der Reichen bleibt nach wie vor auf der Agenda der AK OÖ.
Lohnsteuersenkung ist ein Erfolg von AK und ÖGB
Der beabsichtigte Steuertarif und das Entlastungsvolumen sind ganz klar zu begrüßen. Besonders positiv sind die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf
25 Prozent, die Erhöhung des Arbeitnehmer- bzw. Verkehrsabsetzbetrages und die
Erhöhung der sogenannten Negativsteuer (Steuergutschrift) für Geringverdienende von 110 auf 400 Euro bzw. ihre Neu-Einführung für Pensionisten/-innen in
Höhe von 110 Euro. Auch die geplante Einführung einer automatischen Arbeitnehmerveranlagung – ohne dass man eine Steuererklärung abgeben muss – ist
begrüßenswert.
84 Prozent des Entlastungsvolumens kommen Arbeitnehmern/-innen mit einer
jährlichen Steuerbemessungsgrundlage von bis zu 45.000 Euro pro Jahr zu Gute –
das entspricht einem Monatseinkommen von bis zu rund 4600 Euro.
Das Ausmaß der Entlastungen wird für die Arbeitnehmer/-innen deutlich spürbar
sein, während sie von den Gegenfinanzierungen kaum betroffen sind.
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Verteilung des Steuer-Entlastungsvolumens
mit automatischer Veranlagung
Steuerbemes-
Anteil am Entlas-
summierte Entlas-
tungsvolumen:
tungsanteile:
11.000 €
9%
9%
20.000 €
21%
30%
30.000 €
31%
61%
45.000 €
23%
84%
60.000 €
8%
92%
80.000 €
4%
96%
100.000 €
2%
98%
darüber
2%
100%
sungs-grundlage*
bis
100%
*12 Brutto-Monatseinkommen abzüglich Sozialversicherungsbeiträge
Gegen-Finanzierung der Steuerreform
Anteile in Millionen Euro und in Prozent
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Es ist positiv, dass bestimmte, im Vorfeld diskutierte Maßnahmen nun nicht umgesetzt werden – etwa die diversen Streichungen von Lohnsteuerbegünstigungen
oder die generelle Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes bzw. seine
Streichung für bestimmte Leistungen (Kultur etc.)
Demgegenüber finden sich aber auch Teile in der Gegenfinanzierung, die von den
Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen getragen werden müssen. Darunter fallen
die Einschränkung der Mehrwertsteuer-Ermäßigungen in einer Gesamthöhe von
250 Millionen Euro (diese trifft natürlich auch ausländische Touristen in Österreich), die Streichung der Steuerabsetzmöglichkeit sogenannter TopfSonderausgaben in Höhe von 430 Millionen Euro (bei voller Wirksamkeit) und
die Erhöhung des Sachbezugswertes für die Privatnutzung von bestimmten Firmen-Pkw mit 50 Millionen Euro. Das summiert sich auf insgesamt 730 Millionen
Euro, also auf etwa 14 Prozent des Gesamtvolumens.
Bei der Streichung der Steuerabsetzmöglichkeit von Sonderausgaben (für Personenversicherungen sowie Wohnraumbeschaffung bzw. –sanierung) gibt es eine
Auslaufzeit von fünf Jahren bei bestehenden Verträgen. Die Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 10 auf 13 Prozent für bestimmte Waren und
Leistungen wirkt sich relativ gering aus, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Steuerreform-Beispiele:
Beispiel 1: Monatsbrutto 1.500,-- Euro
(= mittleres Einkommen einer Arbeitnehmerin in Oberösterreich)
Entlastung durch Tarifänderung /Jahr
485 €
Belastung durch Streichung Sonderausgaben / Jahr
133 €
geschätzte Belastung durch höhere Mehrwertsteuer /
Jahr
Gesamtentlastung im Beispiel (Saldo)
14 €
338 €
Anm.: bei den Sonderausgaben wurde eine Ausschöpfung zur Hälfte des möglichen Maximalbetrags
in Höhe von 2920 Euro angenommen. Von dem Betrag wurde bisher steuerlich ein Viertel berücksichtigt. Bei einer bisher vollen Ausschöpfung in Höhe des Maximalbetrags wäre die Maximalbelas-
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tung 266 Euro. Basis für die Mehrwertsteuer-Schätzung ist die Konsumerhebung von Statistik Austria. Quelle für den Einkommenswert ist die GKK OÖ-Beitragsgrundlagenstatistik
Handelt es sich bei obiger Einkommensbezieherin um eine Alleinverdienerin mit
zwei Kindern, die die Sonderausgabenhöchstbeträge zur Hälfte des möglichen
Maximalbetrages von 5840 Euro im Jahr (die zu einem Viertel absetzbar waren)
ausgeschöpft hat, ergibt sich eine Gesamt-Entlastung von 267 Euro pro Jahr. Bei
einer Alleinverdienerin mit drei Kindern würde die Entlastung (Annahme: Sonderausgabenhöchstbeträge von 7300 Euro pro Jahr zur Hälfte ausgeschöpft) 230
Euro im Jahr betragen. Bei diesen Entlastungsbeträgen ist die Wirkung der höheren Kinderfreibeträge bereits berücksichtigt.
Beispiel 2: Monatsbrutto 3.800,-- Euro
(= mittleres Gehalt eines männlichen Angestellten im Maschinenbau, Oberösterreich)
Entlastung durch Tarifänderung / Jahr
1.533 €
Belastung durch Streichung Sonderausgaben / Jahr
Belastung durch höheren Sachbezug bei Privat-Nutzung FirmenPKW / Jahr
geschätzte Belastung durch höhere Mehrwertsteuer / Jahr
Gesamtentlastung im Beispiel (Saldo)
158 €
506 €
36 €
833 €
Anm.: bei den Sonderausgaben wurde eine Ausschöpfung zur Hälfte des möglichen Maximalbetrags
von 2920 Euro angenommen. Von dem Betrag wurde bisher steuerlich ein Viertel berücksichtigt.
Bei einer bisher vollen Ausschöpfung in Höhe des Maximalbetrags wäre die Maximalbelastung 316
Euro. Beim Dienstwagen wurde ein Anschaffungswert von 22.000 Euro angenommen. Basis für die
Mehrwertsteuer-Schätzung ist die Konsumerhebung von Statistik Austria. Quelle für den Einkommenswert ist die GKK OÖ-Beitragsgrundlagenstatistik.
Handelt es sich hierbei um einen Alleinverdiener mit mehreren Kindern, der die
Sonderausgabenhöchstbeträge (maximal 5840 Euro bzw. 7300 Euro siehe Beispiel
1) zur Hälfte ausschöpft und einen Firmen-PKW privat nutzt, ist die GesamtEntlastung mit 855 Euro pro Jahr ähnlich hoch. Die höheren Kinderfreibeträge
sind dabei jeweils berücksichtigt.
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Die geplanten Änderungen bei der Grunderwerbsteuer betreffen Besitzer/-innen
von Eigenheimen und Eigentumswohnungen, die diese ihren Kindern schenken
oder vererben. Es handelt sich dabei um eine einmalige Steuer bei der Übertragung von einer Generation auf die nächste: Bei dem derzeit gültigen dreifachen
Einheitswert (120.000 Euro) betrug die Steuer bisher 2400 Euro. Hat diese Immobilie einen Verkehrswert von 400.000 Euro, wird die Steuer zukünftig 4250 Euro
betragen.
Licht und Schatten bei der Gegenfinanzierung
Die AK OÖ kritisiert, dass keine Einigung auf eine „Millionärssteuer“ oder eine
Erbschafts- und Schenkungssteuer mit großzügigen Freibeträgen zustande gekommen ist. Diese Steuern werden weiterhin auf unserer Agenda bleiben. Die an
ihrer Stelle vorgesehene Erhöhung der Kapitalertragssteuern - ausgenommen
Sparbuchzinsen – wird ein Volumen von 150 Millionen Euro bringen.
Zum Vergleich: AK und ÖGB haben zusätzliche – „echte“ – Vermögenssteuern in
Höhe von zwei Milliarden Euro gefordert!
Bei den vereinbarten Maßnahmen zur Gegenfinanzierung werden aber auch wichtige Akzente – wie die verstärkte Bekämpfung des Steuerbetruges – gesetzt. Allerdings gibt es auch zahlreiche Unsicherheiten: So ist etwa noch keine Präzisierung
zu den Einsparungen in der Verwaltung und bei den Förderungen bekannt!
Zumindest erste Ansätze für vermögensbezogene Steuern
•
Neben der Erhöhung der Kapitalertragssteuern (mit einem geplanten Volumen von 150 Millionen) sollen die Änderungen bei der Grunderwerbsteuer 35 Millionen Euro einbringen. Als neue Bemessungsgrundlage wird
bei unentgeltlichem Übergang (im Wege einer Erbschaft oder Schenkung)
künftig der Verkehrswert anstatt des dreifachen Einheitswerts herangezogen, was die AK OÖ als Fortschritt betrachtet. Bei der Landwirtschaft
bleibt wie bisher der einfache Einheitswert bestehen. Die Absenkung des
Grenzsteuer-Satzes bei Werten unter 250.000 Euro wird begrüßt.
•
Die Erhöhung der Immobilienertragsteuer von 25 auf 30 Prozent (für
Zweit- und Drittwohnsitze) soll 115 Millionen erbringen.
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Bei Betrugsbekämpfung steht der Finanzminister in der Pflicht
Durch die verstärkte Betrugsbekämpfung sollen insgesamt 1,9 Milliarden Euro
hereinkommen. Ein wichtiger Schritt für mehr Steuergerechtigkeit! Die Berechnungen wurden vom Finanzminister gemacht, wir gehen also davon aus, dass er
hier weiß, wovon er spricht.
•
Die Verpflichtung zu manipulationssicheren Registrierkassen und die
Pflicht, einen Beleg auszustellen, sollen ca. 900 Millionen Euro erbringen.
Diese wichtige Maßnahme darf nicht durch eine Vielzahl von Ausnahmen
ausgehöhlt werden.
•
Außerdem sollen der grenzüberschreitende Mehrwertsteuer- und Mineralölsteuerbetrug (100 Millionen Euro) und der Sozialbetrug durch Scheinfirmen (200 Millionen Euro) stärker bekämpft werden.
•
700 Millionen Euro sollen mehr eingenommen werden, indem das Finanzamt bei Betriebsprüfungen von Unternehmen auf Bankkonten zugreifen darf. Das ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung Aufhebung des
Bankgeheimnisses, um Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen.
Diese Maßnahmen erfordern verstärkte Prüfungstätigkeiten. Die budgetierten
Mehreinnahmen sind daher nur durch personelle Aufstockung der Finanzämter
zu erreichen. Das wird schon lange von der AK OÖ vehement gefordert.
Ja zu Verwaltungsreformen – Nein zu Leistungskürzungen
Durch Einsparungen bei der Verwaltung und bei Förderungen sollen 1,1 Milliarden Euro hereinkommen, zu einem Drittel bei den Ländern. Darunter kann Vieles
fallen, konkrete Maßnahmen sind noch nicht angeführt.
Vorhandene Effizienzpotenziale in der Verwaltung sollen natürlich genützt werden. Aber unter dem Vorwand von „Reformen“ dürfen nicht die Leistungen für
die Bevölkerung eingeschränkt werden. Dies trifft auch auf Förderungen für Sozial-, Kultur-, Sport- und andere Vereine zu, wo Förderungskürzungen ebenfalls zu
Leistungseinschränkungen führen würden.
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Zu den berechneten Selbstfinanzierungseffekten in Höhe von 850 Millionen Euro
wird es nur kommen, wenn nicht durch versteckte Maßnahmen die nun entlasteten Arbeitnehmer/-innen wieder zur Kasse gebeten werden.
Die gesamte Gegenfinanzierungs-Rechnung birgt durchaus noch relevante Unsicherheiten. Es besteht die Gefahr, dass durch zu optimistisch angesetzte Zahlen bei
der Betrugsbekämpfung und bei den „Einsparungen“ Geld im Budget fehlen
wird. Verstärkt werden könnte das Problem durch schwächere Steuereinnahmen
aufgrund der schlechten Konjunkturentwicklung.
Bei zukünftigen budgetären Erfordernissen – etwa wenn sich die geplante Gegenfinanzierung der Steuerreform als nicht ausreichend erweist - müssen daher die
Millionärssteuer und eine reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer mit großzügigen Freibeträgen wieder auf der Agenda stehen!
Weitere Forderungen der AK OÖ:
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Das Paket muss wie vereinbart umgesetzt werden. Nachträgliche Aufweichungen im anstehenden Gesetzeswerdungsprozess sind nicht tolerierbar.
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Mehr Personal für eine effektive Umsetzung der Betrugsbekämpfung.
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Bei der Konkretisierung von bisher allgemein formulierten Gegenfinanzierungen darf die Bevölkerung nicht über den Umweg von Leistungskürzungen zur Kasse gebeten werden.
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Die Pendlerpauschale muss grundlegend reformiert werden.
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